Alte Blockflöten in barocker Griffweise

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HFU
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Dieses wichtige Thema sollte ja auch seinen verdienten Platz bekommen hier im Board. Deswegen eröffne ich mal einen neuen Strang.
Zur Einstimmung hier erst einmal eine historische Aufnahme von Arnold Dolmetsch und seiner Familie, gegen Ende des Videos sieht man ihn im Kreise seiner Familie Blockflöte spielen. Leider ist das Video mit Musik unterlegt und die Blockflöten sind nicht zu hören.



Hier zeige ich mal eine Kopie einer Grifftabelle von Max König, welche auf die ersten, ernstzunehmenden Modelle in barocker, englischer oder auch Dolmetschgriffweise hin weist, wie sie Herr Thalheimer in seinem Buch:" Die Blockflöte in Deutschland 1920-1945" auf Seite 78 nennt. Hildemarie Peter geht in ihrem Buch: Die Blockflöte und ihre Spielweise in Vergangenheit und Gegenwart" soweit, dass sie diese Griffweise auf Seite 10 als "die Neuenglische" bezeichnet,
...da die berühmten alten englischen Blockflöten eine andere, eben die barocke, haben...

herwiga grifftabelle deckblatt.jpg
herwiga grifftabelle.jpg


Die Grifftabelle stammt aus dem Kasten einer Herwiga Flöte, welche ich erworben habe.
Auf den historischen Zusammenhang dieser beiden Werkstätten werde ich im folgenden noch genauer eingehen.

Wer sich übrigens mit dem Gedanken tragen sollte, das Buch von Herrn Thalheimer einmal zu kaufen, dem sei gesagt, dass Herr Thalheimer immer noch Exemplare davon hat und sie wesentlich günstiger abgibt, als sie in den Antiquariaten zu haben sind. Er hat nur keinen Onlineshop, es steht einfach im Text drin und Google findet es dadurch nun auch nicht bei der Suche.
 
Eigenschaft
 
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Arnold Dolmetsch war wohl der erste welcher versuchte eine Blockflöte in "barocker Griffweise" zu bauen. Die Umstände entsprangen zuerst einmal der Not, dass er eine Bressanflöte sein eigen nannte und auch konzertant einsetzte, welche er bei Sotheby´s steigerte und sie ihm verloren ging. Er bekam diese Flöte viel später wieder, aber der Wunsch sie nachzubauen war geboren. Man kann bei Thalheimer S. 44 ff nachlesen, dass sie defekte hatte, unter anderem war sie zu kurz. Seine ersten Nachbauten waren dadurch zu hoch gestimmt. Er hat auch später zugegeben, dass seine ersten Flöten Missgriffe waren, aber sie existierten nun mal. Von da an baute er auch seine Blockflöten in 440Hz.
Auf die Details möchte ich nicht unbedingt eingehen, denn ich müsste hier nun ein Zitat nach dem anderen einstellen. Auch möchte ich ja auch eher auf die Entwicklung der Blockflöte in Deutschland hinweisen.
Auch Peter Harlan und manch andere Werkstätten probierten sich schon recht früh an der barocken Griffweise, aber der eigentliche Impuls ging interessanterweise wieder einmal von der Werkstatt Max König aus, welche 1934 einen Satz Dolmetsch Instrumnte von dem Händler Herwig bekam und
Anhand dieser Instrumente konnten die Mitarbeiter Königs die englische Griffweise, Doppellochbohrungen, gebogene Windkanäle mit Fasen an Kopfbahn und Block soweie kurze Mensuren studieren
Thalh. S. 232
Von da an war das Spitzenmodell von König, "Herwiga Rex" ab ca. 1938 auch mit "historischer Griffweise" zu haben. Auch wurde weiter die Herwiga Dea entwickelt, welche das erste Modell für Stützfingertechnik wurde.

Schnell wurde die neue Art der Blockflöte auch von den anderen Werkstätten übernommen und die "Neugeburt" der neubarocken Blockflöte war unaufhaltsam. Nur der Umstand, dass der neu aufflammende Krieg diese Bewegung jäh ausbremste lies leider wieder vieles in Vergessenheit geraten.

Nach dem Krieg fertigte die Werkstatt König aber diese Instrumente weiter, nur in der neu erstandenen DDR. Aber da baute König wohl fast ausschliesslich nur noch für den Händler Heinrich, doch die Instrumente sind baugleich.

Ich habe ja schon vor geraumer Zeit einmal meine Herwiga Rex Sopran hier vorgestellt, welche leider einen Schaden am Schnabel hat, was aber der Stimmung der Flöte nicht abträglich ist. Nun war ich schon einige Zeit am suchen, ob ich vielleicht nicht noch ein Instrument aus dieser Zeit erwerben könnte, aber die angebotenen Herwiga Dea waren mir einfach zu teuer.
s-l1600.jpg

http://www.ebay.de/itm/RAR-3-tlg-Al...BwmuL3tOLvaI43%2Fe7G4%3D&orig_cvip=true&rt=nc

Im Blockflötenmuseum ist auch eine davon zu sehen, welche interessanterweise viel zu hoch gestimmt ist und mit Stimmwachs angepasst wurde.

Nun konnte ich die Tage mein Glück kaum fassen und eine Herwiga Rex zu einem sehr angenehmen Preis bekommen. Als sie vor zwei Tagen ankam war ich erstaunt...
Nagelneu, wie frisch aus der Werkstatt strahlte sie mir aus dem hochwertigen Köfferchen entgegen:

IMG_0113.JPG


eindeutig ist der gebogene Windkanal zu sehen und der Lack ist noch strahlend frisch

IMG_0114.JPG


IMG_0115.JPG


König hat auch damals seine hochwertigen Instrumente alle nummeriert, sie trägt die Nummer 5111 in allen drei Teilen:

IMG_0120.JPG


Es ist ein pures Vergnügen diese Flöte zu spielen, mit dem ersten Ton habe ich mich in sie verliebt. Ich habe nun wirklich einige wunderbare Flöten in meiner kleinen Sammlung, aber diese schickt sich an einen Platz an erster Stelle einzunehmen. Sauberstens im Klang und in der Stimmung.
 
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Herzlichen Glückwunsch!
Da hast du wirklich einen Glücksgriff gemacht. Eine Flöte dieses Alters in so einem Zustand ist schon bemerkenswert. Erstaunt bin ich über den gebogenen Windkanal. Ich dachte, dass wäre eine neuere Entwicklung. So haben Moeck, Mollenhauer und alle mir noch bekannten Hersteller noch bis in die 2000er Jahre Flöten mit geradem Windkanal gebaut.
 
den gebogenen Windkanal.

Ja, die Geschichte der Blockflöte ist noch nicht sehr bekannt. Da ist das Buch von Thalheimer ein wunderbarer Fundus. Das Kapitel über den gebogenen Windkanal S.110 ist nur eine Seite lang, aber es ist prallvoll von interessanten Informationen. So haben die Blockflöten des 16. bis 18. Jahrhunderts wohl in aller Regel ein gebogenes Labium. Auch Dolmetsch baute seine Blockflöten nach dieser Vorgabe. Vor kurzem war eine alte Dolmetsch Sopranino in der Bucht, welche niemand kaufen wollte. Mir war sie auch zu teuer, auch wenn sie den Preis wert war:

s-l1600.jpg

http://www.ebay.de/itm/Dolmetsch-So...D&orig_cvip=true&rt=nc&_trksid=p2047675.l2557

Es gab vor und nach dem Krieg vereinzelte Instrumente, auch von anderen Werkstätten, aber ein gerades Labium und ein gerader Windkanal liesen sich halt leichter produzieren. Moeck produzierte um 1968 das erste Serienmodell mit gebogenem Windkanal, die Rottenburg nach Friedrich von Huene.

 
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Sehr informativ, danke :claphands:
 
Wegen Of-Topic von hier: https://www.musiker-board.de/threads/tipp-zum-greifen-auf-tenorblockfloete.742641/#post-9529088
hierher verschoben... ;-)
In der alten Schule von Giesbert wird die Stützfingertechnik von Anfang an gelehrt, bei sehr vielen Tönen liegt der rechte Ringfinger auf seinem Loch:

https://www.schott-music.com/de/schule-fuer-die-altblockfloete-noc32886.html

Die Stützfingertechnik von Giesbert kann man nicht unbedingt auf heutige Instrumente beziehen. In dem Buch: "Die Blockflöte in Deutschland 1925 - 45" von Peter Thalheimer gibt es ein extra Kapitel dazu, wo dargelegt wird, dass Giesbert, welcher sich für die "historisch getreue Griffweise einsetzte", eigentlich nicht wirklich den Überblick hatte über die Konstruktion alter Blockflöten, was damals ja auch nicht so einfach möglich war.
Seine Grifftabelle basiert eindeutig auf Hotterres Grifftechnik, welche ein "liegenlassen" des rechten Ringfingers bei allen Griffe, bei denen es keine Intonationstrübungen zur Folge hat, lehrt.

Er hatte 1937 die Firma Wilhelm Herwig dazu bewegt, bei Max König und & Söhnen das Blockflötenmodell " Herwiga Dea mit gebogenem Windkanal und Stützfingertechnik" herstellen zu lassen. "Nur" für dieses Modell war seine Schule für Altblockflöte gedacht und da nicht alle so eine Flöte besaßen, gab es auch wohl Probleme beim Verwenden seiner Schule und die Stützfingertechnik kam damals zu Unrecht in Verruf eine Quelle für Intonationsprobleme zu sein.

Links "Gisberts" Herwiga Dea mit Stützfingertechnik in Ahorn, rechts die Weiterentwicklung der Dea in Cocobolo, "der" Vorläufer unserer modernen "barocken Griffweise" mit ca. zweieinhalb Oktaven Tonumfang. Ein traumhaftes Instrument, optisch wie auch klanglich...


Beitrag automatisch zusammengefügt:

dea1.jpg


dea2.jpg
 
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hierher verschoben... ;-)


Die Stützfingertechnik von Giesbert kann man nicht unbedingt auf heutige Instrumente beziehen.

Was eventuell nicht so schlimm ist, denn so weit ich weiß, wird diese Technik von Giesbert von niemandem heutzutage eingesetzt bzw. geprädigt. (Danke für die Verschiebung.)
 
denn so weit ich weiß, wird diese Technik von Giesbert von niemandem heutzutage eingesetzt bzw. geprädigt
Ich habe schon ab und an mal Leute kennengelernt welche sich mit Giesberts Buch und seiner Stützfingertechnik auseinandersetzten, von daher war es schon interessant auch mal Thalheimers Bericht zu lesen und auch noch die passende Flöte dazu zu finden.
 
Ich habe die Holzversion- Holzkern, eine Art Harz in der Mitte, aussen wieder Holz. Ich hoffe jetzt, dass die Fotos, die vor der Reparatur gemacht wurden und die Daten auf dem Koffer genügen um eine schriftliche Bestätigung von Moeck zu bekommen.
Hab deinen Beitrag mal mit hierher genommen, da sonst der Roessler-Strang so zugetextet wird mit Off-Top...

Das ist interessant, Harz dazwischen kenne ich noch nicht, nur die Keramik in der Mitte und diese Version hier mit Holz in Holzblock und mit Galalith ummanteltem Schnabel:

rotti.jpg


Da bin ich mal gespannt, ob sie dir eine Bestätigung ausstellen...
 
Yess, ich habe die Bestätigung , Zierringe Kunsthorn! :juhuu:
 
Na siehste, dachte ich mirs doch, dass du von Moeck eine flotte und kompetente Antwort bekommst, prima (y)

Zierringe waren ja zu der Zeit noch sehr in Mode. Die zu welcher oben gezeigter Block passt hatte ja auch welche:

r1.jpg


Die habe ich nur weiter verkauft als ich dann noch eine andere bekam aus der Zeit welche mir klanglich und optisch besser gefiel. Ich musste sie zwar entlacken, da der Lack nicht mehr so schön war, aber es hat sich absolut gelohnt. Ist ein Prachtstück geworden...

20201003_150404.jpg


20201003_150307.jpg
 
Da hat sich der Aufwand gelohnt, entlacken ist gar nicht so schlimm habe ich festgestellt, es muss dann halt mehr geölt werden.
 
Meistens stimmt das, ich habe ja schon jede Menge entlackt und positive Ergebnisse erzielt. Nur auf die, oft weinroten bis braunen EX-DDR Lacke habe ich keine Lust mehr. Die sind extrem hartnäckig und riechen beim Abschmirgeln oft sehr übel. Ich vermute auch das die eventuell recht giftig sind.

Öfters ölen muss man sie, klar. Mit Möbelwachs habe ich auch schon gute Erfahrungen gemacht. Das sieht auch toll aus, hält länger an und man kann sie dann eine ganz Weile einfach mit einem weichen Tuch nachpolieren, um den Glanz wieder aufleben zu lassen.
 
Ja mit dem DDR- Lack habe ich auch schon Erfahrung gemacht, da durfte nachher mein Mann helfen. Welches Möbelwachs nimmst du denn?
 
Ich habe das Hartwachs von Auro, das hatte ich auch für die Holzböden in Gebrauch uns sowieso noch einiges übrig.
 
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Ich habe hier vor einiger Zeit meine Hopf Renaissance Sopran in A vorgestellt, zusammen mit einer Sopranino. Ich mag diese schlichte Baureihe sehr, klanglich sind sie auch sehr kräftig und doch warm.
Hopf hat ja diese Serie aber auch nicht nur in F C F C F gebaut, wie meist nur bekannt. Eine Garklein in Birne habe ich auch noch dazu, welche ich etwas aufhübschen musste. Hier noch etwas "angenagt" :

g2.jpg


und nach einer kleinen Behandlung dann so:

g4.jpg


Nun hat meine Sopran in A noch eine große Schwester bekommen. Erstaunlicherweise fand ich die Tage noch einen Bariton in A, er kam wenig bespielt in einem neuwertigen Koffer an:

20240116_134827.jpg


Mit seinen beachtlichen 70 cm Länge lässt er sich mit nur einer Fußklappe wunderbar spielen. Die Tonlöcher sitzen ideal. Hier im Vergleich mit der A Sopran:

20240116_135006.jpg


Lediglich der Hebel der Fußklappe war locker, was erstaunlicherweise öfters vorkommt bei unterschiedlichen Herstellern, aber das ließ sich flott weichlöten und fällt nur bei einer Vergrößerung auf:

20240117_113046.jpg


Auch der Bass dazu hat nur eine Fußklappe und ist auch wunderbar spielbar ohne weitere Klappen, selbst hier sitzen die Tonlöcher einfach ideal:

h2.jpg


h1.jpg
 
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