Wie funktionert eigentlich eine Stimmzunge?

  • Ersteller Pentabass
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Darf ich hier vielleicht noch zwei ergänzende Frage stellen zum Thema Stimmzunge:

Warum sind die Töne eigenlich so laut bei der vergleichsweise kleinen Größe der Klangerzeuger? Mein Vergleich bezieht sich auf schwingende Saiten (Gitarre, Klavier) oder Luftsäulen in Blasinstrumenten? Gibt es ein kleineres Bassinstrument als den Bassteil des Akkordeons (mal ausgenommen die Bassmundharmonika)?

Und nochwas zum Vergleich zur Mundharmonika: Das Prinzip der Klangerzeugung ist ja das gleiche - warum ist der Aufbau der Instrumente doch recht unterschiedlich (gewachste, einzelne Stimmzungen, Ventile)?

lg,
Christian
 
Hat jetzt nicht direkt etwas mit den Stimmzungen zu tun, aber mit dem Klang.....

Ich hatte letztens mal das Verdeck meines Akkordeons abgebaut.... (wir wollten mal etwas ausprobieren, ist aber ein anderes Thema)
damit hatte ich dann gespielt, also ohne Verdeck.
Ich war echt überrascht, ja schon fast erschrocken wie sehr der Klang, das Volumen und Lautstärke sich verändert.
Das Verdeck ist nicht nur Schutz und Schmuck, es ist auch für den Klang verantwortlich. Stichwort: Resonanzboden.
Ich fand das Experiment sehr überraschend und überzeugend.
 
Ich war echt überrascht, ja schon fast erschrocken wie sehr der Klang, das Volumen und Lautstärke sich verändert.

Freut mich, dass du diese Entdeckung so deutlich feststellen konntest!

Du hast recht, es hat nicht direkt mit der Funktion einer Stimmzunge zu tun, aber mit deren Wirkung sehr wohl!

Wie die Stimmzunge für sich betrachtet überhaupt funktioniert, haben wir oben schon ausgiebig beschrieben, aber nach das alleine reicht noch nciht ganz aus, denn das Umfeld in dem die Stimmzunge betrieben wird ist ebenso elementar wichtig. So Ist z.B. die größe der Kanzelle extrem wichtig. passt die von der länge her exakt zur Stimmzunge , dann verstärkt die die Wirkung, passt die Länge des Kanzellenraums nicht, so kann es im Extremfall bis zum Funktionsausfall der Stimmzunge führen.
Und um hier Spekulationen vorzubeugen: Nein! Keine der derzeit verbauten Stimmstöcke sind in allen Tonlagen optimal auf die Stimmzunge angepasst - am meisten Abweichungen gibt es bei den hohen Tönen!

Und für den Klang, den das Akkordeon im Endeffekt abgibt, ist zwar die Stimmzunge der Initiator, aber der komplette Weg des Schalls und die Bauweise bis zum Verlassen des Verdecks beeinflussen, wieviel vom Schall und welche Frequenzen die die Stimmzunge erzeugt, überhaupt das Akkordeon verlassen. Drum ist es elementar wichtig, zu verstehen, wie die Stimmzunge funktioniert, aber der Rest, wie die eingebaut wird ist mindestens genauso wichtig.

Das Verdeck z.b. wirkt im Prinzip n bissl wie eine Jalousie und drum macht es auch schon wieder einen Unterschied, ob ich ein flächiges relativ geschlossenes Verdeck habe, oder ein offenes mit vielen freine Flächen (oder gar kein Verdeck).

Diese Effekte können wir gerne in einem extra Faden ausführlicher diskutieren.

Gruß, maxito
 
Genau das konnte ich mir vor zwei Wochen bei Balg ansehen. Es ist verblüffend, mit wie einfachen Mitteln er das anschaulich machen konnte.

Jedoch zielt die Frage jetzt eher darauf ab, warum die vergleichsweise kleine Zunge so ein Alarm machen kann. ... Eine gute Frage, die erst einmal wenig mit dem Verdeck zu tun hat.

Eher schon mit Materialstärke, Festigkeit zur Stimmplatte und zum Stimmstock, und Kanzellengrösse und Spalt. Alles spezielle Parameter zur Leistungsoptimierung. (LODS: LeistungsOptimierung Der Stimmzunge statt SOK...)

Ich denke da spielt auch das Klangvolumen eine grosse Rolle. Einen tiefen Ton kann man auch mit einem Lineal erzeugen oder einen lauten Ton auch mit einer winzigen Trillerpfeife. Aber richtig Volumen mit starkem Grundton macht so eine kleine Zunge nicht. Deswegen sind KontrAbass Saiten dick und lang und bedürfen eines riesigen Resonanzkörpers. Da ist der Grundton stark und tragend...
 
bei der vergleichsweise kleinen Größe der Klangerzeuger? Mein Vergleich bezieht sich auf schwingende Saiten (Gitarre, Klavier)

Da sind wohl verschiedene Mechanismen am Wirken: bei der Saite bringt ein mechanischer Impuls (z.B. das Plektrum bei der Gitarre) diese ins Schwingen. Die Schwingung der Saite wird an einen Resonanzkörper (der Gitarrenkorpus) weitergeleitet und verstärkt. Dabei geht ziemlich viel der ursprünglichen Energie verloren, Gitarren sind energetisch gesehen eher Kat. G. Instrumente.

Bei der Stimmzunge bringt der Luftdruck diese ins Schwingen. Die Schwingung der Stimmzunge selbst "zerhackt" den Luftstrom, ähnlich wie bei einer Sirene. Das ist ungleich effektiver (Kat. B).

Noch effektiver sind Blasinstrumente mit Kesselmundstücken, wie Trompeten, Posaunen etc. Die sind dann schon Kat. A und dagegen kann ein Akkordeon nicht mehr anstinken....
 
Genau das konnte ich mir vor zwei Wochen bei Balg ansehen. Es ist verblüffend, mit wie einfachen Mitteln er das anschaulich machen konnte.

Gern wäre ich dabei gewesen....

Was dürfen wir erfahren über die Demonstration wie eine Stimmzunge funktioniert?

Und was für neue Einsichten haben wir erworben?

Sehr neugierig
Stefan
 
Hallo Pentabass,

Als erstes hat Manfred ein fast 20 cm großes Modell einer Stimmzunge samt Kanzelle aus Holz präsentiert, das er extra für meinen Besuch gebaut hatte - eine Ehre! Dieses Modell stülpt er auf seinen selbst konzipierten elektrischen Balg und man kann mit der Hand die Stellung der Zunge verändern, um die Zunge in die Postition zu bringen bei der sie anspringt. Dabei spürt man die Kraftwirkungen und man versteht den Weg der Luftströme durch körperliches Erleben.

Eigentlich kann man so etwas schlecht mit Worten beschreiben, aber weil ihr fragt darf ich das nochmal in wenigen und möglicherweise unvollständigen Sätzen zusammenfassen, was Manfred in mühevoller Forschungsarbeit herausgefunden hat:

In der Ruhelage gibt es vorn an der Zunge einen Lösabstand, der sich zum Niet hin gegen null verringert.
Bei Balgbewegung fließt Luft durch den Lösabstand und reißt die Zunge mit. Die Richtung der Luft muß die Zunge in den Spalt bewegen. Von innen zieht die von ihm als "Kameraden" bezeichnete Luft mit, die durch den Vorbeifluss an der Zunge ein Unterdruck oder Sog (Vakuum) erzeugt, wie man es von einem vorbeifahrenden Zug her kennt. Die Zunge bewegt sich in den Spalt hinein und in dem Moment schließt sich der Spalt. Es fließt keine Luft mehr, die "Kameraden" fallen herunter und der Unterdruck verschwindet. Logischerweise stellt sich die Zunge nun durch die eigene Materialspannung (Rückstellkräfte) wieder in die Ausgangsposition zurück, hat aber zusätzlich kinetischen Schwung und schießt über das Ziel (Nullpunkt am Lösabstand) hinaus um in einem Zyklus (Frequenz) zur Ruhe zu kommen. Diese Kräfte reichen, um auch gegen den Spieldruck zurückzustellen. Wenn noch Spieldruck besteht, wird der Vorang aufrecht erhalten.

Sog oder Druck spielt bei dem Vorgang keine Rolle, ABER es muß dafür gesorgt werden, dass die Zunge in den Spalt geschoben oder gesogen wird. Dieses ABER ist der Grund, warum man zwei Zungen pro Ton und Ventile braucht.

So weit zur praktischen Theorie. Durch seine Modelle (Balg, Zungen, Kanzellen) kann man sehr gut erfahren, wie sensibel die Faktoren miteinander spielen. Schiebt man die Zunge zu weit vor oder zurück in den Spalt, oder sitzt sie zu weit unten oder oben, spürt man sofort, warum sie nicht schwingt. Durch die eigenhändige Ballance bleibt einem nichts verborgen.

Auch bei sonstigen Bearbeitungsvorgängen wie Stimmen, Feilen, Nieten uvm. gibt es viele Dinge zu beachten, die das Schwingverhalten beeinflussen.

Ich wünsche sehr, dass er Unterstützung bei seinen Arbeiten findet und dass sich seine zum Teil sehr aufwändigen Arbeitsprozesse irgendwie ökonomisch gestalten lassen.


Hallo accordion,

weißt Du auch, warum die Kesselmundstücke so effektiv sind und was die Kategorien im einzelnen bedeuten?

Eigentlich entsteht der Ton dort ja an der Lippe, die durch Spannung verschlossen ist. Durch Lungen/Zwerchfelldruck wird die Lippe eine Spalt weit geöffnet und durch entweichende Luft und dem daraus resultierenden Drucknachlass wieder geschlossen. Das ist doch eigentlich auch nur eine Auf/Zu Schwingung und somit genau so eine Zerhexelung der Luft ähnlich wie bei der Stimmzunge. Wenn man sich anhört, wie das ohne den "Schalltrichter" Trompete oder Posaune anhört, ist das höchstens genau so laut wie die Simmzunge. Der Lautstärkegewin kann also nur durch die Bündelung und "Resonanz" (falsches Wort) der Instrumentenform zustande kommen, wie beim Grammophon.
 
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Hallo Klangbutter

die Kategorien habe ich nur zur Veranschaulichung aufgeführt. Kühlschränke und Autos werden ja nach Ihrer Energieeffizienz in Kategorien eingeteilt: A sehr effizient, G etc. ineffizient. Bei Musikinstrumenten gibt es sowas wohl nicht, weil da der Klang wichtiger ist als die Effizienz, welcher Wirkungsgrad ein klangerzeugender Impuls hat. Sorry wegen dem Missverständnis.

Dass Blasinstrumente so laut sind, hängt sicher mit dem schallverstärkenden Trichter zusammen. Das Prinzip der Klangerzeugung mit den vibrierenden Lippen ähnelt dem der Stimmplatte, das sehe ich genauso wie Du. Der Trichter gibt dem Ganzen aber den richtigen Wumms. Das haben die anderen Instrumente natürlich auch mitgekriegt und sind auf den Trichter gekommen: z.B. bei der Violine: http://de.wikipedia.org/wiki/Strohgeige oder auch beim Akkordeon: http://www.hohnerusa.com/index.php?1908 hier hatte das allerdings eher optische Vorteile als akustische.

Wenn ich das richtig verstehe, dann hat Manfred ein grosses Modell gebaut, das den Bernoulli-Effekt demonstriert. Das ist natürlich sehr interessant, das in einem Video anzukucken...
 
Hallo Pentabass,

Als erstes hat Manfred ein fast 20 cm großes Modell einer Stimmzunge samt Kanzelle aus Holz präsentiert, das er extra für meinen Besuch gebaut hatte -

Hallo Klangbutter,
vielen Dank für den interessanten Berich.


Ich wünsche sehr, dass er Unterstützung bei seinen Arbeiten findet und dass sich seine zum Teil sehr aufwändigen Arbeitsprozesse irgendwie ökonomisch gestalten lassen.

Klangbutter, hast Du einen Vorschlag wie wir seine Arbeiten ünterstüzen können?

herzliche Grüsse
Stefan
 

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