Fragen zur Kontrapunktlehre von Fux

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Hallo zusammen,

ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit der Kontrapunktlehre. Dabei kann ich mir einige Fragen immer noch nicht beantworten und hoffe, dass ihr mir weiterhelfen könnt und auch sonst über das Thema schreiben wollt.

Mir geht es um die Anwendung der Lehre auf eigene Kompositionen, daher ergeben sich Fragen, die damit zu tun haben, dass die Gegebenheiten der Musik andere sind, als bei Fux.

Meine ersten Fragen:

1.
In der Fux'schen Form scheint es immer einen Cantus Firmus zu geben, der mit der Kadenz Sekunde-Tonika endet.

-Warum immer diese Kadenz beim Cantus Firmus?


2.
Es gibt Regeln der Kadenz bei den Kontrapunkten wie diese Regel der 1. Gattung: Wenn der Cantus F. unter dem Kontrapunkt ist, dann soll mit der vorletzten Note eine große Sexte zur Note im Cantus gebildet werden. Hierdurch soll wohl erreicht werden, dass der Kontrapunkt mit der Kadenz Leitton- Tonika endet.

-Diese Regel mit der großen Sexten macht ja dann nur Sinn, wenn der Cantus mit Sekunde-Tonika endet und durch die Sexte somit im Kontrapunkt Leitton-Tonika entsteht, oder? Wenn der Cantus nicht so enden würde, sollte man dann beim Kontrapunkt stattdessen einfach darauf achten, dass er mit Leitton-Tonika endet?

-Wieso soll der Kontrapunkt immer mit Leitton-Tonika enden?


Ich würde mich sehr über jegliche Beiträge hierzu freuen.
 
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In der Fux'schen Form scheint es immer einen Cantus Firmus zu geben, der mit der Kadenz Sekunde-Tonika endet.

-Warum immer diese Kadenz beim Cantus Firmus?

Immer ist hier bestimmt das falsche Wort. Es gibt sicherlich auch bei Fux in späteren Kapiteln einige Ausnahmen, jedoch ist zu bedenken, dass die Tenorklausel die häufigst aufzufindende Schlusswendung für den Tenor ist.
Und wenn der C.F. im Tenor steht ist es üblich, dass dieser auch mit der formula tenoris schließt.

Es gibt Regeln der Kadenz bei den Kontrapunkten wie diese Regel der 1. Gattung: Wenn der Cantus F. unter dem Kontrapunkt ist, dann soll mit der vorletzten Note eine große Sexte zur Note im Cantus gebildet werden. Hierdurch soll wohl erreicht werden, dass der Kontrapunkt mit der Kadenz Leitton- Tonika endet.

Genau! Wenn der C.F. unter dem Kontrapunkt steht und zur Folge dessen eine Tenorstimme ist, dann muss im Kontrapunkt mit der Diskantklausel (clausula discantus) geschlossen werden.

-Diese Regel mit der großen Sexten macht ja dann nur Sinn, wenn der Cantus mit Sekunde-Tonika endet und durch die Sexte somit im Kontrapunkt Leitton-Tonika entsteht, oder? Wenn der Cantus nicht so enden würde, sollte man dann beim Kontrapunkt stattdessen einfach darauf achten, dass er mit Leitton-Tonika endet?
Richtig! Diese Regel mach nur Sinn wenn du auch die Tenorklausel im C.F. hast.

-Wieso soll der Kontrapunkt immer mit Leitton-Tonika enden?
Immer ist auch hier ein schwieriges Wort. Du befindest dich ja noch in der ersten Gattung (Note gegen Note) und hier ist es recht sinnvoll mit der cadenza semplice abzuschließen, da du nicht viele andere Möglichkeiten der Stimmführung hast.

Du musst Fux immer als Lehrwerk betrachten, dass dich langsam an die Sache heranführt und mehr Techniken in den späteren Kapiteln einführt. Aber was die Kadenzen betrifft ist das Regelwerk eigentlich recht streng.
Gerade am Schluss eines Stückes, also nicht nur eines Formabschnittes, wirst du dich wohl fast immer mit der cadenza samlice zufrieden geben müssen. Genauso wie man in dem Gros der heutigen Musik eine V|I Schlusswendung findet.
 
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Immer ist hier bestimmt das falsche Wort. Es gibt sicherlich auch bei Fux in späteren Kapiteln einige Ausnahmen, jedoch ist zu bedenken, dass die Tenorklausel die häufigst aufzufindende Schlusswendung für den Tenor ist.
Und wenn der C.F. im Tenor steht ist es üblich, dass dieser auch mit der formula tenoris schließt.

Danke für Einbringen des Zusammenhangs zwischen Stimmlage und Klausel, darüber wusste ich bisher gar nichts. Leider konnte ich in Fux' Gradus Ad Panassum in der Version von Alfred Mann keinen Fall finden, bei dem der C.F. nicht diese Tenorklausel hat, auch wenn der C.F. die Bassstimme übernimmt oder wenn der C.F. über dem Kontrapunkt ist.

Falls du mir eine Stelle nennen kannst in der es nicht so ist und/oder sagen kannst, warum die Stimmlage bei Fux in der Regel ( bzw. überall, wo ich es nachgeschaut habe) nichts daran ändert, dass der C.F. eine Tenorklausel und der Kontrapunkt eine Diskantklausel hat, wäre das großartig.

Genau! Wenn der C.F. unter dem Kontrapunkt steht und zur Folge dessen eine Tenorstimme ist, dann muss im Kontrapunkt mit der Diskantklausel (clausula discantus) geschlossen werden.

Wenn der C.F. über dem Kontrapunkt steht, endet der Kontrapunkt bei Fux ebenfalls überall, wo ich es gesehen habe, mit Diskantklausel.

Immer ist auch hier ein schwieriges Wort. Du befindest dich ja noch in der ersten Gattung (Note gegen Note) und hier ist es recht sinnvoll mit der cadenza semplice abzuschließen, da du nicht viele andere Möglichkeiten der Stimmführung hast.

Interessant, danke. Mich wundert dann, dass bei Fux ja der Kontrapunkt in allen Gattungen, wo ich es sehen konnte, diese Klausel hat.

Du musst Fux immer als Lehrwerk betrachten, dass dich langsam an die Sache heranführt und mehr Techniken in den späteren Kapiteln einführt. Aber was die Kadenzen betrifft ist das Regelwerk eigentlich recht streng.
Gerade am Schluss eines Stückes, also nicht nur eines Formabschnittes, wirst du dich wohl fast immer mit der cadenza samlice zufrieden geben müssen. Genauso wie man in dem Gros der heutigen Musik eine V|I Schlusswendung findet.

Wie sieht es aus mit dem Ende von z.B. Motivfolgen? Wäre hier nach Fux seine Art der Kadenz zu beachten ? Konkret: würdest du bei einer Motivfolge von Motiv 1 (3 Noten) und Motiv 2 (3 Noten), wobei das zweite Motiv eine Art Antwort auf das erste Motiv ist, auf die Kadenzregeln von Fux achten? (Die Motive sind nicht Teil einer größeren Melodie)

Eines habe ich schon gelernt: man muss nicht zur Tonika zurück, wenn sich ein Element sowieso öfter wiederholt (und somit in der Regel zum Grundton zurückkehrt). Aber man könnte ja dann als letzte Note entweder die Sekunde oder den Leitton nehmen, wenn man meint, dass das ein sinnvoller und übertragbarer Teil von Fux' Kontrapunktlehre ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Falls du mir eine Stelle nennen kannst in der es nicht so ist und/oder sagen kannst, warum die Stimmlage bei Fux in der Regel ( bzw. überall, wo ich es nachgeschaut habe) nichts daran ändert, dass der C.F. eine Tenorklausel und der Kontrapunkt eine Diskantklausel hat, wäre das großartig.
Kann ich leider nicht, da es schon ca. 5 Jahre her ist, dass ich mit damit auseinandersetzen musste und ich mittlerweile die Unterlagen weggeschmissen habe...sorry.
Das wäre eine Frage für die richtigen Experten hier im Forum.

C.F. die Bassstimme übernimmt oder wenn der C.F. über dem Kontrapunkt ist.
Die Tenorklausel heiß ja so, weil der Tenor immer darin schließt. Das mit der Bassstimme ist echt seltsam, da die Bassklausel eigentlich anders aussieht (6->1).

Einzelne Motive würde ich eher nicht mit Klauseln abschließen, sondern eher Formabschnitte. Diese kannst du dann z.B. mit einer Fluchtkadenz "abschließen" und so in einen neuen Abschnitt überleiten.
Dann gäbe es noch die Doppelleittonkadenz, bei der die Abschlussklauseln nicht berücksichtigt werden.
Aber für den Schluss eines Stückes würde ich immer die cadenza semplice verwenden. Die Frage ist ja...warum denn nicht?
Der Kontrapunkt folgt strengen Stimmführungsregeln und ist daher in seiner Ausgestaltung recht limitiert.

Frag doch mal deinen Lehrer. Der wird dir sicherlich bei deinen Problemen wesentlich besser helfen können als ich :D Bei einigen deiner Fragen bin ich nämlich total überfragt.
 
Kann ich leider nicht, da es schon ca. 5 Jahre her ist, dass ich mit damit auseinandersetzen musste und ich mittlerweile die Unterlagen weggeschmissen habe...sorry.
Das wäre eine Frage für die richtigen Experten hier im Forum.

Verständlich. Falls du doch noch reinschauen möchtest, dürfte das Googlen von "Alfred Mann counterpoint" reichen.

Die Tenorklausel heiß ja so, weil der Tenor immer darin schließt. Das mit der Bassstimme ist echt seltsam, da die Bassklausel eigentlich anders aussieht (6->1).

Ja, ich schätze, dass die Stimmlage für Fux in Hinsicht auf die Kadenz keine Rolle gespielt hat. Gerne poste ich den Grund warum CF und Kontrapunkt bei Fux, soweit ich es sehe, immer gleich enden, so bald ich ihn erfahre...

Einzelne Motive würde ich eher nicht mit Klauseln abschließen, sondern eher Formabschnitte. Diese kannst du dann z.B. mit einer Fluchtkadenz "abschließen" und so in einen neuen Abschnitt überleiten.

Bitte sag mir noch, was du unter Formabschnitt verstehst und was eine Fluchtkadenz ist. Schon sehr interessant...

Dann gäbe es noch die Doppelleittonkadenz, bei der die Abschlussklauseln nicht berücksichtigt werden.
Aber für den Schluss eines Stückes würde ich immer die cadenza semplice verwenden. Die Frage ist ja...warum denn nicht?
Der Kontrapunkt folgt strengen Stimmführungsregeln und ist daher in seiner Ausgestaltung recht limitiert.

Schau ich mir gerne an, die Doppelleittonkadenz, danke.

Habe auch erstmal nichts einzuwenden gegen die Kadenz Leitton-Grundtton, wenn es den Schluss eines ganzen Stücks betrifft...
Mir geht es vor allem um alle möglichen Melodien eines Songs. Für die Abfolge der Noten sehe ich auch bei der Kontrapunktlehre viel Spielraum und die Regeln, die es limitieren, machen für mich meistens Sinn, z.B. das Verbot paralleler Quinten. Nur die Kadenzen sind immer die gleichen und der Grund hierfür ist mir eben weiterhin schleierhaft.

Frag doch mal deinen Lehrer. Der wird dir sicherlich bei deinen Problemen wesentlich besser helfen können als ich :D Bei einigen deiner Fragen bin ich nämlich total überfragt.

Wäre super, wenn hier noch jemand mitmachen könnte :) Habe keinen Lehrer. Aber ich kann natürlich Lehrer und Experten kontaktieren...
 
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Ja, ich schätze, dass die Stimmlage für Fux in Hinsicht auf die Kadenz keine Rolle gespielt hat.
So weit ich es in Erinnerung habe hat er sich schon daran gehalten. Ich muss da nochmal reinschauen...das wäre wirklich sehr ungewöhnlich wenn der gute Herr Fux das einfach ignoriert.

Mir geht es vor allem um alle möglichen Melodien eines Songs.
Für Songtauglich halte ich den Kontrapunkt eher nicht, da wir in der heutigen Musik eher ein akkordisches Denken (also Vertikal) und nicht ein stimmenbezogenes (horizontal) an den Tag legen.
Und das finde ich persönlich auch viel spannender, aber das soll jetzt nicht Thema sein.

Habe keinen Lehrer.
Oha! Ganz freiwillig beschäftigt man sich also mit dem Kontrapunkt. Ich habe zwar viel dabei gelernt, aber diese, doch recht trockene Materie, komplett selbstständig zu erarbeiten...chapeau!

Auf die Fluchtkadenz und die Formabschnitte gehe ich jetzt nicht ein, da es schon recht spät ist. Vielleicht habe ich morgen dafür Zeit. Ist auch nicht so einfach das in einem Forum in reiner Textform zu erläutern.
 
Habe mich ein wenig durch den Gradus gequält...puhhh...
Ich komme auch zu dem Schluss, dass Fux sich für die Schlussklauseln nicht sonderlich interessiert und seine "Erklärung" von Kadenzen in einem kleinen Nebensatz verschwindet.
Er sagt, dass am Anfang perfectio herrschen muss und am Ende relaxio. Diese vollkommene Entspannung erreicht man aber nur in dem man seine Schlussklausel anwendet.
Es ist und bleibt ein Lehrwerk, welches nur mit der Cadenza Semplice arbeitet und meiner Meinung nach andere bestehende Regelungen außen vor lässt.
Ich habe gedacht, dass wir damals nur Fux behandelt haben, aber scheinbar haben wir noch andere Quellen bearbeitet, ansonsten wären mir diese Klauseln nicht geläufig.

Schau dir das mal an: http://www.continuo.ca/files/Crash course in counterpoint.pdf

Mit Formabschnitt meinte ich eine Zäsur innerhalb eines Stückes. Es gibt ja Stücke, die aus mehren Teilen bestehen. Die Zäsuren müssen dann nicht immer mit einer cadenza semplice abschließen, sondern können auch mal etwas ungewöhnlicher abschließen oder eben mit einer Fluchtkadenz überspielt werden.

Schau dir dieses Stück von Ockeghem an: http://javanese.imslp.info/files/imglnks/usimg/1/15/IMSLP135251-WIMA.c6c9-ockforsconpa.pdf
Ist zwar Dreistimmig, aber du solltest damit zurechtkommen. Hier erkennst du eindeutig zwei Zäsuren innerhalb des Stückes (T.13 und T.20). T.13 schließt nicht in einer perfekten Konsonanz und auch nicht mit der typischen Vorbereitung.
T. 20 schließt auch nicht perfekt und wird sogar ein wenig aufgebrochen durch den verfrühten Einsatz von Bass und Tenor. Ist noch keine Fluchtkadenz, geht aber in die Richtung.
Der Schluss hingegen ist so klischeehaft wie er nur sein kann. Jede Stimme vollzieht ihre typische Bewegung und endet dann in einer perfecta. Sogar das Pendel im Tenor...richtig gut :D
 
Danke. Du schreibst und zeigst einiges, was ich mir genauer anschauen werde. Ich denke die Kontrapunktlehre ist durchaus gut mit Akkordstrukturen und mit dem "normalen" Songwriting kombinierbar und kann hierfür sehr nützlich sein. Es mir hierfür zu erschließen, ist mein Ziel. Ich geh nochmal genauer auf einiges ein, so bald ich kann.
 
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