Diskussion zum Podcast Geigenkasten

suamor
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Im BR gibt es seit Anfang des Jahres eine interessante Reihe mit Frau Prof. Julia Fischer.

http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/br-klassik/mp3-download-podcast-geigenkasten.shtml

Themen waren u.a. Geigenbogen, Jungs & Mädels sowie Streichquartett.

Ich fände es spannend, das etwas kontrovers zu diskutieren.

Zum aktuellen Thema Geigenbogen mein Senf:
Für mich einigermaßen überraschend, denn ich hatte bei den wenigen Instrumenten, die ich gespielt habe, dieses Problem noch nie.
Ich spiele viel und gerne mit einem guten Karbonbögen. Mein Bratschen- und Geigenbogen (wie auch meine Instrumente) sind nicht gerade extrem teuer, aber keineswegs Billiginstrumente. Trotzdem hatte ich nie ein klangliches Problem (d.h. alle Bögen passen zu den Instrumenten). Und da ich ein ziemlicher Klangfetischist
bin, glaube ich, daß das Problem höchstens bei Instrumenten auftaucht, die ein Amateurspieler sich normalerweise nicht leistet.
 
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Ich meine, wir Streicher brauchen uns da nichsts vormachen: sobald eine Geige sauber gefertigt und gut eingestellt ist, der Bogen ausgewogen, gut behaart und ordentlich kolofoniert ist - bestimmt die Spieltechnik den Klang zu 90%. Klar, eine tolle Geige kann nochmal einen Extrakick geben und ein guter Bogen unterstützt. Aber es geht um das Sahnehäubchen. Was nicht bedeutet, die Hardware sei unwichtig. Ganz im Gegenteil, wer musikalisch und spieltechnisch ganz oben mitspielt, der ist auf wirklich gute Instrumente (und Bögen) angewiesen, weil dort oben die Luft verdammt dünn ist und es auf jedes Detail ankommt.

Für mich persönlich ist das aber eher uninteressant, weil ich auf einem Level spiele, wo Üben einfach effektiver ist als überteures Zeugs kaufen. Wobei ich mich natürlich nicht davon frei machen kann, immer mal wieder zu testen, ob nicht hier und da noch was geht...

Mit Bögen ist das schon so eine Sache, aus meiner Sicht "klingen" Bögen nicht. Aber sie sind etwas extrem individuelles, Schwerpunkt, Flexibilität, Gewicht - die können echt ein Eigenleben entwickeln. Ich habe ewig lang den gleichen Bogen gespielt, war mit dem förmlich verwachsen. Vor ein paar Jahren kam dann mit der E-Geige ein etwas schwer wirkenden Bogen aus dem Haus "Sturm" mit in den Kasten. Über Monate hinweg bin ich immer wieder hin- und hergewechselt zwischen meinem alten Schülerbogen und dem Sturmbogen, irgendwann blieb ich dann bei ihm hängen. Und gerade letzten Montag stehe ich mit E-Geige in der Bandprobe und was ist allein im Kasten? Mein alter Schülerbogen. Und irgendwie liegt der einfach nicht mehr "satt" auf der Saite, zieht mehr darüberhinweg, als dass er sich in die Saite vergreift, und soll er mal selbst ein wenig Springen, dann entzieht er sich gerne mal der Kontrolle. Unterstützt hat er aber bei Flageoletts, die gehen echt gut mit der "ollen Stange". Von den Mitmusikern hat es übrigens keiner bemerkt, bei Aufnahmen könnte ich auch nicht sagen welcher Bogen gespielt wurde, von daher meine ich: der Bogen hat extrem viel mit dem persönlichen Erleben beim Musizieren zu tun, die klanglichen Auswirkungen sind aber eher gering.
 
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Bei langsamen Bogenstrichen kann man einen guten Bogen von einem schlechten Bogen nicht wirklich unterscheiden.

Interessant wird es erst, wenn man Strichtechniken schnell abwechseln muss.
Solche Wechsel kommen in anspruchsvoller Literatur vor und das sollte man schon drauf haben, sonst
macht der Kauf eines Klasse-Bogens wirklich keinen Sinn.

Kriterien, die beim Testen für mich persönlich wichtig sind:
- wie ruhig liegt die Stange bei hoher Strichgeschwindigkeit über die volle Länge
Hier steigen die meisten Billigbögen bereits durch nervöses Vibrieren in der Mitte aus.

- wie leicht läßt sich der Bogen aus einem Legato (oder Stand) in den Detagé wechseln.
Da gibt es sehr springfaule Kandidaten, die unglaublich viel Führung verlangen und andere, die das fast von selbst tun.

Bögen, die sehr stark federn sind schwer zu kontrollieren, Bögen die satt auf der Saite liegen wollen oft kaum springen.
Eine perfekte Kombination aus beidem ist immer ein Kompromiss und ne Geschmacksfrage.
Bögen, die alles perfekt können, sind verdammt selten und deshalb sehr teuer.
Hier geht es schnell in den 4-Stelligen Bereich.
Es gibt nicht viele Spieler, die die Qualitäten eines solchen Bogens überhaupt feststellen können.

Zum Klang kann ich nur sagen: es spielt natürlich eine Rolle, wie sich die Stange über der Saite verhält.
Alle Bewegungen (Zappeln, Vibrieren) werden an die Saite weitergegeben.
Wenn man jetzt ganz penibel ist, könnte man das Resonanzverhalten mit dazu zählen.

Für einen Zuhörer wird das kaum wahrnehmbar sein.
Die Klarheit des Tons - vor allem bei anspruchsvollen Strichwechseln - entsteht mehr über die technische
Unterstützung durch die Stange an den Spieler.

Das wär jetzt so meine Auffassung zum Thema.


cheers, fiddle
 
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Ich hab mir grade einen neuen Bogen gekauft (natürlich in einer der unteren Preisklassen, alles andere kann ich mir gar nicht leisten) und hatte mir vorher einige Bogen zum Austesten vom Geigenbauer mitgeben lassen.
Ich kann nur für mich sagen, dass ich da deutliche klangliche Unterschiede gehört habe. Das hat mich selbst überrascht, weil ich damit gar nicht gerechnet hatte. Ich dachte, ich suche mir den Bogen nur danach aus, wie er sich spielen lässt und in der Hand liegt. Aber bei z.B. einem der Bogen klang meine Geige richtig schrill. Das ging gar nicht. Bei dem, für den ich mich nun entschieden habe entsteht dafür ein schöner, klarer Klang, den ich sehr gerne mag. Ich habe Blindtests mit zwei anderen Personen gemacht und beide haben auch spontan zu dem Bogen geraten, für den ich mich entschieden habe.
Also ich denke an den Klangunterschieden ist doch was dran.
 
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Erstmal DANKE Suamor, für den link! *werf ein paar Kekse hinterher*


Den Effekt, dass Instrument und Bogen zusammen passen müssen, kenn ich doch. Ich spiele ja 2 Celli - eins mit Darm- und eins mit Stahlsaiten. Da nehme ich doch meist unterschiedliche Bögen, der eine ist im einen Kasten, der andere im anderen und wenn ich mal tausche, tausch ich zurück. Ich weiß nicht, ob es wirklich Klang oder mehr Gefühl oder gar Voodoo ist :nix:

Was ihr schreibt und was ich auch finde:
Der Bogen muss einem gefallen, er muss sich für mich gut anfühlen, dann kann ich versuchen, die Technik so gut ich kann auszuführen. Das gelingt mit dem einen Bogen deutlich besser, als mit dem anderen. (Das erklärt natürlich auch das Phänomen mit den 2 Bögen für 2 Celli - Darm und Stahl fühlen sich deutlich unterschiedlich an).

Nur liegt da mit dem Klangunterschied am Bogen oder am Wohlfühlen mit dem Bogen?
 
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...liegt das mit dem Klangunterschied am Bogen oder am Wohlfühlen mit dem Bogen?
Ich denke es liegt an beidem.
Wenn man sich mit dem Bogen wohlfühlt, kann man einen guten Klang erzeugen.
Aber: Der Einfluss der Bogenhaare und deren Zustand, also wie stark abgespielt sie sind, sowie das verwendete Kolofonium, sowie dessen Menge, haben einen nicht unerheblichen Anteil daran!
Die Gewichtsverteilung, das Springverhalten, ob der Bogen dazu neigt sich leicht aufzuschwingen usw, das liegt eher am Holz.

Ich habe einige Bögen und vor kurzem sind noch welche dazu gekommen.
Ich werd sie noch eingehend testen, vielleicht kann ich dann hier noch mehr dazu schreiben.

Auf jeden Fall ist der Link echt interessant und auch das, was ihr dazu schreibt gefällt mir.
Wahrscheinlich hat das Niveau, auf dem man spielt den größten Anteil daran, welcher Bogen dazu passt.
Wenn man nicht absoluter Anfänger ist, aber nicht auf Virtuosen-Niveau spielt, so wie ich, wird man viele Feinheiten wahrscheinlich gar nicht so richtig feststellen können. :gruebel: :m_vio:
 
@cello und bass : Vielen Dank :)

Echt interessant, über die verschiedenen Erfahrungen zu lesen, das hat mich doch teilweise überrascht.
Ich kann nur vermuten, daß meine Instrumente grundlegend eine klangliche Ähnlichkeit haben, so daß ich dort keine Schwierigkeiten habe mit Bogenwechsel.
Natürlich haben meine Bögen unterschiedliche Charakteristika, die Holzbögen erzeugen am einfachsten einen sehr schönen Sound, da muß ich aber deutlich mehr Arbeiten um virtuosere Stellen zu meistern. Mein CodaBow Joule Carbonbogen ist ein sehr guter Kompromiß zwischen Incredibow und einem Holzbogen. Der Incredibow hat wegen seiner synth. Haare den besten Haarsound (d.h. man hört kein Bogenrauschen), kommt aber klanglich lange nicht an die anderen Bögen heran. Dafür ist er Spitzenklasse für virtuoses Spiel (ähnlich wie mein Barockbogen).
Die klanglichen Unterschiede sind zu einem großen Teil durch das Kolofonium (Andrea-Varianten f. Violine u. Viola, A Piacere und normal) positiv beeinflußt. Für die Karbonbögen verwende ich meistens das grüne, was den guten Grip noch verstärkt. Nur im Kammerorchester nehme ich zur Zeit das normale Violin mit Incredibow, da ich dort noch eine gute Portion Sound brauche.
Es könnte sein, daß ich mir für meine Geige einen CodaBow Luma zulege, falls ich den mal bei einem Geigenbauer ausprobieren kann (als bessere Alternative zum Incredibow -- der (1. Generation) Joule ist definitiv sehr auf 5saitiges E-Instrument zugeschnitten und spielt sich mit der Bratsche besser als mit der Geige).

Ein weiterer Faktor ist natürlich die Saitenwahl. Und Stahlsaiten mag ich überhaupt nicht (Helicore bspw. sind nur eine Notlösung, da die für mich idealen Saiten für meine E-Instrumente (v.a. C- und F-Saite) schwierig bis gar nicht in DE erhätlich sind und ich sie immer bei Reiter bestellen muß. Die Ansprache einer Darmsaite ist sehr schnell kratzig und ich brauche fast immer ein Viertelstünden, bis das klappt (die einzige Saite, die bei mir noch nicht durch synth. ersetzt werden konnte).
 
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Neue Episode ist erschienen: http://www.br.de/radio/br-klassik/s...rik-br-klassik-julia-fischer-routine-100.html Thema: Routine

Meine Meinung: Ich übe Stücke i.d.R. viel länger als nur "1-2 Proben". Je nach Schwierigkeitsgrad stellt sich u.U. selbst mit drei Konzerten keine Routine ein. Ich empfinde es mehr als Tagesform, wie gut die grundlegenden Dinge (Zusammenspiel, Dynamik, Rhythmus, Lage Intonation etc.) funktionieren im Einklang mit der Musik - Die Komposition steht aber immer im Vordergrund vor der Technik. Selbst bei Stücken die ich wirklich jahrelang immer mal wieder spiele stellt sich für mich nur sehr selten Routine ein. Da stimme ich dann zu, daß es immer wieder neue Dinge (evtl. wieder) zu entdecken gibt. Ich glaube bei zuviel Routine würde ich das entsprechende Stück zur Seite legen.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist (für mich sehr wichtig), wie effizient mir eine Musikstück beim Einspielen hilft (typischerweise gut komponierte Etüden oder Capricen - nicht zu schwer, aber sehr effektiv für diverse Techniken).
 

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