Ballastierung Bodenplatte 4-Punkt-Traverse

MarvinLu
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Guten Morgen zusammen,

ich habe eine Frage zur Kippsicherheit:

Gibt es eine Faustformel, wie schwer man Bodenplatten von 4-Punkt-Traversen ballastieren muss, um eine ausreichende Kippsicherheit zu gewährleisten?
Gegen welche Belastungen müssen diese standhalten können, um auf Kleinveranstaltungen wie zum Beispiel Kneipengigs verwendet werden zu dürfen?

Liebe Grüße,
Marvin
 
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Eine "Faustformel" braucht es hier nicht, die richtige ist nicht so kompliziert.
Es gibt im Endeffekt zwei Momente, die gegeneinander arbeiten: Das Standmoment und das Kippmoment.
Ist das Kippmoment größer als das Standmoment, kippt das Konstrukt.

Da bei einem normalen Trusssteher keine Gewichte außerhalb der Kippachse (Rand der Baseplate, quasi "überhängend") angebracht sind, entsteht ein Kippmoment nur durch äußere Einflüsse (also z.B. Publikum). Was für Kräfte kommen hier auf mich (bzw. den Trusssteher) zu?

Im Grossigk/Krienelke gibt es eine Empfehlung, mit welchen auftretenden Kräften bei Publikumsverkehr zu rechnen ist:
In Bereichen mit normalem Publikumsverkehr: 0,5 kN horizontale Krafteinwirkung in 1 m Höhe,
In Bereichen mit gehäuftem Publikumsverkehr: 1 kN horizontale Krafteinwirkung in 1 m Höhe

Das anzunehmende Kippmoment beträgt also
(M = F * r)
M(Kipp) = 500 N * 1 m = 500 Nm
bzw. in Bereichen mit gehäuftem Publikumsverkehr 1000 Nm

Hätte der Trusssteher also ebenfalls ein Standmoment von 1000 Nm, würde er bei der zu erwartenden Belastung in gehäuftem Publikumsverkehr also gerade so eben nicht Kippen.
Da das natürlich kein haltbarer Zustand ist, müssen wir mit einem Sicherheitsfaktor rechnen. (Ich schlage jetzt einfach mal Faktor 2 vor.)
(EDIT: Laut einem VPLT-Artikel ist in der DIN 4112 wohl für fliegende Bauten indoor ein Sicherheitsfaktor von 1,3 ausreichend.)
-> Unser Trusssteher muss nun also bei gehäuftem Publikumsverkehr ein Standmoment von 1300 Nm aufweisen.

Um das Standmoment von einem symmetrischen Trusssteher auszurechnen, müssen wir nur die Gewichtskraft aller Massen (von Scheinwerfer, Truss, Baseplate,...) mit der halben Breite der Baseplate multiplizieren (Abstand zwischen Mittelpunkt und dem Rand -> der Kippachse der Baseplate).

Machen wir das doch mal für einen 15 kg Movinghead auf 2 m Truss auf 80 cm Steel-Baseplate:
Movinghead: 15 kg
2 m FD 34 Truss: 12 kg
Baseplate: 36 kg
-> In Summe 63 kg

Gewichtskraft Steher
F = m * g = 63 kg * 10 m/s^2 = 630 N

Standmoment
M(Stand) = 630 N * 0,4 m = 252 Nm

Um auf die benötigten 1300 Nm Standmoment zu kommen, muss unser Ballast also noch 1048 Nm zusätzlichen Standmoment in die Konstruktion einbringen.

Wie viel (symmetrisch verteilter) Gewichtskraft das entspricht, können wir ausrechnen, indem wir die Formel M = F * r umstellen zu ->
F = M / r = 1048 Nm / 0,4 m = 2620 N

Das entspricht einer Masse von
m = F / g = 2620 N / 10 m/s^2 = 262 kg

Stellen wir dieses Konstrukt also in einem Bereich, in dem mit gehäuftem Publikumsverkehr zu rechnen ist, müssen wir mit einer guten viertel Tonne ballastieren.
Rechnet man das ganze nochmal für Bereiche mit normalem Publikumsverkehr, kommt man auf 100 kg benötigten Ballast.

Das klingt auf den ersten Blick ziemlich viel. Wer aber mal (zum Test) versucht hat, so einen Steher bewusst zum Kippen zu bringen, wird gemerkt haben, dass das ohne Ballast aufgrund der Hebelwirkung mit ziemlich wenig Kraftaufwand funktioniert.

Was also tun, wenn man keine Lust hat, tonnenweise Ballast mitzunehmen?
Es gibt es zwei Möglichkeiten:

1. größere Baseplates (machts natürlich deutlich unhandlicher)

2. Organisatorisch dafür sorgen, dass kein Publikum in die unmittelbare Nähe der Trusssteher kommt. Also entweder absperren oder durch Sicherheitspersonal gewährleisten. Oder hinten auf die Bühne mit den Trussstehern und sicherstellen, dass sich dadrauf nur eingewiesenes Personal aufhält.

Ich weiß, die Antwort ist jetzt nicht sonderlich befriedigend, aber du kannst das ganze ja mal für dein Konstrukt durchrechnen.
Ich wäre über die Ergebnisse gespannt.


Viele Grüße
 
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Ich weiß, die Antwort ist jetzt nicht sonderlich befriedigend, aber du kannst das ganze ja mal für dein Konstrukt durchrechnen.
Ich wäre über die Ergebnisse gespannt.

Nicht sonderlich befriedigend? Die Antwort ist ja wohl dermaßen perfekt.. :-D

Es ging mir im Prinzip nur um diesen Abschnitt:

Im Grossigk/Krienelke gibt es eine Empfehlung, mit welchen auftretenden Kräften bei Publikumsverkehr zu rechnen ist:
In Bereichen mit normalem Publikumsverkehr: 0,5 kN horizontale Krafteinwirkung in 1 m Höhe,
In Bereichen mit gehäuftem Publikumsverkehr: 1 kN horizontale Krafteinwirkung in 1 m Höhe

Durch deine komplette noch folgende Antwort hast du mir quasi meine komplette Berechnung abgenommen!

So mache ich mir noch eine Excel-Tabelle wo ich die Belastungen und Abmaße eintrage und fertig..!

Vielen vielen Dank!

Liebe Grüße,
Marvin
 
Ich hab mich nochmal schlau gemacht:
Laut einem VPLT-Artikel ist in der DIN 4112 wohl für fliegende Bauten indoor ein Sicherheitsfaktor von 1,3 ausreichend.
Ob man so einen Trusssteher als fliegenden Bau ansehen kann keine Ahnung, größere PA-Tower sind auf jeden Fall welche.
Ich korrigiere die Werte in meinem vorherigen Beitrag mal.
 
Ich hab mich nochmal schlau gemacht:
Laut einem VPLT-Artikel ist in der DIN 4112 wohl für fliegende Bauten indoor ein Sicherheitsfaktor von 1,3 ausreichend.
Ob man so einen Trusssteher als fliegenden Bau ansehen kann keine Ahnung, größere PA-Tower sind auf jeden Fall welche.
Ich korrigiere die Werte in meinem vorherigen Beitrag mal.

262kg bzw. 100kg wären mit dem SF die Gewichte. Ein Hoch auf Excel! :)
 
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Ah, praktisch dieses Excel! :D
 
Vielen Dank für deine Ausführungen!

Prinzipiell ist ja nur das Gewicht aller Bauteile auf den Baseplates (incl. selbiger) und der Radius der Baseplate nötig, um überschlagen zu können.

Da hätte ich auch eigentlich selber drauf kommen müssen :engel:
 
Ich hab mich nochmal über die "fliegenden Bauten" informiert, weil ich sichergehen wollte, dass die Berechnung zulässig ist. Dabei habe ich folgendes gefunden:

In der Regel sind Festzelte, Tribünen und Bühnen die klassischen Formen in der Veranstaltungsbranche, die dem Baurecht untergeordnet sind. Oftmals wird diesbezüglich von „Fliegende Bauten“ gesprochen. Per Definition der jeweiligen Landesbauordnungen der bundesdeutschen Länder sind dies: „… bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, wiederholt aufgestellt und abgebaut zu werden. Doch neben dem Aspekt der Flexibilität ist auch jener der Dauer von Bedeutung. Werden Standzeiten von mehr als drei Monaten übertroffen, liegt die genaue Zuordnung beim zuständigen Bauamt.
Quelle: klick

Ob man aber jetzt vom Sicherheitsfaktor 1,3 für obige Traversenkonstruktionen ausgehen kann.. Mir erscheint das irgendwie recht wenig..

Ist vielleicht für den ein oder anderen interessant.

Liebe Grüße,
Marvin

EDIT sagt:
Ich habe die korrekte Angabe gefunden in DIN EN 13782:2015 unter 7.2 "Nachweis gegen Kippen, Gleiten und Abheben" (kann hier nachgelesen werden).

Sicherheitsbeiwert 1,3 als Worst-Case Szenario passt also!
 
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Wie oft ich mir diese Frage gestellt habe. Wie sehr muss ich meinen Trusstower nun ballastieren damit er "sicher" steht?
Aufs Gefühl verlassen - nein.

Die obige Berechnung ist spitze. Unter Hinzunahme des in einem ähnlichen Beitrag zitierten Artikels "V.M Knowledge PA-Tower" habe ich die Formeln mal in einen Online-Rechner auf meiner Website programmiert und eingebunden, sodass jeder Laie und Eilige nachrechnen kann und sich nicht mehr auf sein Gefühl verlassen muss.

Sichtbar auf: https://resulux.de/trusstowerrechner/
 
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