Aufführungspraxis in der Neuen Musik : Zuspielbänder

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LeniGe
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Hallo liebe MusikerInnen und Musikinteressierte,

In der Neuen Musik liest man Werkangaben wie "Für Klavier und Zuspielband" o.ä.
Da ich noch nie in den Genuss eines Konzertes gekommen bin, in dem Instrumente mit Zuspielbändern unterstützt oder zusammengehalten (wie auch immer die Funktion des Zuspielbandes sein mag) werden und ich auch relativ neu auf dem Gebiet der Neuen Musik bin, frage ich mich Folgendes:

Wie genau sieht das in der Aufführungspraxis aus? Sind Zuspielbänder auch wirklich immer Tonbänder die über eine Tonbandmaschiene abgespielt werden oder kann das heute auch so eine Art "Oberbegriff" sein. Könnte zum Beispiel auch einfach eine Audiospur gemeint sein, die über den PC abgespielt wird?


Es interessiert mich brennend und ich hoffe auf kompetente Antworten!
Vielen lieben Dank und herzliche Grüße,

LeniGe
 
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Gute Frage, auch wenn ich nicht wirklich kompetent bin. Hängt eventuell davon ab, wann etwas komponiert wurde oder wie oft etwas aufgeführt wird. Seit den 90ern sind Tonbandgeräte ja praktisch ausgestorben, neuere Stücke könnten deshalb eventuell gleich mit "modernerer" Technik arbeiten. Bei älteren Stücken ist wahrscheinlich die Frage, ob es sich für den Verlag lohnt, das Tonband zu digitalisieren. Immer vorausgesetzt, dass der Komponist kein Purist ist und es überhaupt erlaubt.
Ich hatte bereits zwei Mal die Freude, Musik mit elektronischen äh... Geräuschen vom Band als abendfüllendes Konzertprogramm zu haben (einmal mit 25-stimmigem Chor, einmal als Oper mit Chor, Solisten und Orchester), beide Male war der Hörgenuss sehr fragwürdig. Wenn diese Art von Musik live eines Tages ausstirbt, weil keine Abspielgeräte mehr vorhanden sind, ist das eventuell kein so wirklich großer Verlust für die Menschheit...
 
Vielen Dank für deine Antwort!

Ich denke nämlich auch, dass es einfach an den damaligen Mitteln lag. Da denke ich an das alte "Tonbänder-zerschneiden".
Aber bei barocker Aufführungspraxis bemüht man sich ja nun auch um eine authentische (im historischen Sinne) Wiedergabe der Werke, warum sollte dieser Wille (welcher ein Phänomen d. 21. Jahrhunderts ist, oder nicht?) dann nicht auch bei Neuer Musik vorhanden sein?

Wo du nun schon so bereitwillig deinen Musikgeschmack hier teilst, erlaube ich mir die Frage, warum denn der "Hörgenuss" für dich "fragwürdig" war?
Und weißt du noch um welche Stücke von welchen Künstlern es sich gehandelt hat? Konnstest du das Tonbandgerät sehen?


Liebe Grüße

LeniGe
 
Ich kann mich hier nur anschließen und behaupten, dass durchaus auch andere (digitale) Abspielgeräte gemeint sein können,
wenn nicht gerade die Performance ein Bandgerät erfordert.

Als Beispiel aus meinem Umfeld: Beim Fernsehen sagt man immer noch MAZ, obwohl die Einspieler meist von einem Server
abgespielt werden. (Naja, eine Festplatte ist auch ein magnetisches Speichermedium, aber es könnte genauso gut von einem
Flashspeicher oder einer SSD abgespielt werden.)

Die Meinungen darüber, wie viel bei einem Konzert wirklich live sein soll/kann gehen ja auseinander. Aber man findet Zuspielungen
(natürlich abgesehen von Playbacks) mittlerweile bei sehr vielen Konzerten verschiedener Musikrichtungen, durchaus nicht nur bei
Neuer Musik.

BG Schoergonaut
 
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Sehr hilfreich, danke! Ich meine bei den Beatles gab es einen Streichersatz zu "Yesterday", der bei den Aufführungen auch immer per Zuspielung erklang, oder irre ich mich?

Aber zurrück zur Neuen Musik und den dort verwendeten Zuspielbändern. Falls sich da noch jemand genau mit auskennt, dann wäre ich sehr dankbar für das geteilte Wissen. Vielleicht gibt es hier jemanden der Neue Musik praktiziert?

Liebe Grüße,

LeniGe
 
Darf ich fragen warum Dich das interessiert? Willst Du etwas aufführen?
 
Was mich genau daran interessiert ist wissenschaftlicher Natur. Ich frage mich, welche Funktionsposition in der zeitgenössischen Musik die Aufführung hat.
Sie will, wie die Musik, vor allem die der Atonalität, bestehende Formen aufbrechen. Choreografien oder die ganz unübliche Positionierung der Instrumentalisten und Sänger im Publikum oder im Raum verteilt oder auch das Arbeiten ohne Dirigenten (sondern mit Stoppuhren) sind dafür ja Beispiele. Was soll das eigentlich, welche Funktion, soll so eine Aufführung haben? Ist das einfach ein neuer Entertainment-Faktor? Soll es die Instrumentalisten vielleicht in das Publikum integrieren und weg führen von einer Verherrlichung der Leute, die dort "oben" im strahlenden Rampenlicht auf der Bühne musizieren?

Wie ist das, wenn heute Musik von nach 1950 aufgeführt wird. Wie funktioniert das ganze auf einer psychologischen oder kulturpsychologischen Ebene?

Es wäre ja schon eine Überlegung wert, wie es sich da im Einzelnen z. B. bei der Benutzung von Zuspielbändern oder eben das Nichtbenutzung eben dieser verhält. (Das war ja eine ganz gravierende Neuheit in dem Bereich des Musizierens in der E-Musik damals). Denn wenn bei so einer Aufführung heute keinen besonderen Wert darauf gelegt wird, ob die Klänge, die original als Zuspielband gedacht und uraufgeführt wurden, auch wirklich dann mit Tonband oder mit anderen Instrumenten oder vermutlich sogar mit dem PC wiedergegeben werden, dann wüsste ich schonmal dass eine möglichst originalgetreue Praxis nicht das Ziel einer Aufführung wäre. Und kleine Schritte lassen ja immer den großen Zusammenhang erkennen. Ich suche und taste mich so durch dieses Feld.

Ich werde unbedingt demnächst in Konzerte gehen, die Werke mit Zuspielbändern aufführen. Aber ich wollte schoneinmal vorher nachfragen, ob jemand da schon Erfahrung gesammelt hat.

Aber ich selbst führe bald auch ein eigenes Stück auf dem Klavier auf, das mit elektrischen (mit Syth eingespielt) und aufgenommenen Natur- und Umweltklängen unterlegt wird. Die Spur habe ich am PC zusammengeschnitten und passt wie eine Maske über die Klänge vom Klavier, sodass die Klavierpartitur aber bis 5 Sekunden von den vorgeschlagenen Schnittstellen von Geräusch und Klaviernote abweichen kann (ohne, dass es sonst meine Klangvorstellungen, die ich dort haben wollte, stören odervunterdrücken wurde). Jedes mal hört sich die Aufführung ein wenig anders an aber nur minimal.

Hierbei mochte ich die Idee , dass ich ein nicht so starres Werk, das nur so und nicht anders sein darf, schaffe, wobei ich dem Pianisten, der Situation und auch der Erwartungshaltung des Publikums mehr Freiraum gebe, sich auf die Musik auszuwirken. Sozusagen ein kleiner eizigartiger Musikmoment.
Klingt irgendwie merkwürdig, aber mir gefällt dieser Gedanke :)

Liebe Grüße

LeniGe
 
Die neue Musik stellt Hör-, Kompositions-, Aufführungs- und sonstige Gewohnheiten in Frage oder interpretiert sie neu.

Das Wort "Zuspielband" kommt m.E. aus der Historie - als die neue Musik nach 1945 zur Blüte kam (ich grenze das mal so frech ein) gab es kein anderes adäquates Mittel zusätzliches Hörmaterial zu Gehör zu bringen ohne drölfzig Musiker oder Geräuschemacher auf der Bühne zu haben. Also: Zuspielband. Meines Erachtens nichts anderes als eine heute nicht mehr näher definierte Tonquelle welche der Aufführung zugespielt wird.

Du könntest übrigens - anstelle feste Laufzeiten für die Zuspielung vorzusehen, mittels Fußschalter die jeweiligen Sequenzen zuspielen. Dann hast Du noch mehr Freiheit - oder dein Stück.
 
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Danke!

Das mit dem Fußpedal gestaltet sich hier schwierig, da sich die Geräusche und Klänge entwickeln und ineinander verankert sind (es bestehen eigentlich keine verschiedene Sequenzen, die voneinander getrennt sind). Ich glaube, dass ich durch die 5 sekunden "Abweichungszeit" im Klavier genüngend Freiraum habe. Was ich durch Fußschalter bekommen würde, wäre Kontrolle, das ist nicht unbedingt das, was ich hier wollte.
Aber vielen Dank für die Idee, für andere Stücke wäre so etwas gut, dann könnte ich die eventuell sogar allein aufführen. Cool!
 

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