Stereomikrofonierung - Verfahren und Eigenheiten?

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Hallo allerseits

ich begebe mich erstmals in den Bereich der Stereomikrofonierung.. und habe daher bisher noch nicht so viel an Wissen angesammelt.

Ich bilde mir aber ein, hier irgendwo mal einen Thread gelesen zu haben, in dem die verschiedenen Arten der Stereomikrofonierung schön ausführlich erklärt waren.. kann ihn aber gerade beim besten Willen nicht mehr finden, drum seh ich grad keine andere Möglichkeit, als einen Thread dazu aufzumachen.

Weiß einer von euch, welchen Thread ich meine, wonach ich noch suchen könnte, um den zu finden (Stichworte Stereo, XY und AB waren noch nicht so erfolgreich), bzw. ob ich mich vllt. auch einfach täusche und es gibt so einen Thread garnicht?

Hatte eigentlich gehofft, dass der in FAQ/Workshops wäre.. aber falls ich nicht blind bin, ist er das nicht.
 
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sehr gut... zwar viel zu lesen und ich habs nur mal überflogen um das zu finden, was ich suchte, aber das hilft mir schonmal deutlich weiter, dankeschön.

Und ich wunderte mich noch warum meine ersten XY-Tests gerade so "wenig weit" klingen ... da probier ich mich doch direkt ma an NOS :)
 
Und ich wunderte mich noch warum meine ersten XY-Tests gerade so "wenig weit" klingen


Das dürfte höchstwahrscheinlich von einem viel zu kleinen Achsenwinkel der Mikrofone kommen. Intuitiv machen viele erste Versuche mit einer 90° Anordnung und indem sie die Mikros an den Rändern der Schallquelle ausrichten. Das funktioniert grundsätzlich nicht. Das kannst Du noch so nah an eine Gitarre stellen, die kommt immer fast mono. 90° sind nur in Ausnahmesituationen von Nutzen, allermeistens viel zu wenig.

Auch das erklärt uns Eberhard Sengpiel:

http://www.sengpielaudio.com/DasUnmoeglicheHauptmikrofonFuerIntensitaet.pdf

Denk' Dir einen Kreis dessen Mittelpunkt der Punkt ist, wo die Mikrofonkapseln übereinander sind. Bei einem Achsenwinkel der Mikrofone von 90° wird eine Schallquelle erst dann voll links oder rechts abgebildet, wenn sie auf 98° "steht". Also schon "hinter" dem Mikrofon! Probier's aus und laufe um das Mikrofon und sag' auf den entsprechenden Postionen 30°, 60°, 90°, etc., nimm' das auf und hör's ab.

XY ist da kontraintuitiv - für die typischen Einzelschallquellen brauchst da da große Öffnungswinkel. Eher 180° als 90°. So eine Anordnung "sieht komisch aus", da ja "die Mikrofone voll neben die Schallquelle zeigen".

Hier die Grundlagen:

http://www.sengpielaudio.com/TheorieGrundlaIntensitaet.pdf

Der Vorteil von XY ist, dass Du ein Instrument "volle Breitseite" - also über das ganze Stereopanorama verteilt - aufnehmen kannst und dann im Mix beliebig eng stellen kannst und es beliebig "kippen" kannst.
 
jup, hab jetzt mal das was auf der Seite als NOS bezeichnet is (hab ich vorher nie von gehört, is der Begriff verbreitet?) gemacht und whooow is das weit :D bin begeistert :)

dafür merk ich auch das Problem der Laufzeitmikrofonierung, bei einem Sound wo ich mich ganz schnell bewegt hab während der Aufnahme is ein Chorus-Effekt aufgetreten (klar, Laufzeitverschiebung und so...), klingt aber durchaus cool :)
 
Ein anderes Problem ist, dass die Stereoposition und -breite fix sind. Nachregelung via Balance geht, "einengen" der Panpots ist meistens murks...
 
du meinst alles außerhalb von 100% L/R klingt nicht?
 
Du musst die Panpots hart links/rechts lassen, sonst bekommst Du Kammfilter. (Probier's aus, mach' mal beide Kanäle in die Mitte. Ein typisch "hohler" Klang, ein wenig wie der "Mülltonnen"-Effekt.) Das heisst, die Stereobasis und -position ist durch die Postion der realen Schallquelle bei der Aufnahme vorgegeben. Willst Du z.B. eine Gitarre hart rechts haben, musst Du Dich beim Einspielen entsprechend platzieren. Bei schlechter Raumakustik ist die Vorgehensweise wieder problematisch, weil dann das "andere" Mikro - das von der Gitarre wegzeigt - viel Raum bzw. Reflexionen abbekommt.

Du kannst im Nachhinein eigenltich nur den Balance-Regler sinnvoll nutzen, der macht aber natürlich das "Stereo-Feeling" mehr oder weniger zu nichte - je nachdem wie stark Du ihn aus der "Mitte" nimmst. Also im Extremfall "balanced" Du so eine Gitarre ganz auf eine Seite, was ja dann einer Verwendung von nur einem der beiden Kanäle gleich kommt, das ist dann echtes (hart-)gepanntes "Mono".

Beispiel: Du willst einen Song mit Gesang und zwei Akustikgitarren aufnehmen. Nimmst Du die Gitarren frontal/mittig mit deinem NOS-System so auf, dass sie beide eben in der Mitte und über die volle Stereobasis abgebildet werden, hast Du natürlich keinen sinnvollen Mix. Du wirst eine Gitarre links und eine rechts haben wollen. Balanced Du jetzt beide hart links und rechts, sind beide Gitarren wieder voll mono, es ist dann das gleiche, als hättest Du nur jeweils eines der Mikrofone verwendet und hart gepanned. Positionierst Du die Gitarren schon bei der Aufnahme "richtig" hast Du ein schönes, räumliches Klangbild (abhängig natürlich auch von der Raumakustik), das Du mit gepannten Monoaufnahmen so nie bekommst, auch nicht mit den tollsten Effekten. Probier's aus. Beides im Vergleich am besten.

Mit XY kannst Du halt die Gitarren bei der Aufnahme mittig vor dem Mikrofon zu positionieren um möglichst viel "Nutzsignal" zu bekommen und dann später "perspektivisch" verteilen. Sagen wir die eine von hart links bis halblinks, die andere eben umkehrt. XY hat halt nicht diesen räumlich-luftigen Klang, da ist alles schärfer abgegrenzt und etwas "platter". Dafür ist es aber weit flexibler im Mix.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

wenn Monokompatibilität gefordert ist, ist XY allerdings gegenüber den Verfahren mit Laufzeitunterschieden im Vorteil...
@deltafox: NOS bedeutet "Nederlandse Omroep Stichting" und ist ein von niederländischen Rundfunktechnikern entwickeltes Verfahren, ähnlich der ORTF-Anordnung, nur mit anderem Öffnungswinkel und Kapselabstand (90°/110° und 30 zu 17 cm).
Und zu den Öffnungswinkeln bei XY: Die können bei Nierencharakteristik durchaus auch auf 120° gehen, das wäre für eine Niere eigentlich ideal.

Viele Grüße
Klaus
 
Da wird ein, wie ich finde, recht wichtiger Punkt angesprochen, die Monokompatibilität und die Flexibilität im Mix. Ich selbst arbeite aus diesen Gründen nur selten und eher ungern mit anderen Stereoaufnahmeverfahren als XY. Also mal ein paar Gedanken zur (Äquivalenz)stereofonie:

Sicher, als primärer Stereomitschnitt der den Löwenanteil an der Gesamtaufnahme trägt klingen ORTF oder NOS deutlich "größer" und luftiger, vor allem bei Aufnahmen von wirklich breit aufgestellten Klangquellen wie Chor, Orchester, Big Band oder einer anderen "breit verteilten" Akustik Band lassen sich so sehr viel eindrucksvollere Ergebnisse erzielen.
Sobald die Quelle als einzelnes Instrument eher aus der Nähe aufgenommen und danach in einem Mix platziert werden soll beginnen die Phasenschweinereien. Das geht dann gerade noch gut, wenn wir von sagen wir mal, einem Piano reden, welches den Mix völlig bestimmt und die anderen Instrumente klar untergeordnet sind. Wenn nun aber das Piano nur eine untergeordnete Rolle spielt und eher außermittig, hintergründiger bleiben soll empfiehlt es sich, von laufzeitabhängigen Stereoaufnahmen abzusehen.

Laufzeit vs. Wellenlänge = Phasenbrei. Nehmen wir NOS bei einer Quelle, die sich genau auf 45° außermittig befindet, also "in Blickrichtung" eines der beiden Mikros. Aus dieser Position gesehen haben die Mikros einen Abstand von noch rund 21cm, was in etwa der Wellenlänge bei 1.5kHz entspricht. Man kann sich also durchaus ausmalen, in welchem niedrigem Frequenzbereich sich hier bereits extreme Auslöschungen ergeben - mitten im Bereich in dem unser Gehör seine höchste Empfindlichkeit besitzt! Und die meisten Nierenmikros haben ja bei 90 Grad seitlichem Schalleinfall noch keine allzu wirksame Dämpfung die diesem Effekt entgegenwirken würde. Denn klar ist auch: Wenn der betroffene Frequenzbereich von dem abgewandtem Mikro nicht oder nur mit sehr geringem Pegel aufgenommen wurde, dann ergeben sich auch keine bzw nur sehr geringe Auslöschungseffekte. Hier kommt dann genau ein anderes Gadget der Stereomikrofonie ins Spiel:

die Jecklin Scheibe: eine schallabsorbierende Scheibe, die zwischen den beiden Mikros stehend eine akustische Barriere für höherfrequente Anteile bieten soll. Der ursprüngliche Gedanke für dieses Verfahren war die Mikrofonierung mit zwei Kugelmikrofonen, die oberhalb einer durch die Größe der Scheibe bestimmten Frequenz in zwei (quasi) Halbkugelcharakteristiken gezwungen werden. Ein nicht ganz so häufig anzutreffendes Verfahren, jedenfalls im Amateurbereich, schon eher mal bei professionellen Aufnahmen. Allerdings kann man auf diesen Ansatz auch für ORTF oder NOS zurückgreifen - hier gibt es einiges zu experimentieren, steht aber auf der Liste der Dinge die ich selbst noch in der Praxis erforschen will.

Ein imho etwas unorthodoxes Verfahren: Blumlein Aufbau, also quasi XY mit zwei 8er Mikros. Von oben betrachtet sieht die Charakteristik etwa wie ein Kleeblatt aus. Vorteil ist ein ausgesprochen räumlicher Klangeindruck und dennoch Phasenstabilität. Sehr gut funktioniert das Verfahren in großen, akustisch optimierten Räumen/Sälen oder auch unter freiem Himmel. Ebenfalls hervorragend geeignet als zentrale Abnahme für, sagen wir, einen Kreis von Musikern.
Der Nachteil ist ebenfalls der räumliche Eindruck - der Raum muss gut klingen, sonst hat man eine akustische Brotdose. Ein weiterer Nachteil: Obwohl der räumliche Eindruck richtig toll wirkt, ist er falsch... denn die rückseitigen Rauminformationen werden ja seitenverkehrt aufgenommen. So ist der Klang zwar erstaunlich breit, aber um einen Raum in seinem realen Klangbild zu dokumentieren ist es nicht geeignet. Ein kleiner weiterer Nachteil: Es gibt nicht viele empfehlenswerte und budgetfreundliche Mikros, die 8er Charakteristik und einen einigermaßen neutralen Frequenzgang haben, und unter freiem Himmel wird die ganze Kiste auch noch sehr windempfindlich.

groß AB (Live Anwendung): der denkbar einfachste Ansatz für eine Stereoaufnahme. Nimm links auf was links spielt, und rechts was rechts spielt. Kann man im Grunde nicht viel falsch machen, wenn man die Signale auch schön getrennt lässt, die Signale sind dann typischerweise aus sehr stark unterschiedlichen Informationen zusammengesetzt, kommt der Wiedergabe auf einer klassischen Stereoanlage sehr entgegen. Nachteil: eignet sich nur bei wirklich großem Abstand und ist relativ schwer für einen Mix aufzubereiten, eventuelle Rauminformation und Nutzsignal stehen alleine und nichtmehr in einem Bezug zur anderen Seite, braucht unbedingt Stützmikros für Solisten und geht daher nicht als echtes Stereoverfahren durch.

Normales AB: die am häufigsten eingesetzte Variante wenn es um Drum OHs oder Piano geht. Keine Frage, den Klang kennt jeder. Für eine Live Abnahme prima, der Klang funktioniert auch gut auf Stereoanlagen, auf Kopfhörern kann es aber auch langweilig und hohl klingen, sollte deswegen ebenfalls mit Stützmikros verwendet werden und ist daher auch kein "echtes" Stereoverfahren.

Tja... soweit meine Erfahrungen und Meinungen zu Stereomikrofonierung. M/S lasse ich mal außen vor.
 
wuhu, ich sehe schon... sehr komplexe Geschichte. Bin aber sehr dankbar über die vielen, lehrreichen Beiträge. Helfen mir enorm weiter :)
 
Hallo,

ich mache selbst auch das Meiste (habe viel mit Chören und Orchestern zu tun) in XY, früher habe ich viel AB gemacht. In "meiner" Standard-Kirche habe ich mal bei einer mir bekannten Besetzung ORTF im Vergleich zu XY probiert und bin bei XY geblieben, ORTF klang speziell dort in meinen Ohren nicht so gut. Eine Jecklin-Scheibe habe ich noch nicht probiert, kommt irgendwann auch noch :) .
Blumlein ist wirklich schön, wenn der Raum gut klingt, für live-Mitschnitte aber wegen der rückwärtigen Einstreuung der Zuschauergeräusche (und die machen wirklich welche...) nicht so gut geeignet, das gleiche gilt für Faulkner (eine AB-Anordung mit zwei Achtercharakteristiken).
M/S habe ich jüngst auch mal ausprobiert, interessant hier auch die völlige Monokompatibilität (wenn man nur das M-Signal nimmt) und der regelbare Anteil des S-Signals im Mix. Allerdings etwas aufwendiger, auch in finanzieller Hinsicht, wenn man das mit Kleinmembranern darstellen will...
Zum Thema "Groß-AB" könnte man eigentlich noch den Decca-Tree ergänzen, das wären dann drei Kugeln, zwei im Abstand von ca. 2 m nach rechts und links gerichtet, eines davor als "Spitze des Dreiecks" zur Schallquelle weisend und ca. 1,5 m von der Grundlinie des gedachten Dreieckes entfernt.

Viele Grüße
Klaus
 
inzwischen könnte man den Threadtitel anpassen, hier steckt ja jetzt einiges an Wissen drin - so dass man ihn auch per Suchfunktion findet

z.B. "Verschiedene Stereo-Mikrofonierungen und ihre Eigenheiten"?


... ich war mal so frei. MFG Basselch
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hier mal zwei Tools, mit denen sich der Aufnahmebereich diverser Anordnungen berechnen lässt:

Einfach
Komplex


Der Vollständigkeit halber könnte man noch ein sehr interessantes Verfahren ansprechen: Doppel-MS.

Eine "Niere" nach vorne, eine nach hinten, eine "Acht" quer, alle in einem Punkt (soweit eben praktisch möglich).

Der Witz an der Sache: Es sind so viele Informationen vorhanden, dass sich durch eine Matrizierung beliebige Instensitätsstereofonie-Anordnungen generieren lassen. Man nimmt die drei Kanäle auf und kann dann aus diesem Signal beliebig viele "Mikrofone" mit beliebiger horizontaler Ausrichtung und Richtcharakteristik erzeugen. XY mit beliebigem Achsenwinkel, MS, Blumlein, völlig egal. Das ist natürlich enorm flexibel. Mehr dazu hier:

http://www.schoeps.de/de/products/dms_plugin/overview

Das Verfahren lässt sich sogar mit speziellen Mikros mit vier Kapseln, auf die vertikale Ebene erweitern, das nennt sich Ambisonics.
 
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