Ein Besuch bei Geigenbaumeister Anton Sprenger in Mittenwald

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Nach jahrelangem Vorhaben hatte ich es in diesem Sommer endlich geschafft in die sehr saubere, hübsche und idyllische, ca. 100 Km von München entfernte, auf 923 Meter über NN am Fuße der Karwendelspitze im Landkreis Garmisch Partenkirchen liegende und im Geigenbau als weltberühmte Kleinstadt Mittenwald, in der auch die staatliche Fachschule für Geigenbau ist, zu fahren.

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Blick von der Karwendelspitze auf Mittenwald
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Der Weg dorthin führte von München über den Walchensee u.a. der Drehort von Michael "Bully" Herbig im Jahre 2009 gedrehten Kinofilm "Wickie und die starken Männer"
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und über Wallgau, berühmt durch das "Goldhaserl" Biathletin Magdalena Neuner, hier der Blick von Wallgau in die Alpen.
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In Mittenwald angekommen und nach der Besichtigung der malerischen Stadt
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und dem äußerst interessanten Geigenbaumuseum direkt neben der St. Peter und Paul Kirche (Bilder aus dem Museum kommen am Schluss)
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habe ich während einem Cappuccino bei südländischen Flair den ganzen Mut zusammen gefasst um einen Besuch ohne Voranmeldung bei einem der besten Geigenbaumeister Anton Sprenger über dem ich im Vorfeld schon sehr viel gelesen habe zu machen und darum zu bitten ob ich evtl. ein paar Bilder mit einem Bericht für's Musiker Board erstellen darf.
Ich ging also mit meiner Kamera zu der Adresse "Im Gries 10" am Platz mit der 5 Meter großen Geige
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und auf dem Weg dorthin noch vorbei am Denkmal von Matthias Klotz der als Begründer des Mittenwalder Geigenbau's im 17ten Jahrhundert gilt.
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Ich klingelte, es hat nicht lange gedauerte empfang mich ein herzensoffener, freundlicher in Handwerkermontur gekleideter Geigenbauer. Nach einer Vorstellung meinerseits und einer Erklärung meines Vorhabens war ich dann etwas lockerer und wir waren dann auch schnell beim "Du".
Es ist nicht selbstverständlich wenn ein "Fremder" an der Tür klingelt und darum bittet ein bisschen in seiner Geigenbau Werkstatt rein zu schnüffeln, fragen zu stellen und auch noch ein paar Bilder zu machen, hier Vorab schon mal ein ganz großes Dankeschön für die spontane Erlaubnis dazu!! Ich kann mich nicht oft genug bei Anton Sprenger der offen für jede Frage und mir mit sehr viel Geduld einiges über den Geigenbau erklärt hat, zu bedanken !!

So, ich will euch jetzt nicht mit langen Texten auf die Folter spannen.

Auf geht's mit dem

Werdegang einer Geige
Um eine Geige aus ca. 80 Einzelteilen in Handarbeit herzustellen, benötigt man je nach Qualtiät zwischen 120 und 240 Arbeitsstunden. Grundlage für einen ausgezeichneten Klang ist die Wahl des Holzes. Leichte, gerade gewachsene Fichte aus extremen Höhenlagen der Alpen und geflammter bosnischer Bergahorn sind erste Wahl, seit Beginn des klassischen Geigenbaus.
Boden und Decke werden aus zwei Teilen zusammengefugt und mit tierischem Warmleim, der im Wasserbad erhitzt wird zusammengeleimt.
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Seit Beginn des Geigenbaus in Mittenwald, vor 230 Jahren, wird ausschließlich in Cremoneser Bauweise gearbeitet, d. h. die Zargen werden um eine Innenform an die angehefteten Ober- Unter und Eckklötze geleimt.
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Mit einem Biegeeisen, werden die Seitenränder (Zargen) mit Feuchtigkeit und Hitze durch Biegen in Form gebracht.
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Die Umrisse des Zargenkranzes werden auf die abgerichtete Decke und Boden aufgezeichnet, ausgesägt. Die Wölbung wird mit einem Abstecheisen angelegt und aus dem massiven Material herausgearbeitet. Mit kleinen Wölbungshobeln wird die Wölbung gestaltet.
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Sind Boden und Decke auf den Zargenkranz aufgeheftet, und der Umriß des Geigenkorpus, mit den Ecken gestaltet und endgültig festgelegt, wird der Adergraben eingeschnitten. Dies geschieht mit einem doppelschneidigen Messer.
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Ein dreiteiliger Span aus Ebenholz / Ahorn / Ebenholz wird als Einlage in den Adergraben eingeleimt. Dies ist zum Einen schmückendes Element als auch Risschutz an den Hirnholzstellen.
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Die Randhohlkehle wird mit einem kleineren Eisen des Halseisensatzes herausgearbeitet.
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Die Oberfläche der perfekt gestalteten Wölbung wird mit der Ziehklinge, aus geschärftem Stahlblech, geglättet.
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Ist die Aussenwölbung geputzt, kann man beide Platten ausarbeiten.
Durch die entsprechende Festigkeit des Materials, ergibt sich die ideale Stärke. Getestet wird durch Fühlen, die Längs- quer- und Verwindungssteifigkeit.
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Der Eigenton von Decke und Boden wird durch Klopfen ermittelt. Man hält dabei die Platte an einem schwingungsarmen Knotenpunkt.
Diese Töne sind eine perfekte Orientierung bei der Suche nach dem perfekten Klang und es lassen sich so die vorhergehenden und nachfolgenden Arbeiten besser vergleichen.
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Die F-Löcher sind ein wichtiger Bestandteil der Decke und entsprechend wichtig für den Klang. Der sogenannte Brustbereich der Geige wird durch Sie entkoppelt und natürlich dienen sie in zweiter Linie als Schallöcher.
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Der Baßbalken ist neben dem Stimmstock das wichtigste Funktionsteil im Innern des Instruments. Er hat die Aufgabe die Decke zu stützen, die Schwingungen des Stegs zu verteilen und unkontrollierte Schwingungen abzubremsen.
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Vor dem Zuleimen des Korpus werden die Stärken abschließend kontrolliert.
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Der Halsblock für die Schnecke wird vorbereitet
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Nach dem Aussägen des Schneckenumrisses wird Windung für Windung aus dem massiven Ahornblock herausgeschnitzt.
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Die fertig gestochene Schnecke wird mit einer gehörnten Ziehklinge geputzt.
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Handgeschnitzte Löwenköpfe
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Das Griffbrett aus Ebenholz wird aufgeleimt.
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Vor dem Grundieren der Oberfläche wird die Geige final mit der Ziehklinge durchgeputzt.
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Die Geige wird dem breiten UV-Spektrum der Sonne ausgesetzt um das Holz zu härten und der Oberfläche eine natürliche Bräunung zu geben. Die besonders intensive Strahlung in der Höhenlage von Mittenwald, begünstigt das Reifen.
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Die Lackbestandteile bei Geigenbaumeister Anton Sprenger sind ausschließlich natürlichen Ursprungs.
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Der Arbeitsplatz wird zum Lackieren der Geige vorbereitet.
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Ein "Edelsteinüberzug" aus geschmolzenem Bernstein wird auf die grundierte Oberfläche mit dem Naturhaarpinsel aufgetragen.
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Im Ausstellung- und Anspielraum können die fertigen Instrumente getestet werden.
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Restauration eines abgenutzten Griffbretts
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Diverse Reperaturarbeiten
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Zum Schluß als Abschied noch ein stimmungsvolles Bild
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Anton, wie schon oben erwähnt möchte ich mich nochmals recht herzlich für das sehr freundliche und offene Entgegenkommen, die Geduld und Zeit mich ein bisschen in die Geheimnisse des Geigenbaus zu führen und das ich auch noch Bilder machen durfte was nicht selbstverständlich ist, bedanken.

Solltet ihr mal in die traumhafte Gegend kommen dann ist ein Besuch in der Werkstatt von Anton Sprenger schon fast Pflicht, er macht natürlich auch eine Wertschätzung aller Streichinstrumente.


Noch ein paar Bilder aus dem Geigenbaumuseum
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In meiner Signatur ist ein Link zur "Slideshow Geigenbau", dort könnt ihr es nochmals mit Musik sehen
Viel Spass!
 
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Hab mit Geigen nichts am Hut. Aber deine Beschreibung, die tollen Fotos und der Herr Sprenger haben deinen Bericht zu einem lehrreichen Erlebnis gemacht, danke !
 
Toller Beitrag und sehr interessant! Die Bilder sind ja der Hammer! Bist du Fotograf von Beruf?
 
Hi supertramp!

Vielen Dank für den tollen Bericht und die professionellen Fotos! Super :D:great:!

Zum Bild mit dem Schnitzen des f-Lochs habe ich noch eine Frage: Du schreibst etwas von "Entkoppelung des Brustbereichs". Zu meiner Schande :hail:muß ich gestehen, daß ich in diesem Zusammenhang nichts mit dem Begriff "Brustbereich" anfangen kann. Kannst Du mir diesen Begriff - nebst "Entkoppelung" - erklären?

Grüße

Thomas
 
Hi Thomas,

die F-Löcher bedeuten zwei Längs-Schnitte in der Decke.
Der Steg bewegt sich wie ein Zappelphillip, der vom linken auf den rechten Fuß stampft.
Die F-Löcher entkoppeln die steife Decke / begünstigen die Schwingfähigkeit quer zur Maserung.
Mit der Brustbreite ist immer der Abstand der beiden oberen F-Trauben gemeint.

Der Bericht ist für mich ein flash-back in die Vergangenheit.

edit: hier ist mir eine fatale Personenverwechslung passiert. Also gleich wieder gelöscht.


cheers, fiddle
 
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gratulation! tolle fotos und auch so seeehr interessant. ich hatte noch nie was von einem bernsteinüberzug gehört! (ich nehme an, aufgelöster bernstein) quasi als harte grundierung? tricky...! benzoe etc. kennt man ja grad noch so, vom räuchern. uv-reifung war mir auch neu.
jedenfalls ne gelungene serie. sehr schön.
 
Bernstein ist ein fossiles Baumharz.
Es kann in reiner form nicht gelöst werden.
Wenn man es erhitzt (weiß gerade nicht auswendig.. >200°C), dann schmilzt es und ist "aufgeschlossen".
Der wieder-erkaltete Bernstein löst sich anschließend in Terpentinöl und kann für die Lackherstellung verwendet werden.

cheers, fiddle
 
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Leck mich am Arsch, ist das klasse! :eek:
 
@fiddle: Dank für Deine Erklärung zum "Brustbereich" - man lernt halt nie aus. - Der Temperaturbereich in dem Bernstein weich und verformbar wird liegt zwischen 170 - 200°C; so ein richtiges "Schmelzen" findet nicht statt, weil es über 200°C bereits anfängt zu verkokeln.

Wer sich für die Ingredienzien von Geigenlacken interessiert kann mal bei www.hammerl.com oder www.kremer-pigmente.de nachschauen. Martin Schleske, Geigenbauer und Physiker, hat ein paar Aufsätze über Geigenlacke geschrieben, einfach mal unter "Schleske Geigenlack" googeln.

Grüße

Thomas
 
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Hallo supertramp,

super, super, super-mega! :great: Danke für den tollen Bericht und die hervorragenden Bilder! Super interessant!

Nun zieht es mich nach Mittenwald..... :)

Liebe Grüße,
Cellohm
 
Tausend Dank an euch alle für das riesen Kompliment!!! :):great:
 
Sehr schöner Bericht, mit tollen Bildern!
 
Handwerklich sind Geigen und Celli schon toll. Schöner Bericht, danke!
 
Nicht nur handwerklich !!!!

Die Fotos sind wirklich super. Leider hat uns supertramp noch nicht so richtig aufgeklärt, wie es zu dem Bericht kam. Meine Vermutung geht in die Richtung, dass er etwas mit Journalismus und / oder Fotografie zu tun hat.
 
Peter, du bist hier bei den Streichern !
Kontrabass können wir (gestrichen) noch gelten lassen. :D:D:D
 
Aber hallo, robbert :mad::(:confused::evil::igitt::ugly::eek::weep::twisted::bang:

(Was ich wirklich dazu denke:
:rofl:​)
 
Nicht nur handwerklich !!!!

Die Fotos sind wirklich super. Leider hat uns supertramp noch nicht so richtig aufgeklärt, wie es zu dem Bericht kam. Meine Vermutung geht in die Richtung, dass er etwas mit Journalismus und / oder Fotografie zu tun hat.

Danke für dein Kompliment aber nein, nein!!!:) ich bin weder ein gelernter Fotograf noch ein Journalist!!!!:)
Wie oben schon erwähnt hatte ich das schon lange vor, so einen Bericht für's Musiker Board mal zu machen. Solche Idee kam mir irgendwann beim Bergsteigen im Karwendelgebirge und weil Mittenwald ein "Mekka" für Geigenbau ist, bleibt einem schon gar nichts übrig als sowas mal zu machen:)
Ausserdem sind Violinen usw sehr interessante Instrumente und was noch dazu kommt ist das Anton Sprenger diese Geduld mit mir gehabt hat und die Erlaubnis mir gegeben hat!!!!
Habe Ende der 70er Jahre Kirchenorgelbau gelernt, übe es aber schon lange nicht mehr aus trotzallem ist der Draht zu Instrumentenbauer nie aus dem Kopf verschwunden.
Und die Fotografie ist nur ein Hobby von mir - mehr nicht.
VG
 
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Fotografie ist nur ein Hobby
....hast du aber super im Griff :great:
Habe Ende der 70er Jahre Kirchenorgelbau gelernt
Das dürfte dem Gespräch bestimmt dienlich gewesen sein. Kennst du Schuke-Orgeln aus Potsdam? Da haben mal gute Bekannte von mir gearbeitet......
Danke nochmals

robbert
 
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