Sentenced / The Cold White Light / 2002 / CD

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Sentenced / The Cold White Light / 2002 / CD


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Erschienen: 2002

Spielzeit: ca. 45 min.

Label: Century Media

Tracklist:

1. Konevitsan Kirkonkellot
2. Cross My Heart And Hope To Die
3. Brief Is The Light
4. Neverlasting
5. Aika Multaa Muistot (Everything Is Nothing)
6. Excuse Me While I Kill Myself
7. Blood And Tears
8. You Are The One
9. Guilt And Regret
10. The Luxury Of A Grave
11. No One There


Sentenced – The Cold White Light

Warum macht sich eigentlich jemand die Mühe sich das Maul über eine Platte zu zerreißen, die a) schon 6 Jahre alt ist und b) von einer Band stammt, die es schon gar nicht mehr gibt?
Der Gründe hierfür gibt es eigentlich recht viele, gerade in Anbetracht dessen, dass diese Platte ein echter Leckerbissen ist, oder aber nur deshalb, weil es in unseren Breitengraden üblich ist eine kleine Grabesrede für den Verstorbenen zu halten.
Eigentlich wollte ich das Fazit nicht gleich vorweg nehmen, aber The Cold White Light ist ein wahrlich ein Meisterwerk für all jene, die auf Sentenced und deren Musik stehen.

Sentenced galten eigentlich immer als Nischenband. Härter und metallischer als HIM, The 69 Eyes und Konsorten, aber luschiger als die Children Of Bodom, In Flames oder sonstiger Schwedentod. Eigentlich könnte man sie als Mädchenband bezeichnen, Waschlappen-Metal ohne Eier und wenn überhaupt, dann nur als Mittel zum Zweck dienlich, wenn man mal ne Frau zum schnellen, zwanglosen Beischlaf rumkriegen möchte.
Andererseits erfreuten sie sich dennoch einer recht großen und breitgefächerten Anhängerschar und es gibt wohl nicht viele Ultra-Brutalo-Metaller, die nicht das ein oder andere Sentenced-Album im Regal stehen haben.
Naja, ich bin zwar kein Ultra-Brutalo-Metaller, aber ich gebe mich doch ganz gerne dem Klischee der echten Männermusik hin und da passen Sentenced irgendwie nicht ins Bild. Vielleicht ist das auch der Grund, warum man eigentlich nie jemanden über die Band reden hörte, aber wenn beispielsweise bei einem Festival deren Auftritt kurz bevor stand, hatte plötzlich keiner der Jungs mit Immortal- oder Cannibal Corpse-Shirts mehr Zeit in Ruhe sein Bier leer zu trinken, sondern war viel zu sehr damit beschäftigt sich Plätze in den vorderen Reihen zu erkämpfen. Dass die meistens schon von vornehmlich schwarz gekleideten und heftigst geschminkten Damen gesäumt waren ist selbstredend und so konnte man nicht selten beobachten, wie da das kleine schüchterne Gothic-Girlie Arm in Arm mit dem vor Gesichtsbehaarung kaum zu erkennenden Neo-Wikinger, beide mit einem Grinsen vom einen Ohr zum anderen im Gesicht, dastanden und Zeile für Zeile der Sentenced-Lyrics mitschmetterten.

Wir haben es also mit einem echten Phänomen zu tun. Großen Anteil daran dürfte die oft zynische Selbstironie von Frontmann Ville Laihiala sein, der mit seinem rabenschwarzen Humor den Geist seiner Anhängerschaft mitten ins Schwarze traf und trotz aller Melancholie für einen mords Spaß, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum, sorgte.

Auch auf The Cold White Light verhält sich das nicht anders. Ich glaube es gibt darauf keinen einzigen Song, in dem nicht gestorben wird, umso erstaunlicher ist es dabei, dass die Band dabei wohl die Gabe besitzt von den Toten auferstehen zu können um dann im nächsten Song gleich wieder das Reich der Lebenden zu verlassen, vornehmlich natürlich nicht auf natürliche Art und Weise, sondern stilecht durch die eigene Hand. Eine Katze hat ja bekanntlich 7 Leben. Sentenced bringen es sogar auf die ein oder andere Zehnerpotenz mehr...

Aber das ist auch gut so, denn wenn man erst mal in „The Cold White Light“ drin steckt, möchte man so schnell auch gar nicht mehr herauskommen, denn keiner nimmt sich auf solch bezaubernde Art das Leben wie sie und vor allem untermalt niemand seinen eigenen Tod mit solch fesselnder Musik.
Das erste mal wird schon in Track Nummer 2 gestorben (Song Numero 1 überlebt man nur deshalb, weil es sich dabei um ein Intro handelt, in dem unter anderem ein Uhu nervös durch die Nacht uhut und ansonsten ein wenig Hitchcock-Psycho-Flair verbreitet wird).
Unser Protagonist ist über den Tod einer ihm sehr nahestehenden Person derart verzweifelt, dass er diese folgen möchte. Ja, das ist die Geschichte in Kurzform, die natürlich durch den ein oder andern lyrischen Glanzpunkt noch ausgeschmückt wird.
Musikalisch geht es relativ flott zur Sache, wenngleich die Sentenced-typische Atmosphäre gleich ab den ersten Takten zu spüren ist. Simple, aber schöne Gitarrenriffs und ein bombastischer Sound peitschen die Strophe voran, ehe sich im Refrain alles entlädt und man ganz groß aufspielt. Eingängigkeit ist dabei das Schlagwort. Der Song, wie ein Großteil der anderen Songs des Albums übrigens auch, setzt sich sofort im Ohr fest und klingt noch vor dem Ende so vertraut, dass man den letzten Refrain schon im Kopf mitsingen kann.

Dann die erste Auferstehung, nur um gleich wieder daran erinnert zu werden, dass alles vergänglich ist und man am Ende von „Brief Is The Light“ doch wieder in die Gruft steigt. Auch das im Übrigen ein Song mit gewaltigen Ohrwurmqualitäten.

Sentenced hatten schon immer ein Gespür für große Melodien, doch dabei läuft man eigentlich stets Gefahr in kitschige Pop- oder Schlager-Gefilde abzudriften und schon wird aus einer schönen, ausdrucksstarken Melodielinie ein grauenhaftes, ausgelutschtes Gedudel, das man so oder so ähnlich schon tausendmal gehört hat und bei dem jede Note voraussehbar scheint.
Dem Herrgott sei Dank, dass Sentenced hier die Kurve noch kriegen und die Gratwanderung zwischen Genialität und Kitsch mit Bravur meistern. Zwar schlittert man das ein oder andere Mal sehr gefährlich am steilen Abhang vorbei, aber letztendlich kommt man doch noch ohne größere Blessuren ins Ziel.
Wer meine anderen Reviews kennt, der dürfte wissen, dass ich eine gewisse Schwäche für schöne Melodien und Harmonien habe und auf diesem Album gibt’s davon die Vollbedienung.
Alle Songs zeichnen sich durch eine zwar eingängige, aber dennoch nicht abgedroschene Melodie aus, die hängen bleibt und jeden einzelnen Song zu etwas besonderem macht.
Nehmen wir als Beispiel „No One There“. Das Stück gehört zu den ruhigeren der Platte und ist für Metal-Verhältnisse fast schon poppig. Dafür jedoch bekommt der Hörer eine perfekte Mischung aus Bombast, Harmonie, Dynamik und Atmosphäre die die Leute quer durch die Bank begeistern kann. Es gibt nicht viele Songs, die meiner Freundin und mir gleichermaßen gut gefallen, „No One There“ gehört dazu.
Es ist sowieso erstaunlich wie es Sentenced schaffen immer wieder auf diesem schmalen Grad zu balancieren und ich finde es mehr als beachtlich, wenn ich von meiner Allerliebsten immer wieder zu hören bekomme, ich solle doch lieber diese eine Platte mit dem blauen Cover, anstatt dem Zeug, das gerade in meinem heimischen CD-Spieler läuft anhören.
The Cold White Light hat es geschafft die eigene Identität der Band nicht in Frage zu stellen und dabei aber für eine breitere Masse kompatibel zu sein. Niemand kann Sentenced vorwerfen, sie hätten sich mit diesem Album verkauft, ich würde es vielmehr so sehen, dass sie ihren Stil so weit perfektioniert haben, dass man überhaupt nicht merkt, dass sie dadurch vielleicht für die breite Masse etwas zugänglicher geworden sind.

Dennoch hat man sich vor allem auch die so prägende Selbstironie bewahrt. Es gibt wenige Bands aus diesem Bereich, die bewusst eine Packung Humor mit auf ihr Album packen, aber auch das zeichnet sie aus, die Jungs aus Finnland.
„Excuse Me While I Kill Myself”…alleine der Titel des Stücks spricht Bände und lässt erahnen, dass hier auch mal ein Mundwinkel nach oben gezogen werden darf. Abgesehen davon, dass wir es hierbei auch musikalisch mit einem großartigen Stück Musik zu tun haben, zeigen vor allem solche Songs, dass es der Band trotz aller selbstzerstörerischer Neigungen an Lebensfreude nicht mangelt. Ein Widerspruch in sich, aber vielleicht ist es gerade das, was Sentenced von anderen Bands abhebt.

Es ist nicht gelogen, wenn ich behaupte, dass auf dieser Platte ein Kracher den nächsten jagt. Es ist eine ungeheure Power, die hinter der leicht poppigen, aber dennoch düsteren Fassade steckt und sich durch bratende Gitarrenwände und ein tightes, punktgenaues Drumming Gehör verschafft. Hin und wieder blitzt auch mal eine schöne Bassline aus dem Gitarrendickicht hervor und knurrt den Hörer roh, aber charmant an.
Klar, das Hauptaugenmerk liegt auf den Gitarren, aber die Produktion bindet die restlichen Instrumente gekonnt in den Gesamtsound mit ein und schafft ein sehr homogenes Klangerlebnis, das den Songs noch den letzten Schliff verleit.
Dass die Scheibe nicht schon nach kurzer Zeit in rhythmischer Eintönigkeit versinkt hat man gekonnt immer wieder ein kleines Break eingebaut, welches der Dynamik des Albums sehr gut tut und die Aufmerksamkeit auf hohem Level hält.
Produktionstechnisch muss man ein weiteres Mal den Hut ziehen, denn der Sound von The Cold White Light ist einfach fantastisch. Klar und druckvoll, dennoch mit der nötigen Portion Ecken und Kanten und zusammen eine perfekte Mischung. Ein großes Lob hierfür an den Produzenten und wenn wir schon dabei sind, soll auch das Cover-Artwork Erwähnung finden, welches auch nicht zu den schlechtesten des Genres zu zählen ist.

Fazit:

Was soll man noch groß sagen, was nicht schon erwähnt wurde.....
Ich für meinen Teil mag kein anderes Sentenced Album lieber als „The Cold White Light“, weil es alles bietet, was ich von einer guten Platte erwarte und zur Höchstnote müssen die Finnen hier noch nicht mal ihren Sympathie-Joker ziehen.
Alles andere als die volle Punktzahl würde „The Cold White Light“ einfach nicht gerecht.

10/10 Punkte
 
Eigenschaft
 
Auch in meinen Augen eine sehr große Scheibe und noch vor Crimson, Frozen & Funeral Album das beste Werk der Finnen! Definitiv in den Top 10 meiner Lieblingsalben. 10/10!
 

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