Wenn ich mitspiele, stimmt meine Blaskapelle ihre Instrumente nach meinem Akkordeon (440 Hz - wie auch bei Auftritten ohne mich), wobei das Tremolo den Toleranzbereich schon etwas vergrößert. Grausam für die Ohren ist es bei Auftritten im Freien, wenn das Gebläse noch keine Betriebstemperatur erreicht hat: Oft ist es mir schon passiert, dass ich dachte, ich liege trotz Tremolos einen halben Ton daneben - dabei war es der Rest...
Hallo Hz-Suchende
Mein Musikerkollege Marcel (Maschineningenieur von Beruf) spielt Akkordeon, Schwyzerörgeli, Klarinette, Posaune in verschiedenen Formationen und leitet auch eine Gruppe von ca. 10 Akkordeonspielenden (Dunnstigklub). Unsere Diskussionen über das Stimmen haben wir folgendermassen zusammengefasst:
Salü Paul
Gemäss ISO ist es 440 Hz und wir als Ingenieure halten uns an die ISO Normen. Mein Akkordeon hat 440 Hz; auch deine Morino und Gola haben 440 Hz. Meine Klarinette und Posaune haben flexible 442 Hz.
Wir beim Dunnschtigklub haben unsere Instrumente nach der technischen Norm von 440 Hz gestimmt; Fabrikstimmung.
Die meisten Kapellen mit Akkordeon und Klarinette sind auch auf 440 Hz gestimmt. Wir in der Blaskapelle stimmen unsere Instrumente auf 442 Hz; die ABB Big Band stimmt auf 440 Hz.
Am letzten Konzert unter dem sonnenbeheizten Festzelt bei etwa 40 Grad im Schatten mussten wir nach dem Soundcheck die Instrumente auf 444Hz stimmen. Das gab ziemlich lautes Geschrei. Das Keyboard hat ein Poti da ist die Stimmungsänderung kein Problem. Die Saiteninstrumente mussten alle Saiten umstimmen. Die Holzblasinstrumente waren der Grund der Stimmungsänderung. Da die Saxophone bei der warmen leichten Luft höher klingen und durch verschieben des Mundstückes nicht mehr tiefer gestimmt werden konnten (weil sie ursprünglich schon für 442 Hz gebaut sind und fürs runterstimmen schlicht das Rohr zu kurz war) mussten die anderen eben höher stimmen. Warme leichte Luft lässt die Instrumente höher klingen. Die Generalprobe bei kaltem Theatersaal klingt gut und dann das Konzert unter den Scheinwerfern hat plötzlich höhere Töne.
Die meisten Orchester (auch Amateur-Orchester an Universitäten usw.) stimmen grundsätzlich höher als 440 Hz, meistens 442-443 Hz. Die Berliner hatten, schon immer einen Extremwert von 444 Hz. Diese Superstimmhöhe fällt auch weniger sensiblen Zuhörern auf. Aber es gibt ein paar wenige löbliche Ausnahmen, die alle genau auf den Normkammerton a` von 440 Hz stimmen:
1) Ensemble Contrechamps
2) Ensemble Recherche Freiburg
3) Münchner Rundfunkorchester
4) Ensemble Intercontemperain Paris
5) Academy of Ancient Music
6) Academy of St.Martin in the Fields
7) BBC Symphony Orchestra London
8) London Philharmonic Orchestra
9) London Symphony Orchestra
10) Philharmonia Orchestra
11) Lettische Nation Oper
12) Vancouver Symphony Orchestra
13) Mexico City Philharmonic Orchestra
14) Baltimore Symphony Orchestra
15) Pittsburgh Symphony Orchestra
16) Seattle Symphony at Benaroya Hall
Bei den Holzbläsern weiss man, dass die Instrumente als Orchesterinstrumente gebaut werden, d.h. die höhere Stimmung ist schon eingearbeitet. Beim Blech ist es relativ wurscht, da es genügend bewegliche Röhrchen im Instrument gibt, um es an höhere Stimmungen anzupassen. Bei der Zugposaune ist es eh ganz egal.
Der höhere Stimmton hat aber den großen Nachteil, dass die Bläser in der Stimmung runtergehen müssen, wenn sie Kammermusik mit Klavier machen – und das ist bei Klarinette und erst recht bei Oboe ein echtes Problem. Die Bläser klingen gegenüber dem Klavier immer zu hoch oder klingen schon so, als ob der nächste Ton gleich zu hoch sein wird – das fällt auch halb tauben Akkordeonisten wie uns beiden auf. Und wenn man irgendwo probt, hat das Klavier meistens nur 440 Hz oder – wenn's dumm, also fast immer – kommt, sogar tiefer. Und der Besitzer will meistens nicht höher stimmen lassen, weil das den Rahmen belastet oder die Sänger überfordert ...
Unsere Akkordeonistin, welche mit dem Kammerorchester zusammen spielt, hat ihr zweites Instrument auf 444 Hz gestimmt. Ein Zusammenspiel mit unseren 440 Hz-Akkordeons tönt plombenlösend.
442 Hz klingt (im musikalischen Wettbewerb) gegenüber 440 Hz etwas heller, frischer, leichter, besser, schöner. Aber eben es ist ja nur eine Frage des Startpunktes.
Leider hält sich fast Niemand an die normierten 440 Hz, was dann zu den oben erwähnten Problemen führt.
Gruss Marcel
♥-liche Hz-Grüsse von Paul Frager