Ein Tagebuch zu meinem ersten Auftritt...

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MikeChapman
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Das Thema worum es sich hierbei handelt ist in der Überschrift bereits erkennbar, denn es handelt sich um meinen ersten Auftritt und ganz besonders um die Vorbereitungszeit. Gut, wer mich länger kennt weiß dass das so nicht ganz richtig ist, doch über die mehr oder weniger "musikalischen" Aktivitäten in meiner Teenagerphase möchte ich den Mantel des Schweigens hüllen.
Dieses Tagebuch verfasse ich in erster Linie für mich. Normalerweise mache ich so was ja gar nicht, aber ich dachte es wäre vielleicht ganz nett einige Jahre später dies wieder zu lesen. Außerdem veröffentliche ich es auch. Ich denke, es ist für andere Neulinge vielleicht ganz interessant mal zu sehen wie es ablaufen kann, und eventuell erinnert es den ein oder anderen Fortgeschrittenen an seine ersten Schritte in der Richtung. Na dann, viel Spaß beim Lesen!

Ich spiele seit August „wieder“ Gitarre. Vorher war ich über zehn Jahre abstinent, wobei man meine jetzigen Aktivitäten keinesfalls mit den damaligen vergleichen kann, da ich damals nie über ein paar Akkorde hinauskam.
Seit Jahren geht es mir immer wieder durch den Kopf jetzt endlich wieder damit anzufangen, da ich viele Ideen über all die Jahre hatte, die ich nun realisieren will. Deshalb nehme ich nun seit September (also seitdem ich 25 bin) Unterricht, welcher mich auch zu diesem Vorspiel führte.

Bei unserem Auftritt werden wir den Song „Valediction“ von Christian Hamm und Alain Bertoni performen. Ich hörte diesen zum ersten Mal vor mehreren Monaten in einer Sendung namens Earth TV. Das sieht man des Öfteren auf diversen Privatsendern. Hier werden einige bewegte Bilder von Städten gezeigt und es läuft Musik dazu. Leider fand ich im Internet keine Noten oder Tabs, also begann ich diese selbst zu schreiben…

26.11.08
Heute brachte ich die Tabulatur für Valediction und eine Aufnahme mit zum Unterricht. Mein Lehrer Jürgen bat mich darum, als ich in der letzten Stunde beiläufig erwähnte, dass ich gerade daran arbeite. Er spielte die Aufnahme ab und sagte, ich solle dazu spielen – leider versagt! Also noch mal hinsetzen und das Ganze in eine Lage packen um es somit etwas einfacher zu gestalten.

27.11.08
Ok, der Song ist jetzt großteils in einer Lage und wesentlich komfortabler zu spielen, doch wegen mehreren Wechseln der Grundtonart spielt sich der Teil nach dem Solo immer noch nicht besonders leicht. Vor allem diese kleinen schnellen Fill-In Licks mit 16teln und 32teln machen es nicht einfacher. Doch ich werde diese rausschneiden genau zum Metronom üben und mein Tempo langsam steigern. Jürgen meinte zwar, dass wir die nicht unbedingt drin lassen müssen, aber ich will es auf alle Fälle versuchen.

10.12.08
Heute erfuhr ich von Jürgen, dass er mit mir an einem Vorspiel bei der Musiklehrervereinigung teilnehmen möchte. Nun ja „leichter Hirnschlag“ beschreibt wohl am besten, was ich dabei fühlte. Er gab mir einige Tage Zeit darüber nachzudenken, doch da ich ja so oder so auf die Bühne will, hielt ich das für einen guten Einstieg und sagte zum Ende der Stunde direkt zu. Vor allem wirft das Publikum bei einem Vorspiel von Musikschülern nicht sofort mit Flaschen wenn man sich ein paarmal verspielt – hoffe ich zumindest.
Außerdem haben wir die Tabulatur von Valediction nochmals überarbeitet, um diese zu optimieren. Jetzt spielt sich diese nochmal wesentlich komfortabler.

12.12.08
Der Hauptteil des Songs flutscht schon recht gut bei originaler Geschwindigkeit. Das problematischere Ende habe ich um die Hälfte verlangsamt und übe dies nun intensiv ein. Es geht wirklich vorwärts!
In einer Übepause googelte ich nach Vorspielen der Musiklehrervereinigung und wurde auch fündig. Oh Mann…bei einem war sogar die lokale Zeitung anwesend welche eine Kritik darüber schrieb – ich wünschte ich hätte doch nicht danach gesucht.

17.12.08
Fuck… kein Parkplatz frei – ähm, da ist noch was frei, da steht aber das man die Ausfahrt freihalten soll – na dann stell ich mich direkt mal davor, damit ihm nicht jemand die Ausfahrt zuparkt! Ich bin aber auch nett…
Und im Unterricht – Valediction… heute haben Jürgen und ich die erste Rohfassung geprobt. Bis auf das komplizierte Ende lief es schon recht flüssig. Wir beschlossen das Harmonikasolo durch eine Improvisation der G-Moll Pentatonik auszutauschen. Die Idee ging mir auch schon durch den Kopf – behauptete ich. Er Begleitung und ich Melodie…also mittlerweile freu ich mich schon drauf! Ich hoffe, dass durch gute Vorbereitung auch die restliche Nervosität verfliegt. Aber ich hab ja noch fünf Wochen Zeit das Stück mehrere hundertmal zu spielen und ich denke, dass es sich bald automatisiert hat. Jürgen bat mir außerdem an, das Ende umzuschreiben, falls ich es bis dahin nicht schaffe. Das nimmt natürlich noch mal viel Druck aus der Sache.
Als ich wieder zu meinem Auto ging wurde ich von einem leicht erregten Herren angesprochen. Der fand das mit der Ausfahrt anscheinend weniger lustig und fragte ob ich Probleme mit Lesen hätte. Nein, natürlich nicht…nur mit befolgen :D

22.12.08
Soooo, heute hatte ich wieder Unterricht. Wir haben wieder fleißig den Song gespielt. Heute lief es schon recht gut, auch der komplexe letzte Teil lief nach mehreren Tagen intensives Üben recht gut. Gestern habe ich in der Tabulatur noch einige kleine Timingfehler ausgemerzt und das schnelle Lick etwas entschärft. Zusätzlich haben wir noch ein paar Details optimiert und ich nahm die 32tel aus dem schnellen Lick am Ende und habe diese gegen 16tel ausgetauscht. Ich denke es ist mir ganz gut gelungen, dies so zu gestalten, dass es sich trotzdem kaum vom Original unterscheidet. Rein theoretisch müsste ich es von der Geschwindigkeit her nun schaffen – nur noch mehrere hundert Mal spielen. Mir reicht es jetzt auch mit Änderungen. Ich brauch endlich mal etwas Fixes nachdem ich mich richten kann. Die Lagen wurden optimiert, ein schweres Lick entschärft, kleinere Fehler behoben. Ich denke es ist nun perfekt.
Ich lese nebenbei noch das Buch „Mentales Training für Musiker“ und hoffe dadurch mein Üben und meinen Auftritt noch zu optimieren. Außerdem kann ich auf diese Art lästige Aktivitäten überbrücken, in denen ich nicht Üben kann…Arbeit beispielsweise. Eine Strat kann ich hier ja leider nicht reinschmuggeln…obwohl…
Jetzt muss ich nur noch auf meinen neuen Verstärker warten. Ich muss den ja bei dem Gig mitnehmen, und mein zehn Watt Übungscombo aus dem Ibanez – Jumpstarter - Set wird den Zweck wohl nicht ganz erfüllen…mein neuer Peavey allerdings schon. :D

01.01.09
Ich war in letzter Zeit ein bißchen Faul und hab nichts geschrieben, aber nun wird es wieder mal Zeit, denn ich habe ein paar wundervolle Tage hinter mir. Wegen Weihnachten und Silvester? Nein - Wegen meinem neuen Peavey-Amp. Es ist einfach unglaublich was für einen Klang der zaubert. Was mich ja besonders begeistert ist der Sound von Bendings. Wenn die Zerre eingeschaltet ist, lässt er die Gitarre so richtig schön singen, und der integrierte Reverb packt noch mal ordentlich Atmosphäre in Valediction.
Nur als ich ihn nach Hause brachte, passierte mir ein kleines Malheur. Wie so oft bei Elektrogeräten, schmeiß ich die Betriebsanleitung nach dem auspacken ungelesen in den Papierkorb. Ich mein - wenn interessiert schon die Meinung des Herstellers, wie man das Teil bedient? Auf alle Fälle hab ich es irgendwie geschafft, Samstag vormittag eine brutale Rückkopplung zu erzeugen, die das ganze Haus aufwühlte. Zumindest hat sich keiner beschwert, doch mittlerweile weiß ich, das da hinten so ein kleiner Schalter ist, mit dem sich die Leistung reduzieren lässt – sehr praktisch!
Auf alle Fälle macht üben damit deutlich mehr Spaß. Die letzten Tage habe ich recht viel gemacht. Täglich zwei bis drei Stunden. Den letzten Part des Songs beherrsche ich schon fast in Originalgeschwindigkeit…nur dieses eine fiese Lick noch nicht – aber das wird schon. Ich denke nicht, dass es an der Geschwindigkeit liegt, sondern dass ich die Koordination verbessern muss. Erst werden drei 16tel nach oben gesweept, dann geht’s mit Alternate-Picking weiter. Mein Lehrer meinte ich könnte es noch vereinfachen, indem ich möglichst viele Hammer-Ons einbauen soll, doch möchte ich hierbei nicht den leichteren weg gehen, und lieber meine Picking-Technik verfeinern. Außerdem war die eine Änderung schon genug. In sechs Tagen habe ich wieder Unterricht, und ich möchte es bis dahin langsam beherrschen. Außerdem muss ich noch den 1A Fingersatz der Moll Pentatonik lernen, aber das mach ich so nebenbei. Wenigstens hab ich dann alle fünf beisammen und kann mich bald den Dur Fingersätzen widmen. Ein weiterer Schritt Richtung 3NPS Skalen 

03.01.09
Also die letzten Tage fühlte ich mich ziemlich ausgebrannt. Außer arbeiten und üben mach ich momentan fast gar nichts mehr, nur in den Pausen zwischendurch lasse ich mich durchs Internet berieseln. Kaum bin ich zuhause, bekomme ich wieder ein schlechtes Gewissen, dass ich wieder was tun sollte. Mittlerweile mach ich die Augen zu und spiel den Song blind, aber immer noch nicht perfekt und das stört mich. Ich denke mir eben, dass ich in der Auftrittssituation wahrscheinlich aufgeregt bin und eher zu Fehlern neige. Also versuche ich den Song perfekt zu beherrschen. Die nächsten zwei Tage habe ich zum Glück frei. Ich werde an einem Tag mal nicht üben – also ich versuche an einem Tag nicht zu üben. Es ist zwar einerseits toll, wenn man so einen inneren Zwang hat, weil man immer motiviert ist zu arbeiten, aber andererseits stresst es mich ziemlich. Allerdings hab ich noch vier Wochen Zeit und muss eigentlich nur noch an drei Stellen feilen. Der Rest flutscht schon ganz gut, ich verspiel mich zwar hin und wieder, aber das geschieht vermutlich eher aus mangelnder Konzentration, den irgendwann tritt eben das ein was mein Lehrer als Milchreis-Syndrom bezeichnete. Irgendwann kann man den Song nicht mehr hören. Das einzig paradoxe ist, dass mich der Song beim sturen Üben schon etwas nervt, aber wenn man diesen parallel zum Original spielt, schießt einem doch immer wieder ne ordentliche Ladung Glückshormone durchs Gehirn.

09.01.2009
Ich habe nun eine dreitägige Pause hinter mir, allerdings geschah dies eher unfreiwillig. Ich hab mich mit einem Küchenmesser so geschnitten, dass ich mit dem linken Zeigefinger nicht richtig greifen konnte. Doch im nach hinein finde ich die Pause gar nicht so verkehrt. Ich hab wieder den Kopf frei und kann mich mit neuer Motivation drauf stürzen. Und außerdem hat mir das ganze gezeigt, dass übertreiben zu nichts führt. Irgendwie habe ich sogar das Gefühl in der Pause etwas schneller geworden zu sein.
Vorgestern hatte ich wieder Unterricht und so wie es momentan geplant ist, werde ich die Improvisation verzerrt spielen. Mein Lehrer hat mir da eine recht interessante Sequenz gezeigt, die ich einbauen werde. Mit ein paar Slides und Bendings hört sich das ganze recht spektakulär an. Ich hab noch knapp dreieinhalb Wochen vor mir...nun, direkt nervös bin ich nicht, aber irgendwie macht sich hin und wieder so ein leichtes Gefühl der Ungewissheit breit, wie das alles wird, wie es abläuft und vor allem wie ich reagiere. Sicher mag es nur ein kleines Vorspiel von einigen Musikschülern sein, doch ich nehme das trotzdem sehr ernst.

12.01.2009
Dieses eine Drecks-Minilick nervt mich mittlerweile schon enorm. Es kann ja nicht so schwer sein das endlich mal zu beherrschen. Bei der Pentatonik Sequenz spiele ich auch 16tel bei 120bpm und das ohne Probleme, warum versag ich hier schon ab 80bpm?
Ich zweifle mittlerweile schon etwas daran, dass ich hier in den drei Wochen noch ein Drittel an Geschwindigkeit zulege. Und ehrlich gesagt macht es auch nicht wirklich Spaß nur diese Paar Noten immer und immer wieder zu üben. Es ist nur ein einziger Takt und ich hab den sicherlich schon mehrere hundertmal gespielt. Ich hab mit 40bpm angefangen, mich immer um 2 – 3 bpm gesteigert und mir fehlt immer noch ein Drittel… ach egal, wenn ich es bis nächste Woche nicht drauf hab, fliegt es raus.

16.01.2009
Ich habs nun rausgeworfen - das ist einfach unnötiger Streß. Ich bin damit aber überhaupt nicht glücklich und werte dies als kleines Versagen meinerseits. Aber hilft nichts. Ich feile lieber noch etwas an meiner Improvisation, damit diese möglichst spektakulär wird, und perfektioniere den Rest des Songs mit ein paar Slides, Vibratos und Doublestopps. Es ist außerdem ganz angenehm, das ganze schon zwei Wochen vorher zu beherrschen. Ich werde nun einfach ganz regulär weiterüben.
Gestern habe ich noch am EQ des Amp gefeilt um den Sound etwas jazziger klingen zu lassen. Für die Impro nehme ich eine moderate Verzehrung.
Gestern haben wir das Stück noch dreimal durchgespielt. Anfangs hab ich noch ein paar Sachen vergeigt (?), aber der zweite Durchlauf war schon ganz gut, aber am besten war natürlich das letzte Mal. Die Impro und das Stück allgemein sind super gelaufen…Jürgen schien auch sehr begeistert. Ich hab mich kaum verspielt nur ein oder zwei verschluckte Noten. Also wenn es in zwei Wochen genauso läuft wäre dies absolut super.

23.01.2009
So, wieder längere Zeit nichts geschrieben. Doch es gab nicht viel zu berichten. Ich habe mein Übepensum was Valediction betrifft etwas reduziert in letzter Zeit, und widme mehr Zeit den Pentatonik-Fingersätzen und der chromatischen Tonleiter. Außerdem übe ich momentan fast ausschließlich zum Originalstück. Was ich vergaß zu erwähnen: Anfangs übte ich meist mit einer gp5 Version, die ich dazu schrieb. Im Internet gab es keine. Doch leider kommt diese – abgesehen von der Melodiestimme – nicht sonderlich ans Original ran. Ich habe nur eine Bass- und eine Drumspur geschrieben. Natürlich geht so auch ein großer Teil der Stimmung des Stückes verloren. Nur hat das Original den Nachteil, dass ich nur im kurzen Harmonikasolo improvisieren kann, und bei unserem Vorspiel soll die Improvisation wesentlich länger werden. Aber das gleiche ich aus, indem ich die Impro getrennt übe, über ein vom Stil her ähnliches Playalong. Wenn wir Valediction dann im Unterricht üben, füge ich beide Parts zusammen, was auch sehr gut funktioniert. Ich bin schon sehr gespannt wie das Publikum reagieren wird. Das abrupte verzerrte Solo im Stück, wirkt wie ein Hammer und kommt recht unerwartet. Es ist klasse, aber man rechnet nicht damit. Und danach geht es wieder ruhig weiter. Jürgen meinte zwar, ich könnte nach der Impro noch ein bisschen verzerrt weiterspielen, aber das gefällt mir nicht so gut.
Hm…was gibt es sonst noch. Ach ja, ich spiele mittlerweile ganz ohne Noten bzw. Tabulatur. Ich beherrsche das Stück soweit schon ganz gut auswendig, noch nicht perfekt, aber ich arbeite momentan dran. Man gewinnt enorm an Sicherheit hinzu, wenn man das Stück auswendig beherrscht. Die Improvisation kann ich eigentlich auch nicht mehr als solche bezeichnen, da ich 80% davon identisch spiele. Nur kleine Fill-in Licks zwischen den einzelnen Teilen variieren noch. Und zum Thema Motivation…nun es kostet mich schon manchmal etwas an Überwindung das Stück noch zu spielen. Ich hätte eine Strichliste führen sollen, da mich wirklich interessieren würde, wie oft ich das nun schon gespielt habe.

27.01.2009
In drei Tagen geht es nun los. Nervlich geht es mir sehr gut, ich bin nicht nervös oder ähnliches. Das war vor ein paar Wochen teilweise noch schlimmer. Ich vermute, dass die Nervosität mit der Sicherheit sinkt. Grobe Schnitzer passieren mir soweit nicht mehr, nur kleine Sachen hin und wieder, wenn die Gedanken mal wieder abschweifen.
Also ich weiß das ich es kann, und wenn ich in der Vorspielsituation bin und halbwegs ruhig bleibe, dürfte es keinerlei Probleme geben.

28.01.2009
Yes I Can! So, nur noch zwei Tage. Heute hatte ich leider einige organisatorische Einschränkungen und konnte nur eine Dreiviertelstunde üben. Ich hab in den letzten Tagen häufiger stehend geübt. Ich werde das morgen im Unterricht mal austesten, aber bisher find ich das fast besser als auf einem Stuhl, der ein bisschen zu hoch ist. Das kommt ja trotz meiner gewaltigen 1,68 hin und wieder vor, und man kann einfach nicht locker dasitzen, wenn einem die Gitarre ständig wegrutscht. Nervlich geht es mir immer noch sehr gut, die meiste Zeit denke ich gar nicht an das Vorspiel. Die restliche Zeit verbringe ich mit positiven Gedanken. Die kurze Übeeinheit heute hat soviel Spaß gemacht wie lange nicht mehr. Im Buch „Mentales Training für Musiker“ stand, dass ich mir die Situation visualisieren soll, und deshalb stell ich mir beim Üben jedes Mal vor, dass ich vor Publikum stehe. Ich finde auch, dass dies durchaus half. Anfangs neigte ich eher zu Fehlern, wenn ich mir die Situation vorstellte, doch mittlerweile hab ich mich damit durchaus angefreundet – natürlich wird es in der Realität etwas anders sein, doch habe ich in psychologischen Aufsätzen schon des Öfteren gelesen, dass das Gehirn teilweise reelle Erfahrungen von visualisierten nicht unterscheiden kann.
Und zum Thema verspielen sagte Jürgen im letzten Unterricht zu mir, dass die Noten des Stückes nur die Fassade sind. Das tiefer gehende, also die Atmosphäre ist das wesentlich wichtigere. Dem Zuhörer fällt vielleicht gar nicht auf, dass eine Note höher oder tiefer ist, früher oder später gespielt wurde. Es kommt nur darauf an, dass die Atmosphäre des Stückes übermittelt wird. Und ich muss sagen, dass mir das deutlich weiterhalf. Kleine Fehler wurden von mir bisher überbewertet - doch es sind nur unwesentliche Details, und somit nichts was einem aus der Ruhe bringen darf.

29.01.2009
Heute im Unterricht haben wir das ganze stehend gespielt. Jürgen meinte, dass zu E-Gitarre stehen einfach besser passt, und mir ist es auch wesentlich lieber. Morgen geht es nun endlich los. Ich stehe dem Auftritt ziemlich neutral gegenüber – weder freue ich mich darauf, noch bin ich sonderlich aufgeregt. Ich versuch mir das aber weniger als Auftritt vorzustellen, sondern eher als relaxtes zusammentreffen mit ein bisschen Musik. Morgen hab ich glücklicherweise frei, und ich werde den Tag sehr ruhig angehen. Ob ich davor noch übe, weiß ich noch nicht. Auf alle Fälle werde ich heute, oder spätestens morgen frische Saiten aufziehen und vielleicht noch ein bisschen zu einem Blues Playalong jammen.
Und wie es morgen wird…ach, da mach ich mir keine Gedanken - die helfen einem auch nicht weiter. Was kommt, das kommt…Sorgen sind Zeitverschwendung. Auf alle Fälle habe ich für Samstag ein paar Freunde zu mir eingeladen, und wir werden den Auftritt mit einer Menge Tequila begießen.

30.01.2009
Ich habs geschafft. Ich bin einfach müde und erleichtert. Den ganzen Tag war ich kein bisschen nervös, auch nicht direkt vor dem Auftritt, aber als ich dann vor den Leuten stand schlug doch eine ziemliche Nervosität durch. Ich wagte gar nicht ins Publikum zu blicken, auch wenn es vielleicht nur knapp achtzig bis hundert Leute waren. Ich machte die Augen zu und spielte. Das Solo lief leider nicht ganz so, wie ich es mir gedacht hab und beim Schluss habe ich mich etwas verspielt. An den Rest vom Auftritt kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau erinnern... keine Ahnung warum. Aber so schlecht war es vermutlich nicht, da das Publikum exzessiv applaudierte und ein paar Leute jubelten sogar. Ich war danach einfach ko... bzw. bin es immer noch. Ok, einige Komplimente erhielt ich auch, aber das will ich jetzt hier nicht breittreten. Wirklich zufrieden bin ich zwar nicht, aber darüber will ich mir keine Gedanken machen. Die zwei Monate waren eine lange Zeit, mit unzähligen Stunden die ich stur übte. Aber wahrscheinlich kann ich doch zufrieden sein. Besonders wenn ich meine Leistung mit denen vergleiche die schon mehrere Jahre spielen, habe ich schon viel erreicht in dem halben Jahr. Ach egal... als ich mit Jürgen das Gebäude verließ, sagte er, dass wir ja nächstes mal eine Komposition von mir spielen können. Und ich halte das für eine absolut geniale Idee. Na dann... zurück an die Arbeit... aber erst nach dem Wochenende :)
 
Eigenschaft
 
Herzlichen Glückwunsch! Da hast du dich nach den paar Monaten ja echt was getraut! Ist das der "Earth TV" Song? Find ich auch großartig! Allerdings ist es als Anfänger natürlich schon... tollkühn, sich da ran zu wagen! Hast du im Nachhinein den Eindruck, dass du der Sache tatsächlich schon gewachsen warst oder meinst du eher, dass du dir da doch etwas zu viel vorgenommen hattest?
 
Könntest du mir eventl. den Tab schicken oder ihn hier im Board hochladen? :)
 
Tolles Teil, liest sich echt gut ;)

Wie acidmonk shcon fragte, ich fänds auch cool, wenn du die Tabs hochladen könntest

MfG,
Christian
 
Gratulation! War echt interessant zu lesen. Ich finde "Versagen", wie du es nanntest, in der Form nicht schlimm. Im Publikum wird es exakt keiner gemerkt haben, daß du einen Takt ausgelassen bzw umgestrickt hast, du selbst bist aber sicherer an das Ganze gegangen. Letztendlich muss das alles Songdienlich sein, und da ist nen schönes Lick besser als nen verkrampft überkonzentriert gespieltes.

Ich würd mich btw dem: Lad doch mal die Tabs und das gp5 File irgendwo och, anschließen :p
 
Hi,
ein schöner Bericht, und der kommt für mich gerade richtig. Die Gedankengänge anderer Spieler helfen ja doch sehr, mit den eigenen Befindlichkeiten selber klarzukommen.

Diese Woche war hier bei meiner Musikschule auch ein Schülervorspiel, an dem ich, trotz meiner Ü50, auch beteiligt habe.
Das Stück war nicht allzu schwer, die Lehrer-Band an meiner Seite prima, und (fast *g*) alles hat geklappt.
Am meißten war ich allerdings darauf stolz, daß ich mich überhaupt getraut habe, in einem Club vor Leuten zu spielen! Wo ich doch vor noch nicht mal einem Jahr kaum ohne Zittern meine ersten Unterrichtsstunden (nach etwa 2 autodidaktischen Jahren) hinbekommen habe.

Blöderweise bin ich wohl insgesamt ein sehr ausgeglichener Typ. Mein Hochgefühl nach der Veranstaltung hat sich gerade mit gleichem Ausschlag in die entgegengesetzte Richtung begeben.
:-(
Da frage ich mich: was habe ich dort zu suchen? Wer will schon eine alte Mutter auf der Bühne sehen? usw. usf. So nahe am Wasser habe ich lange nicht gestanden...

Hoffentlich pegelt sich mein Gemüt bald wieder ein. Normalerweise sage ich nämlich, wenn jemand lästert: "Hehe, ich kann Gitarre spielen. Du auch?"

Sorry, wenn ich jetzt genervt habe.
geka
 
Da frage ich mich: was habe ich dort zu suchen?
Ich denke du warst dort um die Bude zu rocken und wenn man liest, was du erzählt hast du das gehörig getan! \o/

Wer will schon eine alte Mutter auf der Bühne sehen?
Ich würd generell erstmal sagen: scheinbar jeder der da war. Oder andersrum, wer sollte das nicht sehen wollen?
Ich persönlich geh einfach nur für mich und meine Band auf die Bühne. Wir haben "da oben" tierisch Spaß und wenns den unten im Publikum auch gefallen hat, ist das bonus :p Hat sich der Eintritt wenigstens gelohnt ;)

So nahe am Wasser habe ich lange nicht gestanden...
Das ist doch nicht Schlimm. Musik ist Gerühl. Du hast Gefühl also brauchst du dir bezüglich deiner Musik garkeine Gedanken machen.
Sei stolz auf dich und lass dir das nicht von doofen Gedanke kaputtmachen.
 
Erstmal danke an alle!

@hawkeye
Nein, ich finde absolut nicht, dass ich mir zuviel vorgenommen habe. Es mag vielleicht den anschein haben, da ich sehr sehr sehr viel Zeit investierte und zwischendurch auch ziemlich ko war ;) aber ich wollte den Song mit geschlossenen Augen perfekt spielen, und das habe ich auch zum Großteil geschafft. Zudem war die Version etwas vereinfacht. Ich hab auf das Oktavspiel verzichtet, da ich es noch nicht beherrsche, und (wie bereits erwähnt) ein kleines schnelles Riff fehlt.
Ich persönlich halte einfach nichts davon, vor Publikum auf ein Notenblatt starren zu müssen.

@geka
Ach, denk dir nichts. Sogar ich durfte mir mit 25 (naja damals eigentlich noch 24) Sachen anhören wie: "Ist das nicht ein bisschen spät dafür?" Mich motivieren solche Sprüche eher dahingehend, denen das Gegenteil zu beweisen. Also zeig denen wo der Hammer hängt *g*

Ich lade hier die .gp5 Datei und das .pdf hoch. Allerdings gibt es eine Abweichung zum Original, und zwar verzichtete ich auf das Oktavspiel (siehe oben). Aber ich denke, es sollte für Euch kein Problem sein, das Stück schnell umzuschreiben.
Anhang anzeigen Valediction Final Version.gp5

Anhang anzeigen Valediction Final Version.pdf
 

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