Ich weiß ja nicht genau wo da jetzt die tolle Methode sein soll..??
Ehrlich gesagt bin ich etwas skeptisch darüber was der gute Mann mir da verkaufen will.
Was er da über seine Methode erzählt ist doch, dass er statt Liedern und Technik Übungen irgendetwas mit Micro-Movements, bzw die Stärke/Kontrolle der einzelnen Finger machen will.
Ich zitier mal ganz frei:
In 1979, after years of traditional lessons, learning to play by playing music, ( or trying to ) and enduring the drudgery of days and weeks of unproductive practice time spent on Scales, Etudes and countless pieces of music I made a revolutionary discovery: You can skyrocket your technique without ever playing a single solitary printed note of music. You can become the accomplished teacher instead of the struggling student.
How? By leveraging the power of each individual finger and mastering the science of results-accountable skills.
Das macht aber meiner Meinung nach irgendwie keinen Sinn, bzw sagt gar nichts aus.
Klar, muss jeder lernen seine Finger unabhängig zu bewegen, darauf läuft es technisch am Ende heraus. Ein jeder muss lernen wie er eine bestimmte Soundvorstellung in eine Bewegung umsetzt. Das ist aber irgendwie kein großes Geheimnis.
Und eigentlich ist das der ganz Sinn hinter Technikübungen und Etüden. Wenn ich sowas übe, oder meinen Schülern zum üben aufgebe, dann sag ich nicht: "Hier hast du die Tonleiter, spiel sie 50 mal rauf und runter", sondern ich sage: "Hier hast du die Tonleiter, spiel sie 50 mal rauf und runter, achte dabei darauf, dass jeder Ton gleich laut und gleich lang und gleich intensiv ist und dass keine Pausen zwischen den Tönen sind. Dazu musst du deine Finger vorbereiten, immer auf die gleiche Art und Weise anschlagen etc" und dann zeig ich wie man es machen muss.
Seine Aussagen zu seiner Übungspraxis sind seeehr wage und undefiniert. Soweit ich das verstehe, geht es um Übungen, die die Kontrolle über die Finger geben sollen, aber ohne dass man etwas spielt. Also wie da auf den Bildern, wirklich Haltungsübungen etc.
Aber wieso sollte ich sowas auf nem Tisch oder so machen und nicht gleich an der Gitarre..?
Nur weil ich halbwegs passabel Gitarre spielen kann und ein gewisses Kontrollevel über meine Finger habe, kann ich dadurch nicht automatisch gleich Klavier spielen. Die Bewegungsabläufe sind völlig anders.
Auch finde ich einige Sachen extrem seltsam die er da erzählt. Von wegen "unique technique practising" und "individual set of problems". Das stimmt meiner Ansicht nach schlicht und einfach nicht. Viele Probleme sind vorprogrammiert, und jeder wird darauf stoßen. Wenn ich meinen Schülern ein Stück gebe, kann ich schon im voraus sagen, an welcher Stelle sie Probleme haben werden und warum. Und meist sind es alle Schüler und nicht nur ein einzelner der dann die Probleme hat.
Oder solche Fragen wie: "Does your classical guitar teacher call you on a Sunday evening during dinner time and ask how your right hand middle finger is coming along with minimal movement issues ?"
Nein, natürlich macht das kein Lehrer. Aber ein Lehrer sieht eigentlich, wenn ein Schüler ein Problem in der Bewegung seiner Finger hat. Meist hört man das sogar..
Vor allem ist mir unklar, wie er soetwas per Video Lesson beibringen möchte.
Mal angenommen ich frage einen Schüler, wie er mit der Bewegung seiner Finger klarkommt.. was soll er sagen? Er weiß ja nicht was richtig ist.. Wo ist der Sinn der Frage..?
Bei einem Lehrer geht es ja grade darum, dass er Rückmeldung zu Dingen geben kann, die der Schüler eben noch nicht weiß.
Ich möchte jetzt gar nicht daran zweifeln, dass man keine Fortschritte macht, wenn man anderthalb Jahre lang genauestens die Bewegungen seiner Finger kontrolliert. Die wird man unweigerlich machen, wenn man das ernsthaft betreibt.
Aber den gleichen Effekt hab ich auch, wenn ich kontrolliert ein Stück übe, oder noch mehr, wenn ich kontrolliert Technikübungen und Etüden spiele.
Zudem übergeht er mit seinen Aussagen irgendwie mehrere Dinge die ich bemerken möchte: Zum einen: Wer möchte sich denn bitte ernsthaft anderthalb Jahre nur mit irgendwelchen Fingerübungen aufhalten..? Respekt, wer soviel Ausdauer zeigt, aber wo bleibt denn der Spaßfaktor?
Zum anderen: durch technische Übungen bekomme ich noch lange keinen musikalischen Ausdruck, oder irgendein Gespür für Sounds, Harmonien oder sonstwas. Er geht jetzt dreist davon aus, dass jeder sofort eine Vorstellung der Musik hat die er spielen will, einen Sound erreichen will, und nur die physischen Fähigkeiten fehlen. ich muss aber leider feststellen, dass man davon eher nicht ausgehen sollte. Ich hab Schüler, die können teils nichteinmal einen Rhythmus nachklatschen. Und Klatschen ist keine motorisch so schwierige Bewegung.
Am besten finde ich folgenden Satz:
The problem is, your brain thinks along completely logical lines, and playing the
Classical Guitar is simply NOT a logical process. Your brain looks at the music
on the page, figures out all the strings frets, and fingers needed to play the notes and
then has you downloading all kinds technical information. As you begin to play, a
flood of data hits the brain... right hand finger stroke speed, free stroke or rested
stroke,... arm positioning... neck angle... fret pressure, no pressure, vibrato...
"release" point before the next note... thumb position... preparation for the next
fingering pattern... middle right hand finger here or index finger there... then your
emotions kick in with ....volume choices.... tone color.... musical nuances....
expression.... passion.....and then....
Ähm.. und wie möchte er das umgehen?
Dem Problem steht man unweigerlich irgendwann gegenüber, und gelöst kriegt man das nur, indem man verschiedene Dinge automatisiert: Bewegungsabläufe (z.B. durch auswendig spielen) etc, um sich dann auf die anderen Dinge zu konzentrieren.
Ich sehe seine Methode eher als gewisse technische Ergänzung für fortgeschrittene Leute, die ihre Finger noch etwas unabhängiger kriegen wollen und für's unterwegs Üben, aber keineswegs als den wahren Weg der Erleuchtung, oder als alleinige Übestrategie.