Akkorde erkennen

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Ich übe mich schon eine Weile durch Bachs erstes Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier. Da ich bislang mehr Saxophon spiele und mit Harmonie Instrumenten wenig Erfahrung habe habe ich versucht die Takte in Akkorde zu übersetzen, also quasi ein Leadsheet zu machen.

Dur, Moll und die Septim Akkorde sind noch halbwegs einfach auszumachen. Probleme habe ich mit komplizierteren Varianten, etwa ein "C9sus4". Da kann ich zwar im Normalfall ausgehend vom Akkord Symbol die nötigen Töne ableiten, aber umgekehrt, wenn ein Haufen Töne auf dem Blatt stehen formt sich das bei mir nicht zu einem (beispielsweise) C9sus4.

Die ersten paar Zeilen habe ich demnach auch relativ problemlos in Akkorde umschlüsseln können, auch wenn ich jetzt natürlich nicht sicher sein kann, dass ich die korrekt erkannt habe. Ausgebremst hat es mich erst einmal in Takt 12 (und folgende)
2015-05-24_18-27-36.jpg

Ist das E vermindert mit 6te über G also E06/G? :gruebel:

Macht das Vorgehen überhaupt Sinn um die harmonische Struktur zu erkennen? Die Akkorde vervollständigen sich ja meist erst über die zweite Oktave.
Gibt's Literatur zu dem Thema, mit dem ich diese Kompetenz verbessern kann?
 
Eigenschaft
 
Richtig heißt er E07 (bzw. E dim7). Der verminderte Akkord stammt aus Harmonisch Moll. Am Beispiel E: die Sexte ist hier ein b6 (Ton C). Deshalb kann das C# als 7. Ton der Leiter nicht ebenfalls mit 6 bezeichnet werden, sondern bekommt die "7", welche bei bei vermindert/HM leiterbedingt/automatisch als "verminderte kleine Septime" (bb7) zu verstehen ist.

Unabhängig davon kann der Akkord aufgrund seiner symmetrischen Struktur auch auch G dim7, Bb dim7 oder C# dim 7 sein.
 
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welche bei bei vermindert/HM leiterbedingt/automatisch als "verminderte kleine Septime" (bb7) zu verstehen ist.
Uh.. die verminderten Akkorde muss ich mit offenbar noch einmal genauer ansehen. Auf harmonisch Moll wäre ich nicht gekommen. Macht aber Sinn.
Unabhängig davon kann der Akkord aufgrund seiner symmetrischen Struktur auch auch G dim7, Bb dim7 oder C# dim 7 sein.
Ich habe noch einmal nach gezählt und "G dim 7" macht wahrscheinlich hier den meisten Sinn, wenn es schon mit G startet. Aber dann sollte eigentlich ein "Des" und ein "Fes" notiert sein (?), auch wenn "Cis" und "E" natürlich die gleichen Tasten sind.

Nicht dass ich mich beschweren will. "Fes" ist nicht einer meiner Lieblingstöne.
 
Am einfachsten kann man bei den Verminderten den richtigen Akkordnamen herausfinden, wenn man die Töne so anordnet, daß alle entweder auf einer Linie stehen oder alle in einem Zwischenraum. Dann ist der unterste der Grundton, Im vorliegenden Fall ist das das cis. Es handelt sich demnach um einen Cis-Ganzvermindert. Auch harmonisch macht das Sinn, denn der nächste Akkord ist ein D-Moll. Die Dominante zu D-Moll wäre A7. Fügt man dem nun eine b9 dazu (Ton Bb) und läßt den Grundton weg, erhält man genau diesen Akkord mit cis, e, g, bb. Er hat also eine dominantische Funktion.

Aufgabe: Wie heißt dann der Akkord in Takt 14? :D

Viele Grüße,
McCoy
 
Aber dann sollte eigentlich ein "Des" und ein "Fes" notiert sein (?), auch wenn "Cis" und "E" natürlich die gleichen Tasten sind.

Nein, man behält in der Regel die Töne der vorhandenen Tonart bei (in Deinem Beispiel C-Dur) und gibt nur die Abweichungen an.

Darüber hinaus handelt es sich bei Akkordbenennungen ja um eine moderne Form einer ungefähren Kurzbeschreibung dessen, was da gleichzeitig (oder als Arpeggio) klingt, abgeleitet aus der Akkord/Skalentheorie. Nach dieser sind aber diese Stücke überhaupt nicht komponiert, die eher aus einem Masterplan fortschreitender Stimmführung entstanden sind. Wenn wir heutzutage einen verminderten Akkord aus der 7. Stufe von Harmonisch Moll ableiten, weil wir ein jederzeit gültiges, nachvollziehbares "Modell" davon brauchen, hat das jedoch nichts mit dem zu tun, wie in der Klassik gedacht, komponiert und notiert wurde.
 
Aufgabe: Wie heißt dann der Akkord in Takt 14?
"D dim 7" alias "F dim 7" alias "As dim 7" alias "H dim 7"? Dann wäre das "H" eigentlich ein "Ces" und ich kann vier kleine Terzen auf das "D" schichten, wobei alle Noten schön im Zwischenraum stehen...

Aber welche "Geschmacksrichtung" davon aufgrund welcher harmonischen Funktion der "wahre" ist, könnte ich nicht raten. Aus dem Bauch heraus würde ich mich eher für das "F dim 7" , eben mit "F" als Grundton (wie notiert) entscheiden.
 
Dann wäre das "H" eigentlich ein "Ces" und ich kann vier kleine Terzen auf das "D" schichten
Es steht aber kein Ces da, sondern ein H. Deshalb kannst Du die 4 kleinen Terzen über das H schichten, nicht über das D. Ergo: H vermindert.
 
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Es steht aber kein Ces da, sondern ein H. Deshalb kannst Du die 4 kleinen Terzen über das H schichten, nicht über das D. Ergo: H vermindert.
Danke! Da wehrt sich scheinbar mein Kopf gegen ein tieferes Verständnis. Das fühlt sich für mich in etwa an wie Straßennamen oder geschichtliche Jahreszahlen auswendig lernen. Beliebig untereinander vertauschbar, ohne dass sich mir dabei ein inhärenter Sinn erschließen würde. :(

Ich werde es einfach weiter versuchen.

Wie habt Ihr das kapiert, kann man solche Dinge strukturiert irgendwo nachlesen, oder "weiß man das einfach"?

Ich bin sonst im Allgemeinen nicht doof, aber bei manchen Dingen finde ich einfach keinen Ansatzpunkt von dem aus ich ein Verständnis ableiten könnte. Dur und Moll war leicht. Kleine und große Terzen und aus. Dreiklänge ableiten war auch einfach, wenn man die passende Tonleiter gelernt hat (was für mich auch wieder nicht so natürlich ist). Aber für die höheren Weihen scheine ich nicht so geeignet. :weird:
 
Hi BeBob,

bei o7 Akkorden immer darauf achten wohin sie auflösen. Takt 12 löst sich im Takt 13 auf. Takt 13 ist ein Dm/F, folglich ist Takt 13 C#o7, also Domionantstellvertreter von A7(b9).
Da er das G im Bass hat schreibe ich C#o7/G, was natürlich etwas ungewöhnlich ist, aber sehr gut den harmonischen Hintergrund aufdeckt.

Hier das harmonische Gerüst des Preludiums:

praeludium-cdur.jpg

Natürlich macht das Sinn so eine "Analyse". Vor allem kann man dann darüber einfacher improvisieren.

->
 
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Beliebig untereinander vertauschbar, ohne dass sich mir dabei ein inhärenter Sinn erschließen würde.
Zum Spielen ist es völlg irrelevant zu wissen, wie die verminderten Akkorde heißen. Do7, Bo7, Fo7, G#o7 haben alle die gleichen Töne und sind vom Griffmuster und vom Klang her identisch oder Umkehrungen voneinander. Vom harmonischen Kontext her hat das aber schon seine Berechtigung, da ist eben Do7 und Bo7 nicht das Gleiche. Gerade in den Leadsheets z.B. der Jazzmusik wird da aber nicht konsequent darauf geachtet. Da schreibt man häufig das, was am einfachsten lesbar ist.

Wenn wir aber davon ausgehen, daß Bach an diesem Punkt konsequent war, können wir die Verminderten schon exakt benennen.

Ich habe hier im Forum mal den Begriff Schneemannakkorde gelesen, den fand ich so gut, daß ich ihn mir gleich gemerkt habe. Ein Schneemann hat 3 Kugeln, die genau übereinander liegen, d.h. die Kugeln berühren sich an einem Punkt. Jetzt kann ich in eine Notenzeile ebenso 3 Notenkugeln übereinander schreiben, die sich berühren. Das sind die Schneemannakkorde. Wenn zwischen 2 Noten keine Berührung vorhanden ist, ist es kein Schneemannakord. Nun ist der unterste dieser 3 Noten immer der Namensgeber. Wenn ich einen "Nicht-Schneemannakkord" habe, kann ich versuchen, solange Umkehrungen zu bilden, bis er einen Schneemannakkord ergibt. Dann kann ich ihn nach eben diesem untersten Ton benennen. Dasselbe gilt natürlich auch für Vierklänge.

Hier ein paar Beispiele:

upload_2015-5-26_13-2-29.png


Viele Grüße,
McCoy
 
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Vielen Dank Euch!
Beim Lesen der Antworten blubberte eine alte Erinnerung herauf zum Thema "Akkorde auflösen". Bei den Aufgaben war ich seinerzeit in der Musikschule
eigentlich gar nicht so schlecht, aber offenbar hat mir der Bezug zur Realität bisher gefehlt. Ich muss mal kramen, ob ich nicht noch Material zu dem Thema habe.

Zum Improvisieren reicht's noch nicht, noch nicht einmal zu sauber durch spielen. Ich versuche noch durch verschiedene Betrachtungsweisen eine bessere Beziehung zu den Noten aufzubauen damit sie nicht nur eine Abfolge von Tasten oder Fingerbewegungen sind. Ich merke mir Dinge viel besser, wenn ich verstehe was passiert und ich nicht nur beispielsweise die Noten wie eine Zahlenkolonne auswendig lerne. Daher mein Versuch, mich dem Inhalt zusätzlich theoretisch zu nähern. Das ist allerdings auch nicht wirklich effizient, wenn dieser theoretische Unterbau noch sehr wackelig ist.

Schneemann-Akkorde gefällt mir :-D
 
Hallo Bebob, hallo in die Runde. Ich hab ein ähnliches Problem und genau den selben Ansatz wie Bebob. Ich lerne gerade Mozart Sonate 545 und es klappt recht gut. Gäbe es da die Takte 18-21 nicht. Es handelt sich um eine Abfolge von 16 (meist) Vierklängen, die abwechselnd mit rechter und linker Hand gespielt werden. Einige sind mir klar, bei anderen aber sehe ich keine Struktur und habe wirklich Schwierigkeiten das Ganze auswendig zu lernen. Die Sonate ist in C-Dur notiert, und in Takt 19 findet sich A C F# A. Was mag das für ein Akkord sein? Mir geht es wie Bebob. Ein Verständnis der Struktur würde das auswendig lernen einfacher machen, was bei den ersten 28 Takten sonst bisher mühelos möglich war.
 
Die Sonate ist in C-Dur notiert, und in Takt 19 findet sich A C F# A. Was mag das für ein Akkord sein?

Na dann will ich als Laie mal mein Glück versuchen.

2015-05-28_23-41-09.jpg


Das (Takt 19, linke Hand) sollte ein Fis-Vermindert sein, ein "F#0/A". Erste Umkehrung mit dem A in der Oktave als Verstärkung.

Das fängt in der linken Hand in Takt 18 mit G/H und C | Fis0/A und H0 | Em/G und Am | D/Fis und G

Damit spielt er die Dreiklänge der beiden Tonleitern G-Dur und C-Dur abwärts. G - Fis - E - D bzw C - H - A - G

Die Dreiklänge der Dur-Toneitern entsprechend der Stufen 1-7 (8) sind "Dur - Moll - Moll -Dur - Dur - Moll - Vermindert - (Dur)"
Wir haben hier die Stufen 1,7,6,5 also Dur, Vermindert, Moll, Dur. Siehe oben. Auch wenn in den Takten ein paar Vorzeichen vorkommen, passt alles durch die Dreiklänge auf den Skalen Tönen noch genau zur C-Dur.

Durch die Umkehrung ist in der ersten Takt Hälfte immer die Septime zur zweiten Takthälfte betont. Der Takt 18 beginnt und endet auf dem H, die zweite Takthälfte entspannt sich dann zum C-Dur Akkord. G-Dur zu C-Dur in Takt 18 ist ein Quinten Fall (Dominant-Akkord 'G' --> Tonika 'C') und damit sehr schmeichelhaft für das Ohr. Der Trick mit der Septime verstärkt vermutlich den Effekt noch. Takte 19-21 sind analog.

Sehr raffiniert der Herr Mozart.
 
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Für die Sonata facile ist es hilfreich zu wissen, was einen Sonatenhauptsatzform (SHS) ist. Die SHS gliedert sich grob in 3 Teile: Die Exposition, die Durchführung und die Reprise. Die Exposition (Vorstellung der Themen) geht bis zum Wiederholungszeichen, danach beginnt die Durchführung (hier Takt 29 - 41, Verarbeitung bisheriger Themen, Modulationen etc.) und die Reprise (ab Takt 42 bis zum Schluß des ersten Satzes, entspricht der Exposition, allerdings in anderen Tonarten).

Zunächst also zur Exposition: Die Exposition enthält 2 Themen: Das Hauptthema (auch Hauptsatz genannt) und das Seitenthema (Seitensatz). Das Seitenthema steht in der Regel bei Sonaten in Dur in der Tonart, die eine Quinte über der Tonart des Hauptthemas steht. In der Sonata Facile steht also das Hauptthema in C-Dur, das Seitenthema in G-Dur. Um von der Tonart C-Dur nach G-Dur zu gelangen, braucht es eine Überleitung, in der moduliert wird. Nach dem Seitenthema folgt die sog. Schlußgruppe bis zum Wiederholungszeichen. Sie bleibt in der Tonart des Seitenthemas, hier also in G-Dur.

Das Hauptthema umfaßt die ersten 4 Takte, danach folgt die Überleitung (T5 - T13), in der in nach G-Dur moduliert wird. Das Seitenthema steht in G-Dur und besteht wieder aus 4 Takten ( T14 - T17). Die darauf folgende Schlußgruppe steht ebenfalls in G-Dur.

Der fragliche Teil von T18 - 21 ist also Teil des Schlußgruppe und steht in G-Dur: In der gesamten Passage kommt nur das F# als Versetzungszeichen vor, andere Versetzungszeichen sind nicht enthalten. Wichtig ist, daß man sich klarmacht, daß die Akkordwechsel immer auf den Zählzeit 1 und 3 stattfinden, also nicht exakt den Figuren entsprechen, die die einzelnen Hände spielen. Der letzte Ton der Figur der rechten Hand ist immer schon der erste Ton der neuen Harmonie.

Dann ergibt sich folgende Akkordfolge:

| G - C | F#o - Hm | Em - Am | D - G |

bebob hat in T19 enen Fehler gemacht, da er übersehen hat, daß das Kreuz in der ersten Takthälfte für den ganzen Takt gültig ist. Daher handelt es sich nicht um einen Ho, sondern um einen Hm-Akkord.

Diese Akkorde sind alle in der G-Dur Tonleiter enthalten. In Stufen ausgedrückt: I IV VII III VI II V I.
Schaut man die Grundtöne dieser Akkordfolge an, stellt man fest, daß sie sich in Quintschritten abwärts bewegt. Es handelt sich also um eine sogenannte Quintfallsequenz, eine sehr berühmte und sehr häufig verwendete Akkordfolge.

Die Linie, die der Bass beschreibt (tiefster Ton der linken Hand), bezeichne ich gern als Regierungslinie. Sie bewegt sich nämlich so wie die Bundesregierung: 1 Schritt vor und 2 zurück. :D :rofl: :evil:

Vom H geht es einen Schritt aufwärts, dann 2 Schritte herunter zum A, wieder einen nach oben zum H, dann wieder 2 nach unten zum G etc.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Danke, danke, danke!!!
 
Klasse thread. Schneemann-akkorde, herrlich, das wird der neue Fachbegriff im Unterricht, auch für die kleinsten super geeignet.
 
Klasse thread. Schneemann-akkorde, herrlich, das wird der neue Fachbegriff im Unterricht
Ich habe zuerst das Bild mit der großen Überschrift gelesen und erst nachher den zugehörigen Text. Anfangs dachte ich, das ist so ein Fachvokabel "Akkord Analyse nach Schneemann", benannt nach dem Berühmten Musik Theoretiker Fritz Schneemann...

Irrtum :cool:

Werd' ich nie wieder vergessen.
 

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