Früher war alles besser - Musikmachen damals

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Probe läuft seit 10 Minuten aber der Gitarrist fehlt noch, über Whatsapp keine Nachricht. Schnell sein Smartphone angerufen und ihm bei Facebook ne Nachricht hinterlassen. Der Bassist kann seinen Bass nicht stimmen da er sein Stimmgerät vergessen hat, noch schnell eine App runterladen dafür. Wie die PA ist zu leise für den Sänger? Ok, dann bearbeite mal den Feedbackdestroyer damit wir lauter drehen können. Wie du hast den Songtext für den Coversong nicht? Dann geh halt auf Google. Neuen Keyboarder? Ja ok, dann stell halt bei Facebook um im Musikerboard ne Anzeige online. Wir können den neuen Song ja schnell aufnehmen. Handy oder per USB Interface?

So oder so laufen ja inzwischen Proben ab. Aber wie war das früher? Ich lese immer wieder kurze Anekdoten über damals. Damals vor dem Internet und vor den Handys. Aber wie lief das damals genau ab? In Bandbiografien oder hier im Board wird das Thema immer wieder kurz angerissen und sorgt für ziemliche Erheiterung oder Staunen. :)
Daher bitte ich die älteren Musiker dieses Boards doch mal zu erzählen wie es damals war. :)
 
Eigenschaft
 
Früher haben wir Musik gemacht und nicht mit dem Handy rumgedaddelt.
(wenn wir nicht gerade gesoffen oder gekifft haben, was beides der Musik extrem abträglich ist, merkt man aber erst mit der Zeit)

Mit Songs von Platte (runde schwarze Dinger mit Loch in der Mitte) raushören
schulte man seine Ohren und seine Fähigkeiten besser als mit dem Download des Leadsheets
und "Jammen" hat die Fähigkeit zuzuhören, sich auf andere Musiker einzulassen und die Improvisationsfähigkeiten deutlich verbessert.
Guitar Hero und Singstar geschulte Neueinsteiger haben da erst einmal ein paar Kommunikations- und Verständnisprobleme.
 
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Ja, ja... Früher war alles besser - Sogar die Zukunft. :D

Aber im ernst, früher galten noch Terminabsprachen (man konnte sie nicht schnell per Whatsapp ändern bzw. aktualisieren), früher hatte man alles dabei (war nix mit mal schnell ins Internet), früher musste man sehr viel Geld ausgeben um wenigstens eine 4-Spur-Kassettenaufnahme verwirklichen zu können (wenn hier noch jemand weiß was Kassetten sind) ein Studio buchen war schlichtweg unfinanzierbar. Gute Instrumente bekam man auch nicht an jeder Ecke. ABER!!! Man bekam an jeder Ecke Leute die Musik machten oder machen wollten - der Pool der guten Musiker war größer.

Früher auf dem Schulhof war man bei den Mädchen der Held, weil man Musik machte. Heute heißt es wahrscheinlich eher "Ay kuck mal, der Typ da drüben ist Verückt - der macht Musik!" :D:evil:

Gruß
 
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Smartfones lehne ich für mich ab - weil ich bei meinen Nachgeborenen und bei meinen Mitmenschen sehe, wie sehr die in die Eindimensionalität hineingeglitten sind.
Bei mir läuft noch alles über Telefon oder E-Mail; ja, ich schreibe manchmal auch noch einen Brief ...
Mein Umfeld weiß das und hält sich dran. Funzioniert! Und Termine werden von allen eingehalten. :D

Und nein, ich bin nicht zu alt für den ganzen Smartkram. Ich will es einfach nicht. Ist Zeitklauerei.
 
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Früher, ja früher hat man sich die Proben vereinbart und jeder ist gekommen. Wenn einer zu spät kam, haben die anderen halt inzwischen angefangen was zu spielen. Auch so sind dann Songs entstanden. Manchmal hat man auch das erste Bier getrunken bis alle da waren. Aufnehmen ging mit dem alten Kassettenrekorder, wichtiges Utensil war der Bleistift um den Bandsalat wieder zu richten. Und gelegentlich auch um was aufzuschreiben. So richtig, auf Zettel mit Papier.
Vergessene Songtexte: mein Gott, dann hat man halt etwas herumimprovisiert und gehofft, dass keiner so gut Englisch kann.
Aber eins stimmt nicht unbedingt: es gab vielleicht mehr Musiker, aber man war trotzdem nicht unbedingt kompatibel. Es konnte schon eine Weile brauchen, bis man eine Band mit den "Richtigen" zusammen hatte.
 
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Früher war man Musiker, wenn man das auf der Bühne bewiesen hatte, und nur so lange, wie man sich als Musiker verhalten hat. Unzuverlässige, Schaumschläger waren ganz schnell auf sich alleine gestellt.
Musiker waren eine Sozialgemeinschaft, die dafür gesorgt haben, daß jeder zum Zuge kam und gutes Geld dabei verdient hat.

Musiker haben sich gegenseitig gefördert durch fordern, durch vormachen/vorleben, durch Chancen geben sich zu beweisen.
 
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Naja, auch nicht immer. :(
Aber was früher sicher der Fall war: wir waren weitaus unbekümmerter. Eine Handvoll Songs, halbwegs passabel arrangiert und schon waren wir auf der Suche nach Auftritten. Und haben gespielt. Auch - und da geb ich meinem Vorposter recht - mit anderen Bands gemeinsam das Ticket geteilt. Und oft genug auch die Backline. Motto: du bringst das Schlagzeug und du die Amps. Und der Veranstalter - bei diversen Unifesten - hat dann noch eine PA besorgt. Gespielt haben wir oft genug für lau oder für eine Kiste Bier. :D
Und bei Proben haben wir nicht nur stur unsere Sachen geprobt, sondern auch viel gequatscht, uns neue Musiktrends vorgestellt (ach, damals sind die Red Hot Chili Peppers aufgekommen) und geschaut was wir davon für unsere Musik herausholen können.
 
Probe läuft seit 10 Minuten aber der Gitarrist fehlt noch, über Whatsapp keine Nachricht. Schnell sein Smartphone angerufen und ihm bei Facebook ne Nachricht hinterlassen. Der Bassist kann seinen Bass nicht stimmen da er sein Stimmgerät vergessen hat, noch schnell eine App runterladen dafür. Wie die PA ist zu leise für den Sänger? Ok, dann bearbeite mal den Feedbackdestroyer damit wir lauter drehen können. Wie du hast den Songtext für den Coversong nicht? Dann geh halt auf Google. Neuen Keyboarder? Ja ok, dann stell halt bei Facebook um im Musikerboard ne Anzeige online. Wir können den neuen Song ja schnell aufnehmen. Handy oder per USB Interface?


Boah wie extrem abtörnend :opa: so wär ich nie länger in einer Band geblieben


Früher haben wir Musik gemacht und nicht mit dem Handy rumgedaddelt.


Ganz genau die Musik stand, mit allen darin enthaltenen Schwierigkeiten, total im Mittelpunkt.
Dafür braucht es eigentlich nur Begeisterung, Begeisterung, Begeisterung.


Instrumente mussten anfangs nach Gehör gestimmt werden.
(Jeder das nicht einigermassen konnte oder sich bemüht hat es zu lernen, wär wohl nicht so lange in der Band gewesen)
Stücke wurden von LP oder Kassetten runtergehört, durch endloses wiederholen
(ach ja man musste nach den Platten stimmen, denn längst nicht alle waren bei 440 Hz)
Wenn Texte mal auf Platten abgedruckt waren, war das ein Extra :)
Aufgenommen wurde auf Kassetten (mit echt miesem Sound)
Kam jemand zu spät wurde schon mal angefangen (Handy anrufen wär ja sowieso nicht gegangen)
Kam ein neuer Musiker vorbei war das oft ne Dillgurke oder ein Spinner oder beides :igitt:
Und vorallem wenn geredet wurde , egal ob echt wichtig oder nur so, hat NIEMAND mit dem
Smartphone rumgespielt und alle haben zugehört. Und auch noch länger als 30 Sekunden ......

Man hat halt jede Menge analoge Erfahrungen gesammt. Und die sind eben unbezahlbar.
Denn nichts was auf der Bühne wirklich wichtig ist, kann man nur mit Smartphones lernen.


Ps achja das bezieht sich auf früher 80er Jahre
 
Zuletzt bearbeitet:
Instrumente mussten anfangs nach Gehör gestimmt werden.
Das ist der Vorteil, wenn man ein Klavier in der Band hat - da stimmen alle nach dem Klavier. Wobei meist ja nur eine Saite danach gestimmt wurde (meist A) und der Rest dann eben normal.
Kam ein neuer Musiker vorbei war das oft ne Dillgurke oder ein Spinner oder beides :igitt:
:rofl: Das trifft es recht gut. Ich hab unsere Band zuerst gemeinsam mit dem Pianisten gegründet. Paar Besetzungswechsel und fast vier Jahre später haben wir dann endlich einen Gitarristen gefunden der zu uns passt (ich hab damals Bass gespielt). Und nochmal 2 Jahre oder so später endlich einen Drummer, der verlässlich war und keine Diva.

Was aber früher auch noch der Fall war: ich hab zuerst beschlossen eine Band zu gründen und dann erst angefangen Bass zu lernen. Da war also sehr viel learning by doing dabei. Wir mussten nicht perfekt sein, wir haben uns einfach gemeinsam entwickelt. Ok, wir waren Jugendliche, dann Studenten. Irgendwann waren dann die Entwicklungsgeschwindigkeiten zu sehr auseinander, daran ist die Band dann zerbrochen.
 
...(ach, damals sind die Red Hot Chili Peppers aufgekommen)....
da liegen wohl 1-2 Generationen zwischen uns, als ich angefangen habe, Musik zu machen, da gabs die Beatles noch nicht.
 
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Wahrscheinlich, als ich zur Welt kam war zwar Neil Armstrong schon zurück vom Mond, dafür hatte Woodstock noch nicht stattgefunden. ;) Da liegen also doch paar Jährchen zwischen uns. Aber in der Musik gibt's keine Altersschranke, das ist ja das schöne :great:
 
als ich angefangen habe, Musik zu machen, da gabs die Beatles noch nicht.
Uii, das ist mal eine Hausnummer,
ich dachte immer ich wäre ein alter Sack weil ich Led Zeppelin noch live gesehen habe...

Aber früher war auch nicht alles besser:
Wer ein 2 Spur Tonband hatte war damals schon aufnahmetechnisch für Demos der King,
mit meinem Poppy Mono Cassettenrecorder war da nichts zu reißen.
Ich hatte dann später einen Fostex X15....Wahnsinn, was man damit alles machen konnte....unfassbar...genial und soo professionell.
2 Spuren separat, diese zusammen mischen und nochmal 2 Spuren dazu, usw....usw...usw....absoluter Wahnsinn.
Irgenwann gab es dann EZ Track und Twentfour. Ich kann zwar nicht Keyboardspielen, aber mit meinem DX100, dem Atari
und Twentyfour konnte man, auch ohne irgend etwas spielen zu können, plötzlich ganze Produktionen runterreißen....noch mehr Wahnsinn.
Klanggebirge a la Pink Floyd und Yes im Keller aufnehmen, dazu digitales Echo und Digitalhall bis zum Abwinken, welcome to the 80´s.

Heute gammelt unser 24 Kanal Interface im Proberaum rum und wir haben keine Zeit zum Aufnehmen.....
Wenn ich jetzt zuhause spielen will jamme ich 2 Stunden mit dem Trio rum und vergesse alles wieder
innerhalb von 2 Minuten was ich gespielt habe.
 
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Aber früher war auch nicht alles besser:

Ja das stimmt definitiv und das habe ich so auch nie behauptet. Es gibt Heute viele sinnvolle Sachen die einem
das Leben und Musizieren einfacher machen. Es gibt aber auch Erfahrungen die einfach nicht durch Apps o.ä.
ohne weiteres ersetzt werden können. Stundenlanges Heraushören von Songs oder Nichtvorhandensein
eines Stimmgerätes schult numal das Gehör. Nicht nach 10 Minuten bereits nach einem Bandmitglied zu suchen
schult die Geduld etc etc Musikalisch wirklich besser zu werden, also mit mehr Gefühl und mehr Ausdruck zu spielen
und ein besseres Zusammenspiel braucht numal Geduld + Erfahrung + Üung. Leider alles nur analog zu haben..... :evil:
 
Dann will ich mich hier mal als erster Keyboarder in diesem Thread äußern.

Für die Tastenfraktion war früher nämlich mitnichten alles besser. Okay, früher gab es gewissermaßen allerorten die Geräte, die heute als vintage und geil aufgefaßt werden. Aber genau die brachten auch so ihre Probleme mit sich.

Ich meine, was mußte man damals als Keyboarder in einer Rockband alles an Material auffahren? Die Instrumente waren damals noch wesentlich spezialisierter als heute, deswegen brauchte man für die meisten Klangkategorien jeweils mindestens ein eigenes Instrument.

Für Orgelsachen brauchte man eine Hammond B-3 oder C-3. Um die hörbar zu machen, brauchte man einen Amp ein Rotorkabinett. Leslie 122. Das Ding ist voluminöser und wohl auch schwerer als ein Fullstack und kann auch nicht in drei Häppchen getragen und transportiert werden. Die Orgel war noch schwerer. Es gab Mitte, Ende der 60er auch schon elektronische Comboorgeln, die waren kleiner und leichter und hatten klappbare Beine, aber die klangen dünner und röhrten und kreischten nicht so schön wie eine echte Hammond durch ein echtes Leslie. Die Combos von Farfisa, Vox & Co. konnte man nur nehmen für gewisse Prog-Geschichten, Psychedelia und Surfmusik. Hardrock à la Deep Purple und Art Rock à la Procol Harum oder Pink Floyd verlangte nach einer Hammond. Im Extremfall brauchte man sowohl eine Hammond als auch eine Comboorgel.

Dann brauchte man ein E-Piano. Rhodes Suitcase. Oder Wurlitzer 200 A. Manche Coverbands machten es erforderlich, beide zu haben.

Dann ein Mellotron, das auch nur drei Sounds konnte (die riesigen zweimanualigen konnten sechs), das man aber vor allem für Streicher brauchte, evtl. auch für Flöten ("Strawberry Fields Forever", "Stairway To Heaven" etc.) oder Chöre. Dann ein Hohner Clavinet D6. Damit umgab man sich schon mal mit vier bis sechs großen Kisten mit Tasten. Ein eventuell vorhandenes Klavier wurde dann auch noch mit in die Burg geschoben.

Heute könnte man das ganze Gelumpe inklusive Verstärkung mit einem einzigen Clavia Nord Stage ersetzen – und noch mehr.

Aber damit war das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Dann kamen nämlich die Synthesizer. Der Synth überhaupt war damals natürlich der Minimoog. Der klang von allen am besten, war aber teuer. Und trotzdem brauchte man mitunter mehrere davon, was daran lag, daß er keinerlei Speicher für Klangeinstellungen hat. Wenn man einen anderen Sound wollte, konnte man nicht einfach auf einen Knopf drücken, und zack, klang das Teil anders. Man mußte jeden Parameter per Hand einstellen und feinjustieren. Und ein Minimoog – so kompakt er auch ist – hat mehr Bedienelemente, als man damals an Gitarre, Effekten und Amp zusammen hatte. Für einen anderen Sound brauchte man schon mal mehrere Minuten. Die hatte man beim Gig aber nicht. Also brauchte man für jeden Sound vom Minimoog jeweils einen eigenen Minimoog, der auf diesen Sound voreingestellt war. So Leute wie Rick Wakeman traten schon mal mit vier oder mehr Minimoogs auf.

Um 1972 kamen die ersten presetbasierten Synths auf, z. B. ARP Soloist oder Moog Satellite, dafür gedacht, oben auf eine Hammond gestellt zu werden. Die hatten mechanische Druckschalter, mit denen ein paar voreingestellte Sounds aufgerufen werden konnten, und sie waren billiger als ihre voll einstellbaren Geschwister. Die waren aber weder so flexibel wie ein Minimoog oder ein ARP Odyssey (vom sündhaft teuren und ziemlich komplexen ARP 2600 will ich mal nicht reden), noch klangen sie so geil. Tony Banks von Genesis hatte damals nur deshalb einen ARP ProSoloist, weil er sich den Minimoog, den er eigentlich haben wollte, nie leisten konnte. Auch das RMI Electra-Piano, das nur durch eine ganze Batterie von Gitarrentretminen ansehnlich zum Klingen zu bringen war, war ein Surrogat für ein Rhodes oder gar einen Konzertflügel.

In den frühen 70ern hat man als gut genug ausgestatteter Keyboarder sechs bis acht Quadratmeter auf der Bühne beansprucht, um da eine halbe Tonne an Keyboards im Wert eines neuen Mercedes um sich zu drapieren. Wenn weder die Band noch der Laden, in dem man spielte, eine PA hatte (und welche Band hatte Anfang der 70er eine eigene PA), brauchte man dann auch noch Platz für die ganzen Amps – für das Leslie sowieso. Im Prinzip dieselben Möglichkeiten und noch viel mehr hat man heute mit einem einzelnen Instrument, das keine 1000 € mehr kostet und unter 10 kg wiegt.

Besserung kam nur allmählich und kleckerweise und war auch nicht immer das Wahre. Das Mellotron wurde ab Mitte der 70er als Strings-Lieferant verdrängt von Stringmachines wie Solina String Ensemble oder Logan/Hohner String Melody. Die klangen zwar nicht wie ein Mellotron, aber für Strings waren sie besser geeignet.

Ende der 70er kamen Polysynths und Multikeyboards auf. Die Polysynths hätten so einiges ersetzen können, eventuell auch gleich wieder die Stringmachines. Der Yamaha CS80 hatte acht Stimmen, einiges an Presets und vier "Analog-Speicherplätze" in Form von Minifadern unter einer Klappe. Aber er wog zwei Zentner, und ich schätze, zu seinem Preis bekam man auch einen neuen Opel Rekord. Kurz darauf kam der Sequential Circuits Prophet-5 auf, der als erster wirklich das Abspeichern und Wiederaufrufen von Soundeinstellungen erlaubte. Viel billiger war der aber nicht, und besonders die populäre zweite Revision neigte beim Transport zu Hardwareschäden. Auch noch 1979 brachte Oberheim den OB-X, der im Prinzip vier, sechs oder acht SEMs unter einer einzigen gemeinsamen Bedienoberfläche mit Speicher vereinigte. Die SEM-Technik wurde ihm aber live zum Verhängnis, weil er extrem zum Verstimmen neigte – und teuer war er sowieso, genau wie alle anderen Polysynths, bis Korg 1981 den Polysix rausbrachte.

Wer sich einen Polysynth nicht leisten konnte – und wer konnte das schon, wenn er keine Goldenen Schallplatten an der Wand hängen hatte –, liebäugelte eher mit einem der Multikeyboards. Mit ihren diversen Klangerzeugungssektionen versprachen sie, auf einen Satz mindestens die halbe Keyboardburg ersetzen zu können. Die konnten viel, ja, aber nichts wirklich gut. Die Orgelsektionen konnten einer Hammond nie das Wasser reichen, der voll einstellbare Monosynth war auf dem Niveau des billigsten Monosynth aus dem Hause, die polyphonen Presets (Brass etc.) klangen cheesy, um nicht zu sagen, die waren Käse, dito die pianomäßig perkussiven Presetsounds, die selbst an billige E-Pianos nicht ranreichten, von einem echten Rhodes oder Wurly ganz zu schweigen; höchstens die Strings taugten vielleicht noch was. So wirklich billig waren Multikeyboards auch nicht.

Gleichzeitig wurde die Musik, die man coverte, um 1980 herum auch immer komplizierter, weil die großen Musiker und Produzenten das Budget für immer aufwendigeres Equipment hatten. Die sammelten regelrecht die großen Polysynth-Schlachtschiffe, die um 1978 bis 1981 rauskamen, und stellten dazu computerbasierte Systeme wie Fairlight CMI oder NED Synclavier für 100.000 $ und mehr. Der Maßstab für Keyboarder hieß nicht mehr Jon Lord, nicht mehr Ray Manzarek, nicht mal Rick Wakeman, sondern Trevor Horn.

Wirklich besser wurde es so Mitte der 80er, als man mit relativ wenig japanischem Equipment schon einiges reißen konnte. Viele hatten damals einen der Budget-Polysynths (Korg Polysix, Roland Juno-60, Roland Juno-106). Wenn man die 5000 Mark aufbringen konnte, leistete man sich dazu einen Yamaha DX7, den man nicht selten durch Verkauf des Rhodes finanziert hat. Für Einsteiger war das natürlich schwieriger; die mußten mit dem kastrierten DX9 vorlieb nehmen, oder wenn sie später kamen, einem DX27 oder gar DX100. Immerhin konnte der DX7 als E-Piano glänzen und auch einigermaßen als Orgelsurrogat fungieren, sofern man nicht mehr als sechs Fußlagen brauchte. Aber preislich war er damals schon Mittelklasse wie der immer noch analoge Roland JX-8P und der hybride Korg DW-8000. So manch ein Keyboarder trat damals nur mit einem DX7 auf, einmal, weil er sich selbst einredete, daß der ja soviel so gut kann, außerdem, weil der alleine schon teuer genug und ein zusätzlicher Analogsynth nicht mehr drin war. Sein Glück war, daß damals bei gefühlt jeder zweiten Musikproduktion ein DX7 zum Einsatz kam, er also die entsprechenden Sounds schon am Start hatte.

Vergleichsweise golden wurden die Zeiten für Bandkeyboarder ab Ende der 80er, als sich in allen Preisklassen japanische Rompler und ab der Mittelklasse Workstations durchsetzten, die klanglich so vielseitig waren, wie es die Multikeyboards gern gewesen wären – und erstmals einigermaßen überzeugend auch akustische Pianos nachahmen konnten. Gleichzeitig krähte damals noch kein Hahn nach der authentischen Reproduktion von heutigen Vintage-Instrumenten wie Hammond oder Rhodes. Damals schien es, als hätte eine Viertelmillion Keyboarder in der Korg M1 den Heiligen Gral gefunden.

Für die Visionäre unter den Synthesizer-Nerds waren die späten 80er schon deshalb besser als die heutige Zeit, weil viele geile Analogsynthesizer, für die heute irrwitzige Sammlerpreise gezahlt werden, damals fast wertlos oder zumindest spottbillig waren, weil alle Welt geil auf japanische Rompler war und selbst nach so Monstern wie Roland Jupiter-8 oder Oberheim OB-Xa kaum Nachfrage bestand. Für so manche Synthesizersammlung wurde damals der Grundstein gelegt.

Wohlgemerkt, das Geschilderte beschreibt nur das Schicksal des Keyboarders in der Liveband. Von Homeproducing will ich gar nicht erst reden. Heute fährt man ja ganze Produktionen mit hundert oder mehr Spuren bis hin zum Mastering auf einem Laptop oder iPad. Bis in die 90er mußte man aber alleine schon eine Menge Platz und Geld aufwenden für die Instrumente (allesamt Hardware), Effekte (Hardware), ein Mischpult (Hardware) und eine oder mehrere Bandmaschinen (Hardware).

Einer der ersten Homeproducers im Bereich der elektronischen Musik war Jean Michel Jarre. Der stellte damals in seiner Pariser Wohnung die Küche mit elektronischen Gerätschaften voll. Ein paar Synthesizer – vor allem der ARP 2600 fraß Platz –, zwei, drei elektronische Orgeln, eine modifizierte Drummachine, ein eigens für ihn gebauter Sequencer mit mehr Rauminhalt als ein Gefrierschrank, Mischpult, Effekte, mindestens drei Bandmaschinen (eine dicke Studer A 820, und weil er nur eine hatte, konnte er auch nicht mehr als acht Spuren nebeneinander fahren, außerdem zwei Revox B77, die er zusammen als Stereo-Banddelay verwendete). Er brauchte einige Jahre und diverse Auftragsproduktionen, u. a. als Texter, Komponist und Producer in der französischen Chanson-Szene, um sich das ganze Zeug zusammenzufinanzieren. So produzierte er in seiner Küche seinen Millionseller Oxygène vor – der endgültige Mix und das Mastering geschahen in einem professionellen Studio – und verjagte mutmaßlich sogar noch seine erste Frau, ungeachtet der Unmengen an Scheiben, die er zu dem Zeitpunkt bereits verkauft hatte.

Im Vergleich zu dem, was mit diesem Equipment möglich war, kann man heute mit einem praktisch beliebigen Laptop auf dem Küchentisch um ein gigantisches Vielfaches mehr machen.


Martman
 
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Im Vergleich zu dem, was mit diesem Equipment möglich war, kann man heute mit einem praktisch beliebigen Laptop auf dem Küchentisch um ein gigantisches Vielfaches mehr machen.
...könnte man...

...wenn man denn Ideen hätte, dafür fehlt aber der Digitesch Ideen- und Kompositionsgenerator und der neue Linguix Textgenerator...

Und wenn man dann zum ersten mal vor einer Band steht und nur virtuell mit halber Geschwindigkeit und 27 Versuchen sein Solo hinbekommt,
merkt man, das nicht alles besser geworden ist. (aber hey, bei Rammstein, Muse, Green Day und vielen anderen spielt Herr Midi und Frau Sampler ja auch fleißig mit)
 
Ja, die Sache mit den Keyboards war für unseren Tastenmann wohl mit ein Grund beim Klavier zu bleiben. Wir haben aber auch fast nur eigene Sachen gespielt und die paar Cover unserem Sound angepasst. Und in den späten 80er Jahren war so ein E-Piano schon leistbar. Aber noch immer teurer als das gesamte Equipment von uns Saitenzauberern.
 
Die Kosten waren eine Sache, das Geschleppe eine andere. Der Keyboarder war ja seinerzeit der einzige, der mindestens die Hälfte seines Equipments – vor 1970 außer Amps so ziemlich sein gesamtes Equipment – nicht mal alleine tragen konnte. Bei der Hammond mußte die ganze Band mit anpacken, und auch das Mellotron dürfte für zwei Leute noch ziemlich schwer gewesen sein.

E-Pianos – richtige E-Pianos, also elektrische Pianos wie Rhodes oder Wurlitzer, keine elektronischen Pianos wie Roland RD-1000 – waren damals auf dem Gebrauchtmarkt bezahlbar, weil sie kaum einer mehr wollte. Groß, schwer, alt, nicht wartungsfrei, und der Inbegriff des E-Piano-Sound war von 1983 bis weit in die 90er Jahre rein der Yamaha DX7. In zahllosen 80er-Jahre-Pop- und -R&B-Nummern hört man dieses berühmt-berüchtigte Patch, das noch glockiger klingt als ein Rhodes mit Dyno-My-Piano-Mod. Teilweise wurden damals noch irgendwo ungenutzt rumstehende Rhodes versilbert, um das geilste neueste Equipment an Land ziehen zu können, z. B. eine Korg M1.

Und als dann in den 90ern die Vintage-Keys-Welle losging und die Dinger wieder begehrter und teurer wurden – auch weil man sich am DX7-E-Piano sattgehört hatte –, haben sich viele Keyboarder selbst geohrfeigt, weil sie damals ihr Rhodes oder Wurly zu so einem Spottpreis losgeschlagen haben, weil sie Geld für was Digitales brauchten. Nicht, daß sie ernsthaft vorgehabt hätten, wieder mit dem Klassiker zu touren. Andersrum haben sich in den 90ern ziemlich viele Leute mit ziemlich vielen Geräten aus den 60er und 70er Jahren ziemlich viele goldene Nasen verdient.


Martman
 
ich hab ein 73er Rhodes im Proberaum stehen, wenn da der Deckel drauf ist, kann ich das auch schlecht alleine tragen... - in dieser Richtung bin ich schon froh, daß unsere "Klavier"-Spieler heute ihr Zeugs gut selber transportieren können.

Einige Zeit war ich im Team von einem Jazzclub tätig und habe dort einige Male die B3 der Dennerlein mit helfen tragen, war auch nicht das reinste Vergnügen.
 
Das ist der Vorteil, wenn man ein Klavier in der Band hat - da stimmen alle nach dem Klavier. Wobei meist ja nur eine Saite danach gestimmt wurde (meist A) und der Rest dann eben normal.

Jaaaahh :D Das obligatorisch:" Gib mal ein "A"." Und dann das Wummern der Töne bis die übereinander lagen....! War immer der Klassiker!

Ich hasse diese Smarphone-Süchtigen, die angst haben, wenn das Ding 5 min lang keine Nachricht empfangen hat oder man nicht immer Blickkontakt mit dem Ding hat, dann verpasst man das Leben.
Kinder lasst euch gesagt sein, dass ihr gerade dann euer Leben verpasst, wenn ihr permanent draufglotzt. Die Realität ist viel besser als euer Display!

In meinen Bands ist wärend der Probe Handy nur erlaubt, wenn entweder der Hund im sterben liegt oder die Frau/Freundin kurz vor der Geburt des gemeinsamen Kindes steht ;)
 
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In meinen Bands ist wärend der Probe Handy nur erlaubt, wenn entweder der Hund im sterben liegt oder die Frau/Freundin kurz vor der Geburt des gemeinsamen Kindes steht ;)
Und wenn die Frau/Freundin im Sterben liegt und der Hund gerade dabei ist zu werfen? :evil:

Handies sind ok, verwend ich auch bei Proben zum Aufnehmen. Aber in der Hitze des Gefechts vergess ich sowieso dass ich es dabei hab. Das liegt dann einsam im Gitarrenkoffer, irgendwo auf der Seite. Und ist meistens im Flugmodus, um Interferenzen durch die Signale zu unterbinden. Reicht ja, wenn ich nachher feststelle, dass ich keine neue Whatsapp Nachricht, Facebook Like etc. bekommen hab. :D
 
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