Tiefenstaffelung - der theoretische Approach ;)

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Hallo Leute,

mir geht mal wieder eine Frage durch den Kopf. Diesmal bezüglich Tiefenstaffelung.

Wenn ich einen Mix mache, arbeite ich meist mit mehreren Hall-Kanälen. Ich entscheide abhängig von der Menge an gleichzeitig spielenden Instrumenten, in wieviele Tiefen-Ebenen ich meinenMix einteilen möchte. Logischerweise bekommt jede Ebene einen Hall-Effekt mit jeweils veränderten Parametern. Bisher habe ich diese Parameter nach Gehör gewählt, mir aber nun doch mal die Frage gestellt wie die Parameter mit echten Raumdimensionen zusammenpassen. Dass ein Mix nicht zwangsläufig realistisch klingen soll ist mir völlig klar.

Ein bedeutender Parameter ist ja nun bekanntlich das Pre-Delay und das hat mit den Raumabmessungen nun mal direkt zu tun.

Ich also Taschenrechner zur Hand genommen! ... ... und dann erstmal wieder weggelegt. ;)

Denn mir ist aufgefallen dass die Sache nicht so einfach zu rechnen ist, wie ich erst dachte.
Ein einfacher quader-förmiger Raum hat ja schonmal sechs Flächen an denen mit ersten Reflexionen zu rechnen ist. Steht man nun in diesem Raum in der Mitte und hört ein Schallereigniss gibt es von jeder dieser sechs Flächen eine unterschiedlich späte Antwort. OK. Das lässt sich mit einem Faltungshall und einer entsprechenden Impulse Response ja alles aus der Konserve zaubern.

Bei näherer Überlegung wirds nun aber schlimmer. Wenn ich jetzt ein weiter entferntes Schallereignis höre ändern sich natürlich die Laufzeiten der Reflexionen ... dummerweise aber bei den verschiedenen Flächen auf unterschiedliche Weise! Die Reflextion an den Wänden oder dem Boden zB werden ja, abhängig von der Breite des Raumes, unterschiedlich verändert. Der Unterschied ist ja zwischen der "Bühnen-Rückwand" und den anderen Flächen noch größer. Die Fläche direkt hinter dem Hörer hingegen hat bei gleicher Hörposition ein konstantes Predelay.
Wenn ich das also "realistisch" simulieren wöllte, müsste ich eigentlich mehrere Pre-Delay Parameter verdrehen!

Ich stell das mal einfach so als These in den Raum. :D
Was haltet ihr davon?

Mir ist klar dass man im Mix praktisch vorgehen muss.
Allerdings gibt es ja auch Leute die Hall-Algorithmen entwerfen und da ist sicher der ein oder andere Perfektionist am Werk.


Andere Frage: Wie macht ihr's praktisch?
Bei mir lief das Pre-Delay für drei Hall-Busse mit größeren Hall-Räumen so auf Werte von 20ms, 35ms und 50ms (von hinten nach vorn) hinaus. Ich muss aber zugeben dass ich möglichweise von "psychologischen" Zahlen gelenkt werde. Bei einem Faltungshall ist ja auf der IR möglicherweise sowieso schon ein natürliches Pre-Delay drauf.


Gruß!

Edit:
Mir ist übrigens klar dass man Tiefenstaffelung durch ein Zusammenspiel mehrerer Komponenten wie Lautstärke, Höhenanteil, Stereobreite, Hall-Anteil, ect. erreicht - jedoch führt das jetzt vielleicht etwas zu weit.
 
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Dein letzter Zusatz ist sehr wichtig - aber ich gehe mal auf den praktischen Teil beim Hall ein, wie ich es machen würde:

Großer Raum - Nahe Schallquelle: langes Predelay und nicht all zu großer Hallanteil - Early Reflections eher etwas lauter
Kleiner Raum - Nahe Schallquelle: kurzes Predelay und nicht all zu großer Hallanteil - Early Reflections eher etwas lauter

Entfernte Schallquelle (egal ob groß oder klein): kurzes/gar kein Predelay und großer Hallanteil - Early Reflections eher leiser
ABER => Originalsignal (dry) bereits um die gewünschte Laufzeit verzögern (entscheidet über die Raumgröße)!

Es versteht sich von selbst, dass alle anderen Parameter des Reverbs zum Raumeindruck passen sollten (kleiner Raum / näher: eher heller und kürzere RT, großer Raum: eher dunkler und längere RT)
Dazu kommt noch bei einigen Hallgeräten die Möglichkeit zur Veränderung der Hüllkurve der ER (z.B. Shape / Spread). Das verändert auch noch mal eine Menge

P.S.: Early Reflections sind ja immer ein Cluster von diffusen Echos. Woher die kommen (ob von vorne, hinten, oben oder unten) das ist bei der Reduzierung auf einen Algorithmus für ein Stereogerät meiner Ansicht nach zweitrangig.

Noch ein P.S.: Die Fläche Hinter dem Hörer hat meiner Ansicht nach GAR KEIN Predelay - die Reflexionen aus der von er Schallquelle abgewandten Richtung sind schon Teil der Hallfahne - nicht mehr der Early Reflections, da ja bereits zum Zeitpunkt des Eintreffens dieser Reflexionen auch eine Masse anderer Reflexionen beim Hörer ankommt.
 
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Habe gerade ein cooles PlugIn gefunden, das das Thema Tiefenstaffelung auf die Spitze treibt!

Gibt's HIER

proximity_draft_back1.png
 
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Das sieht spannend aus. Check ich alsbald. Danke. :]
 
Der theoretische Approach ist sicher eine ehrenwerte Sache, und ich will auch gar nicht den Ultra-Skeptiker hier geben...hat mich aber zum Nachdenken gebracht: dein Vorhaben läuft daraufhin hinaus, dass du eine reale Hörsituation nachbildest. Du überlegst, welches Instrument wo sitzt und bildest dann die Signallaufzeiten nach.

Aber nicht jedes Ensemble klingt gut, wenn man davor sitzt. Ein Orchester klingt an vielen Punkten im Raum durchaus unausgewogen, bei einer akustisch spielenden Band ist es nicht anders. Daher ist doch die Frage: soll eine Aufnahme überhaupt die vielleicht gar nicht so schöne Realität abbilden? Sollte man nicht vielmehr der Tatsache ins Auge sehen, dass eine Aufnahme ein Kunstprodukt ist, das so in der "Natur"/im Konzertsaal/"im Real Life" nie vorkommt? Ich glaube: ja. Denn viele Aufnahmen, die mich begeistert haben, wären so nie möglich gewesen, wenn die Produzenten eine live-Hörsituation nachgebildet hätten.

Ich denke dabei z.B. an ein Drum-Set. Das wird immer und überall so mikrofoniert, dass die Mikros nahe an den Trommeln hängen, und zwei Overheads drüber. Aber kein echter Hörer hat 5 Ohren an 5 verschiedenen Stellen um ein Drum-Set herum - wir alle sind aber an den Sound gewöhnt, dass wir jede Trommel close-miked hören.

Wer möchte denn heutzutage noch ein echtes Drum-Set insgesamt live hören als stände er mit seinen kümmerlichen 2 Ohren auf falscher Höhe daneben? Wer weiss überhaupt noch real, wie sowas klingt? Und wer will diesen Sound auf einer Aufnahme haben? Kaum jemand, bin ich mir sicher. Wir alle kennen Drum-Sets nur noch close-miked. Die gleiche Ästhetik gilt für viele andere Instrumente.

Mischen ist immer eine ästhetische Entscheidung, denn man formt ein Kunstprodukt. Und ich bin dafür, das voll und ganz zuzugeben und nicht zu versuchen, reale Hörsituationen nachzubilden. Die musikalische Realität eines live spielenden Ensembles ist oft gar nicht so toll, dass man davon eine Aufnahme machen will.

Harald
 
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Drum-Sets sind in meinen Augen auch nochmal ein ganz spezielles Phänomen, denn - ich kann es zwar weder genau beschreiben, noch fundiert begründen, aber - in meinen Ohren hört sich eine Drum-Aufnahme (auch mit nur 1 oder 2 Mikros und seien sie noch so gut positioniert) nie wirklich so an, wie man das Schlagzeug real mit den eigenen Ohren hört. Da hat man sich Mühe gegeben, vernünftig gespielt und in den eigenen Ohren real einen guten Klang erzeugt, und nachher beim Abhören der Aufnahme kippt man fast aus den Latschen, wie erbärmlich die Aufnahme klingt. Dem liegen vermutlich eine ganze Reihe Faktoren zugrunde, allen voran, dass ein Mikrofon systemimmanent ganz andere "technischen Eigenschaften" hat als das menschliche Ohr.
 
Das ist ja schon ein alter Thread, dennoch eine Anmerkung:

Harald hat insofern Recht, als dass man natürlich die Freiheit besitzt, zu tun was gefällt. Aber Tiefenstaffelung sinnvoll einzusetzen, das hat sicher noch keiner Mischung geschadet - egal ob Rockband, Orchester, Big-Band, Singer-Songwriter,...

Das Beispiel mit den Drums finde ich jedoch kritikwürdig: Es gibt durchaus hervorragende Aufnahmen von Drums, bei denen nur wenig auf Close-Miking gesetzt wurde (Recorderman-Technik u.ä.).

Provokant gesprochen: Niemand will heute eine Drum-Aufnahme hören, bei der das Signal vor allem auf Close-Miking basiert. Voraussetzungen für eine gute Qualität sind allerdings ein qualitativ hochwertiges (kein Press-Span) und einwandfrei funktionierendes Set (nichts rappelt) das erstklassig gestimmt und falls notwendig gedämpft wurde und dann auch noch von einem Drummer bedient wird, der aus den Trommeln und den Becken einen ausgewogenen Sound rausholt (nicht Becken/HH dreschen). Dazu braucht es dann aber auch noch einen gut klingenden und nicht zu kleinen Raum mit keinesfalls niedriger Deckenhöhe und angemessener Akustik... und spätestens da hört's bei vielen Homerecordern auf.
 
In Sachen Deckenhöhe und Home-Recording eines Drumsets:

Kann ich unterstreichen! :D
 

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