Blockflöte, Tonumfang f1-g3?

  • Ersteller Vincent Stone
  • Erstellt am
Ich finde es immer wieder Klasse, wie du Vorgänge beschreiben kannst @Lisa2 , da macht das lesen Spass :great:
 
Vielen Dank für Eure oft lehrreichen und anschaulichen Antworten. Das g3 kommt in meine persönliche Grifftabelle herein, die anderen hohen Töne können ruhig warten, bis ich mit der Blockflöte auf einer einsamen Insel lande ...
 
... das mit dem Abdecken funktioniert auch im tiefen Register:
Wenn man z. B. F1 greift, abdeckt, und sehr sanft bläst, erhält man B0.
Und dann wären da noch die Flageolett-Töne usw. usw. , aber das sind wieder andere Geschichten.

So ein "einfaches Pfeiferl" wie die Blöckflöte bietet also eine Unzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, die entdeckt und erarbeitet werden können.
 
Danke für die Erklärungen! Ich hatte einfach einen Tippfehler vermutet und dann sowas ... :D
 
Korrektur und Ergänzung: Bei dem Versuch, die Effekte des Abdeckens des unteren Schalllochs zu erklären, bin ich auf ein komplexes Loch ohne Boden gestoßen, was Stoff für einen neuen Thread beinhaltet und ich an dieser Stelle nur soweit weiterführen möchte, dass der physikalische Hintergrund annähernd verständlich wird.

durch die Abdeckung am Ende der Pfeife eine Reflexion und ein Druckbauch, die für eine Verdopplung der Grundfrequenz sorgt. Die Pfeife klingt damit deutlich höher, als ihre Bauform vermuten lässt.
Da hat sich bei der Formulierung der Fehlerteufel eingeschlichen, der @Lisa2 oben auch schon irritiert hat: richtig muss es heißen Verdopplung der Wellenlänge, die reziprok (=umgekehrt proportional) ist, also Verdopplung der Wellenlänge führt zu Halbierung der Frequenz, damit klingt der Ton 1 Oktave tiefer.

Der Schluss war richtig. Eine gedackte Pfeife klingt also eine Oktave tiefer als die gleich lang gebaute offene Pfeife, oder umgekehrt ausgedrückt ist die gedackte Pfeife bei gleichem Ton halb so lang.


Ausserdem ist die Vorstellung, dass eine ausgesandte Schallwelle reflektiert wird so auch nicht richtig, bzw. fördert nicht das physikalische Verständnis. Vielmehr gelten hier Prinzipien der Physik der Strömungslehre und -mechanik. Es ist einleuchtender, die Strömung und Druckverteilung in der Flöte anzuschauen.

Zur Veranschaulichung nehme ich den Sonderfall einer zylindrischen Labial-Flöte (bzw. Pfeife), also eine normale Orgelpfeife, Querflöte oder TinWhistle, mit ihrem tiefsten spielbaren Ton:

Diese Flöten sind zu beiden Seiten offen, Kernspalt am Labiumfenster und untere Öffnung verhalten sich strömungstechnisch wie ein zylindrisches Rohr mit 2 Enden.
Durch das Auftreffen eines gleichmässig und gerichteten Luftstroms auf das Labium wird der Luftstrom zerteilt, es kommt zu Verwirbelungen, die die Luft im Inneren der Flöte zum Schwingen anregen. Damit sich im Inneren der Flöte im Resonanzraum zu einer stehenden Welle kommt, sind folgende Randbedingungen zu erfüllen:
An beiden Enden darf keine Druckdifferenz zur umgebenden Atmosphäre sein, damit die Luft strömen kann; genau an diesen Stellen ist dann die Strömung bei einem Maximum. Im inneren der Flöte gibt es dagegen einen Luftstau, die Strömung ist Null und der Druck hat ein Maximum. Die Zeit, bis sich eine definierte stehende Welle etabliert hat, nennt der Musiker Ansprache.
Die Druckverteilung hat also die Formkurve eine sinusförmige Halbwelle (an beiden Enden NULL und in der Mitte ein Maximum), die Wellenlänge ist doppelt so lang wie die Bauform der Flöte, das ergibt bei einer Querflöte von ca. 60cm Länge und einer Geschwindigkeit von ca. 340 m/s eine Frequenz von ca. 280 Hz (340 m/s dividiert durch (2*0,6m)), was einem c (c4, Schloss-C) entspricht.

openclosed.gif


Druckverteilung und Fluss der beidseitig offenen Flöte ist links. Der oben beschriebene Fall ist das oberste Diagramm. Die weiteren Diagramme zeigen dann die Druckwellenverteilung der Obertöne, also Faktor 2, 3, ... also mehrfache Schwingungen (siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberton).


Nun zu gedackten Flöten/Pfeifen, wo das Ende abgedeckt wird, oder auch dem Fall der Klarinette, wo die Form des Blatt-Mundstücks (engl. (single) reed) den gleichen physikalischen Effekt wie das Abdecken des Schallochs hat.

An der Abdeckung kann die Luft nicht strömen (also Null an der Stelle) und der Druck hat ein Maximum. Gerade mal eine Viertel der Welle passt nun in den Resonanzraum unter diesen Randbedingungen, die Wellenlänge ist im Vergleich der offenen Flöte also doppelt so lang, die Frequenz halb so hoch, der klingende Ton eine Oktave tiefer.
Ausserdem passen keine geradezahligen Mehrfache zu den Randbedingungen, nur ungradzahlige Frequenzen; ein Überblasen in die nächst höhere Oktave (i.e. Oberton 2, Verdopplung der Frequenz) ist nicht möglich.

Eine Klarinette ist in der Realität tatsächlich annähernd (das o.g. Modell ist vereinfacht) 1 Oktave tiefer als eine beidseitig offene Flöte bei gleicher Länge, oder auch im Vergleich zu einer Oboe (die konisch gebohrt ist, Doppel-Rohrblatt verhält sich aber wie eine Öffnung).

Vertiefende Quellen findet man (englischsprachig) bei der University of New south Wales in Sydney (Australien):
http://newt.phys.unsw.edu.au/jw/flutes.v.clarinets.html#wave
http://newt.phys.unsw.edu.au/jw/woodwind.html


Letzendlich habe ich aber noch keine Erklärung der Gabelgriffe und dem speziellen Fall der Anhebung/Absenkung eines Griffes um einen Halbton; nur die Erkenntnis, dass es alles andere als trivial ist, die physikalischen Vorgänge zu verstehen.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Noch eine Ergänzung zu Labial-Flöten / Pfeifen:

Die Strömungswellen und Druckschwankung führen im Kernspalt (also dem Fenster vor dem Labium) zu einer senkrecht zur Längsachse gerichteten Welle, die den Hauptton ausmacht - ein Mikrofon sollte am Labium oder oberhalb der Flöte angebracht sein, um den Ton aufzunehmen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
die Erkenntnis, dass es alles andere als trivial ist, die physikalischen Vorgänge zu verstehen.

:cool: ... ich geh flöten :m_flute:

Ne, schon echt enorm. Ich habe mal mit nem Physiker und Musiker über Obertöne gesprochen, schon verrückt genug.
Aber das ganze in ein Röhrchen gepackt und mit Fingern darauf herum gewackelt, dass hat schon was spezielles :D
 
der Klarinette, wo die Form des Blatt-Mundstücks (engl. (single) reed) den gleichen physikalischen Effekt wie das Abdecken des Schallochs hat.
Hier muss man aufpassen, das gilt nur im Zusammenhang mit der zylindrischen Bohrung der Klarinette. Ein Single Reed mit einer konischen Bohrung (Saxophon) entspricht einem offenen Ende.
 
Ich habe ja gesagt, es wird komplex - ich bin kein Physiker, noch weniger bewandert in Strömungsphysik und habe durchaus Mühe, die Ausführungen der Physiker zu verstehen; noch weniger kenne ich mich mit Saxophonen aus und kann an dieser Stelle nur die Ausführungen der Universität zitieren.

Aus Sicht der Strömungsphysiker hat die Bohrung (konisch oder zylindrisch) nichts damit zu tun, ob ein System offen oder geschlossen ist, sondern lediglich die Art des Mundstücks; das Single-Reed verschließt die meiste Zeit den Luftzustrom und wird bei den physikalischen Betrachtungen daher an der seite als geschlossen angesehen:

aus: http://newt.phys.unsw.edu.au/jw/saxacoustics.html: "Saxophone acoustics: an introduction"
The saxophone is a 'closed' pipe
The saxophone is open at the far end or bell. But it is (almost) closed at the other end. For a sound wave, the tiny aperture between reed and mouthpiece – a much smaller cross section than the bore of the instrument – is enough to cause a reflection almost like that from a completely closed end. The rest of the saxophone is approximately conical. Of course most saxophones are bent, and these sections are not conical. There's also the bell, some of whose effects we shall discuss below.
.

...und natürlich macht die konische Bohrung die Betrachtung deutlich komplexer als eine zylindrische.

An der Stelle klinke ich mich dann wirklich aus, denn wie gesagt, ich bin kein Physiker und will es auch nicht werden....
 
An der Stelle klinke ich mich dann wirklich aus, denn wie gesagt, ich bin kein Physiker und will es auch nicht werden....
Es soll selbst Leute geben, die Physik studiert haben und trotzdem die Flöte einfach nur spielen :engel:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
der Unterschied zwischen Klarinetten und Saxophonen liegt in der Bohrung
Das wird hier beschrieben
Why do closed conical bores have the same set of resonances as open cylindrical bores of the same length, whereas closed cylindrical bores of the same length have only odd harmonics starting one octave lower?
http://newt.phys.unsw.edu.au/jw/pipes.html
zu deutsch: Das Saxophon hat zwar ein gedacktes Ende, verhält sich durch die konische Bohrung aber wie ein offenes
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Es soll selbst Leute geben, die Physik studiert haben und trotzdem die Flöte einfach nur spielen :engel:
Physik studiert zu haben hilft zwar nicht beim Spielen, aber beim Beantworten von solchen Fragen.
 
Dann wollen wir uns mal auf die Ausgangsfrage besinnen. :engel:

Meine Frage an Euch an dieser Stelle: Kennt Ihr diese hohen Töne (der Altblockflöte), gibt es Gelegenheiten, sie zu nutzen, und wenn ja, welche Griffe?
(Ich hatte herausgefunden für fis3: Daumen halb, dann oo1 11o, g3 Daumen halb, 1/2 0 1 1o11, für as3 Daumen halb, 1/2 o 1 1010)

Da bereits einigermaßen geklärt ist, wie man sich dem höchsten Register der Altblockflöte annähert und welches die zugehörigen Griffe sind, könnten wir uns vielleicht gemeinsam nach Stücken/Musik umsehen, mit denen das hohe Register trainiert wird.

Viele Grüße
Lisa
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Im vergangenen Jahrhundert gab es ja viele Neutöner, die um es auszuprobieren Musik geschrieben haben, die man kaum spielen und noch weniger anhören kann. Viel erfolgversprechender scheint mir der Weg der Improvisation zu sei (ich kam darauf wegen des Tonbeispiels weiter oben). Wenn man expressiv die Flöte bläst, dann ergeben sich weitere Obertöne wie natürlich. Ich habe dazu die Finger spielerisch, wie chaotisch, über die Löcher tanzen lassen und dabei mit unterschiedlichen Druckstärken geblasen, und da kamen ganz interessante Dinge raus. Schließlich sogar Doppeltöne. Wenn man dann wieder "normal" bläst meint man, ein anderes Instrument in den Händen zu halten ...
 
:D:D:D:rofl:
Ich habe dazu die Finger spielerisch, wie chaotisch, über die Löcher tanzen lassen und dabei mit unterschiedlichen Druckstärken geblasen, und da kamen ganz interessante Dinge raus. Schließlich sogar Doppeltöne. Wenn man dann wieder "normal" bläst meint man, ein anderes Instrument in den Händen zu halten ...

Tschaaaa @Vincent Stone, das kenne ich nur zu gut... Gerade mal flott aufgenommen. Qualität bitte zu entschuldigen, hab leider nur ein Diktiergerät. Mit etwas "Routine" kann man mit der Zeit sogar Melodien hervorlocken auf ungeahnten Bahnen :whistle:

https://soundcloud.com/webbwanderer/jazzt-oder-nie

oder das da was ich vorhin in einem anderen Fred gepostet habe

@Lisa2 du kennst dich doch gut aus und magst Rätsel :D

Was für eine Flöte jazzt da?:m_flute:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Für alle, die noch nie gedackte Töne gespielt haben, es aber gern probieren würden - und im Sinn der Volks-Zahngesundheit:

- Stücke mit gedackten Tönen spielt man vernünftigerweise im Sitzen. Im Stehen führt das nämlich rasch von "Akrobat schööön" zu "Akrobat kaputt".

- Keinesfalls reißt man das Knie hoch in Richtung Flöte. Das macht nur den Zahnarzt glücklich. (Es gab da mal ein berühmtes Wienerlied: "Ich wünf' mir zum Geburtftag einen Vorderfahn... genial mit Sissy Craner.)

- Die Flöte bleibt in Körpermitte, bis etwa einen Takt VOR dem Auftreten eines gedackten Tones. Zu diesem Zeitpunkt schon hebt man das Zielbein leicht an, etwa durch Hochstellen der Ferse, um vorbereitet zu sein. Ist der gedackte Ton dran, dann führt man die Flöte von der Mitte her durch einen SEITLICH GERICHTETEN Schwenk zum schon vorbereiteten Oberschenkel und setzt die Flöte dort auf.
Jede rasche Bewegung auf die Flöte zu in Richtung ihrer Längsachse riskiert fahrlässige Selbstbeschädigung... :ugly:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Physik studiert zu haben hilft zwar nicht beim Spielen, aber beim Beantworten von solchen Fragen.
Der von Lisa zitierten Ausgangsfrage? :) Da reicht mir die Flöte, da brauch ich mein Hirn nicht mit Schallwellen verknoten ;)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
"Ich wünf' mir zum Geburtftag einen Vorderfahn... genial mit Sissy Craner.)

Daff ifft Fpitfe :D

ich spiele nicht gedackt, bewege mich überwiegend nur auf den zwei "tiefsten" Tönen und variiere mit Druck und... ach, @Lisa2 kann sowas immer besser beschreiben :rolleyes:
 
Danke. War aber jetzt nicht sooo schwer, weil die zwei markanten Klangfarben zwischendurch zu erkennen waren :) Der tiefste Ton klingt wie Querflöte und sobald es in der Mittellage hin und her wandert, wechselt sie in den typischen Blockflötenklang.

... hebt man das Zielbein leicht an ...
Das mach ich mir bequemer. Ich stell mir 'nen Hocker unter den Fuß. :engel:
So 'ne Fußstütze vom Gitarrespielen geht auch, ist nicht so sperrig und lässt sich zusammengeklappt in die Flötentasche stecken.
Durch die Fußstütze ist das Bein stets in derselben Höhe. Man kann sich ganz auf die Bewegung der Flöte konzentrieren und die Gefahr der Selbstbeschädigung ist minimiert. :)

So und jetzt mal ein paar Noten.

Die schottische Tanzweise habe ich aus einer alten Melodiensammlung herausgefischt und in eine auf der Alt-Blockflöte gut spielbare Lage transponiert. Der Tonraum reicht vom g' bis zum e'''.


In der Galerie findet Ihr noch zwei völlig andere Melodien, die ebenfalls aus historischen Sammlungen stammen. Eine davon habe ich in zwei verschiedenen Tonarten hoch geladen. Auf die Noten bezogene Fragen könnt Ihr in der Galerie stellen. Die Bilder stehen unter Beobachtung. ;)

Gruß
Lisa
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben