3. B. Beschreibungen

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Beschreibungen

Die Story des Textes steht. Ihr wisst, was Ihr sagen wollt und habt vielleicht auch schon einen Text. Die Aussagen stimmen, aber alles klingt so steril, man bekommt kein Gefühl für die Stimmung und keine Beziehung zu den Personen.

Woran es liegen kann: es fehlen Beschreibungen. Die größte Falle: Ihr schreibt über seine/ihre Gefühle zu seiner Geliebten oder ihrem Geliebten (geschlechtliche Korrekturen bitte nach Vorlieben ab hier selbst einfügen). Ihr kennt sie, Ihr wißt, was sie mag, wie sie aussieht und alleine der Klang ihrer Stimme oder ihr Name ist für Euch reinste Magie.

Aber für das Publikum eben nicht. Ellenlang schreibt Ihr über Eure Gefühle, aber es bleibt eben alles abstrakt, ohne dass Bilder im Kopf der Zuhörer entstehen, ohne dass sie nachvollziehen können, wer das eigentlich ist. Also stehen auch beim Schreiben eines Textes die Kardinalfragen im Raum: Wie erreicht Ihr die Zuhörer? Wie könnt Ihr anderen die Personen nahe bringen, das Interesse wecken?

Hier sind Beschreibungen ein Mittel der Wahl: Immer wenn es darum geht, eine Beziehung zu den Personen und/oder der Situation aufzubauen, braucht es Beschreibungen. Sie sind die Brücke zwischen dem, was Ihr fühlt, seht und denkt und dem Publikum, das fühlen, denken und sehen will, was Ihr fühlt, denkt und seht.

Das einzige textliche Mittel sind Worte, Sätze und eben Beschreibungen. Im Folgenden stelle ich einige typische Elemente von Beschreibungen vor und illustriere sie mit Beispielen.


Personen
Äußerliche Attribute helfen den Zuhörern, sich ein Bild zu machen: she´s a tall woman with long blond hair, er ist ein Kerl mit Drei-Tage-Bart und sanften Augen.
Also wie sieht die Person aus, wie geht sie, wie schaut sie, wie bewegt sie sich, ist sie sportlich, groß oder klein, dünn oder mittel oder beleibt, wie ist die Stimme der Person: kreischend, sanft, mild, rau, wie sind ihre Augen, wie sieht ihr Körper aus?


Testet Euch mal selbst: Welche Augenfarbe hat eine Euch nahe stehende Person?
Die meisten wissen es nicht. Also bei den meisten von Euch wird es eine kleine Hausaufgabe sein, mal eine Euch bekannte Person zu beschreiben. Das gilt auch und gerade für Phantasie-Personen und für die nachfolgenden Elemente:


Wie ist das Wesen der Person: Ist sie aufmerksam, wild, arrogant, verletzend oder verletzt, staunen alle, wenn sie den Raum betritt, ruft sie Aufmerksamkeit hervor oder Gleichgültigkeit, wird sie übergangen, ist sie scheu, selbstbewusst, gerecht, intelligent, charmant....? Was haßt sie, was liebt sie?

Wie handelt diese Person, wie verhält sie sich anderen gegenüber, ist sie mit vielen gut Freund, verarscht sie die Leute, macht sie Randale, ist sie aufmerksam gegenüber anderen, sich und ihrem Verhalten, is he a buddy or a bad guy....? Was tut er/sie eigentlich den ganzen Tag? Womit verbringt er/sie am liebsten seine/ihre Zeit?

Was ist ihre Geschichte? Wo kommt er her? Wo will sie hin? Wie ist er aufgewachsen? Was hat sie geprägt? Was ist mit ihm geschehen? Was hat sie nie vergessen und bestimmt jetzt wie ein Leitmotiv ihr Handeln und Wesen?


Exkurs: Auf den Punkt kommen

Bevor Ihr Euch jetzt an romanhafte Beschreibungen begebt: Das sind Fragen, die Euch der Person näher bringen sollen. Ihr solltet ein klares Bild von der oder den Personen haben. Wenn Ihr es nicht habt - wie sollen die Zuhörer es haben?

Die Devise, nachdem man sich quasi einen Steckbrief der Person gemacht hat, ist also die Verdichtung: womit kann man in ein paar Worten, mit einem oder zwei Sätzen die Person treffend beschreiben? Was zeichnet sie vor allem aus? Was ist sozusagen ihr Alleinstellungsmerkmal, das was sie unverwechselbar oder einzigartig macht?

She wore blue velvet.... She had flowers in her hair... He lived in a cavern, before he went to town for leading a life on his own… His last deals gone down.

Es muss nicht unbedingt mehr sein. Es muss vor allem eins sein: treffend.


Situationen

Neben Personen besteht die Story aus Erlebnissen. Erlebnisse haben einen Kontext: Wann ist es passiert? Mit wem? Wer war noch dabei? Wie ist es passiert? Kam es plötzlich out of the blue oder hat es sich angekündigt: I knew it long before?

Fand es auf der Straße statt, war sie belebt, hat es geregnet?
Solche Beschreibungen dienen nicht nur dazu, die Story selbst nachvollziehbarer, detaillierter und interessanter zu machen. Sie dienen auch dazu, Stimmungen zu erzeugen. Der erste Kuß, der Abschied, die Tränen während sie merkt, dass sie verlassen wird oder er spürt, dass es vorbei ist - all das findet nicht im luftleeren Raum statt.

Beschreibungen können mit dem Gefühlten gleich verlaufen und sie damit unterstützen: Ich dachte an den Abschied mit Tränen im Gesicht, in dieser kleinen, dunklen Stadt, in der es niemals Morgen wird. Oder sie können das Gefühlte konterkarieren. We sat in that 5-star cocktail bar and she told me her lies while distinguished waiters served us busy to mention nothing at all.

Die Wirkung ist entgegengesetzt: Im ersten Fall ist die Person eins mit dem Universum: das Gefühl ist total. Im zweiten Fall ist die Person mit ihrem Gefühl allein: niemand versteht sie: lost in a world of it´s own. (Ein bißchen Gnade walten lassen bei den Beispielen: habe sie mir gerade aus den Fingern gesogen. Aber ich denke, um es zu verdeutlichen ist es okay.)


Natur

Die Natur ist streng genommen Teil des Kontextes. Warum sie hier einzeln behandelt wird, hat einen Grund: Naturbeschreibungen sind als Metapher für das Innenleben von Personen zu einem - zumindest im Abendland - historisch gewachsenen Selbstverständnis geworden.

Was vermittelt ein Bild von Caspar David Friedrich?

Der_Wanderer_%C3%BCber_dem_Nebelmeer.jpg



Richtig: Melancholie, Romantik, Naturmächte, Aufruhr. Menschen stehen vor einer großartigen Naturkulisse, die sie anschauen, unbeweglich, ergriffen. Ein Naturgedicht, in dem von reißenden Flüssen die Rede ist, tosend Häuser mit sich reißend, alles zermalmend, wogend und berstend, zischend und sprühend ihren Weg sich bahnend, thematisiert von der Stimmung her eben gleichfalls Umbruch, Mitgerissenheit, Verletzlichkeit, Ausgeliefertheit, Toben und Tosen.

Die Verwendung von Naturbeschreibungen in songtexten hat die gleichen Funktionen: Stimmungen zu vermitteln, eine Umgebung zu charakterisieren, Mächte wirken zu lassen und uns daran teilhaben zu lassen. Sie lassen unmittelbar Bilder im Kopf entstehen.

Ihr Vorteil ist ihr Nachteil: die Eingängigkeit von Naturbeschreibungen kann sie leicht klischeehaft werden lassen. Wer kennt nicht die aufgehende Sonne als gängige Beschreibung von Hoffnung, you are the sunshine of my life, die Dunkelheit und Nacht als sorgenvollen, angstbesetzten Zustand, when the night fell down on earth. Wer hier neue Bilder findet, ist also klar im Vorteil.

Und sie werden sich mit Sicherheit schneller einprägen als jede langatmige Beschreibung innerer Zustände, Gedanken und Verwirrungen des Handelns.


Es lassen sich noch weitere Möglichkeiten anführen, die ich hier jedoch nur kurz benenne: Farben haben eine direkte Bedeutung - oft eine direkte Metaphorik (schwarz für Tod - im Abendland! In Indien ist es die weiße Farbe, die in unseren Kreisen wiederum fast immer der Hochzeit zugerechnet wird - wenn nicht aus der Beschreibung hervorgeht, dass die Handlung in einem Krankenzimmer stattfindet.). Geräusche können Hektik oder Ruhe vermitteln, der oft bemühte Gesang der Vögel, der so lieblich ist, reicht aus, ein prägendes Bild zu vermitteln.




Ein Übungsvorschlag

Beschreibungen bringen einem Personen, Situationen und innere wie äußere Vorgänge nahe. Sie sind oft ein direkter Weg, um Emotionen mitzuteilen, ohne die Personen selbst zu bemühen, dies auszudrücken oder zu denken. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - eine kurze Beschreibung oft mehr als meterlange Dialoge, Monologe, Gedankenungetüme und Aussagemarathons.

Um dies ein bißchen einzuüben, könnt Ihr folgendes machen:
  • Beschreibt eine Person, eine Situation und den Kontext, bis Ihr eine klare Vorstellung davon habt. Versucht dann, zu verdichten: Was ist die Essenz und wie kann ich sie treffend beschreiben?
  • Nehmt Euch einen fertigen oder halbfertigen Text vor und versucht bewusst, ihn mit Beschreibungen zu ergänzen.
    Macht Euch Notizen zu Bildern, Personen, Situationen, die Euren Nerv treffen. Im guten alten Zettelkasten oder als Datei gespeichert, liefert er Euch einen Fundus eigener Ideen und ist Ausgangsmaterial für originelle Bilder und Beschreibungen.
 
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Für Prosa-Texte (Romane, Kurzgeschichten usw.) heißt es in den Ratgebern: Beschreibungen besser durch "beschreibende Aktion" ersetzen.

Beispiele:
Beschreibung: Sie ist gehemmt.
Aktion: Während wir uns unterhielten, blickte sie immer wieder auf ihre Schuhspitzen.

Oder

Beschreibung: Er ist muskulös.
Aktion: Er ließ seine Muskeln spielen, bevor er sich ins Kampfgetümmel stürzte.

Sicherlich nicht die besten Beispiele, aber ich glaube euch ist klar geworden, was mit "beschreibender Aktion" gemeint ist.
Sollte ich diesen Rat auch uneingeschränkt für Liedertexte übernehmen?
 
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Sollte ich diesen Rat auch uneingeschränkt für Liedertexte übernehmen?

Du nennst es ja selbst einen "Rat". Charakteristisch für einen Rat ist immer: kann mann, muss man nicht. Schon gar nicht uneingeschränkt.

Gerade bei einem Songtext, wo man an ein Vers- und Taktmaß, Genre, Stil usw gebunden ist, geht das nicht immer.
 
"Uneingeschränkt" war auch falsch ausgedrückt.

Ich meinte: Wenn ich meinen Songtext vor mir liegen habe, sollte ich dann nicht immer überlegen, ob ich nicht (analog zur Prosa) die Spannung erhöhen kann, indem ich eine einfache Beschreibung im Text durch beschreibende Aktion ersetze? Natürlich nur dann, wenn ich dadurch Vers- und Taktmaß nicht gefährde.
 
Ich meinte: Wenn ich meinen Songtext vor mir liegen habe, sollte ich dann nicht immer überlegen, ob ich nicht (analog zur Prosa) die Spannung erhöhen kann, indem ich eine einfache Beschreibung im Text durch beschreibende Aktion ersetze? .

Du beantwortest dir die Frage gerade selbst. Wenn du ganz bewusst "Spannung" erzeugen willst, bietet es sich an, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

Aber nicht jeder Songtext will Spannung erzeugen.

Nimm zB einen Text von den Ärzten: die fette elke ist sicher nicht wegen seiner Spannung und beschreibenden Aktionen so beliebt.

Du siehst: es gibt Texte, die funktionieren nur "voll auf die zwölf", da wären beschreibende Aktionen völlig unpassend: Elke ist fett und genau das sollen alle wissen. Ob du also beschreibende Aktionen für deine Songtexte benutzt, hängt davon ab, was für'nen Text du schreiben willst.
 
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