Typen von alten Holzblasinstrumenten

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Doc Brown
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Hallo Forum,

nun habe ich eine Frage zu alten Holzblasinstrumenten:

Ist eine irische Flute = eine Renaissance Flöte (einteilig) = eine barocke Traversflöte ohne Klappe? Oder anders gefragt: Könnte man aus einer irischen Flute oder Renaissance Flöte durch hinzufügen der Klappe eine barocke Traversflöte machen?

Aus den Beschreibungen im Netz könnte man durchaus zu dieser Folgerung kommen. :gruebel:

Gibt es ggf. weitere Typen mit anderer Bezeichnung, die identisch sind? Danke für die Aufklärung und ggf. Definition.

Doc Brown
 
Eigenschaft
 
Hi,

das sind drei verschiedene Instrumente, so wie Mandoline, Gitarre und Bass. Haben alle Saiten, sind aber nicht die gleichen Instrumente.

Renaissance-Querflöten sind einfache einteilige zylindrisch gebohrte Flöten, oft im Consort (=Ensemble mit Instrumenten gleicher Bauart in verschiedenen Tonlagen) gespielt.

Traversflöten (im deutschen Sinne) sind barocke Querflöten, meistens drei- bis vierteilig, und konisch gebohrt. Eine, manchmal zwei, selten mehr Klappen. Das Wort "Traversflöte" ansich bezeichnet einfach quer gehaltene Flöten aller Art, darum steht flûte traversière im Französischen auuch für alle Querflöten.

Irische Querflöten sind "klassische" oder "romantische" Holzquerflöten, die um ihre sechs bis acht Klappen erleichtert wurden, da man die für die irische Musik eigentlich nicht braucht. Moderne Entwicklung, gibts erst seit 1960/70 oder so.

Zwischen allen drei Instrumenten gibts fließende Übergänge, so gibt es Traversflöten mit vier und mehr Klappen, irische Querflöten mit acht Klappen, frühe barocke Traversflöten, die wie Renaissanceflöten aussehen und mit nahezu zylindrischer Bohrung und Klappe usw...

Grüße,
shib
 
Warum ist man von der zylindrischen Bohrung der Renaissance-Querflöten zur konischen Bohrung im Barock und nun wieder auf die zylindrische zurück gegangen? Was wollte man mit der konischen Bohrung erreichen?

Ich dachte, dass Klappen nur das Greifen erleichtern oder die Tonlöcher sicherer schließen. Warum benötigt man speziell für irische Musik keine Klappen?

Gibt es Unterschiede im Spiel dieser Flöten? Die Anordnung der Tonlöcher ist doch identisch bis auf die zusätzliche Klappe/n am Ende.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zylindrische Bohrungen stimmen ab der Mitte des zweiten Registers nicht mehr. Die Töne werden zunehmend zu tief. Woran das liegt weiß ich nicht, es ist aber so. Die konische Innenbohrung hat das Problem nicht, wenn man sinnvolle Werte wählt und genug Klappen am Instrument hat, um Obertonspielereien zu betreiben bzw. einzelnde Teile eines Gesamtklangs herauszufiltern, ist ein Tonumfang von drei Oktaven problemlos möglich. Die moderne Querflöte ist übrigens nicht zylindrisch, sie hat ihren Konus nur im Kopfstück und das fällt kaum auf. Dennoch startet der Innendurchmesser im Kopfstück bei rund 17mm und weitet sich zum Ende des Kopfstücks hin (also den Teil, den man in den Rest der Flöte steckt) auf 19mm auf. Ohne diesen Konus würde die Flöte hinten und vorne nicht stimmen.

Klappen sind bei der modernen (Böhm-)Querflöte zwingend erforderlich, um die riesigen Tonlöcher abzudecken und gehören zum Mechanismus. Renaissanceflöten brauchten keine Klappen, da die Musik noch nicht so wahnsinnig chromatisch war und darum einfache Sechslochflöten mit ihren üblichen Skalen (siehe unten) ausreichten. Bei den danach entwickelten Holzquerflöten sind die Klappen für zusätzliche Halbtöne zuständig, die sonst nicht oder nur schlecht mit Gabelgriffen greifbar wären. Bei der Traversflöte reicht eine Klappe (fürs Dis/Es), den Rest kann man mit Gabelgriffen und Ansatzänderungen gut spielen. Je größer Innenbohrung und Grifflöcher werden, desto schlechter funktionieren die Gabelgriffe, also hat man mit der Zeit immer mehr Klappen hinzugefügt. Die Mitte des 19. Jahrhunderts in England übliche Konzertflöte hatte riesige Tonlöcher, der einzig funktionierende Gabelgriff war der fürs C, und ansonsten gabs für alle anderen Töne, die nicht unter den Fingern lagen, eben Klappen. Aus diesem Instrument entwickelte sich die "irische" Querflöte. Sie steht üblicherweise in D (Grundton/tiefster Ton, obwohl viele Flöten auch Klappen fürs tiefe Cis und C hatten war der Grundton dennoch das D, sechster Finger, und die dritte Stufe der diatonischen Skala war ein Fis, kein F wie auf der modernen Querflöte), genau wie die Konzertflöte (bis die moderne Böhmflöte, die in C steht, die alten Instrumente ersetzte), daraus ergeben sich zusammen mit dem C-Gabelgriff die diatonischen Skalen D-Dur, G-Dur, E-moll, H-moll, E-dorisch, A-dorisch und A-mixolydisch sowie ein paar weitere eher ungebräuchliche Kirchentonarten, die alle ohne den Einsatz weiterer Klappen spielbar sind. Und da die irische Musik mit diesen Tonarten in der Regel bis auf wenige Ausnahmen wunderbar auskommt, sind klappenlose irische Querflöten weit verbreitet. Die meisten Profis spielen aber Instrumente mit sechs bis acht Klappen und sind damit dann tonartmäßig genauso unbeschränkt wie klassische Flötisten. Und diese Flöten sind dann im Grunde 1:1-Kopien der englischen Konzertflöten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, oder sogar Originalinstrumente aus der Zeit.

Unterschiede im Spiel gibts natürlich. Die Grundskala ist immer die gleiche, wie bei allen westlichen Sechslochflöten, die Griffweise kann aber anders sein. Es gibt haufenweise verschiedene Klappensysteme, bis sich das Böhmsystem durchgesetzt hat wurde sehr viel experimentiert...am längsten gehalten hat sich aber das "simple system", das im Grunde wie der Name schon sagt sehr einfach zu verstehen ist, in Tonarten mit vielen bs aber etwas sperrig werden kann.
irische Musik wird auf der Querflöte völlig anders artikuliert als mans aus der Klassik kennt, das hängt aber nicht mit dem Instrument zusammen, sondern mit der Tradition der Musik. Man kann auf jeder Querflöte irische Musik spielen, dazu brauchts keine irische Querflöte - aber auf letzterer gehts schon am besten.

Grüße,
shib
 
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