Backing Tracks aus Midis mit Reaper erstellen (wie ich es mache)

Ennito
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https://www.musiker-board.de/gitarren-anfaenger/358860-alle-blueser-zeigt-ihr-fuehlt.html

in dem immer wieder die Frage gestellt wird, wo man gute Backing-Tracks herbekommt, hier meine Version, die zuerst einmal vielleicht etwas kompliziert scheint, aber die es Wert ist, sich einmal genauer zu betrachten: Wir basteln uns einen Blues Backing Track aus Midi-Dateien.

Ich richte mich an Anfänger (ich bin selbst auch einer), deshalb ist meine Wortwahl im Bezug auf die Fachausdrücke vielleicht nicht richtig und vielleicht erkläre ich alles viel zu genau, aber was solls. Vieles (eigendlich alles) findet man auch in anderen Beiträgen, aber ich will hier die Sache leichtverdaulich darstellen. Als Einstieg mag es aber durchaus taugen.

Erst einmal, was sind midi-Dateien? Wie immer hilft Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Musical_Instrument_Digital_Interface

na ja, sehr technisch, aber in einfachen Worten ausgedrückt: Midi-Dateien enthalten Steuerbefehle um Musiksoftware anzusteuern, sind aber selbst keine Media-Dateien wie *.wav, *.mp3 oder ähnliche. Es verhält sich so wie eine gedruckte Partitur von Beethovens Mondscheinsonate. Die besteht auch nur aus Steuerungsbefehlen. Ihr könnt die Partitur natürlich in Eueren CD-Spieler quetschen, aber Musik bekommt Ihr damit nicht hin. Ihr braucht ein Instrument und einen handelsüblichen Pianisten, um aus der Partitur etwas Hörbares herauszuholen. Genauso ist es mit den Midi-Dateien. Hier ist das Instrument eine Wavetable oder ein VST-Plugin (dazu späte mehr), der Pianist wird durch einen Media-Spieler oder eben das virtuelle Studio (CuBase etc.) dargestellt.


1. Teil: Midi-Dateien bearbeiten


Dieser Schritt ist nicht notwendig, um die Datei in Reaper einzubauen, nicht gewünschte Instrumente braucht man nicht zu aktivieren, aber wer sich die Sache übersichtlich machen will oder selbst nocheinmal Hand an das Notenmaterial anlegen will...

Jetzt zu Praxis: Midi-Dateien gibt es im Internet wie Sand am Meer (Google hilft). Eine schöne Seite, um an einen Blues Backing Track zu gelangen ist z.B.:

http://www.ajsmidi.com/

In der Blues-Sektion sind hunderte von Midis, einige sogar schon als Backing-Tracks für Solo-Gitarre vorgesehen, aber die meisten nicht. Man kann sich die Dinger anhören (sie werden dann in einem Media-Player auf Eurem Rechner abgespielt, dieser schickt die Signale an die Wavetable (in der die Steuerbefehle mit einem Synthesizer in Töne umgewandelt werden, in Windows und im Mac sind diese Bestandteile des Systems). Die Tonqualität ist im Allgemeinen nicht berauschend, aber es kommt schon etwas hörbares heraus.
Ich habe mir hier ein schönes Midi ausgewählt. Es gibt allerdings ein Problem, die rechte Hand des Klaviers „improvisiert“ über die linke Hand, Bass und Schlagzeug. Darüber noch mit der Gitarre zu spielen wäre etwas zu viel des Guten. Ausserdem ist schon eine Gitarre drin, die mich auch stört. Es gibt zwar Mediaplayer, in denen man einzelne Spuren von Midi-Dateien abschalten kann, aber das ist nicht unser Ziel. An dieser Stelle brauchen wir ein Werkzeug, um Midi-Dateien zu bearbeiten. Auch hier hilft Google. Aber auch mit Programmen, die eigendlich einen anderen Zweck haben, lässt sich das wunderbar bewerkstelligen, z.B. mit TuxGuitar. Nachdem ich die Midi-Datei auf meiner Festplatte gespeichert habe, importiere ich sie in TuxGuitar:

image001..jpg

Beim Importieren fragt TuxGuitar, ob ich transponieren will, kann man machen, wenn man will (vorsicht bei Schlagzeug). Jetzt habe ich den Track in TuxGuitar.

image002..jpg

Wie Ihr seht, sehr übersichtlich. Was mich stört, sind das Honky Tonk Piano und die Jazz-Gitarre. Spur anklicken, und unter dem Menübunkt „Spur“ entfernen und das ganze kommt meinen Wünschen schon näher.

image004..jpg

Einmal anhöhren, ja, passt. Jetzt das ganze speichern (Datei, Exportieren, Midi)

Gut, wir haben jetzt den Backing Track. Wem die Qualität der System-Wavetabele reicht, der kann schon mit einem geeigneten Programm (mid to mp3, siehe Google) sich den Track entsprechend erstellen oder direkt mit einem Media Player abspielen und dazu jammen. Wir wollen aber noch einen Schritt weiter gehen:


2. Teil: Die Midi-Datei in Reaper einbinden

Jetzt wird es etwas komplizierter. Die bearbeitete Midi-Datei kann ohne Probleme in Reaper eingebunden werden, aber um sie zu hören brauchen wir die insprechenden Instrumente. Hierbei handelt es sich um VST-Instrumente:

http://de.wikipedia.org/wiki/Virtual_Studio_Technology/
http://de.wikipedia.org/wiki/VST-Instrument

wieder etwas technisch, also einfach: Ein VST-Instrument ist mehr oder weniger eine Sammlung von Tönen, bei dem entsprechenden Midi-Signal abgespielt wird. Dass können professionell aufgenomene Instrumente sein (jede Tonhöhe einzeln unter Studioqualität aufgenommen) oder ein Sample, der je nach Tonhöhe moduliert wird (die System-Wavetables arbeiten im grossen und ganzen so) oder gar eine toltal synthetische Klangerzeugung. Wer wirklich „High-End“ Samples haben will, muss tief in die Tasche greifen, aber es ist erstaunlich, was es schon alles im Internet als Freeware, GNU oder wie auch immer gibt.

Unser Track enthält Schlagzeug, Klavier und Bass.

Für das Schlagzeug kann man zum Beispiel nehmen:

http://www.superdrumfx.com/

Für andere Instrumente (wie immer, Google hilft) z.B.

http://www.vstplanet.com/

aber auch viele Hersteller (z.B. Native Instruments) bieten einige Sätze an virtuellen Instrumenten an, die man nach einer Registrierung installieren kann. Auch im Bord findet man viele nützliche Tipps zu freien VST-Instrumenten. Ich will hier nur beispielhaft Beschreiben, wie man sie einbindet.

Ein Tipp bei der Installation diese Instrumente generell. Wenn die Programme eine Installations-Assistenten haben, bei der Frage nach dem VST oder VSTi Pfad fagen, sollte man C:/programme/reaper/plugin (oder wo auch immer Reaper installiert ist) angeben. Das hilft gewaltig, die virtuellen Instrumente problemlos in Reaper einzubinden und auch im Allgemeinen ein Chaos zu vermeiden.

NT: Nocheinmal zu den Midis aus dem Internet: Diese Files sind nach einem Standard ausgerichtet, damit systemunabhängig klar ist, welches Instrument zu welcher Spur gehört. Eine Übersicht über die möglichen Instrumente findet Ihr hier: http://de.wikipedia.org/wiki/General_MIDI
In Reaper muss man grundsätzlich jeder Spur manuell ein Instrument zuordnen, dementsprechend braucht man für jedes Instrument der Midi-Datei ein entsprechendes VST-Instrument. Natürlich kann man einer Spur auch ein anderes oder gar kein Instrument zuordnen, al gusto.
Etwas besonderes sind allerdings die Drums (Kanal 10). Hier wird nicht jeder Tonhöhe ein Ton zugeordnet, sondern ein Klang, wie z.B. Bass-Drum, Snare oder Becken. Das Problem ist, dass einige VST-Drums nicht dem Standard für die die Zuordnung (siehe Link bevor) entsprechen. Daher sind sie für den hier vorgestellten Zweck ungeeignet. Superdrumfx entspricht dem Standard (eine Tom ist anders definiert). Aber auch hier (wie bei den meisten anderen auch) ist diese VST-Drum auf ein normales Drumset beschränkt. Händeklatschen, Gong oder Bongos findet man vergeblich. Sollten diese Klänge auf der entsprechenden Spur in den heruntergeladenen Midis enthalten sein, so werden diese in Reaper nicht zu hören sein.

Am Beispiel des Klaviers, die Installation des VST-Instruments in Reaper:
auf der Seite von vstplanet unter VST-Instruments → Pianos habe ich ein Steinway-Piano als Freeware heruntergeladen. Ein Doppelklick, als Speicherot reaper/plugin ausgewählt und das war es schon! Ich bin jetzt stolzer Besitzer eines Steinway-Flügels. Einige VST-Instrumente sind lediglich eine *.dll-Datei, diese dann einfach in den plugin ordner von Reaper kopieren.

Und jetzt geht es ans Werk. Reaper öffnen und ein neues Projekt erstellen. In diesem Projekt einen Track einfügen und dann in diesen Track unter Insert/Media File die soeben bearbeitete Midi-Datei auswählen.

image007..jpg

Es erscheint ein kleines Fenster mit Import-Optionen, das uns im Moment nicht interessiert, ok und schon haben wir vier Tracks in Reaper: 1. Piano, 2. Bass, 3. Schlagzeug. Die vierte Spur ist die Tempoangabe, es sind keine Informationen vorhanden, die uns Töne bringen werden. Man kann sie getrost löschen, das ändert das Tempo in Reaper nicht. Wenn man jetzt den Track abspielt, dann hört man noch nichts. Aber man sieht, dass Reaper die Midi-Signale immerhin schon wahrnimmt (die kleinen roten Balken im weissen Oval).

image019..jpg

Was folgt, dürfte den Nutzern von GuitarRig, Revalver und Kollegen schon bekannt vorkommen.
Jetzt müssen nämlich wir Reaper beibringen, dass die erste Spur ein Klavier sein soll. Wir öffnen die FX-Steuerung des Kanales (roter Kreis)

image009..jpg

und bekommen ein neues Fenster (Beim Öffnen scannt Reaper das Unterverzeichnis /plugins nach neuen Einträgen und das gerade installierte Klavier sollte schon da sein).

image011..jpg

Hier suchen wir das Piano (sieht man etwas schlecht, aber es ist da), wählen es aus und ein neues Fenster geht auf.

image014..jpg

...weiter im nächsten Beitrag
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
Je nach Instrument kann man noch weitere Einstellungen vornehmen. Falls man den Track vor dem Öffnen der FX-Steuerung des Kanales gestartet hat, hört man die Änderungen auch direkt (wer hier nichts hört, hat sollte in Optionen die Audio-Devices entsprechend seinem System einstellen, die Midi-Devices sollten alle inaktiv sein).
In diesem Fenster unter FX/add FX könnt Ihr noch weitere Einstellungen vornehmen. Unter JS findet Ihr eine Reihe von Tools um die Sache weiter ah Euere Vorstellungen anzupassen. Interessant hier vor allen der JS: MIDI/midi_transpose. Und ganz schnell wird aus dem Blues in F einer in A. Dazu müsst Ihr dieses Tool in der linken Leiste vor das Instrument setzen (sonst hat das keinen Einfluss)

capture_09032010_1&.jpg

Also, die Sachen nach den Wünschen einstellen und das Fenster wieder schliessen.

Das gleiche mit den anderen Spuren, hier greife ich auf schon vorher von mir installierte Instrumente zurück. Ihr müsst Euch eben ein Set mit verschiedenen Instrumenten zusammenstellen. Bei mir z.B. bekam der Bass als Instrument einen "Upright Bass" von KontaktPlayer von Native-Instruments zugewiesen, die Schlagzeug-Spur ist ein Sonor-Sachlagzeug von Superdrumfx und schon kann man das Zeug hören.

Ich kann Euch leider kein Klangbeispiel geben, da das ausgewählte Midi auch den Urheberrechten unterliegt, aber es ist fantastisch, was aus meinen Boxen herauskommt.

Viel Aufwand für einen guten Klang? Ich meine nicht. Die Möglichkeiten zu spielen sind unbegrenzt. Ich kann z.B. die Wiedergabe verlangsamen, ohne die Tonhöhe oder den Klang zu beeinflussen, und so meinem Gitarrenspiel anpasssen. Falls mir das Klavier zu langweilig erscheint, warum keine Hammond-Orgel oder einen abgedrehten Synthy-Klang. Auch von seiner Lieblingsgruppe lassen sich oftmals Midis im Internet finden (Achtung, Urheberrechte) und man kann sich schnell wirklich gute Backingtracks erstellen, um mitzujammen. Ausserdem kann man sich seine eigenen Tracks einprogrammieren, wenn man die richtigen Programme nutzt. Spielt einfach herum, es lohnt sich.

Der grösste Nachteil ist der Suchtfaktor. Man kann sich den Rechner mit heruntergeladenen Instrumenten zukleistern und kann tagelang an den Klängen herumspielen. Natürlich sollte die Rechenleistung schon entsprechend sein, gerade wenn man dann seine Gitarre noch mit einem Plugin über den Rechner aufnimmt. Aber es lohnt sich...

Ich freue mich auf Eure Antworten und insbesondere auf Verbesserungen,

Alles Liebe, Enno
 

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