Noten und ihre Kompatibilität mit dem Instrument

Strato Incendus
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Ich bin gerade einmal in der Stimmung für ein wenig Kontroverse, und mache deshalb hier mal ein Fass auf zur "Sprache" der Musik an sich. Vielleicht kriegen wir das ja hin, ohne dass die Fetzen fliegen. Aber irgendwas sagt mir, dass ich nicht darauf wetten sollte... :D

Kompatibilität und musikalische "Sprachen" - ein kleines Analogie-Spiel



Die Idee der Notenschreibweise ist ja erstmal eine feine Sache: Sie gibt Musikern verschiedener Instrumente die Möglichkeit, sich einheitlich zu verständigen, sodass alle wissen, was Sache ist. Wer keine Noten lesen kann, ist damit im Endeffekt ein musikalischer Analphabet.

Bevor jetzt jemand denkt "Ah, wieder so ein Gitarrist, der keinen Bock hat, es zu lernen!" :D , sei klargestellt: Natürlich kann ich Noten lesen. Das lernt man heutzutage zum Glück sogar dann, wenn man gar kein Instrument spielt, nämlich im normalen Musikunterricht in der Schule.

Wie schnell ich sie jedoch auf einem bestimmten Instrument (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Klavier, Gesang, Geige) in die Praxis umsetzen kann, hängt sehr stark von besagtem Instrument ab. Dabei geht es insbesondere um die melodische / harmonische Achse der Notenschreibweise, also die vertikale, weniger die Schreibung der Notenwerte (Viertel, Achtel, Sechzehntel usw.), also die horizontale. Letztere lassen sich schließlich auch gänzlich ohne Notenlinien verwenden, um einfach nur Rhythmen darzustellen.

Kurze Einführung:
Als Psychologiestudent komme ich viel mit dem Thema der Kompatibilität in Kontakt.
Grob heruntergebrochen bedeutet das: Wenn an einem Gerät links und rechts Lämpchen aufleuchten können, bin ich schneller und mache weniger Fehler, wenn ich auf das linke Lämpchen mit einem linken Tastendruck reagieren muss und auf das rechte Lämpchen mit einer rechten Taste, als wenn es umgekehrt ist (das beispielsweise nennt man "räumliche Kompatibilität"). Global betrachtet und auf die Musik übertragen bedeutet das: Wie schnell kann ich die Anweisungen, die mir die Noten geben, auf mein Instrument übertragen? Wie viele "Übersetzungsschritte" sind notwendig? Was ist eventuell missverständlich oder irreführend an dieser Darstellung - auch, wenn man es mit viel Übung womöglich kompensieren kann?

Meiner Ansicht nach ist die klassische Notenschreibweise nämlich von Hause aus keine instrumentenübergreifende. Man hat sich darauf lediglich instrumentenübergreifend einigen können. So ähnlich wie die englische Sprache sich zur Sprache der internationalen Kommunikation entwickelt hat, es aber weiterhin Muttersprachler gibt, die einen "Vorteil" haben, so ist es auch mit den Noten.

Sie sind nämlich am wichtigsten auf dem Instrument, wo sie absolut unerlässlich sind: Dem Klavier.

Nicht umsonst hat es an Musikhochschulen einen Sonderstatus: Wer Musik auf Lehramt studieren will, muss auf jeden Fall Klavier und Gesang mit dazunehmen. Pianisten haben es damit leichter, für alle anderen Instrumentalisten bedeutet es zusätzlichen Aufwand.

Das kommt daher, dass der Pianist von Anfang zu seinem Glück gezwungen wird: Wo ein Spieler irgendeines beliebigen Saiteninstruments auf die Tabulaturschreibweise ausweichen könnte, kenne ich keine vergleichbare Darstellungsmöglichkeit für das Klavier. Man müsste ja die gesamte Klaviatur darstellen für jeden einzelnen Notenwert, an dem gespielt werden soll.

Andere Instrumentalisten, die üblicherweise nur einen Ton gleichzeitig spielen - egal ob Bass, Gesang, Bläser oder Streicher - müssen sich immer nur auf ihre eine Tonfolge konzentrieren (wenngleich es natürlich schwieriger wird, wenn man sie als Sänger, Bläser oder Streicher aus einem Satz herausfiltern muss - da wäre also schon ein erster "Übersetzungsschritt" erforderlich). Der Klavierspieler muss mehrere Stimmen gleichzeitig spielen, und das auch noch mit beiden Händen.

Dafür ist beim Klavier die Tonerzeugung selbst mit dem geringsten Aufwand verbunden
. Gitarristen und Streicher brauchen selbst für einen einzigen Ton beide Hände (außer man spielt Leersaiten). Bläser und Sänger (Gesang ist im Prinzip ja auch nur ein weiteres Blasinstrument) können rein technisch nur einen Ton gleichzeitig produzieren und müssen sich dafür buchstäblich mehr "anstrengen". Der Pianist oder Keyboarder drückt einfach nur auf einen "Knopf".

Und er hat einen weiteren Vorteil gegenüber z.B. den Saiteninstrumenten: Jede Note auf dem Blatt ist eindeutig mit einer einzigen Taste auf seinem Instrument verbunden. Es gibt nur einen einzigen Ort, an dem er ein e' spielen kann. Auf Saiteninstrumenten ist das nicht so: Eine Note sagt uns zwar, welche Tonhöhe spielen sollen, nicht aber, wo genau wir greifen sollen. Denn dafür haben wir mehrere Möglichkeiten, je nach Saite eben. Und die Fingersätze sind oftmals entscheidend dafür, ob man einen Lauf überhaupt ausführen kann oder nicht.

Während der Streicher noch in seinen Lagen denken kann und dadurch innerhalb dieser Lagen wieder eine eindeutige Zuordnung zwischen geschriebener Note und gegriffener Position herstellen kann, wird es für Gitarristen und teils auch für Bassisten noch etwas komplexer: Wir müssen manchmal nämlich Saiten ziehen. Wie schreibt man so etwas auf? Den gegriffenen Ton mit einem Pfeil nach oben? Oder den klingenden Ton?
Viele Notationsprogramme machen ersteres, jedoch ist aus psychologischer Sicht der Handlungseffekt wichtiger als die reine Motorik. Wenn in den Noten also zweimal ein d steht, aber das zweite auf ein e hochgezogen werden soll, empfinde wahrscheinlich nicht nur ich das als verwirrend. Schreibt man jedoch d-e und versieht das e mit einem Bend-Zeichen (Pfeil nach oben o.ä.), werden viele, die die andere Schreibweise kennen, fälschlicherweise d-fis spielen.

Gegriffen oder klingend ist generell eine Frage: Normalerweise weiß man, dass Gitarren und Bässe eine Oktave tiefer erklingen, als man sie aufschreibt. Zumindest beim Solospiel sind mir aber mittlerweile Tendenzen begegnet, das zu verwerfen und auf einmal doch klingend zu spielen. Und was macht man, wenn man mit verschiedenen Tunings arbeitet, z.B. einen Ganzton runter stimmt? Schreibt man jetzt gegriffen auf und tut so, als wäre das tiefe D, das erklingt, weiterhin ein E?

So würde man es ja als Komponist machen müssen: Wenn ich einem Saxophonisten etwas in Es aufschreibe, gaukele ich ihm vor, er würde in c spielen. Für diverse andere Bläser muss ich wieder umdenken. Daran sieht man, dass Noten auch auf anderen Instrumenten nicht so eindeutig sind, wie wir gerne glauben: Denn in den Noten das Saxophonisten steht die Melodie in c, das hat aber nichts mit dem zu tun, was dann tatsächlich erklingt. Und andere Instrumentalisten, die auf das Blatt des Saxophonisten gucken, um eine bestimmte Stelle zu besprechen, sind dann erstmal irritiert.

An der Stelle muss man natürlich auch die verschiedenen Notenschlüssel bedenken. Klavierspieler sind vermutlich am geübtesten im schnellen Umdenken von einem zum anderen; alle anderen Instrumentalisten werden weitaus mehr auf ihren eigenen "festgelegt" sein, ob das nun der Violinen- oder der Bassschlüssel ist. Mit dem Bratschenschlüssel hat man ja ohnehin noch eine weitere Extrawurst. Eine weitere Parallele zum Englischen, wie es scheint: Das Buchstabieren ist da bekanntlich ebenfalls reichlich inkonsequent ;) .

Dann wäre da noch der Punkt mit der Anzahl der Saiten. Die meisten Saiteninstrumente haben entweder vier (Streicher, Mandolinen, Ukulelen und Bässe) oder sechs (Gitarren) davon. Notenlinien gibt es aber fünf. Streicher sind in Quinten gestimmt, Gitarren und Bässe in Quarten - die Notenlinien aber in großen und kleinen Terzen. Erklär das mal einem Anfänger auf einem Saiteninstrument, dass all diese Linien nicht das Geringste mit den Saiten seines Instruments zu tun haben! :)

Da sind Tabs, wo die Linien exakt die Saiten darstellen, und zwar so, dass sie der Sicht des Spielers angepasst sind (von unten nach oben), wesentlich intuitiver. Und jetzt wisst ihr vermutlich auch warum: Weil sie räumlich kompatibel sind. Der Psychologe in mir, nicht nur der "faule" Gitarrist, würde also denen, denen es möglich ist, weiterhin zum Spielen nach Tabs raten, einfach weil die Geschwindigkeit so viel größer und die Fehleranfälligkeit so viel geringer ist.

Für den Pianisten stellt sich das Saiten-Problem nicht: Dreiklänge in der Notenschreibweise ergeben auf dem Klavier vollkommen Sinn: Wenn eine Linie oder ein Zwischenraum übersprungen wird, muss auf dem Klavier auch eine Taste übersprungen werden. 1-3-5 auf dem Blatt, 1-3-5 auf den Tasten (mit den entsprechenden Umkehrungen).



Als Zwischenfazit können wir also wohl festhalten:

Notenschreibweise = "Klavierisch" = "Englisch" (weil musikalische "Weltsprache")


Nun ist diese Sprache aber nicht alternativlos: Die Tabulaturschreibweise hat eine ähnlich lange Geschichte (immerhin gibt es sie seit dem Mittelalter). Warum also haben sich nicht die Tabs als "Weltsprache" durchgesetzt, obwohl so viele Instrumente etwas damit anfangen könnten? Und ja, damit sind auch Streicher gemeint :) . Denn die Zahl auf der x-ten Linie sagt ja nur "x-te Note auf dieser Saite", dazu braucht es keine Bünde. Die senkrechten Linien in Tabs sind ja nach wie vor die Taktstriche, und nicht etwa Bund-Imitationen.

Es wird relativ schnell klar: Weil diese Sprache für alle anderen Instrumentalisten (insbesondere Bläser inklusive Sängern) deutlich schwieriger zu erlernen ist. Diejenigen hingegen, die damit aufgewachsen sind, schätzen die größere Kompatibilität und sträuben sich daher gerne dagegen, in die internationale Notensprache "Englisch" zu wechseln.

Mit einem kurzen Griff in die Klischeekiste können wir wohl auch für all das ein sprachliches Äquivalent finden ;) :

Tabulaturschreibweise = "Französisch"

Die einfache Übertragbarkeit zwischen verschiedenen Saiteninstrumenten spiegelt dabei die Verwandtschaft zwischen den ganzen romanischen Sprachen wieder: Wenn man eine bereits kann, ist es erheblich leichter, eine andere auch noch zu lernen.


Was bedeutet das nun?
  • Ein Pianist, der nach Noten spielt, liest einen Text in seiner Muttersprache vor.
  • Ein Gitarrist, der nach Tabs spielt, liest einen Text in seiner Muttersprache vor.
  • Ein Gitarrist, der sich ans Klavier setzt und versucht, nach Noten zu spielen, ist jemand, der ins Klavierland England reist und weiß, dass er da dann natürlich auch die Landessprache sprechen muss.
  • Ein Gitarrist, der auf der Gitarre nach Noten spielt, liest in seinem eigenen Land einen auf englisch verfassten Text und übersetzt ihn im Kopf "on-the-fly" in die Muttersprache Französisch, sodass er ihn dann auch in dieser Sprache ausspricht - nämlich in der korrekten Lage und mit den Phrasierungen (Bends / Slides / Hammer-Ons und Pull-Offs), die diese speziellen Noten erfordern.
  • Ein Gitarrist, der nach Tabs spielt und dabei die Noten ansagen kann, liest in seinem eigenen Land einen Text in seiner Muttersprache Französisch und übersetzt ihn "on-the-fly" ins Englische, damit Gäste von anderswo ihn verstehen können (auch eine Möglichkeit, oder nicht? :) ).
  • Ein Pianist, der Noten liest und dem Gitarristen sagt, welche Bünde er greifen muss, liest den Text in seiner Muttersprache Englisch und versucht, ihn im Kopf ins Französische zu übersetzen (halte ich für mit Abstand am schwierigsten und unpraktischsten).
  • Jemand, der Noten in ein Programm eingibt, das auch Tabs aufschreibt, übersetzt den Text erst einmal vom Englischen ins Französische. Damit nimmt er den Schritt des "on-the-fly"-Übersetzens weg, der das Kernproblem sein dürfte für alle, die mit dem Vom-Blatt-nach-Noten-Spielen Schwierigkeiten haben.

Es ist also immer die Frage, wie weit man seinen Mitmusikern entgegenkommt. Schreibe ich dem Saxophonisten ein Stück unter Berücksichtigung seiner Transponierung auf, sodass er greifen kann, wie er es gewohnt ist? Dann kann ich erwarten, dass der Saxophonist mir auch entgegen kommt, wenn er einen Part für mich als Gitarristen schreibt.
Oder einigen wir uns darauf, dass alle klingend spielen? Dann wissen wir: Was da steht, ist das, was hinten rauskommen soll. Und ob deine Notation um eine Terz und meine um einen Ganzton abweicht, wenn ich von D bis d stimme, ist egal: Jeder muss dann allzeit wissen, wie der Ton heißt, der da ertönt, nicht, wie der heißt, den er greift. Weniger missverständlich ist zweifellos letztere Variante, nur dafür muss jeder eben bereits ein guter "on-the-fly"-Übersetzer sein. Wenn es um Englisch nach Deutsch oder Deutsch nach Englisch geht (also die tatsächlichen Sprachen), kann ich das auch. Mit Noten? Tja, wie gesagt: Hängt vom Instrument ab :) .


Wie wichtig und nützlich Noten nun für ein bestimmtes Instrument und einen bestimmten Musiker sind, macht sich für mich an folgendem fest:

  • Auf dem Klavier sind sie (bislang zumindest) unerlässlich, da es keine ähnlich kompakte und kompatible Alternative gibt.
  • Je größer die Gruppe, mit der man spielt, desto wichtiger und unverzichtbarer werden Noten. Denn alle zusammen genommen bedient ihr dann ähnlich viele, wenn nicht gar noch mehr verschiedene Töne als in einem Klavierstück. Und ihr sprecht so viele verschiedene Sprachen, dass man irgendwann ums "Englische" als gemeinsamen Nenner nicht mehr herumkommt.
  • Der Art der anderen Instrumente, mit denen ihr spielt. Spätestens sobald wir vom Bigband-Kontext sprechen und Bläser oder Streicher dabei sind, kommt man nicht drumherum, dass alle "Englisch" sprechen müssen, damit man sich verständigen kann.

In der typischen Rockband mit 1-2 Gitarren, Bass und Schlagzeug sieht das meist anders aus. All diese Instrumente können Tabs verwenden (bzw. die Noten des Schlagzeugers sind unabhängig, weil sie keine harmonischen Aussagen machen). Wenn in eurer Band also gewissermaßen alle "Französisch" als Muttersprache sprechen, warum solltet ihr dann untereinander Englisch reden? Wer das in der realen Welt einmal gemacht hat, wird bestätigen können, dass sich das meist reichlich seltsam anfühlt :) .

Wenn ihr nun einen Keyboarder mit dazunehmt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, alle verfallen dem einen Bandmitglied zuliebe, dass die gemeinsame Muttersprache nicht spricht, alle ins Englische. So wie Nightwish das auch immer machen müssen, wenn die Sängerin nun einmal kein Finnisch kann :D . Über kurz oder lang wird es aber meist vermutlich passieren - weil alles den Weg des geringsten Widerstands geht - dass der Keyboarder sich der Mehrheit "beugt" und man Akkordschemata o.ä. verwendet, zu denen er sich dann seine eigenen Parts überlegt, die er sich dann immer noch in Noten aufschreiben kann, falls nötig. Schreiben die Gitarristen oder der Bassist ihm einen Part, werden die vermutlich ein "Übersetzerprogramm" in Form von Guitar Pro o.ä. verwenden, das in Tabs und Noten gleichzeitig denken kann, sodass das Problem auch aus der Welt ist.


Kommen wir also zurück zum Ausgangspunkt: Noten lesen, losgelöst vom Instrument, kann ich natürlich. Die Umsetzung hingegen ist am leichtesten - nach dem Schlagzeug :D , wo sie eine andere Bedeutung haben - beim Gesang, weil nur eine einzige Melodie und weil ich keine zugehörige Taste oder einen Bund suchen muss. Außerdem hat man es ja wenn nirgendwo sonst immer wieder in der Schule im Musikunterricht oder in der Kirche beim Vom-Blatt-Singen geübt :) . Jetzt Weihnachten etwa hatte der Gastpfarrer eine Menge Oldies herausgekramt, die ich noch nie gehört hatte, das war eine exzellente Trainingsgelegenheit :) .

Auf dem Bass ginge es auch noch, weil eben üblicherweise nur ein Ton gespielt wird. Mit der Leadgitarre ist es machbar, solange man möglichst wenig Lagenwechsel macht, also nicht ständig umdenken muss. Allerdings stellt sich das Problem mit Bendings. Sobald ich jedoch Akkorde mit einem vorgeschriebenen Voicing daraus basteln soll, wird das ganze mehr als unpraktisch. Oftmals funktioniert da nämlich nur eine ganz bestimmte Position, damit man sich nicht die Finger bricht - und die hat man mit Tabs wesentlich weniger missverständlich angegeben.

Als jemand, der auf allen Instrumenten gerne nach Gehör spielt und sich zum Spielen nach Noten aktiv animieren muss, eben weil es für die meisten meiner Instrumente schnellere und effizientere Alternativen gibt, bedeutet das für mich vor allem die Konsequenz: Wenn ich die schnelle praktische Umsetzung auf einem Instrument üben muss, dann vor allem auf dem Klavier. Denn dafür ist es gemacht. Und dort hat man auch leider keine Alternative.
 
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Eins kann ich dir schon mal sagen: Unser heutiges Notensystem ist ist für Chöre entwickelt worden, nicht für Orgel/Klavier.

Die früheste notierte westliche Musik ist reine Vokalmusik. Noten gab es schon lange bevor Tasteninstrumente mehr als seltene Exoten waren.

Und trotzdem hat es sich das Notensystem für alle Instrumentengattungen, außer einige Zupfinstrumente, seit über 600 Jahren bewährt.

Dein Vergleich mit Sprache greift überhaupt nicht, weil es in Europa seit Erfindung der Mensuralnotation im 14. Jh. nie auch nur den Ansatz einer ernst zu nehmenden Alternative zu diesem System gegeben hat (Zupfinstrumente ausgenommen).
 
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Unser heutiges Notensystem ist ist für Chöre entwickelt worden, nicht für Orgel/Klavier.

Ja, das ist mir bekannt, diese Darstellungen habe ich mit meinem zweiten Gesangslehrer mal kurz behandelt. Deswegen habe ich auch extra vorsichtig formuliert :D , damit ich nirgendwo behaupte, sie sei speziell für das Klavier entwickelt worden. Das Klavier ist lediglich das Instrument, auf dem sie sich am kompatibelsten umsetzen lassen. Nicht umsonst verwendet man es ja üblicherweise, um Choräle zu spielen.

Für den einzelnen Chorsänger hingegen ist diese Schreibweise weniger praktisch, weil er sich seine Stimme erst aus dem Satz mit den anderen herauslesen muss.

Fest steht nur, wie du ja bestätigst: Sie ist nicht entworfen worden, um die allgemeine Schreibweise für alle Musikinstrumente zu sein, sondern für ein ganz bestimmtes Instrument. In dem Fall für den Gesang ;) .

Dein Vergleich mit Sprache greift überhaupt nicht, weil es in Europa seit Erfindung der Mensuralnotation im 14. Jh. nie auch nur den Ansatz einer ernst zu nehmenden Alternative zu diesem System gegeben hat (Zupfinstrumente ausgenommen).

Naja, zwei gängige verschiedene Ausdrucksformen reichen doch schon, damit wir von verschiedenen Sprachen reden können, oder nicht? ;) Die eine mag umfassender sein, dafür ist sie eben gerade mit Zupfinstrumenten weniger kompatibel.

Dass sie sich bewährt hat, ändert daran nichts. :) Damals wussten die Leute halt auch einfach noch weniger über solche Dinge (die Psychologie gibt's ja überhaupt erst seit Ende des 19. Jahrhunderts).

Die Art, wie Maus-Scrolling am Rechner funktioniert, hat sich auch "bewährt", trotzdem ist sie für die meisten Menschen inkompatibel, weil sich der Bildschirminhalt nach unten bewegt, wenn man das Mausrad nach oben dreht. Kompatibel wäre es so, wie es auf Touchscreens funktioniert, also das "Wischen". Da gehen Handbewegung und Bildschirminhalt in dieselbe Richtung.

Das nur als Beispiel, um zu zeigen: Man kann eben wie beim Scrolling mit Übung auch solchen Kompatibilitätseffekten entgegenwirken, trotzdem ist das Kompatible meist schneller. ;)
 
Die Chorsänger haben damals (wie die meisten Musiker bis heute) Einzelstimmen gehabt. Partituren kamen erst nach 1600 auf.

Ich stimme dir nicht zu, dass Noten mit dem Klavier "am kompatibelsten sind" oder dass man Noten und Tabulatur mit Sprachen vergleichen kann.

Auch moderne Psychologen und Ergonomen haben bisher nichts besseres entwickelt.
 
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Fest steht nur, wie du ja bestätigst: Sie ist nicht entworfen worden, um die allgemeine Schreibweise für alle Musikinstrumente zu sein,...
Wofür und wie die Notation anfänglich entwickelt wurde mag für dich von historisch-musikwissenschaftlichem Interesse sein, aber was bedeutet das schon hinsichtlich dessen, worauf Du hinauswillst?
Ich habe den Eindruck, Du vermischst den Ursprung der (modernen) Notenschrift und die aktuelle Verwendung. Du scheinst Notation für statisch zu halten, dabei wird sie von Komponisten und Arrangeuren entsprechend den jeweiligen Anforderungen seit Jahrhunderten und bis heute laufend angepasst und erweitert.

Außerdem machst Du kein Fass auf, sondern plauderst über viele verschiedene Aspkete, die mehr oder weniger mit Notation, aber auch mit deinem derzeitigen musikalischen Wissen bzw. Ausbildungsstand zu tun haben.

Zum Testen deiner Annahmen müsste man diese zu einer Handvoll Thesen kondensieren. Die ließen sich dann anhand dessen diskutieren, was Du behelfsweise mit Notations- und Hörbeispiele ebenso erst noch benennen müsstest.
Im Gegenzug ließe sich meines Erachtens z.B. konkret aufzeigen, dass unsere Notenschrift sehr wohl für alle Musikinstrumente geeignet ist, abgesehen vielleicht von einer Handvoll Exoten.

Gerade die Eigenschaft des Unspezifischen ist der große Vorteil unserer Notenschrift, daher kann z.B. ein Dirigent anhand der Partitur mit den Orchestermusikern der verschiedenen Instrumente über das reden, was gespielt werden soll.
Das geschieht, soweit ich es kenne, über eine Beschreibung der Deutung von kompositorischen Vorgaben hinsichtlich Artikulation und Dynamik und der Dirgentenerwartung in Bezug auf das Klangergebnis bei der Umsetzung der Noten durch die Musiker.

Dass mit der Abstraktion durch die Notenschrift sowohl ein Interpretationsspielraum als auch Unzulänglichkeiten einhergehen ist bei einer Notation genauso gegeben wie bei jedem anderen menschlichen Kommunikationsmedium, man denke nur z.B. an Forumsbeiträge oder gewisse "Gespräche" mit der/dem Liebsten.

Dein Fremdsprachenbeispiel habe ich nicht so ganz verstanden, aber ich habe einige Jahre als einziger "Notist" in einer Band gespielt. Daher weiß ich, dass man Stücke auch ohne Noten einwandfrei durch Vorsummen, Vorspielen, Rhythmus klatschen und über die Musik reden erarbeiten kann.
Allerdings ging es da um Rock der 60/70er und Rhythm'n'Blues für unsere 5-Mann Besetzung, also keine besonders komplexen musikalischen Sachverhalte.
Ich stimme dir daher unbedingt zu, dass eine Notation mit steigender Ensemblegröße und/oder steigender musikalischer Anforderung umso wichtiger wird.

Mit Notation zu arbeiten finde ich ansonsten vor allem zeitsparend und bequem, wenn es nicht gerade Bussotti o.ä. ist.

Gruß Claus
 
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Auch moderne Psychologen und Ergonomen haben bisher nichts besseres entwickelt.

Das stimmt. Es ist ja erstmal überhaupt nötig, so etwas festzustellen, bevor man sich entscheidet, Alternativen zu entwickeln ;) .

Ein mögliches Design etwa, wie man die Kompatibilität verschiedener Notationssysteme untersuchen könnte, wäre ein Zwei-Gruppen-Design mit Musikern, die alle das gleiche Instrument spielen (z.B. Gitarre). Als Probanden bräuchte man dann Teilnehmer, die entweder ihr Leben lang nur nach Noten gespielt haben oder nur nach Tabs. Jede Gruppe lässt man dann einige fremde Stücke (am besten irgendetwas selbst Überlegtes in konstanten Achteln oder Vierteln, damit Rhythmus als Störvariable rausfällt und es allein um die Melodik geht) nach der für sie gewohnten Schreibweise vom Blatt spielen und dann ebenso viele nach der ungewohnten. Das balanciert man aus, d.h. innerhalb jeder Gruppe fängt die Hälfte mit der vertrauten Methode an und dann kommt die unvertraute, die andere Hälfte andersherum.

Anschließend guckt man sich Reaktionszeiten (Zeit vom Lesen bis zur Umsetzung auf dem Instrument) und Fehlerraten an. Das Spielen nach der vertrauten Methode dient dabei als "Baseline", d.h. wie schnell können die Musiker einer Gruppe das Gesehene normalerweise umsetzen. Die unvertraute Methode ist dann die eigentliche Experimentalphase. Auf diese Weise kann man für Übungseffekte kontrollieren.

Die Nullhypothese (H0) wäre nun wie immer, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Notationssystemen gibt, sprich dass jede Gruppe mit dem vertrauten Medium in etwa gleich schnell und akkurat ist wie die andere und mit dem unvertrauten etwa gleich schlecht wie die andere. Die Forschungshypothese (H1) würde aufgrund der Kompatibilitätsannahme besagen, dass die Noten-Gruppe die ihnen unvertrauten Tabs schneller und mit weniger Fehlern in die Tat umsetzen kann als die Tab-Gruppe die unvertrauten Noten.

Sichergestellt werden muss natürlich, dass alle Teilnehmer grundsätzlich Noten lesen können (was wie gesagt nicht das gleiche ist wie auch danach zu spielen) und ebenso wissen, wie Tabs von der Bedeutung her funktionieren. Das geht am besten durch eine einheitliche Instruktion zu Beginn, die allen Teilnehmern präsentiert wird.

Im Gegenzug ließe sich meines Erachtens z.B. konkret aufzeigen, dass unsere Notenschrift sehr wohl für alle Musikinstrumente geeignet ist, abgesehen vielleicht von einer Handvoll Exoten

Geeignet ist sie für alle, natürlich, sonst hätte sie sich ja nicht so lange bewährt. Ich behaupte lediglich, dass sie nicht für alle Instrumente gleichermaßen gut geeignet ist ;) .

Gerade die Eigenschaft des Unspezifischen ist der große Vorteil unserer Notenschrift, daher kann z.B. ein Dirigent anhand der Partitur mit den Orchestermusikern der verschiedenen Instrumente über das reden, was gespielt werden soll.

Dies finde ich einen wichtigen Punkt im Zusammenhang mit @Raverii s Beschreibung, dass früher auch Chorsänger Einzelstimmen hatten: Der Dirigent muss natürlich für alle Musiker allzeit wissen, was die gerade spielen sollen. Für den einzelnen Musiker jedoch ist der gesamte Partiturzettel hinderlich, weil er jede Menge nicht direkt relevante Informationen enthält, d.h. Distraktorreize. Außerdem muss er dadurch häufiger blättern.

Auch das könnte man wieder mit zwei Gruppen untersuchen: Ein Ensemble spielt mit Einzelstimmen-Zetteln für jedes Instrument, das andere verwendet eine einheitliche Partiturdarstellung. Wieder Geschwindigkeit und Fehlerraten anschauen. Wenn man sich konkret auf die Einflüsse der Darstellung auf die Wahrnehmung konzentrieren will, müsste man natürlich die bei Partiturschreibweise definitionsgemäß häufigeren "Blätterpausen" rausrechnen. Der Dirigent hingegen hätte natürlich in beiden Fällen die ganze Partitur vor sich.
 
Ein Ensemble spielt mit Einzelstimmen-Zetteln für jedes Instrument, das andere verwendet eine einheitliche Partiturdarstellung
Vielleicht irre ich mich, aber m. E. hat in einem Orchester nur der Dirigent die komplette Partitur vor sich liegen, alle anderen habe nur die Einzelstimme(n) für ihr jeweiliges Instrument. Eventuell sind gleiche Instrumente zweistimmig pro System notiert (z.B. zwei Oboen o.ä.), mehr aber nicht.
 
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So ist es bei regulären Ensembleausgaben, eine Partitur plus die Einzelstimmen.

Gruß Claus
 
... ist der gesamte Partiturzettel hinderlich ....
Der "Zettel" ist für komplette Werke meist schon ein großformatiges Buch :) Selbst für eine einzigen "Song" können das schnell 30-50 DIN A4 Seiten sein. Die Dirigentenpartitur ist deshalb auch in einem wesentlich größeren Format, sonst wäre der Arme nur mit Umblättern beschäftigt :D
 
Ich bin ein großer Fan von Einzelstimmen. Ich finde es fördert die Konzentration und das gemeinsame Musizieren (weil man gezwungen ist, auf die anderen zu hören, statt durch Mitlesen abgelenkt zu werden). Und wenn man dann noch ganz alte Notenausgaben nimmt (Barock und früher), dann stellt man fest, dass früher extrem ökonomisch und platzsparend und trotzdem sehr logisch gesetzt wurde.
 
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