Kirchentonleitern - welche Akkorde?

  • Ersteller Deerdance
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Heyho
Ich würde gerne in Zukunft ein bisschen mit den Kirchentonleiter experimentieren und komponieren, habe aber ein Problem:
Welche Akkorde passen?
Funktioniert das genauso wie mit Moll und Dur, wo man sich die entsprechende Tonleiter nimmt, immer die beiden übernächsten Töne nimmt (Terz und Quinte), also C D E F G A etc. und daraus dann die Akkorde bildet? Ich hab mehrmals gelesen, dass das so nicht funktioniert und kanns leider nicht ausprobieren weil ich im Moment kein Aufnahmemöglichkeit habe.
Ich hoffe ihr versteht meine Frage und das ich im richtigen Forum bin, ansonsten bitte verschieben :redface:
Lg

Hi Deerdance,

Deine Frage ist OK, aber leider hast Du sie nicht so gestellt, dass wenn man sie beantwortet, Klarheit geschaffen wird.
Z.B. wenn Du weißt wie man in Dur oder Molltonart die einzelnen Akkorde auf den verschiedenen Stufen aufbaut, weißt Du noch lange nicht wie man sie hintereinander zusammen setzt. Mit anderen Worten, Du hättest fragen sollen, welches sind die kadenzierenden Akkorde in den jeweiligen Modi.

Du weißt, in Dur- bzw. Molltonart hast Du die Unter- und Oberdominante die, bei richtig angewandtem HARMONISCHEM RHYTHMUS (danke Hagenwil und MaBa für die Erläuterungen diesbezüglich), zur Tonika hinstreben/kadenzieren. Diese Strebewirkung ist sozusagen der Motor der tonalen Musik. So einen Motor gibt es auch in den anderen Modi außer Jonisch und Aeolisch.
Um nun diese kadenzierenden Akkorde in den anderen Modi zu bestimmen geht man folgendermaßen vor:

1.) bestimme in jedem Modus den kadenzierenden Ton. (Der kadenzierende Ton ist immer der Ton, der diesen Modus im Falle von Dur vom Jonischen, bzw. im Falle von Moll vom Aeolischen unterscheidet.)
2.) baue auf allen 7 Stufen des Modus Dreiklänge auf.
3.) eliminiere den verminderten Dreiklang. (Dieser Dreiklang enthält den Tritonus und hat somit starke Strebewirkung zur I Stufe im Jonischen und ist somit unbrauchbar.)
4.) Suche nun die Dreiklänge, die den kadenzierenden Ton als Akkordton (Grundton, Terz oder Quinte) beinnhalten. Dies sind die kadenzierenden Dreiklänge.

Wie Hagenwil schon sagte, bei modaler Spielweise gibt es keinen Ersatz der Tonika wie z.B. in Dur- oder Molltonart. Die Tonikafunktion wird ausschließlich von der I Stufe des betreffenden Modus repräsentiert.

Nun fange an Kadenzen zu bilden. Achte dabei auf den Harmonischen Rhythmus.


Hier das Prinzip des Harmonischen Rhythmus:
(Es geht dabei um die Gewichtung der Takte/Taktteile innerhalb eines Turnus.)

Nehmen wir an der Turnus entspricht 4 Takten, dann ist die Gewichtung Folgende:

|| Stabil | instabil | weniger stabil | instabil ||

Du siehst, stabilster Takt ist der Erste, gefolgt vom dritten Takt. Zweiter und vierter Takt sind instabil.
Dieses Schema kann übertragen werden auf einen Turnus von z.B. 2 Takten. Dann sieht es so aus:

|| Stabil instabil | weniger stabil instabil ||

Die Eins und Drei sind stabil, während 2 und 4 instabile Taktteile darstellen.

Was macht man damit?

Nun, auch Akkorde können stabil oder instabil sein. Eine Tonika ist ein stabiler Akkord während die Dominante instabil ist. Die Subdominante ist dann irgendwie zwischendrin.

Wenn Du nun einen stabilen Akkord auf einem stabilen Taktteil platzierst, erhöhst Du dessen Effekt. Die Dominante sollte also eigentlich auf einem instabilen Taktteil stehen.
Ausnahmen bestätigen die Regel.

Nun zurück zu Deinen modalen Kadenzen.
Tonika ist also immer die I Stufe und sollte im 1. Takt stehen. Die kadenzierenden Akkorde stehen dann demzufolge immer auf relativ instabileren Takten/Taktteilen.

Nun konkret zu den Modis.

Kadenzierender Ton in Dorisch ist die große Sexte. Es ist dies der Ton, der diesen Modus vom gleichnamigen Aeolisch unterscheidet!
Folglich sind die kadenzierenden Akkorde in Dorisch der Molldreiklang auf der II Stufe und der Durdreiklang auf der bVII Stufe.

Kadenzierender Ton in Phrygisch ist die kleine Sekunde. Es ist dies der Ton der diesen Modus vom gleichnamigen Aeolisch unterscheidet!
Folglich sind die kadenzierenden Akkorde in Phrygisch der Dur Dreiklang auf der bII Stufe und der Molldreiklang auf der bVII Stufe.

Als Hausaufgabe musst Du nun herausfinden was der kadenzierende Ton/Akkord in lydisch und Mixolydisch ist. :great:

CIAO
CUDO
 
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@ CUDO:
Schöner Beitrag - vielen Dank!:great:

Kadenzierender Ton in Dorisch ist die große Sexte. Es ist dies der Ton, der diesen Modus vom gleichnamigen Aeolisch unterscheidet!
Folglich sind die kadenzierenden Akkorde in Dorisch der Molldreiklang auf der II Stufe und der Durdreiklang auf der bVII Stufe.

Aber müsste nach der Erklärung der kadenzierte Dur-Dreiklang in Dorisch nicht der auf der auf Stufe IV sein?
Dann wäre die Terz der kadenzierte Ton - der Dreiklang auf Stufe bVII enthält die große Sexte von Dorisch doch gar nicht.
Oder habe ich doch irgendwas falsch verstanden?:confused:
 
ICh stell jetzt vielleicht mal ne dumme Frage, aber man sagt ja dumme Fragen gebe es nicht nur dumme Antworten ;-) .

Kann man das Muster der stabilen und instabilen Akkorde auf jede Kirchentonleiter übertragen also beibt es gleich, dass Tonika stabil ist, genauso wie Subdominantparallele und Dominante ist instabil genauso wie 7. Stufe.

So wäre das system ja von der Dur Tonleiter ausgesehen also Ionisch.

Wäre jetzt von dorisch ausgesehen die Regel immer noch gleich also I. STufe (m7) stabil, 2. Stufe ebenfalls stabil, 4. stufe wenig stabil , 5. STufe instabil. ??? oder wäre dann
z.B. 3. Stufe wenig stabil , 4. stufe instabil. Halt wie von Dur ausgesehen ?? Aber dann würde es sich ja im Kreis drehen und sich nichts ändern.

Also mir ist schon klar das es eine Spannungskurve gibt z.B. C, F, G , C

Da löst es sich ja wieder in C auf . Das wäre stabiler, wenig stabiler, instabiler, stabiler Akkord

Wenn ich jetzt G-mixolydisch nehme ist dann der G7 auf der ersten STufe auf einmal ein stabiler Akkord?
 
Wenn ich jetzt G-mixolydisch nehme ist dann der G7 auf der ersten STufe auf einmal ein stabiler Akkord?

Sofern Du nur den Dreiklang spielst, also die Septime weglässt.

Cudo II sprach oben ja von Dreiklängen.


Gruß
 
Kann man das Muster der stabilen und instabilen Akkorde auf jede Kirchentonleiter übertragen also beibt es gleich, dass Tonika stabil ist, genauso wie Subdominantparallele und Dominante ist instabil genauso wie 7. Stufe.
Das Muster entspricht einem spürbaren Puls bei realer Musik. Das hat nichts mit Tonleitern zu tun.

Melodie und Harmonie folgen immer diesem Puls. Der muß für Melodie und Rhythmus aber nicht immer gleich sein.
Dieser Puls ist innerhalb eines Taktes spürbar - die erste Hälfte hat mehr Gewicht als die zweite Hälfte -, er ist auch über mehrere Takte spürbar - der erste Takt hat mehr Gewicht als der zweite. Das funktioniert (meist) auch über noch größere Bereiche oder noch kleinere Unterteilungen.

Nimm z.B. das Kinderlied "Hänschen klein" (erste Hälfte). Die Standardbegleitung ist:
C | G | C | G | C | G | C G | C

Jeder erste Takt ist Tonika (stabil), jeder zweite Takt instabil (Dominante). Erst am Ende wird der harmonische Rhythmus beschleunigt, damit auf C geendet werden kann.

(Übrigens bei "Alle meine Entchen" kippt der harmonische Rhythmus gleich im 2. Takt, bzw. er wird der erste Takt aufgrund der aufwärts steigenden Melodie schon fast als Auftakt empfunden. Danach wechselt sich auch hier die Tonika mit einem Kadenzakkord ab.)

Die Stabilität der Stufen richtet sich immer nach dem Modus.
Instabile bzw. auflösungsbedürftige Spannungsakkorde folgende: Alle Stufen, die sich stark von der Tonika unterscheiden, das sind die benachbarten Stufen, da sie keinen gemeinsamen Ton mit der Tonika haben.
Alle Akkorde, die den charakteristischen Ton als Dreiklangston enthalten, haben ebenfalls viel Spannung.
Die Stufen IV und V empfinden wir als Spannungsakkorde, weil wir IV-I und V-I-Auflösungen gewohnt sind.

Akkorde die mit der Tonika eine große Übereinstimmung haben, haben wenig Spannung. Sikora hat sie als Tonikavertreter genannt. Laut Hagenwil und CUDO wäre das eigentlich nicht ganz korrekt.

Einige Akkorde sind für modale Kadenzen ungeeignet bzw. mit Vorsicht zu geniesen. Das ist der Dominantseptakkord und der halbverminderte Akkord. Diese Akkorde leiten sehr stark in das parallele Dur oder Moll. Dazu kommt, daß auch bestimmte prägnante Akkordverbindungen diesen Effekt haben. Das habe ich oben mit der dorischen I-IV-bVII-I bzw. ionischen II-V-I versucht zu veranschaulichen.

Damit das nicht passiert, sollte man sich an dieser "Stabil - Instabil" Aufteilung halten.


Gruß
 
Aber müsste nach der Erklärung der kadenzierte Dur-Dreiklang in Dorisch nicht der auf der auf Stufe IV sein?

Hi Funkeybrother,

natürlich hast Du recht. Die kadenzierenden Dreiklänge in Dorisch befinden sich auf der II und IV Stufe. Ich war ein wenig unachtsam. Danke für die Korrektur.

Wenn wir diesbezüglich nun von Vierklängen reden, kommt im Falle von Dorisch natürlich auch die bVII Stufe in Betracht. (Das hatte ich wahrscheinlich im Hinterkopf als ich schrieb.)
Bei Miteinbeziehen von Vierklängen sollte man in modalen Situationen immer aufpassen wenn sie den Tritonus enthalten. Die Folge I-7 IV7 in Dorisch kann mißverständlich sein, warum muss ich hier wohl nicht erklären. (MaBa sprach auch schon davon)

G7 als tonischer Akkord in Mixolydisch hat stabilen Charakter. Im Blues passiert ja Ähnliches auf der I Stufe. Richtig eingesetzt haben diese Akkorde kein Auflösungsbedürfnis. Der Akkord in sich hat natürlich durch die kleine Sept schon Spannungsgehalt.
 
Akkorde die mit der Tonika eine große Übereinstimmung haben, haben wenig Spannung. Sikora hat sie als Tonikavertreter genannt. Laut Hagenwil und CUDO wäre das eigentlich nicht ganz korrekt.
Das Wort "Spannung" kann ziemlich für Irritationen sorgen.

Da müßte man besser unterscheiden zwischen der Spannung i n n e r h a l b eines Akkordes und der L e i t w i r k u n g eines Akkordes. Beides kann gleichzeitig in Zusammenhang mit einem Akkord auftreten, muß aber nicht.

Tonikaakkorde können also sehr wohl Spannungen beinhalten (z.B. j7, #11), doch haben sie keine Leitwirkung wie beispielsweise ein Dominantseptakkord.

Ein Quintfall hat aber ebenso eine Leitwirkung, die ebenso berücksichtigt werden muß.

Der diatonische Dominantseptakkord (wie z.B. G7 in E-Phrygisch) ist ja der einzige leitereigene Dom7, der (halb-)verminderte Akkord ist meist sein Vertreter, weshalb diese beiden Akkorde so gefährlich für eine "Kirchentonart" ist, weil beide in Richtung des ionischen Parallel-Modus drücken (G7 leitet bekanntermaßen nach C-Dur).

Nehmen wir an der Turnus entspricht 4 Takten, dann ist die Gewichtung Folgende:

|| Stabil | instabil | weniger stabil | instabil ||
Anstatt von stabilen bzw. instabilen Takten würde ich auch lieber von "schweren" und "leichten" bzw. "gewichteten" und "ungewichteten" Takten sprechen, analog zu den Zählzeiten.
Die Gewichtung der Takte ist allerdings auch von der Form des Stückes abhängig, denn nicht immer verlaufen Stücke symmetrisch, und Takte können ja auch z.B. auf zwei Takte ausgedehnt werden, und wenn sie zusammengelegt werden, kann sich die Gewichtung wiederum ändern, oder eben auch nicht...
 

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