Satzendungen am Beispiel "Space Oddity"

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Hallo,

anhand von David Bowie's Space Oddity wollte ich Musiktheorie zu Satzenden/Kadenzen nachvollziehen. Hier kann man reinhören. Hier kann man die Noten sehen. Wobei Begleitung und Gesang nicht klar getrennt werden. Dies ist hier der Fall. Bei letzterem muss man für die volle Version allerdings bezahlen. Auch das Buch „Play acoustic guitar with David Bowie“ hat die Noten in getrennter Weise.

Vorneweg: Man bringt den Song mit nicht-funktionaler Harmonie in Verbindung (hier).

Da ich so etwas zum ersten Mal versuche, habe ich einige Fragen, die ich folgend aufliste (größtenteils gepaart mit der passenden Musiktheorie, die mich beschäftigt):

1:
Ist der iii -Akkord eine „Tonika-Variante“ oder ein „nicht-Tonika-Akkord“ und eignet er sich daher als End-Akkord für ein "Gefühl der Fortsetzung"?

Hintergrund:
„For a feeling of continuation, the chord progression accompanying a vocal-melodic phrase usually ends on:

  • The V or V7 chord; or
  • Some other chord non-tonic chord such as IV or IIm or VIm; or
  • A variant of the tonic chord, such as the seventh (e.g., C7 in the key of C major).“ (2)
2:
Bei „whose shirts you wear“ und kurz danach auch „if you dare“, landen die Sätze auf dem Grundton. Der Begleitakkord spielt am Ende aber jeweils F und kommt von C. Falls wir also hier noch in C-Dur sind, ging es von I auf IV. Inwieweit ist es hier nun eine ankommende/schließende Kadenz bzw. inwieweit schließt hier zumindest die Melodie?

Hintergrund:
Beende eine Melodie mit dem Grundton oder einem Ton des Tonika-Dreiklangs. Nur so erscheint die Melodie vollständig abgeschlossen."(1)

„Melody has harmonic implications, and vice versa. You can't really disentangle the two. Cadence is equal parts harmonic and melodic. The note on which a vocal-melodic phrase ends, and the chord that accompanies it, together constitute a cadence.“ (2)


3:
Sind 7 (Leitton) und 2 (zweiter Leiterton) besonders geeignet als Satzende bei der „Fortführungs-Kadenz“? Sie kommen im Song sehr häufig vor.
Geeignet wegen der Strebewirkung von 2 und 7 (zu 1 bzw. 8)? Weil beide Noten Teil des V-Akkords sind? Kann man Sie als Vertreter des V-Akkords sehen, obwohl der iii-Akkord sie begleitet? Quasi auf der Mikroebene?

4:
Hat es Vorteile, dass die Sätze nicht in der „üblichen“ Weise abschließen? V kommt in der Begleitung nicht vor. Lange landet die Melodie nicht auf dem Grundton. Wenn sie auf dem Grundton landet, dann während IV als Begleitung spielt und nicht I.

Hintergrund:
"Most of the time, the chord that accompanies the last note of a VM phrase is either the V chord (an imperfect cadence, also called a half cadence or half close) or the tonic chord (a perfect cadence, also called a full cadence or full close)."(2)

"[But] for the sake of melodic coherence, the V chord is likely to enter the picture in cadence position somewhere in the eight-bar period." (2)

„One of the most common and structurally sound ways to write a period is to end the first phrase with some type of continuing cadence, and the second with a conclusive V7 - I cadence with the melody landing on scale degree 1. But this is by no means a stock formula.“ (2)


5:
Habt ihr im Song Gesetzmäßigkeiten/ Stile bzgl. Kadenzen entdeckt, die hier noch nicht genannt sind? Z.B.:
  • Spielt es eine Rolle, dass bei vielen Sätzen der vorletzte Ton der Grundton ist?
  • Gibt es irgendwo eindeutig eine abschließende Kadenz?
  • Gibt es Modulationen in dem Song?
  • Herrscht hier nicht-funktionale Harmonie, weil der V-Akkord in der Begleitung nicht vorkommt?

Ich würde mich sehr über jegliche Ideen/Meinungen freuen.

Quellen:
1 Julia Winterson, Paul Harris - Allgemeine Musiklehre, S. 98
2 Wayne Chase - How Music REALLY Works, S. 582 f.
 
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Hallo @SagEsHalt,

anfangs erwähnst du selbst, dass der Song nicht-funktionale Harmonien verwendet. Zitierst du das nur, weil du es gelesen hast, oder hast du das wirklich verstanden?

In all deinen Fragen beziehst du dich nämlich auf funktionale Harmonie, du wunderst dich ständig über die fehlenden oder unschlüssigen Kadenzen.
Tja. Die Antwort (meiner bescheidenen Meinung nach) ist, dass es eben keine Kadenzen sind.

Ich kenne und liebe die Musik von Bowie. Space Oddity würde ich noch als eines seiner "normaleren" Lieder einordnen, da gibt es noch weit verrücktere Sachen.

Er kann durchaus ganz biedere Kadenzen verwenden, wenn er möchte.

Nur ein paar Beispiele für normale Funktionen:
Soul Love


5 Years


hemmungslos die Mischung aus beidem bei Cygnet Committee: einfachste I vi IV V Kadenz bei 2:06 bis 3:17 (später noch einmal), vorher waren es sehr verschachtelte harmonische Wendungen


was ich damit beweisen will:
wenn du eine nicht-funktionale Akkordfolge hörst, dann hat er sich auch was dabei gedacht. Du kannst aufhören, ihm das Korsett der klassischen Harmonielehre mit ihren Auflösungen und Kadenzen überstülpen zu wollen, wenn es nun einmal nicht passt.
Harmonielehre ist ein super Werkzeug, mehr nicht. Manchmal braucht man anderes Werkzeug.

Damit kommen wir zu deiner Grundvoraussetzung im ersten Satz:
anhand von David Bowie's Space Oddity wollte ich Musiktheorie zu Satzenden/Kadenzen nachvollziehen.
meiner Meinung nach ist das Lied dafür (größtenteils) nicht geeignet.

Es gibt immer Annäherungen und Überschneidungen. Es könnte interessant sein herauszuarbeiten, an welchen Stellen man doch mal die Harmonielehre anwenden kann und wo er die ausgetretenen Wege wieder verlässt. Es wimmelt in Bowies Werk von aufgebauten und nicht erfüllten Erwartungshaltungen, vermeintlichen Wendungen die doch auf anderes hinauslaufen, Trugschlüssen...
aber ich denke, in deinem Versuch, alles Note für Note harmonisch erklären zu wollen, auch die Gesangsmelodie mit Grundton auf welcher Silbe untersuchen zu wollen, gehst du am Song vorbei.
 
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Space Oddity:

1.Teil
||: C | Em | C | Em |
| Am Am/G | D7/F# :||

Das Pendel zwischen C und Em ist nichts Außergewöhnliches. Em hat hier Tonikafunktion. Vergleichs mal mit dem Anfang von "Something" von George Harrison. Dort heißt es | C | CMA7 | etc. . CMA7 klingt dem Em in diesem Zusammenhang sehr ähnlich.

Das Em im 4. Takt hat rückwirkend Dominantfunktion bezüglich des darauf folgenden Am.
| Am Am/G | D7/F# ist eigentlich VIm7 V7/V7, nur mit Durchgangsakkord und Umkehrung.
Dadurch dass aber D7/F# wieder direkt zur I geht, klingt es eher wie ein II7 anstatt ein V7/V7.

2.Teil
||: C | E7 | F |
| Fm C/E | F |
| Fm C/E | F :||
Der Anfang des 2.Teils erinnert an "Sitting on the Dock of the Bay" von Otis Redding.
Das E7 löst sich Trugschlußmäßig zum F hin auf.
Das Fm ist ein Subdominantmollakkord und wird hier von der Dominante der Subdominante (C/E) gefolgt.
Das F am Schluß hängt ziemlich der Luft und hat keine abschließende Wirkung.
Dadurch das der 2. Teil nur 7 Takte hat, wirkt er auf mich ziemlich eckig und kantig.
 
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Vielen Dank Euch beiden. Ich habe noch nicht alles komplett lesen und verstehen können, möchte dies aber bald nachholen und werde dann auf einiges etwas eingehen.
 
Michum, zu deiner Frage, ob ich die Aussage mit der nicht-funktionalen Harmonik auch verstanden habe:
Das habe ich. Ich wusste nur nicht wie übergreifend es hier der Fall ist. Aber ich hatte ja explizit gefragt welche (mir nicht bekannten) Gesetzmäßigkeiten man bei Bowie erkennt und welche Vorteile seine unkonventionelle Art (in diesem Fall) hat - daher war mir das natürlich bewusst. Und klassische Theorie ist zumindest ein nützlicher Referenzpunkt, denke ich.

Neben der sehr interessanten Analyse von Cudo II, gibt es übrigens auch hier noch eine zu lesen.

Ich lese mich jetzt in Lektüre über nicht-funktionale Harmonik ein. Über Tipps diesbezüglich wäre ich sehr dankbar.
 

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