Violine reparieren/restaurieren

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bobbydillen
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Hallo,
Deine Reparatur-Anfrage und besonders die super Tipps von Fiddle sind ja spannend und hilfreich, erstmal danke dafür.
Ich sitze gerade an einer alten Manufakturgeige und habe die Decke abgenommen. Das Ergebnis ist ein bisschen schockierend:
im Inneren ist die Decke ganz grob ausgearbeitet, so richtig mit den Rillen vom Schnitzbeitel, am Ober- und Unterklotz sogar quer zur Faser geschrappt. Das alles glatt zu hobeln ist aufwendig, aber scheint mir machbar zu sein.
Die richtige Stärke der Decke möchte ich mit der Lichttruhe (Holz wird durchleuchtet) ausarbeiten.
Als Sahnehäubchen ist der Bassbalken einfach aus dem Deckenholz rausgearbeitet, also quasi stehengelassen.
Nun weiß ich nicht, ob ich
- den relativ dünnen Bassbalken einfach so stehen lassen soll,
- den Balken etwas abhobeln und auf die glatt gehobelte Fläche eine Fichtenleiste leimen soll, damit etwas mehr Masse da ist,
- als dritte Möglichkeit den Bassbalken einfach raus hobele, die Decke bearbeite und dann einen neuen, passenden Balken einsetzen soll (o.k., ist viel Arbeit).
Hat jemand schon mal so eine Geige in der Hand gehabt und aufgearbeitet?
Für Ideen und Tipps bin ich sehr dankbar.

Grüßles aus München
 
Eigenschaft
 
Hat jemand schon mal so eine Geige in der Hand gehabt und aufgearbeitet?

Ja, ich.

Also, einen neuen Basbalken einpassen und einleimen ist definitiev keine Arbeit für einen Amateur.

Bei den meisten Geigen, die ich mit angestochenen Bassbalken kenne, lohnt sich dieser Aufwand nicht,
da man oft auch die Deckenstärken nachhobeln müßte.
(quer zur Faser verlaufende Stichspuren sind normal, so wird auch eine handgebaute Geige "ausgestoßen")

Wenn du keinen Dickenmesser hast + Maßtabelle, würde ich es an deiner Stelle so lassen.
Die Deckenstärke ist eine Sache, für die man Fingespitzengefühl braucht und ab hier verläßt man den Bereich der Maßtabelle.

Andereseits kann das Instrument nur besser werden..

Das ist jedenfalls schnellste Manufakturarbeit und meistens ist es außen herum auch nicht so dolle..


cheers, fiddle
 
Hallo Fiddle,

danke für Deine schnelle Antwort. Dann werde ich mir das alles nochmal überlegen und reifen lassen.
Mal schauen, was da zwischen "so lassen" und "nur besser werden" raus kommt.
I hold you on the running ;-).

Guten Rutsch in ein paar Tagen
Manfred
 
Hi bobbydillen,

vorweg, bin nur absolute Spaßbastlerin, und exakt so ein Geschoss habe ich hier auch noch. War die erste, die ich eingehender bearbeitet hatte…bei mir war DAS Ergebnis schockierend, nicht kaputtgebastelt aber hässlichst tönend, … nach all der Arbeit konnte ich das nicht fassen, und war zwei Wochen lang äußerst schlecht gelaunt. Also, rechne mit allem. :D

Bei mir war es so, dass ich auch ziemliche Probleme hatte, die Decke nach dem Ausdünnen wieder passend auf die Schachtel (Boden mit Zargen) zu bekommen, da sie sich gestreckt zu haben schien. Sie bedeckte danach auch komplett den Unterklotz. Kann aber auch daran gelegen haben, daß die Schachtel, die ich draußen im Hof bei Sonne arbeitend, einfach so hatte liegen lassen :bad:, gearbeitet hatte. Wäre vielleicht also nicht verkehrt, sie für die Dauer des Deckeausarbeitens irgendwie sanft einzuspannen, damit sie in Form bleibt. Möge mich fiddle korrigieren, wenn es Quatsch ist. Ich weiß ja nicht, wie weit Du "im Thema" bist, aber eventuell könnte das Verwenden von Ziehklingen am Anfang leichter sein als Hobel.

Berichte unbedingt weiter. Bin sehr gespannt. Vor allem das mit der Lichttruhe finde ich interessant. Würde mich sehr freuen, wenn Du mehr davon erzählen würdest.

Grüße
Kylwalda
 
Hi Kylwalda,

Wölbungshobel sind recht präzise Werkzeuge. Mit Ziehklingen wird eher das finsih gemacht.

Dieser Licht-Tisch ist bei dünnen Holzstärken ein sehr ungenaues Instrument.
Holz ist nicht homogen.
Wärend ein Licht-Tisch in einem Raster vonetwa 1 mm arbeitet, mißt ein Dickenmesser auf 10tel mm.

Das Problem, daß sich Decken verziehen und man beim Zuleimen der Schachtel alle möglichen Tricks
anwenden muß, haben Geigenbauer auch. ;) Ein neuer Bassbalken wird unter Spannung eingepasst.
(d.h. der Balken ist runder, als die Decken-Längswölbung)
Diese Spannung deformiert die Decke und es gibts nichts, was man dagegen tun könnte.
Diese Vorspannung braucht die Decke, damit sie dauerhaft dem Druck standhalten kann.

Eine Schachtel wieder zuleimen ist n Projekt für sich..


cheers, fiddle
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi fiddle,

bei besagter Geige (5 Geigen vor der Löwenkopfgeige, und gänzlich ohne vorher die Nase dazu in Bücher oder Foren gesteckt zu haben, kaum Ahnung von Holz, Schmirgelpapier und so, weißt Bescheid…..) war die Ausgangslage exakt, wie die bei bobby. Dicke hügelige Platten und ein stehengelassener Bassbalken. Über den habe ich auch lange nachgedacht und ihn lieber stehen lassen, weil ich mir dann dachte: So ist sie konzipiert, also lass ich es so. Trotzdem war der Deckel danach wie ein ausgeleiertes T-shirt. Aber beruhigend zu lesen, daß es nicht nur mit meiner Chaotik zu tun hat. Nun, der Bassbalken steht heute noch und vielleicht wird die Geige mal ein Cutaway-Experiment. Fiddle schüttelt jetzt bestimmt mit dem Kopf...:D

Und bei der Löwenkopfgeige (die noch auf ruhigere Nerven wartet) habe ich den Bassbalken auch nur deswegen neu eingeleimt, da ich mir vom Klang eh nix erhoffe.

Du sagst, der Bassbalken wird unter Spannung eingeleimt, damit sie dem Druck standhält. Daraus würde ich dann folgern, daß ein stehengelassener Bassbalken, der diese Spannung ja nicht mitbringt, wenig zum Druckausgleich beiträgt. Würde erklären, warum sie eine so hohe Deckenwölbung hat. Historisch gedacht würde ich dann jetzt vermuten, daß man das mit der Bassbalkenspannung ganz früher noch nicht gemacht hat, da ja man ja auch noch nicht eine so hohe Saitenlage, also weniger Druck hatte, oder?
Da bin ich ja mal echt neugierig, wie bobbydillen mit dem Bassbalken verfahren wird.

Aber bevor ich jetzt hier den Thread okkupiere, halt ich jetzt besser die Klappe.

Grüße
Kylwalda
 
Moin-moin, Kylwalda & Fiddle,

Eure Antworten bringen mich ja richtig in Schwung !!
Kurz eine (unvollständige) Zwischenmeldung:
Das innere Glätten habe ich mit Ziehklinge (Fuddelsarbeit, aber ich habe keine Höbelchen zur Hand) und - Fiddle & die anderen GB mögen mir verzeihen - kleinen Schleifscheiben meiner Hängebohrmaschine mit beweglicher Welle ganz gut hinbekommen. Im Prinzip funktioniert das ganz gut, drum habe ich mich nach ca. 1/3 der Fläche anderen Überlegungen zugewandt.
Die Dicke möchte ich demnächst mit einem Dickenmessgerät, das ich mir hoffentlich leihen kann, nachmessen.

Beim Bassbalken schwebt mir momentan eine Kompromisslösung vor:
1. weder so lassen, da er m.E. zu wenig Masse hat,
2. noch komplett weghobeln, da das Einpassen zwar machbar, aber aufwendig wird (ach so, vor ca. 20 Jahren habe ich mir ein Cello weitgehend alleine gebaut, klingt immer noch gut. Ich erinnere mich noch an diesen Fuddelskram mit Kreide etc.),
3. sondern den Bassbalken soweit runter hobeln, dass eine plane, glatte Fläche auf der Decke bleibt, auf die ich eine neue, etwas dickere Fichtenleiste leimen kann.
Also mehr Gewicht/Masse als bei 1. und weniger Arbeit als bei 2. (hm, was haltet Ihr davon?).

Zur Lichttruhe:
Im Grunde ist es ein Kasten, Bananenkarton etc., der auf der Oberseite einen Ausschnitt hat, ca. 5-10mm kleiner als die (Geigen-)Decke.
Innen sind kräftige Lampen/Strahler oder so was, die die Decke von unten beleuchten. Zur Sicherheit habe ich einen Ventilator/Föhn mit reingestellt, der die warme Luft etwas weg bläst, sonst wird es dem Holz zu heiß. Außerdem genügt es auch, wenn ich das Licht immer nur kurz anmache.
Da das Holz ja nicht homogen ist, kommt unterschiedlich viel Licht durch. Ziel ist es, unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren (Mitte sowieso kräftiger, an der Hohlkehle eh etwas dünner etc.), eine gleichmäßig durchleuchtete Fläche zu erarbeiten.
Das ist so quasi mein Fernziel.

Schau´n mer mal.

Bis später
Grüßles
vom
Manfred
 
Hallo ihr zwei,

einen Bassbalken stehen zu lassen, ist wahrscheinlich der Anfang aller Bassbalken gewesen, wurde aber recht früh
aufgegeben. Bereits die alten Italiener (Amati usw.) hatten Bassbalken eingesetzt.
Man bekommt die Deckenstärke einfach besser hin, als wenn man dauernd um den Balken herumhobeln muß.

Die barocken Bassbalken waren nicht so lang und hoch, wie heute.

Sicherlich trägt auch ein schwacher Balken ohne Spannung den Saitendruck.
Es muß aber einen Grund geben, warum man heute die Balken unter Spannung einpasst.
Genau weiß ich das leider auch nicht, aber ich denke, es geht in Richtung Deformation der Decke über die Zeit.
Die modernen Balken (ab 1800) müssen den höheren Saitendruck tragen seit dem Umbau von barock auf modern.
(d.h. längerer Hals, steilerer Halswinkel und kräftigere Saiten)


cheers, fiddle
 
Hi alle,

Manfred, nachdem Du ja offenbar bereits gelungene Bassbalken-Erfahrungen hast, und wie sich´s liest, in Sachen Holzverarbeitung wahrscheinlich gut im Thema bist, finde ich Deine Idee gut. Und da Du im Falle eines Misslingens ja kein historisch relevantes Instrument oder so vergeigst, … so what. Hast Du eigentlich die Geige mal vorher angespielt, eventuell auch Aufnahmen gemacht, um Vorher-Nachher-Vergleich zu haben?

Interessant, das mit der Kiste. Je nach Präzisionsanspruch den man hat, und man kein Dickenmessgerät hat, klingt das für mich nach einer sympathischen Lösung. Du nutzt nun also beide Lösungen? Wenn man hier mit "Fingerspitzengefühl" arbeitet, und den "Bereich der Maßtabelle verlässt",… was ist es dann, woran man sich ohne Lichtkiste oder Dickenmessgerät orientiert? Abklopfen?

Grüße
Kylwalda
 
Hallo Ihr zwei,

@ Fiddle:
bei meiner Variante Nümmero 3 (BB in der Decke so knapp wie es geht stehenlassen) habe ich ja die Hoffnung, dass ich die neue Fichtenleiste etwas unter Spannung einleimen kann. Aber Dein Hinweis ist natürlich auch verlockend, dass ich bei klarer Kiste, also den ursprünglichen Balken ganz weg, die Decke ohne all dieses Drumherum hobeln kann und die "gesparte" Zeit für´s Anpassen des neuen Balkens nutzen kann. Ist mir eigentlich eh sympathischer, hm, nachdenk, nachdenk.

@Kylwalda:
erst nochmal danke für Deine Erfahrungen mit Deinem ersten Schätzchen. Ich rechne auch vorsichtshalber mit dem Klang einer Zigarrenkiste (aber hoffe natürlich auf besseres ;-).

Vorher anspielen konnte ich jetzt die Geige nicht, weil sie ohne Saiten, Steg etc. war. Mit gefällt das Holz einfach gut UND sie ist unlackiert. Ich öle die Oberflächen nur mit Leinölfirnis, u.a. weil ich diese Holzfarbe einfach liebe. Funktioniert bestens, eine Augen-Weide, mampf-mampf.

Lichttruhe:
Erstes Ausarbeiten quasi nach Lehrbuch, mit Dickenmesser und pipapo. Claro, kommt auch auf´s Holz an. Also symmetrische Oberfläche.
Danach, wenn also die Grundstruktur steht, geht´s mit der Lichttruhe weiter. Die unterschiedlichen Dichten des Holzes sind dann erkennbar. Alles auf gleiche Lichtdurchlässigkeit hobeln, wie schon gesagt im Brustbereich etwas stärker, an den Kehlen etwas dünner lassen. Das gibt dann eine äußerlich unsymmetrische Oberfläche, die aber "innerlich" homogen ist.
In einem Buch von Konrad Leonhardt (war früher Cheffe von Mittenwald, um 1967 rum), "Geigenbau und Klangfrage", habe ich damals die passenden Antworten auf meine Suchen gefunden.

So, jetzt gibt es erstmal ein Kaffeepäus´chen, bei dem ich die Freude über Eure Anregungen und den Austausch ein bisschen sacken lassen kann.

Grüße
vom
Manfred
 
Wenn man hier mit "Fingerspitzengefühl" arbeitet, und den "Bereich der Maßtabelle verlässt",… was ist es dann, woran man sich ohne Lichtkiste oder Dickenmessgerät orientiert? Abklopfen?

Traditionell werden die Stärken anfangs nach Tabelle gehobelt.
Das ist bei einer guten Fichtendecke etwa 3,5 mm im Burstbereich und dünnt sich in die Backen aus bis auf etwa 2,5 mm. Das ist die Basis.
Anschließend prüft man mittels Klopfen, ob die Decke bereits einen Gong-artigen Klang von sich gibt. Je Lauter, desto besser.
(Daumen und Mittelfinger in die Mitte der oberen Backe und die Decke beim Anklopfen nahe ans Ohr halten)

Duch biegen mit den Händen in Längs- und Querrichtung prüft man die Steifigkeit. (Vorsicht ist angesagt)
Die Decke sollte hier auch nachgeben - zu steif, dann schwingt die auch nachher schlecht.

Wenn man ein sehr gutes Holz hat, dann kann man jetzt weiter aushobeln, bis zum Zähneklappern ob der geringen Stärke.
Das Schwierige an der Sache: zum Richtigen Zeitpunkt aufhören. :D

(zu diesem Zeitpunkt sind noch keine F-Löcher geschnitten)


cheers, fiddle

p.s. Vorsicht mit Leinöl!!
Wenn das Leinöl durch die Decke zieht, trocknet es aus und wird hart wie Beton.
So ne Decke klingt nachher wie ne Gießkanne.

Wenn, dann hauchdünn und sofort abwischen.
(eine Grundiermethode zu meiner Zeit in Mittenwald)
 
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