Lampenfieber - ich spiele schlechter mit Zuhörern

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Moin Musiker!

Mir ist aufgefallen, dass ich beim Vortragen von Musik regelmäßig schlechter spiele als beim Üben. Das ärgert mich etwas. Glücklicherweise plane ich keine öffentlichen Auftritte oder dergleichen, aber ich würde doch gerne wissen, wie man mit der Situation umgehen kann? Geht es den Profis auch so oder ist das die rote Karte für die Profi-Karriere?

Mittlerweile habe ich festgestellt, dass ich die Verschlechterung sogar ohne Publikum provozieren kann: Ich brauche nur die Aufnahmefunktion am Gerät zu benutzen! Damit ist ein fehlerloses Spielen bei mir fast ausgeschlossen. So habe ich ein großartiges Misserfolgs-Geheimnis ;) gefunden, aber eigentlich hatte ich eher nach Ideen und Tipps gesucht, wie ich eine Vortragssituation besser überstehen kann.
 
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Mit dem Problem habe ich auch lange gekämpft, vor allem bei den ersten Proben meiner Band und bei den ersten Auftritten. Bei Auftritten helfen tatsächlich 2 Bierchen. Und auch in anderen Situation hilft es mir wenn ich mich voll und ganz auf die Musik konzentriere. Und ich sage mir "Ich muss es ja können sonst würde ich es na nicht machen". Weil es ist leider normal dass Menschen Versagensängste haben. Bei mir hat die pure Routine geholfen.
Versuch vllt. Einfach mal mit befreundeten Musikern zusammen zu spielen oder zu jammern. Dadurch gewöhnt du dich daran dass die jemand zuhört und eventuell auf die Finger schaut.
 
Ist vielleicht die brachiale Methode, aber bei Dingen, wo ich wirklich Lampenfieber habe - und die gibts immer noch, auch wenn ich in puncto Stage-Ego abgehärtet bin und die peinlichste Panne auf der Bühne mit Humor nehmen kann - da pack ich, sofern vorhanden, restlos alles aufs Band. Gibt's halt n Playback-Gig von meiner Seite, bei dem ich dann auch sekundenschnell wieder Parts abschalten kann und selber spielen kann, die Freiheit hab ich ja.

Wenn's kein Zuspieler gibt, dann sind's so gut wie immer Gigs, bei denen mir auch keiner den Kopf abreisst, bzw. das Showkonzept baden geht, wenn mal was nicht stimmt.

Und natürlich hilft auch die Routine. Denke kaum, dass ich damals vor Jahrzehnten beim Weihnachtskrippenspiel ähnlich sicher gespielt habe, wie ich das heute mache...



PS: Ist das Thema nicht eher auch allgemein interessant für die Musikpraxis-Foren? Ich beantrage mal ne Option der Verschiebung :)
 
... aber eigentlich hatte ich eher nach Ideen und Tipps gesucht, wie ich eine Vortragssituation besser überstehen kann.
Nebenwirkungsfreie Möglichkeiten:
1. begleitend und mittelfristig sinnvoller Baustein wäre ein bewährtes Entspannungstraining zu lernen, z.B. progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Autogenes Training,
2. Performance-Routine entwickeln.

Sich selbst aufzunehmen ist dabei der erste Schritt von 2. und äußerst sinnvoll, weil Du die Anforderungen an dich vollständig kontrollieren kannst.
Wenn Du also derzeit Beeinträchtigungen der Performance "im stillen Kämmerlein" erlebst, sobald eine rote LED leuchtet, ist mein Vorschlag, beim "Performance-Level" zunächst einen oder mehr Gänge herunterzuschalten.

Anstatt Stücke aufzunehmen, die in der Anforderung deinem jetzigen Stand entsprechen, könntest Du Stücke einspielen, die ein oder mehrere Schwierigkeitsgrade leichter einzuschätzen sind.
Stress und "Unfallrisiken" steigen natürlich auch, je weniger Du deine Stücke "im Schlaf" bzw. (fast) auswendig spielen kannst.
Das angepeilte Ziel spielt auch eine Rolle, es geht z.B. nicht um "Blattspiel"-Routine, sondern um musikalische Performance gründlich geübter Stücke.
Konkret könnte zum Beispiel die selbstgestellte Aufgabe sein: "ich spiele eine Aufnahme von Beethovens Für Elise als fehlerfreie und wohlklingende Aufnahme ein", obwohl Du für den Unterricht schon wesentlich schwierigere Stücke vorbereitest bzw. sonst "spielen kannst".

Der Weg zu weniger "Lampenfieber" beginnt also mit ziemlich oder sogar sehr leichten Stücken, die richtig gut gelernt und vorbereitet sind.
Mit erst einem und schließlich einer ganzen Handvoll solcher Stücke kannst Du trainieren, dich aufzunehmen, bis es dir vollkommen gleichgültig ist, ob gerade die Aufnahme läuft oder nicht.

Gelingt es dir, bei diesen Aufnahmen cool zu bleiben, checkst Du mit dem zeitlichen Abstand von ein paar Tagen diese jüngsten Aufnahmen: technisch sind sie fehlerfrei sowieso, aber stimmt auch die musikalische Aussage?
Repertoire in Stückesammlungen gibt es für Klassik, Pop, Rock, Jazz in den diversen Schwierigkeitsgraden, sofern Du diese Noten für deine Lieblingsmusik nicht bereits hast.

Wenn du soweit vom Ergebnis deiner Arbeit richtig überzeugt bist, könntest Du dir einige Meinungen zu deinen 1-2 besten Aufnahmen einholen, z.B. von "grundsätzlich wohlgesonnenen" Menschen aus Familie und Freundeskreis.

Das geht dann solange, bis Du auf diesem Weg bei Stücken auf deinem aktuellen Leistungsstand angekommen bist.

Der erste Schritt für "Öffentlichkeit" wäre ähnlich schlicht. Obwohl Du inzwischen weiter bist, holst Du jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis zum Vorspiel deiner leichteren Stücke, die absolut sicher sitzen, also "im Schlaf". Wenn das als zuviel an Stress statt Spaß vorausgesehen wird, dann bist Du noch nicht ganz soweit. Fühlst Du dich "fast fit" , könntest Du das "Vorspielen" zunächst nicht gleich als "Konzert", sondern pseudozufälliges Zusammentreffen arrangieren. Du verabredest dich bei dir, wenn Du noch "übst" und spielst gerade noch eines deiner leichteren Stücke, wenn dein Zuhörer dazukommt.

Wenn das alles klappt, würde es meines Erachtens nach Zeit, sich ein oder zwei Ensembles deiner bevorzugten musikalischen Richtung anzuschließen, um irgendwann öffentliche Auftritte zu erleben.
Die Anforderungen des ersten Ensembles sollten natürlich für dich gut beherrschbar sein.
Wächst Du darüber hinaus, findet sich sicher ein anderes.

Das Muster ist immer das Gleiche: voraussehbare Erfolgserlebnisse schaffen, erst privat und dann immer mehr öffentlich.

Was dein "Misserfolgs-Geheimnis" betrifft, da hast Du einen wichtigen Lernmechanismus gefunden.
Grundsätzlich kann man (üblicherweise unfreiwillig) die Steigerung von "Lampenfieber" und dessen Folgen genauso einüben wie man umgekehrt erlernen kann, damit so umzugehen, bis nur ein Kribbeln bleibt, das dann auf der Bühne zur positiven Energie für einen guten Auftritt wird.

Falls es für dich von Interesse ist, der folgende Link, dessen Thread und die Links in den Beiträgen führen zu einigen weiteren Aspekten der "Lampenfieber"-Diskussion:
https://www.musiker-board.de/plaude...eber-probleme-beim-schlucken.html#post6432497

Gruß Claus
 
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Ich erinnere mich noch an den Auftritt, bei dem ich als Pianist im Jazztrio das erste Mal der Mittelpunkt des Konzertes war: Eigenes Trio unter meinem Namen, meine eigenen Kompositionen. Da hatte ich auch ganz schön Lampenfieber vorher. Als Sideman in einer größeren Besetzung war das vorher nie ein Problem. Ein bißchen begleiten, ab und zu ein kleines Solo ...

Mein Bassst hatte das jedenfalls bemerkt und fragte mich:
"Bist Du aufgeregt?"
"Ja, ziemlich," war meine Antwort.
Er antwortete daraufhin: "Du kannst das umwandeln in Spielfreude."

Ich habe sofort eingesehen und verstanden, was er meint und es hat geklappt. Es war wie ein Schalter, den ich innerlich umgelegt habe. Ich hatte einen riesigen Spaß beim Spielen, das Konzert war gut und dieser "Trick" funktioniert seitdem jedesmal.

PS: Ist das Thema nicht eher auch allgemein interessant für die Musikpraxis-Foren? Ich beantrage mal ne Option der Verschiebung :)
Ich meine, so etwas sollten Pianisten auch mal unter sich besprechen dürfen.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Das Problem kenne ich auch, wobei ich gar nicht weiß ob ich wirklich viel schlechter spiele. Ich weiß natürlich wie aufgeregt ich bin und muss mich auch bei eigentlich bekannten Stücken stark konzentrieren - aber mir von außen zuhören kann ich natürlich nicht. Dass das Lampenfieber auch durch Aufnahmen auftritt kenne ich auch. Ich finde dass du geschrieben hast dass du die Situation mit der Aufnahmefunktion provozieren kannst könnte schon ein guter Tipp sein um sich an die Vorspielsituation zu gewöhnen, meist ist es ja doch nicht so schlimm. Vielleicht mache ich auch mal verstärkt von meiner Aufnahmefunktion Gebrauch, um das zu trainieren.
 
Danke für die bisherigen Tipps und Meinungen! :great:

Es beruhigt mich, dass Ihr das Problem auch in der Härte kennt. Ich fing schon an zu zweifeln, ob ich wirklich das Richtige mache, wenn schon die Aufnahmefunktion mich aus der Bahn wirft. :redface:

Fazit scheint zu sein, dass man auch die Präsentation üben muss - aber eben auch üben kann! Ein klein wenig frustrierend ist es, dass manche Leute keinerlei Probleme in dem Bereich haben, sondern ohne Umwege direkt zur Spielfreude gehen. :nix:
 
Vielleicht präzisiere ich noch einmal: Ich bin Unternehmensberater und muss auch Vorträge halten. Ich arbeite auch mal als Trainer und quatsche mein Publikum - wenn es sein muss - eine Woche lang voll. Dort habe ich es gelernt. Deshalb ist es um so ärgerlicher, dass es bei der Musik so völlig daneben geht.
 
Wie du selbst sagst, du arbeitest als Trainer, also professionell und bist daher als Trainer dieser Stresssituation erheblich öfters ausgesetzt als als Musiker. Davon abgesehen, bist du als Musiker auch kein Profi. Stell dir vor, du würdest so'n dufter Typ sein und würdest jeden Abend irgendwo öffentlich eine Stunde lang "klimpern" - wo auch immer das möglich ist .... Du wirst ohne Zweifel immer mutiger werden, du wirst Strategien entwickeln/automatisieren, was im Fehlerfall zu tun ist. Du wirst genau so'ne coole Socke werden, wie du als Trainer bist und da wahrscheinlich auch nicht immer fehlerfrei :).

Überleg mal, wie oft wir uns versprechen, obwohl wir das den ganzen Tag machen. Wie kann man da erwarten (von sich selbst), dass so etwas Komplexes und vergleichsweise wenig Praktiziertes wie Musizieren perfekt sein kann?

Bei der letzten Probe vor einem Auftritt bin ich meist nervöser als dann beim Auftritt selbst. Da gibt es dann typischerweise den richtigen Nervösitätsschub vor dem ersten Solo oder Solointropart. Ich versuche diese speziellen Parts zu imaginieren - also letztendlich mir vorzustellen, wie toll ich diese oder jene Stelle spiele. Was ich von einem Auftritt mitnehme, ist dieses euphorische Gefühl, dass sagt, "Was, schon vorbei? Mehr, ich will noch mehr spielen für euch". Ich hoffe, das kennst du auch? Halte das fest!

Gruß
Dirk
 
Ich [...] quatsche mein Publikum - wenn es sein muss - eine Woche lang voll.
Tja, so unterschiedlich ist das Leben. Ich hatte vor Solokonzerten manchmal schlaflose Nächte, nicht wegen der Musik, sondern wegen der Ansagen, die ich machen mußte. Ich übe inzwischen auch die Ansagen, und dann geht es besser.

Viele Grüße,
McCoy
 
S
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