Wiedereinstieg nach 30 Jahren Pause

T
Tim
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
09.03.22
Registriert
12.10.14
Beiträge
1.368
Kekse
1.303
Hallo,

ich hatte als Kind etwa im Alter von 9-11 Jahren Klavierunterricht (Klassik).
Leider war ich so dumm, dann irgendwann aufzuhören und nichtmal mehr das gelernte durch gelegendliches Üben zu erhalten.
Da ich nun aber seit gut 1,5 Jahren intensiv mit dem Singen und Gesangsunterricht begonnen habe und auch zu Playbacks singe, kommt bei mir der Wunsch auf, irgendwann mal meine eigenen Playbacks erstellen zu können.

Ich werd also in den nächsten Wochen nun endlich ein Digital-Piano kaufen und will damit dann neben Gesangsübungen auch wieder das Spielen lernen.
Momentan versuche ich mich an einem uralten Keyboard (ohne Hammermechanik, dafür mit jeder Menge Klängen und Rythmen usw., geschätzt aus dem Jahr um 1990 rum).
Allerdings hab ich anscheinend die Koordination soweit verlernt, daß ich Mühe habe mit der linken und rechten Hand unterschiedliches zu spielen, selbst bei Akkorden mit der linken Hand hab ich Probleme.

Jetzt zu meinen eigentlichen Fragen, auch wenn mir bewußt ist, daß dies individuell sehr verschieden sein kann und daher schwer zu beantworten ist!:

Meint Ihr daß ich nun nochmal bei Null anfangen muß, oder kommt man auch nach ca. 30 Jahren Spielpause da in der Regel recht schnell wieder rein?

Allerdings möchte ich nun meinen Schwerpunkt nicht mehr auf Klassik legen, sondern auf Pop-Musik.

Gibt es dafür brauchbare Klavierschulen zu kaufen, mit denen man das selbst lernen kann, oder werd ich um erneuten Unterricht wohl nicht rum kommen?

Gruß
Tim
 
Eigenschaft
 
Bei 2 Jahren Training im Kindesalter und 30 Jahren Pause dürfte nicht mehr allzu viel übrig geblieben sein. Diese Erfahrung musste ich bei einem anderen Instrument leider auch schon machen. Ich habe auch vor ca. 2 Jahren mit 1-2 Klavierschulen für Erwachsene im Selbststudium wieder angefangen. Richtige Fortschritte gibt es aber erst mit dem Klavierlehrer an der Seite.

Das Lernen als Erwachsener unterscheidet sich in fast allem zum Kindesalter. Hier befürchte ich wirklich, man fängt praktisch bei NULL an. Theoretisches Wissen (Noten lesen, etc.) solltest Du ggf. mit rüber retten können.
 
Stimme @Exordium voll zu. Außerdem spielt sich Pop auch noch mal anders als Klassik. Aber wenn Du eine gute Motivation hast, kannst du immer noch alles lernen, auch wenn es etwas länger dauert als früher.
 
Für das Lernen des Klaviers wirst du viel Zeit aufbringen müssen, um wirklich effektiv zu werden. Ich würde mir einen Lehrer suchen.

So habe ich es bei meinen 3 Instrumenten (Gesang, Klavier, E-Bass) gemacht.
 
Hallo,
Bei mir war das so.
Als Kind bis zum 15. Lebensjahr habe ich Akkordeon gespielt, allerdings ohne Musiklehrer, sondern mehr oder weniger im Selbststudium, da es in der ländlichen Gegend keine Musikschule oder ähnliches gab.
Selbstverständlich habe ich probiert die aktuellen Hits aus dem Radio nachzuspielen.
Dann habe ich mir mit 45 Jahren ein Bontempi Keyboard aus Jux gekauft um zu wissen, ob ich mir evtl. Klavier oder Keyboard spielen selbst beibringen kann.
Das Spielen war gar nicht so schwer, doch der Klang hat mich total genervt.
Also kam zu meinem 50. Geburtstag ein ordentliches Keyboard von Yamaha.
Darauf habe ich dann mehr oder weniger mich ausprobiert, doch die Technik und die umfangreichen Möglichkeiten haben mich schlichtweg erschlagen.

Dann mit 59 Jahren habe ich einen Keyboardkurs an der Volkshochschule belegt um endlich das Keyboard richtig zu bedienen und spielen zu lernen.

Doch da war eine ältere Dame (86 Jahre jung) die mir mit der Technik überhaupt nicht weiter helfen konnte, aber sie konnte mir Klavier spielen lernen.

Also habe ich zögernd angefangen mal mit BassNoten zu lernen und die linke Hand mit mehr als nur einem Finger zu spielen.
Und es hat geklappt.
Total darüber erfreut, habe ich mir zu meinem 60. GEBURTSTAG ein richtiges Digital Piano gekauft und bin gerade dabei die "Invention 8" von Bach zu lernen.
Das gibt richtig viel Spass und die erste Seite davon klappt schon richtig gut. Ich denke, dass man das als Kind erlernte immer wieder gut verwenden kann. Nichts ist je umsonst gewesen.
Als Erwachsener dauert es vielleicht etwas länger bis man etwas lernt, dafür hat man aber mehr Geduld und lässt sich nicht so leicht von seinem Vorhaben wieder abbringen.
Also immer weiter lernen, auch meine Klavierlehrerin lernt immer wieder Neue Stücke und übt genau wie ich täglich an Ihrem Fortschritt.
Mit ca. 40 Jahren ist man doch noch sooo jung.!!!:great:
Viele musikalische Grüsse
Nathaly
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Danke für die Meinungen und Tips!

Erstaunlicherweise kann ich noch ein Teil der Melodie eines meiner letzten Klavierstücken zumindest mit der rechten Hand, obwohl es etwa 30 Jahre her ist, daß ich dieses zum letzten mal spielte.
Die linke Hand fehlt mir da aber völlig und auch mit der rechten Hand verspiele ich mich natürlich öfter als damals.

Gibt es einfache Koordinationsübungen, mit denen ich beide Hände gezeitig trainieren kann unterschiedliches zu spielen?
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Gibt es einfache Koordinationsübungen, mit denen ich beide Hände gezeitig trainieren kann unterschiedliches zu spielen?

Die "normale" Vorgehensweise ist, beide Hände getrennt zu üben und dann zusammen zu führen. Je nach Komplexität. Einfache Übungen, wie links ein voller Akkord pro Takt und rechts eine kleine Melodie, versuche ich natürlich auch in einem Rutsch. Die Fähigkeit wird sich wohl mit zunehmender Erfahrung und Übung ständig von selbst ausbauen.
In einer dieser "Wie übe ich sinnvoll" Artikeln oder Publikationen, steht übrigens ein guter Tipp, den ich selbst gerne anwende. Und zwar, dass man Dinge, die man der einen Hand beigebracht hat, sehr einfach an die andere weitergeben kann. Also ruhig mal die Übungen umkehren und die rechte und linke Hand vertauschen - Begleitung und Melodie natürlich entsprechend im Schlüssel/Oktave tauschen.
Das verhindert u.a. auch, dass die linke weniger gut trainiert wird.
 
Hallo Tim.

Im Grunde fängst Du bei "0" an oder sagen wir mal bei "0,2" Das sollte Dich aber nicht abschrecken! Ich habe selbst nach fast 25-jähriger Pause wieder mit dem Klavierspielen begonnen. Wenn Du es Dir leisten kannst, dann nimm Dir bitte einen Lehrer, auch wenn es nur einmal im Monat einen Austausch gibt. Ich selbst bin zu 100 % Autodidakt. Da merke ich schon die ganzen Schwierigkeiten in Sachen Verständnis, Technik und Weiterkommen. Da muss man schon eine gehörige Portion Selbstdisziplin und Eigenbeobachtungsgabe mit bringen. Klavierschulen gibt es sicher zahlreich. Aber ohne Feedback eines Profis stelle ich mir das schwierig vor. Da ich ja fast ausschließlich Klassik spiele, konnte ich natürlich auf mein altes Notenmaterial und auf die
2 Jahre Ausbildung in der Kindheit zurück greifen. Wenn Du die o.g. Eigenschaften mit bringst, dann kannst Du auch mit diesen Schulen selber vieles zustande bringen aber besser ist es auf jeden Fall mit "dem richtigen" Lehrer.

Andreas
 
Die "normale" Vorgehensweise ist, beide Hände getrennt zu üben und dann zusammen zu führen. Je nach Komplexität.
Die Betonung würde ich hier auf "je nach Komplexität" legen, denn das getrennte Üben ist zwar die allerorten am meisten empfohlene Methode, jedoch in vielen Fällen nicht die effektivste. Gut ist das getrennte Üben vor allem für die Klangvorstellung der einzelnen Parts. Für die Koordination bringt es hingegen recht wenig, weil es für die Bewegungssteuerung im Gehirn ein ganz anderes Programm ist, mit einer Hand einzeln etwas zu spielen als beide Hände gleichzeitig. Nicht selten muss man, wenn man lange die Hände einzeln geübt hat, wieder fast von vorne anfangen, wenn man sie dann zusammensetzen will.

Letztlich übt man beim Einzelüben vieles, auch vieles Wichtiges, aber eines definitiv nicht: Die Koordination beider Hände. Die kann nur zusammen effektiv trainiert werden. Dass eine klare Klangvorstellung der einzelnen Parts dabei sehr hilfreich sein kann, stelle ich aber nicht in Frage.

@Tim: Für die Koordination ist langsames Üben und der klare Überblick darüber, welche Hand wann was macht, sehr wichtig. Eine einfache und interessante Übung aus meinen früheren Klaviertagen kann ich Dir da als Anregung mitgeben: Spiele in beiden Händen im Oktav- oder Doppeloktavabstand exakt das Gleiche, zum Beispiel eine Tonleiter, eine Fünffingerübung oder eine Melodie, aber artikuliere die beiden Hände unterschiedlich, z.B. links staccato und rechts legato oder umgekehrt.
In einer dieser "Wie übe ich sinnvoll" Artikeln oder Publikationen, steht übrigens ein guter Tipp, den ich selbst gerne anwende. Und zwar, dass man Dinge, die man der einen Hand beigebracht hat, sehr einfach an die andere weitergeben kann. Also ruhig mal die Übungen umkehren und die rechte und linke Hand vertauschen - Begleitung und Melodie natürlich entsprechend im Schlüssel/Oktave tauschen.
Das verhindert u.a. auch, dass die linke weniger gut trainiert wird.
Coole Sache, kannte ich noch gar nicht. Manchmal mache ich intuitiv aber etwas ähnliches. Als Variante, um das eigene Gehirn zu ver- und entknoten (und damit weiterzubringen), ist das sicher sehr effektiv.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Gibt es einfache Koordinationsübungen, mit denen ich beide Hände gezeitig trainieren kann unterschiedliches zu spielen?
Da wir ständig im Alltag unterschiedliche Dinge (meist unbewusst) koordinieren, würde ich Übungen empfehlen, bei denen man diese Erfahrungen auf das Klavier überträgt.
Eine dieser alltäglichen Erfahrungen ist das gleichzeitige Gehen und Sprechen - ohne dabei in's Stottern oder Stolpern zu geraten. Wir kombinieren ohne es merken unterschiedliche Rhythmen (Geh- und Sprechrhythmus) und legen auch noch eine (Sprech-)Melodie darüber, können dabei noch das Gesprochene gestalten, evtl. sogar mit den Händen eine Zigarette drehen und den Straßenverkehr beobachten.
Wie bekommt man diese Erfahrung in die Hände?
Die Schwierigkeit fängt meist schon mit der - notwendigen- Bewusstwerdung der Bewegungen an und hört noch lange nicht mehr der unterschiedlichen Gestaltung der einzelnen Bewegungsabläufe auf.
Mit der bewussten Koordination des Was, Wann und Wie mit welchem Finger, welche Hand usw. ist unser Kopf eigentlich hoffnungslos überfordert. Das Üben am Klavier sollte deshalb auch nicht in die Richtung gehen, diesen Vorgang als eine bewusste Koordination abzuspeichern.
So erstaunlich es auch ist, aber der Körper organisiert die Koordination, wenn man vom Ziel ausgeht, fast von selbst. Das macht es zuerstmal nicht einfacher, beschreibt aber eine andere Lernmethode. Sie geht davon aus, dass man sich mit dem msuikalischen Ziel vertraut macht, also mit der Melodie, der Harmonei, dem Rhythmus....
Das getrennte Üben beider Hände macht daher auch erstmal Sinn, wenn es darum geht, sich anzuhören was diese eigentlich spielen sollen. Ich würde aber noch weiter gehen und sagen, das getrennte Spielen jeder Stimme - soweit es sich um Mehrstimmigkeit handelt - ist notwendig. Und eigentlich ist es dabei auch egal, welche Hand, welcher Finger. Hauptsache, das Ohr lernt. Überprüfen würde ich immer mit der Stimme und ohne Noten.
Der nächste Schritt wäre die Kombination der Stimmen bzw. der Hände. Dabei sollte eine Hand spielen und die andere durch die Stimme ersetzt werden. Handelt es sich bei dem Stück um eine Melodie (meist rechte Hand) mit einem rhythmischen Begleitmuster (meist linke Hand) so kann man das auch wunderbar aufteilen in Gesang und Klopfen, spielen mit einer Hand und Klopfen mit der anderen, usw.
Das Klopfen darf man aber auch hier nicht als ein bloßes Bewegen der Hand betrachten sondern als die Übertragung des Tanzens oder Gehens in einer notwendigen Verkürzung (am Klavier kann man so schlecht Tanzen...)
Das Zusammenspiel beider Hände sollte gelingen, je besser und intensiver man sih mit den genannten Schritten vorher beschäftigt hat.
Kurz:
Eigentlich ist das Klavierspielen das Tanzen und Singen mit zwei Händen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Danke für die Tips! :)

Wie wichtig ist die Tastatur für das (erneute) Spielen lernen?

Ich meine ist es dafür erstmal egal, ob ich an einem echten Klavier oder Flügel sitze oder einen E-Piano wie dem Yamaha P-115 oder Roland FP-30 oder eben wie momentan an dem alten Synthesizer mit dünnen Plastiktasten und ohne Hammermechanik?
 
Hallo,
Naja, ganz egal ist das nicht, kommt natürlich auch drauf an wieviel Gefühl man gleich in seine Musik hineinbringen will.
Um so hochwertiger die Tastaur, desto besser gelingt das.
Und ein echter Anfänger bist du ja nun auch nicht mehr.
Doch für das richtige Klavier sollte man sich m. E. recht viel Zeit nehmen, damit man sich nicht das falsche Instrument kauft.
Ich persönlich finde für meinen Ansprüche reicht ein Digital Piano, andere können nur auf einem Bechstein Flügel ihr wahres Talent entdecken, andere bringen aus einem Keyboard die tollsten Klavierstücke raus..
 
Spiele in beiden Händen im Oktav- oder Doppeloktavabstand exakt das Gleiche, zum Beispiel eine Tonleiter, eine Fünffingerübung oder eine Melodie, aber artikuliere die beiden Hände unterschiedlich, z.B. links staccato und rechts legato oder umgekehrt.

Ah, ok. Es gibt ja spezielle Übungen, die machen selbstverständlich nur mit beiden Händen zusammen auch Sinn. Trotzdem will es manchmal nicht von Anfang an zusammen hinhauen, auch wenn das Tempo schon unterirdisch klein ist.

Diese Staccato/Legato Übung ist gut! Hatte mir mein Lehrer auch mal aufgetragen. Erst ganz einfach, z.B. 2 x von c' nach g' und zurück (linke Hand eine Oktave tiefer) Beim ersten Mal links legato und rechts staccato durchspielen, danach links staccato und rechts legato durchspielen. Später dann innerhalb der Etüde direkt legato/staccato während des Spiels tauschen! Beim ersten Mal nach der Hälfte der Etüde und später taktweise. Das ganze erst in parallel und später gegensätzlicher Bewegung. Da hat man schon paar Tage ordentlich zu üben...
 
Gibt es einfache Koordinationsübungen, mit denen ich beide Hände gezeitig trainieren kann unterschiedliches zu spielen?

Meine Lieblingsübung dazu:

upload_2016-3-7_3-10-36.png


Wenn man es einigermaßen drauf hat, zwischen a), b), c) und d) willkürlich hin und her springen.

Viel Spaß beim Üben. :D :evil:

Viele Grüße,
McCoy
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Doch für das richtige Klavier sollte man sich m. E. recht viel Zeit nehmen, damit man sich nicht das falsche Instrument kauft.
Ich persönlich finde für meinen Ansprüche reicht ein Digital Piano, andere können nur auf einem Bechstein Flügel ihr wahres Talent entdecken, andere bringen aus einem Keyboard die tollsten Klavierstücke raus..

Im wesentlichen ist das ja auch eine Frage des persönlichen Budgets und des Platzes! ;)
Meine preisliche Obergrenze liegt bei etwa 750 Euro für D-Piano + original Stativ mit Pedaleinheit.
Allerdings habe ich noch ein echtes Klavier, auf dem ich damals Spielen lernte, es ist aber großteils 0,5-1 Ton verstimmt und damals (vor etwa 30 Jahren) sagte der Klavierstimmer, er könnte es nur noch einmal stimmen, dann wären die Bolzen/Knebel oder was auch immer am Anschlag.
Aber ehrlich gesagt klingen diese Yamaha und Roland D-Pianos heute sowas von brilliant, daß da so ein altes normales Klavier klanglich wahrscheinlich nicht ran kommen wird.
Außerdem wohne ich ja in einer Wohnung, das Klavier steht bei meinen Eltern.
Ich würde es nicht mit in die Wohnung nehmen, weil ich da dann nichts nachts oder spät abends üben dürfte, was mit einem D-Piano mit Kopfhörern ja locker geht.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Die aktuellen Kawai Modelle solltest Du beim Anspielen nicht außen vor lassen, sofern Du Dir völlig unvoreingenommen ein Bild machen möchtest.
 
@klangraumer: Interessante Gedanken und Übansätze, allerdings glaube ich, dass man die Koordination, die beim gleichzeitigen Gehen und Sprechen eine Rolle spielt, nicht ohne weiteres auf die Koordination der beiden Hände beim Klavierspiel übertragen kann, und das hat einen ganz einfachen Grund: Das gleichzeitige Gehen und Sprechen (und evtl. noch weitere Tätigkeiten) müssen nicht rhythmisch aufeinander abgestimmt werden, sondern laufen im besten Sinne des Wortes parallel, also nebeneinander her. Die beiden Hände beim Klavierspiel (und je nach Anforderung auch die Füße, etwa am Pedal, oder auch die Singstimme) müssen dagegen am Ende synchron laufen. Beim gleichzeitigen Gehen und Sprechen ist es völlig egal, welches meiner Worte mit welchem Schritt zusammenfällt, aber beim Zusammenspiel der Hände ist dies in 99,99% der Fälle eben nicht egal. In diesem Sinne parallel ausgeführte Bewegungen sind am Klavier die absolute Ausnahme, die wichtigste davon ist wahrscheinlich der Triller. Abgesehen davon fällt mir sonst nur noch die Nr. VII aus György Ligetis Musica ricercata ein, die ich nicht von ungefähr für das schwerste Stück des Zyklus halte, obwohl es technisch deutlich anspruchsvollere Stücke in diesem Zyklus gibt.

Übrigens sind auch scheinbar unabhängig wirkende Aufgaben wie etwa Konfliktrhythmen (3 gegen 2, 4 gegen 3 et c.) eine Sache der Synchronisierung und der Bewusstmachung des dabei entstehenden Gesamtrhythmus. Denn auch in diesem Falle sollen beide Rhythmen gleichmäßig laufen und gleichzeitig auf dem nächsten Schlag ankommen, was bedingt, dass das rhythmische Gerüst, also welche Note wann zu erklingen hat, genau festgelegt ist. Dass das Ganze natürlich dann auch gestaltet werden soll, will ich gar nicht abstreiten. Aber man hört es einer Interpretation doch in vielen Fällen sehr deutlich an, ob der Spieler den Konfliktrhythmus wirklich begriffen hat oder ob er versucht, die Hände parallel laufen zu lassen. Von geschätzt 25 Interpretationen, die ich mir von Brahms' Paganini-Variationen angehört habe, haben mir nur 3 (!!!) den Eindruck vermittelt, dass der Interpret die 7. Variation im 2. Band (4 gegen 9, 8 gegen 9) wirklich verstanden und im Griff hatte. Die meisten Interpreten (und darunter sind so einige große Namen) verfahren bei dieser Variation hörbar nach dem Prinzip »Augen zu und durch«, was ich sehr, sehr schade finde.

Kurz: Es gibt parallele und synchrone Bewegungskoordination, und beide verlangen unterschiedliche Herangehensweisen. Zur parallelen Koordination zählen gleichzeitig ausgeführte Alltagstätigkeiten, deren zeitlich genaues Zusammenwirken nicht von Belang ist, bei der synchronen Koordination hingegen ist es wichtig, was womit zusammentrifft. Klavierspielen spielt sich zum allergrößten Teil im synchronen Koordinationsbereich ab. Um nochmal auf Dein Bild mit dem Gehen und Sprechen zurückzukommen: Deutlich näher am Klavierspiel wäre das gleichzeitige Tanzen und Singen. Da kann man vielleicht ein Brücke schlagen.

@Tim: Ich persönlich bin ja ein Roland-Fan. Nach allem, was ich darüber gelesen habe, scheint das neue FP-30 zumindest einen Blick wert zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben