Schaden an Hals / Griffbrett

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Ich habe kürzlich eine gebrauchte Geige gekauft, wissend das diese nicht mängelfrei ist. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen, das gute Stück lag nach Aussage des Vorbesitzers gut 30 Jahre in der Ecke und bereits uneingespielt entwickelt das Gerät wirklich einen kraftvollen Klang.

Saiten habe ich frisch aufgezogen, ich gehe davon aus, dass ich einen neuen Steg brauche, auch mit den Wirbeln muss etwas gearbeitet werden. Sorge bereitet mir der gesamte Hals, welcher wie auch das Griffbrett über einige Kerben verfügt, welche dann beim Spiel schon sehr ungewohnt sind. Ich habe mal ein paar Fotos gemacht, frage mich derzeit, ob das in Eigenregie machbar ist, lässt sich sowas wegschmirgeln :eek: ???

stolzig01.jpgstolzig02.jpgstolzig03.jpg
 
Eigenschaft
 
Das Griffbrett kann man abziehen lassen. Ich würd das allerdings den Geigenbauer machen lassen.
Die Kerben im Hals würden mich nicht stören. Zu einem alten Instrument gehören solche 'Macken' für mich einfach dazu.
Ansonsten finde ich die geige sehr schön. Wenn sie dann noch super klingt, hast du wohl einen echten Glücksgriff getan!
 
Hallo,
ersteinmal: Gratulation zur neuen Geige.
Ich bin ja kein Geigenbauer und lasse solche Arbeiten nur GB´s machen.
Für mich schauts so aus, als wenn die Geige früher nicht gerade fachgerecht restauriert wurde. Einen solchen "Keil" zwischen Griffbrett und Hals habe ich aber schon einmal gesehen. Lt. Besitzer dieser Geige berührte damals das Griffbrett (fast?) den Korpus; deshalb kam der "Keil" auf den Hals.
Was auffällt ist die recht unsaubere Verleimung an dieser Stelle, ich denke, dass das spürbar sein müsste. Das würde mich nerven.

Wie schaut denn das Griffbrett aus? Das hat auch solche "Kampfspuren? Wenn diese Kerben nicht zu tief sind, kann man es abziehen (lassen), wie Tahra schon schrieb. Wenn die Kerben zu tief sind, müsste ein neues Griffbrett rauf, ein neuer Sattel dann wohl auch.
Ich kann dein handwerkliches Geschick nicht einschätzen. Ich persönlich ließe das den GB machen.
Bin ja gespannt, was fiddle dazu zu sagen hat.

robbert
Ach so, hast du noch mehr Infos über die Geige?
 
Mit dem Kerben im Hals ist das so eine Sache: nimmt man die Geige frisch in die Hand, dann stören die Dinger ungemein, fotografisch nicht festzuhalten beim Spiel aber noch fieser: eine raue Stelle im Lack, dort wo der Damen in der dritten Lage am Hals anliegt und über die er drüber muss, wenn es mal in noch höhere Lagen geht - mir wird da oben ohnehin schnell schwindelig, und nun ist der Tritt auch auch noch rutschig. Nach ner Viertelstunde Gewöhnung geht dann aber alles, man gewöhnt sich da schnell dran.

Die Geige selbst hat eindeutig einen "Roma-Hintergrund", der Verkäufer hatte sie von seinem Vater geerbt. In der Geige ist kein Zettel, dafür aber in krakeliger blauer Schrift eingetragen : "ANIK 1893 NEIU IORDA??L". Sie hat eine markant goldgelbe Farbe, außergewöhnliche Maserung, die Unterseite ist aus einem Stück, die Zargen sind mit einer eingearbeiteten Verzierung. Ich bin selbst gespannt, was Fiddle dazu sagt. Wie robbert schon sagt, da sind einige Reparaturen recht grob vorgenommen worden, die Grundsubstanz war mal sehr fein gearbeitet, es finden sich trotzdem Stellen am Instrument, die wie ein Provisorium wirken. Insbesondere der Übergang vom Hals zum Korpus hat wohl schon was mitgemacht, die "Innenseite" ist eher grob gearrbeitet, aussen ist hingegen ein Nagel zu erkennen. Das F-Loch auf der Diskantseite ist übrigens bemerkenswert: die Holzdecke steht auf der einen Seite deutlich über, es ergibt sich keine durchgehende Linie, vielmehr wirkt es so, als habe der Schall hier einen besonders leichten Weg ins Freie. Ist mir so bei anderen Geigen noch nie aufgefallen.

Ich lad einfach noch ein paar Fotos hoch:stolzig04.jpgstolzig05.jpgstolzig06.jpgstolzig07.jpgstolzig08.jpg

Was den Klang angeht, bin ich noch unsicherer als gestern, habe den Eindruck, dass der Korpus sich ersteinmal wieder an die Saitenspannung gewöhnen muss, Nachstimmen ist alle 5 Minuten notwendig, die Klangfarbe variiert über das Ton- und Lautstärkesprektrum hinweg sehr stark, leere Saiten klingen harsch und insgesamt ist mir die Saitenlage entschieden zu hoch.

Hmmm, ob da ein Steg mit Piezo drankommt???
 
Hi,

zu den meisten Punkten wurde ja schon so einiges gesagt, mich interessiert hier allerdings die Schrift auf dem Boden :)
Meinst du, du bekommst eine Gesamtansicht davon hin bzw. in Teilen gestückelt?
Da du "Roma-Hintergrund" schreibst, könnte meine Vermutung passen, es handelt sich um Rumänisch.
Das erste Wort "anul" würde von der Form her zumindest gut passen, der (Vor-)Name "Nelu" auch.

MfG
 
Darf ich? ..sorry, wird n bischen deftig, gleich..

Aaalso: an dieser Geige stimmt so einiges nicht.

- der Steg wurde von jemanden gemacht, der leider keine Ahnung hat
- der Stimmstock drückt die f-Klappe heraus -> falsche Position und falsche Stellung
- das Griffbrett ist zu dünn und mit großer Wahrscheinlichkeit kein Ebenholz, oder schlecht abgelagertes..
- das Griffbrett hat sich verzogen und ist nicht konkav, sondern konvex (Mörder Saitenlage ab 3. aufwärts)
- der Halswinkel ist zu flach
- der Griffbrettkeil wurde von einem Amateur aufgepasst (sofern man hier von einer Passung reden kann)
- Scharten über Hals, Keil und Griffbrett stammen von diesem Täter
- der Obersattel entspricht der Qualität von Griffbrett, Keil und Steg.

Hier müße grundlegend etwas gemacht werden. Ich sehe einen nicht unerheblichen Aufwand, der
(aus meiner Sicht) nicht dem Instrumentenwert gerecht wird.
Die Geige stammt vermutlich aus Osteuropa, die Zeit könnte passen.
Markneukirchen und Schönbach scheiden aus - die haben anders gearbeitet. (besser)

Das Instrument kann man sicherlich in einen top-Zustand restaurieren,
aber das ist nichts für einen Amateur und billig wird es auch nicht.
(schöner wird es dadurch übrigens auch nicht, nur spielbar.)

Es gibt sicher noch ein paar andere "Baustellen", die nicht auf den Fotos sichtbar sind.

Von daher sage ich: unbedingt zum Geigenbauer und nach einem Kostenvoranschlag fragen.
Aber ganz ehrlich: ich sehe hier bereits einen Reparaturaufwand von > 400 Euro.
Das ist ne Geige von einem Bastler - das ist durch alle Teile hindurch gebastelt.
Nicht schön.

tut mir leid für das direkte Urteil (schönreden hilft auch nicht weiter)


cheers, fiddle

p.s. gut möglich, daß hier frei aufgeschachtelt wurde nach Markneukichener Tradition.
Zarge in Halsfuß eingelassen.. Macht die Geschichte nicht einfacher, wenn man hier
ran muß. Ich möcht garnicht wissen, wie die innen aussieht..
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich das auf dem dritten Foto richtig sehe hat diese Geige eine Ahorndecke , dementsprechend wird wohl auch der Rest ausfallen , hoffe Du hast nicht zu viel bezahlt ?
 
Das ist schon ne Fichtendecke.
Nur das finish gibts nachzulesen unter: total-verbeizt.com
 
Danke Fiddle, das haut mich nicht um, denn dass diese Geige im Halsbereich eine Vollkatastrophe darstellt, das war mir schon klar. Steg und Stimme waren bei mir ebenfalls schon auf dem Zettel. Das eigenartige an der Kiste ist nur: sie klingt nicht schlecht, hat Volumen und fiepst nicht. Dazu kommt - auch wenn dies Geschmacksache ist - sie sieht wirklich stark aus, das kommt auf den Fotos nicht so rüber. Und keine Sorge Ploppy, der Preis war trotz aller Schwierigkeiten angemessen.
 
Wenn ich überlege, wieviel Geld ich in all den Jahren in meine Geige gesteckt habe, kann es durchaus sein, dass dies den eigentlichen Wert der Geige übersteigt.
Andererseits habe ich mit der Geige aber auch eine ganze Menge verdient. Irgendwie ist die Geige ein Teil von mir und gehört einfach dazu. ....und wenn eines meiner Kinder krank ist, frage ich auch nicht, was es kostet, dass es wieder gesund wird.

Gerade bei Instrumenten spielen Emotionen eine große Rolle und manchmal trifft man Entscheidungen (wie in der Liebe), die aus wirtschaftlicher Sicht "unvernünftig" sind. Ich kann das durchaus verstehen. Stollenfiddler ist ja nicht über den Tisch gezogen worden, sondern hat sich für diese Geige entschieden, weil ihn da etwas ansprach.

So, und wie machst du nun weiter mit der Geige? Hast du schon einen Plan?

robbert
 
Zuletzt bearbeitet:
Keine Sorge, die Lust an dem Stück ist mir nicht vergangen. Wenn es nur darum ginge ein bestmögliches Preis-Leistungsverhältnis für eine A-Geige zu schaffen, dann wär dies klar der falsche Weg. Ich muss aber auch nichts übers Knie brechen - bereits jetzt ist sie mit Einschränkungen spielbar und hat bisher bei jedem Zuhörer im Blindtest gegen meine langjährige Begleiterin "gewonnen". Der nächste GB ist allerdings gut 80km entfernt, wenn ich mal wieder in der Ecke vorbeikomme, dann werde ich das Stück dort mal veranschlagen lassen. Ich habe es aber auch nicht eilig, die Geige hat den Weg zu mir gefunden, bei Zeiten findet sie auch den Weg zur Restauration. Vielleicht ist ihre Stärke aber auch einfach die außergewöhnliche Optik und sie möchte es sich einfach als Blickfang bei mir gemütlich machen. Ich bin selbst gespannt, wie es weitergeht...
 
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Wenn ich überlege, wieviel Geld ich in all den Jahren in meine Geige gesteckt habe, kann es durchaus sein, dass dies den eigentlichen Wert der Geige übersteigt.
Das ist eigentlich (in abgeschwächter Form) bei allen neuen Instrumenten notwendig, bis es an einen Musiker passt, wie eine zweite Haut.
Eine Geige ist, wenn sie fertig ist, erstmal ein rohes Instrument.
Wenn ein Geiger damit arbeitet und sie spielt, dann beginnt ein Prozess der Optimierung (in Zusammenarbeit mit einem Geigenbauer),
der in ausgereiftem Zustand eigentlich erst das eigentliche Instrument darstellt.

In einem Schuhladen bekomt man auch keine eingelaufenen Schuhe.

Je mehr Geiger ein Geigenbauer (oder Firma) ist, umso näher ist der "Rohling" an den Erwartungen des Geigers.
Es gibt tolle, neue Geigen, an denen leider noch viel gemacht werden muß - wo es sich auch lohnt, denn das Potential steckt drin!
Es gibt viele alte Geigen, an denen viele "alte Sünden" (teilweise bereits ab Fertigung) berichtigt werden müssen.
Es gibt einige Geigen, die sich, selbst nach enormen Aufwand, als Flop entpuppen.

Ich möchte das mal so beschreiben:
Es gibt ein gewisses Erfahrungspotential bei jedem Geigenbauer.
Was er da sieht und vermutet, ist oft ne Gefühls-Sache - aus dem Bauch raus - das kann ich euch nicht beschreiben..
..das hat was damit zu tun, daß man einfach viele Instrumente gesehen, gehört und in der Hand gehabt hat.
Wenn ein Geigenbauer nach 3 Minuten bereits sagt: "die wird nie richtig klingen", dann liegen 90% von jenen richtig.

In ein Instrument gehört etwas tuning (wie beim Auto).. rausholen, was drin steckt.
Hier haben die meisten durchaus einen Anspruch, der diesem Vergleich entspricht.
Nur braucht man dazu einen "tuner", der weiß, was er tut.


cheers, fiddle
 
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Im ersten Schritt hat die Geige nun einen neuen Steg bekommen. Der vorhandene war nichts anderes als ein Rohling ohne jegliche Behandlung. In Kumpels Rumpelkiste fand sich aber ein schmaler, niedriger Steg der tatsächlich ohne ernsthafte Anpassung prima passt. Die Saitenlage ist von "Katastrophe" auf "ungewöhnlich" reduziert, zumindest die 3. Lage ist nun ordentlich spielbar.

Vom Klang her war das ebenfalls ein großer Schritt, mittlerweile steckt sie meine geliebte rote Schülergeige locker in die Tasche - und am schief stehenden zu langen Stimmstock ist noch nichts verändert! Den würde ich nun eigentlich gerne mal "umkicken", hege die Hoffnung dass sich die Decke dann senkt. Gibt es dabei irgend etwas zu beachten - Saiten halb spannen, vielleicht nur die E-Saite?

Mit gesenkter Decke (wie lange das wohl dauert?) würde ich dann zum GB, neue Stimme einrichten, dazu noch neues Griffbrett und Obersattel, eventuell noch ein weiteres Loch in den A-Wirbel, dort gibt es ein Problem mit Loch und Wirbelkasten.
 
Das mit der Halbspannung, oder noch etwas weniger vielleicht, halte ich für keine schlechte Idee. Je nachdem, um wieviel zu stramm die Stimme eingestellt ist, und wie dünn das Holz am F-Lochlappen ist, könnte bei plötzlichem Wegfall des kompletten Gegendruckes (Steg und Saiten ganz weg) auf die Decke eventuell ein Riss im Lappen durch die Stimme entstehen. Oder sagen wir mal, ich könnte es mir vorstellen. Und bei vollem Saitenzug ist´s eh nicht gut für die Decke, denke ich. Aber Du könntest sie doch auch, so wie sie ist, zum GB bringen, wenn Du ohnehin Einiges an ihr machen lassen willlst. Ob die Decke sich nun bei Dir oder beim GB senkt (gesenkt werden muß?) oder aber dies beim Neu-Einrichten von selbst geschieht?… spielen kannst Du sie in der Zeit eh nicht. Würd ich sowieso, so wie sie derzeit "eingerichtet" ist, vielleicht besser lassen.
 
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