Melodiediktat - Grundtonbezug oder Atonales hören

ginod
ginod
Helpful & Friendly User
HFU
Zuletzt hier
02.04.24
Registriert
10.03.04
Beiträge
1.654
Kekse
6.845
Ort
Osnabrück
Hallo Forenfreunde,

Ich bin momentan daran wieder ein bisschen Melodiediktat zu üben und stehe vor einer grundsätzlichen Frage was das üben angeht.

Die Frage richtet sich am besten an Leute, welche Schwierigkeiten mit Gehörbildung hatten, diese Schwierigkeiten aber bezwungen habe.
Jemand der nie mit so etwas Probleme hatte kann mir wohl eher weniger weiterhelfen.

Es geht darum wie man am besten bei einem Melodiediktat vorgeht.

Bei einem Melodiediktat, welches sich in einem klaren Tonraum aufhält (z. B. Dur, dorisch etc.) habe ich meistens einen Bezug zum tonalen Zentrum aufgebaut. Sprich ich habe versucht jeden Ton in Bezug zum Grundton zu hören.

Ich frage mich allerdings jetzt ob dies nicht eine Sackgasse ist. Im Prinzip höre ich bei dieser Methode nicht in Intervallen sondern in Stufen - Sprich ich zähle im Kopf die einzelnen Stufen bzw. die Tonleiter rauf und runter.

Bei einem Atonalen oder bei einem Diktat mit viel chromatik stoße ich dabei stark auf meine Grenzen. Nun überlege ich ob es nicht sinnvoller wäre wirklich jeden Ton nicht in einem Tonalen Bezug zu hören, sondern einfach das pure Intervall.

Hierbei komme ich an den Punkt, dass sich beim Hören bei mir eine Art Schizophrenie einstellt. Ich versuche also zu 2 verschiedenen Tönen zu hören - einmal in Bezug zum Grundton (oder den Anfangston) und dem puren Intervall.
Nun stehe ich vor der Frage ob es sich lohnt das Grundtongefühl auszublenden um das pure Intervalle nur zu filtern.

Sprich ich versuche mein Grundtonempfinden abzutrainieren um das Intervall als solches zu erkennen.

Kann das hilfreich sein? oder wirkt sich das eher kontraproduktiv aus. Momentan habe ich eher das Gefühl, dass mein tonales empfinden bzw. mein Grundtondenken, mich behindert . Lieber würde ich einfach das pure Intervall sofort erkennen


Hoffe jemand kann mir weiterhelfen


PS - Intervalle kann ich in allen Varianten hören (suksessiv, horizontal etc.) - Beim Melodiediktat hilft mir das trotzdem nicht viel
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber würde ich einfach das pure Intervall sofort erkennen
Ich persönlich halte atonale Melodiediktate für überbewertet. Wozu soll das denn gut sein? Wann brauche ich das in einem "echten" musikalischen Kontext?
Unser Hirn funktioniert so nicht. Ich höre eine Melodie nicht als Folge von Intervallen. Auch nicht wenn sie chromatisch ist, oder moduliert. Schon garnicht wenn eine Basslinie darunter liegt, was in 90% der Fälle zutrifft.

Mein Rat: behalte dir deinen Grundttonbezug. Das ist die musikalischere und anwendungsbezogene Art zu hören.
 
Detto.

Andere müssen schwer kämpfen, um sich die Grundtonorientierung zu erarbeiten. Wenn Du Dir die also schon angewöhnt hast, dann bleib bloß dabei. Ich kann nicht beurteilen, wie sich grundtonorientiertes Hören so einem Melodiediktat unter Laborbedingungen eventuell negativ auswirken könnte .... aber ich kann beurteilen, wie sich das Gegenteil, nämlich pures Intervallhören, negativ in der freien Wildbahn des realen Musikmachens auswirkt. Schlimmstens nämlich.


Es gibt schon Situationen, in denen es vorteilhaft sein kann, den Grundton ausblenden zu können ... aber das sind sehr sehr wenige, und die stehen in keiner Relation zum VORTEIL des Grundtonhörens in allen halbwegs "normalen und traditionellen" Musik-Umgebungen ...

Nur meine Meinung.

LG - Thomas
 
Hierbei komme ich an den Punkt, dass sich beim Hören bei mir eine Art Schizophrenie einstellt. Ich versuche also zu 2 verschiedenen Tönen zu hören - einmal in Bezug zum Grundton (oder den Anfangston) und dem puren Intervall.
Könnte man die Schizophrenie nicht ausbauen, also üben, so daß man beides gleichzeitig kann? In etwas so: den Grundton in irgendeinem hinteren Eck der Erinnerung aufbewahren, während man die Intervalle hört.

Ich persönlich halte atonale Melodiediktate für überbewertet. Wozu soll das denn gut sein? Wann brauche ich das in einem "echten" musikalischen Kontext?
Z.B. bei Schönberg oder Webern?

Viele Grüße,
McCoy
 
Ich persönlich halte atonale Melodiediktate für überbewertet. Wozu soll das denn gut sein? Wann brauche ich das in einem "echten" musikalischen Kontext?

Im Lehramtsstudium haben wir im Fach Gehörbildung aus dem Buch "Modu Novus" von Ecklund (?) gesungen, um möglichst Intervalle als Eigenwert kennenzulernen und nicht in Bezug zu einem tonalen Grundton zu hören. Gebraucht haben wir es dann im Fach Chorleitung, um z.B. die atonalen Stücke aus "Chor aktuell" (in Schulen recht verbreitet) zu singen bzw. zu dirigieren und zu beherrschen.

Aber ich stimme dir in der Tendenz zu: die Einsatzmöglichkeiten sind arg begrenzt.

Harald
 
Dein Ansatz ist mit Mehraufwand verbunden: Du wirst erkennen, dass eine verminderte Quarte anders als eine große Terz klingt. Wenn du also große Terzen absolut hören kannst, heißt das nicht, dass du verminderte Quarten hören kannst.
Bsp:
Gr.3: d-: f und a.
Verm.4: d-: cis und f.

Zudem möchte ich meinen Vorrednern mit einem weiteren Aspekt beipflichten. Atonalität wird zu 90% falsch diagnostiziert, sprich: Sehr oft stecken in vermeintlich atonalen Kontexten tonale Implikationen. Wozu atonales Hören, wenn es kaum Atonalität gibt? Wozu das (dringend schulungsbedürftige) tonale Hören verkommen lassen?
 
das stimmt wohl. Nach meiner Überlegung wäre es so, dass man bei jedem Ton des Diktates - diesen als tonales Zentrum wahr nimmt. Im Prinzip ist wohl das tonale hören da durch aus sinnvoller.

Noch was anderes - Mir passiert es oft das ich bei einem Melodiediktat in C-Dur manchmal nicht C-Dur als tonales Zentrum wahr nehmen kann weil die Melodie keine Leittöne hat oder eher im lokrischen, phrygischen oder anderen Modi rumeiert.
Macht es da sinn sich die Tonika C wirklich zu suchen oder sollte man da eher auf den jeweiligen Mode umstellen? Hierzu müsste ich natürlich verstärkt Melodiediktat in sämtlichen Modi üben.
Bisher habe ich da eher versucht mein C immer wieder zu finden
 
Solange keine Modulation stattfindet, solltest du es auf die aktuelle Tonart (hier: C-Dur) beziehen. Mir hat Frank Sikoras Herangehensweise damals sehr geholfen: Melodien auf Zahlen singen. In C-Dur wäre C die 1, G die 5, H die 7, etc.
Das erfordert, dass du Zahlenkombinationen Akkorden zuordnen kannst. So bestehen IV. Stufen aus 4-6-8 (in C-Dur F-A-C). Dominantseptakkorde bestehen logischerweise immer aus 5-7-2-4, nicht etwa 1-3-5-7.
Damit bekommst du auch dein eben genanntes Problem in den Griff. Die Methode schult tonales Hören und das Zurechtfinden im Tonsystem so gut wie keine andere.
 
Ich schreibe mal mein anliegen hierzu, da es sich auch auf Melodiediktate bezieht:

Momentan mache ich den D3 Kurs - und da wird auch Gehörbildung abgefragt, drei Teile werden dort geprüft:

Rhythmusdiktat: Klappt (bin ja Schlagzeuger:rolleyes:)
Unterscheiden verschiedener Dreiklänge: Klappt (In D3 wird nur nach Dur/Moll gefragt:great:)
und eben das Melodiediktat (mit Rhythmus).

Dieses bereitet mir noch ein paar Probleme, wobei es eher nicht um das hören geht, sondern eher um meine eigene Herangehensweise. Ich weiß einfach nicht, worauf ich bei den einzelnen Hörphasen achten soll:
Ich habe ein gutes Musikgedächtnis - manchmal kann ich nach dem dritten Durchgang die Melodie mitsingen - und damit habe ich dann auch gewonnen, weil ich alle Zeit habe, mir die richtigen Töne im Kopf zu erarbeiten. Ich habe mir schon öfters überlegt, einfach die Melodie dreimal zu hören, und mich beim hören darauf konzentriere, die Melodie im Kopf nachspielen zu können. Um dies in der Prüfung anzuwenden, muss ich dann natürlich noch mein Musikgedächtnis ein wenig mehr trainieren - das kann nämlich auch bitter in die Hose gehen.
Zweite Möglichkeit wäre es, die Gehörbildung so weiter zu entwickeln, sodass das schnelle Erkennen einfach besser wird. Die Übungsmethode mit den Zahlen werde ich auf jeden Fall mal ausprobieren!

Irgendwie habe ich einfach das Problem, noch keine wirkliche Strategie für die Prüfungssituation. Ich weiß einfach nicht, wie ich an die Aufgaben ran gehen soll. In den bisherigen Übungen habe ich einfach immer so ein alles oder nichts Ergebnis. Entweder das Stück liegt mir, und ich finde es recht einfach oder das Stück liegt mir so gar nicht und ich weiß nicht wie ich anfangen soll - bei diesen Stücken bin ich nach dem ersten hören meist so überfordert, dass ich alles wieder vergessen hab und so bestenfalls mit nur zwei Wiederholungen klar kommen muss.

Mich würde es einfach mal Interessieren, wie ihr an ein solches Diktat herangeht...
 
Danke für den Beitrag - irgendwie ist er mir beim suchen durch die Finger gegangen....der gehört auf jeden Fall gepinnt!! :great:
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben