Reparatur eines modernen Combo

Uli
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Dieser Bericht ist nur ein Bericht...keine Anleitung, kein Workshop und vor allem keine Ermunterung für völlig Fachfremde, jetzt bei jedem Fehler sofort die eigenen Geräte aufzuschrauben. Ein solcher Verstärker führt in der Schaltung durchaus auch in einer nicht Röhren bestückten Variante Spannungen, die bei Berührung tödlich sein können und ein Eingriff muß ohnehin nicht zwangsläufig zur Verbesserung führen - er kann auch das endgültige Aus für ein Gerät bedeuten, das unter fachkundiger Reparatur vielleicht nur einen Handgriff erfordert hätte.

Insofern bitte ich jeden Leser, sich von seinem Kenntnisstand her richtig einzuordnen und im Zweifelsfall den Bericht halt nur als Anekdote jemandes zu betrachten, der schon einen Meßgerätepark aufgebaut hatte, um mit einer vorschriftsmäßigen Fehlersuche zu beginnen, dann aber ausnahmsweise die Vorteile heutiger Kompaktbauweise und Hochintegration der Elektronik kennenlernte...

Fehler
Nach mindestens einer - wahrscheinlicher aber zwei Wochen Dauerbetrieb meines kleinen 75W Bass Combos (line6 LowDown Studio 110) stellte ich zu Hause fest, daß er keinen Ton mehr von sich gab.

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Das Gerät ist so aufgebaut, daß sich der rückseitig angeschraubte Verstärkerteil nach Lösen der Randschrauben komplett herausnehmen läßt, wozu ich mich entschlossen hatte, als ich feststellte, daß aus dem lautsprecher absolut nichts mehr - auch nicht das leiseste Rauschen - herauskam. Meine Hoffnung war, daß es vlielleicht eine Endstufen- bzw Thermosicherung geben könnte, die durchgebrannt und einfach auszutauschen wäre.

Natürlich ist es aber ebensowenig auszuschließen, daß die Vorstufe bereits defekt ist, auch könnte der Lautsprecher eine Unterbrechung haben. Letzteres läßt sich nach der Öffnung am leichtesten ermitteln: die Steckverbindung des Lautsprechers zur Endstufe wird abgezogen und ein alter 9V-Block (der inzwischen vermutlich nur noch ein 5V-Block ist) wird über einen Batterieclip mehrmals kurz mit dem Lautsprecher verbunden, wobei es sehr hörbar knacksen muß. Da der Speaker des LowDown das auch brav tut ist die Schnelldiagnose: Lautsprecher ok...bzw hat zumindest keine Unterbrechung...Fehler woanders.:rolleyes:

Eigentlich halte ich auch die Vorstufe für unschuldig, denn die Tasten, mit denen man die Amp-Modelle schalten kann, leuchten bei Betätigung, aber ein Test mit dem Kopfhörer (der VOR der Endstufe abgegriffen wird) sollte Klarheit bringen. Nach 2 Minuten ist klar: die Vorstufe scheint auch ok zu sein, es bleibt praktisch nur noch die Endstufe übrig...

Die Suche nach der Endstufe wird in Halbleiter bestückten Verstärkern meistens dadurch vereinfacht, daß man oft nur nach einem Kühlkörper suchen muß, je nach Leistung dann auch schon mal nach einem recht großen Kühlkörper...

239819d1349530907-amp-line6-lowdown-studio-110-inside.jpg


Nach diesem Grundsatz macht es einem der LowDown 110 ziemlich einfach, der riesige schwarze Alu-Rippenkühlkörper ist unübersehbar...leider ist aber keine Thermosicherung zu finden, die irgendwo dort im Bereich der Wärmeentstehung sein müßte, so daß der Fehler woanders liegen muß.

Reparatur
Die Endstufenplatine ist mit 4 Schrauben ausbaubar, wenn man exotische Fehler wie Kontaktstörungen oder Platinenriss vorerst mal ausschließt, bleibt auf diese Endstufenplatine fast nur noch das gekühlte IC übrig, das die gesamte Endstufe beinhaltet, und mit einer angeschraubten Alu-Wippe gegen den Kühlkörper gepresst wird. Die +/- Spannungen liegen am IC vorschriftsmäßig an, die Stromversorgung scheint es also auch nicht zu sein.

239822d1349530935-amp-line6-lowdown-studio-110-endstufe.jpg



Nach Lösen der Anpresswippe kann die Platine entnommen werden und es offenbart sich eine clevere Lösung, mit der sichergestellt werden kann, daß das IC immer vollflächig gegen den Kühlkörper gepresst wird: der unmittelbare Umgebungsbereich des ICs wurde als eigene Mini-Platine ausgelegt und über ein wenige Zentimeter langes Stück Flachbandkabel mit der Hauptplatine verbunden. So kann die Hauptplatine festgeschraubt werden und die Miniplatine gleicht mögliche Lageabweichungen durch eine nicht hundertprozentig lotrechte Einlötung des ICs aus.

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Nachdem ich festgestellt habe, daß das IC sage und schreibe 1,85€ kostet, entschließe ich mich, es einfach auf gut Glück zu tauschen, wozu es erstmal ausgelötet werden muß. Da ich zu Hause keine professionelle Entlöt-Anlage habe, behelfe ich mir meist mit einer Handpumpe und Entlötlitze. Ist man sicher, daß das auszutauschende Teil defekt ist, kann man auch vorher die Anschlüsse abknipsen und die einzelnen Lötpunkte freilegen, was mit Heimwerker-Methoden oft einfacher ist, als eine Entlötung des ganzen Bauteils. Nach ein paar Minuten ist das geschafft und die 'Endstufe' ausgelötet.

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Nach 2 Tagen ist das Erstz-IC da und wiederum nach ein paar Minuten eingelötet. Vor der Montage der reparierten Platine muß das IC unbedingt wieder mit Wärmeleitpaste bestrichen werden, damit die Wärme optimal an den Kühlkörper weitergegeben werden kann.

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Anschließend kann die Anpresswippe wieder montiert werden, sollte aber mit Gefühl festgeschraubt werden, damit sie nicht das IC in zwei Teile presst. Ich ziehe es immer so weit an, bis die Wärmeleitpaste leicht unter dem IC herausgedrückt wird.

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Ergebnis
Alles wieder zusammengeschraubt...eingeschaltet...Stein vom Herzen gefallen: er spielt wieder! So einfach und billig kanns auch mal gehen! :)
 
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Freut mich für Dich, dass es wieder funktioniert.

Aber einen IC aus- und wieder einlöten? Ich bin mir ziemlich sicher, bei mir würde das Teil hinterher beim ersten Stromkontakt "BUMM" machen :D

Danke für den aufschlussreichen Bericht,

Clemens
 
Naja, Löttechnik ist viel Routine. Ich hab mir bei der H&K Werksbesichtigung auch so meinen Teil gedacht, als da einige zB behaupteten, SMD-Bauteile könne man nicht wechseln...Wir haben das fast täglich gemacht, allerdings ist die Technik eine etwas andere als bei herkömmlichen Bauteilen...

Dieses hier im Bericht beschriebene Endstufen IC ist vergleichsweise hart im nehmen, auch was Löttemperaturen betrifft. Durch den eingegossenen Kühlflansch aus Alu wird schon eine Menge Hitze vom eigentlichen IC im Inneren ferngehalten und die ICs sind ja sogar für Betriebstemperaturen ausgelegt, die man durchaus nicht mehr anfassen kann.

Beim Auslöten hab ich es mir einfach gemacht, da das Ersatzteil wie gesagt nur 1,85 bei Reichelt gekostet hatte. Ich habe mit einem Elektronik-Seitenschneider alle Beinchen abgeknipst und einzeln ausgelötet - das ist dann auch nicht mehr schwerer, als irgendeinen Widerstand auszulöten. Um danach die Lötpunkte ganz sauber und zinnfrei zu bekommen, löte ich sie iaR erstmal wieder ganz mit Lötzinn zu, so daß mehr Masse zum Fließen da ist, wenn man danach mit Lötpumpe oder Entlötlitze rangeht.

Das Einlöten ist bei dieser beschriebenen Bewegungsmechanik ja zum Glück völlig unkritisch: egal wie man das IC eingelötet hat, durch die mit dem Flachbandkabel frei schwebend aufgehängte Miniplatine ist immer optimaler Kontakt zum Kühlkörper gegeben...man kann also kaum was falsch machen. :)
 
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Hast du auch eine Idee, warum der IC kaputt gegangen sein könnte?

Also ich hatte bisher keine guten Erfahrungen mit SMD-Löten :D Wobei man dazu mMn doch schon etwas besseres Equipment braucht.

Gruß
 
Hast du auch eine Idee, warum der IC kaputt gegangen sein könnte?
Ja. Ich hatte den Amp im Proberaum ziemlich voll aufgerissen betrieben, um gegen den Rest der Band anstinken zu können. Nach Probenende habe ich den Amp immer am Schalter der Mehrfachsteckdose ausgeschaltet, das war auch an meiner letzte Probe vor dem Urlaub so. Irgendjemand hat dann bei einer Probe ohne mich einen freien Steckplatz in der Mehrfachdose genutzt und diese dazu logischerweise eingeschaltet. Leider hat er sie aber nicht mehr ausgeschaltet, sondern einfach seinen Amp ausgeschaltet, wodurch meiner eingeschaltet blieb und 2 Wochen voll aufgedreht das Rauschen des Eingangskabels verstärkt hat, was der Endstufe wohl irgedwann zu viel war. Als ich zurückkam, war er zwar eingeschaltet, schwieg mich aber ansonsten beleidigt an...:rolleyes:

Also ich hatte bisher keine guten Erfahrungen mit SMD-Löten :D Wobei man dazu mMn doch schon etwas besseres Equipment braucht.Gruß
Ich würde eher sagen anderes.

Beim Auslöten wird iaR nicht versucht, das zu wechselnde Bauteil zu retten, deshalb ist da alles erlaubt, was schnell geht und die Platine nicht beschädigt...also Anschlüsse mit Minidrill abtrennen, ganzes Bauteil erhitzen bis es abfällt etc...

Das Einlöten ist da schon etwas spezieller. Im wesentlichen verwendet man dabei keinen Lötkolben im herkömmlichen Sinne sondern einen Gas-betriebenen Mini-Heißluftfön (der aber ähnlich aussieht wie ein kleiner Lötkolben).
Anstelle von Lötdrahn wird eine Lötpaste verwendet, die hauptsächlich aus winzigen Zinnkügelchen besteht. Man bestreicht die Lötstellen auf der Platine mit dieser Paste und setzt das anzulötende Bauteil drauf. Wenn man dann mit dem Mini-Heißluftgebläse daran vorbeistreicht, schmilzen die Zinnkügelchen und der Lötvorgang findet statt.
Soweit zumindest die Theorie...ein bißchen Praxis ist dabei allerdings auch durchaus hilfreich. ;)
 
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Schade das der Amp keinen Hitzeschutzschalter hat, ich habe noch einen alten Laney hier und der hat sowas (zum Glück ;) ).
Sobald die Transistoren zu heiß werden kappt der die Stromversorgung (kann Live natürlich ärgerlich werden aber besser als ein abgerauchter Amp)
 
Danke...der Thread hat jetzt dafür gesorgt, dass ich paranoid um meine Verstärker rumstiefel, sobald ich die Bude verlasse. :D
Aber mal im Ernst: Gut, dass mal systematisch gezeigt wird, dass auch moderne Verstärker kein Hexenwerk sind. ;)
 
Aber mal im Ernst: Gut, dass mal systematisch gezeigt wird, dass auch moderne Verstärker kein Hexenwerk sind. ;)

Aber für Leute ohne Erfahrung liegt die Aufsicht auf Erfolg bei einer Aktion wie Ulis auch ziemlich tief ;)
 
Er hat ja auch am Anfang schon geschrieben, dass das kein Kindergeburtstag und nichts für den Laien ist. Und das finde ich, kann man bei Elektro-Geräten dieses Kalibers nicht oft genug betonen.
 
Völlig richtig! Das soll wie gesagt keine Ermunterung sein, ein elektrisch betriebenes Gerät aufzuschrauben und selbst reparieren zu wollen, wenn man nicht den erforderlichen Background hat. Ich halte die MB-user vor dem Hintergrund der entsprechenden deutlichen Hinweise für mündig genung, sich diese lebenswichtige Erkenntnis bei der Lektüre vor Augen zu halten.

Trotzdem nochmal:
Es ist nur ein Bericht jemandes, der sowohl eine abgeschlossene Lehre als auch ein Studium in dieser Branche hat - und daß das relativ günstige Voraussetzungen für so einen Versuch sind, müßte eigentlich einleuchten. ;)
 
Naja das ist ja keine Reperatur weil ja nicht ( sicher ) der Fehler behoben
wurde ( sondern auf Verdacht irgendwelche Teile getauscht wurden ) sondern
nur der Schaden. Teile auf Verdacht zu tauschen ( die könnten ja kaput sein )
und dabei noch Glück haben ( wenn's denn das richtige und einzige war ) halte
ich als Tip für absolute Laien bei Geräten wo auch Netzspannung vorliegt für
außerst fragwürdig.
Hat auch nix mit mündigen Usern zu tun denn viele wundern sich wenn sie klein,
schwarz und häßlich auf dem Boden liegen das selbst an Kühlkörpern einiger Netzteile
Netzspannung anliegen kann wenn sie mal eben bei eingeschaltetem Amp fühlen
wollen ob ein Kühlkörper zu heiß wird....

Und der Hinnweis nicht für Laien ist in dem Fall überflüssig da gerade nur Laien
aufgrund eines solchen Beitrags anfangen selber zu basteln, nicht Laien sehen von
vornherein auch ohne einen solchen Beitrag selber nach.
 
Was geht denn bei dir ab?
 
Was geht denn bei dir ab?
weiss ich auch nicht, ist aber egal: aaalso: :rolleyes:

btt, bitte. erstens ist das kein 'reparaturtip' und keine anleitung, sondern nur ein bericht über eine erfolgreiche reparatur. erfreut euch daran, fragt bzw. diskutiert drüber.

und zweitens: wer z.b. seinen (transistor)amp aus irgendwelchen gründen aufschraubt, ziehe den netzstecker (wie bei der kaffemaschine ;)). darüber hinaus darf man in diesem forum sogar über röhren(endstufen) schreiben und lesen. und die eigenen finger davon lassen, wenn man nicht die fachliche kompetenz inkl. gerätschaften hat.
 

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