Warum kann man über einem Blues in E Dur auch die E Moll Pentatonik spielen?

pilos
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Hey Leute,

Mich würde interessieren warum man nur im Genre des Blues sowohl die A Dur als auch die A Moll Pentatonik spielen kann, wenn der Blues in A Dur zum Beispiel ist ohne schlecht zu klingen? Gilt natürlich für jede andere Tonart. Ich kenne mich musiktheoretisch schon ein bisschen aus, aber das kann ich mir nicht erklären :D Danke für eure Aufklärung! :)
 
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Hey pilos,

ich hätte nun hergeleitet, dass das an den klassischen "Bluenotes" (vereinfacht: kleine Terz, verminderte Quinte, kleine Septime) liegt. Da der Blues durch diese Töne charakterisiert ist, sie die Harmonik aber nicht verändern (man kann keine Dreiklänge auf den Blue Notes bilden), lassen sich z.B. Licks in einem Dur-Blues, die die kleine Terz der Tonika verwenden, wunderbar anwenden. :)

So weit meine Einschätzung. Vielleicht gibt es ja noch eine andere Erklärung.

LG
 
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Grundlage für das Verständnis: Blues klingt nach Blues wegen eines historischen Klangkonflikts. Die Gesänge der in Amerika verkslavten Afrikaner bestanden aus Tönen der Moll-Pentatonik. Aus Afrika kannte man jedoch keine Harmonik. Die kam von den Weißen, und deren einfachste Liedform war seit je her z.B: A - D - E - A (Tonika, Subdominante, Dominante).

So prallten die "weiße" große Terz und die "schwarze" kleine Terz zusammen. Deshalb kommt im Blues alles vor:

# Nur kleine Terz auf Dur7-Akkord
# Nur große Terz aus Dur7-Akkord
# Beide gleichberechtigt
# Beide sozusagen gleichzeitig durch Verschmelzung = 1/4-Ton Bending zwischen kl. und gr. Terz.

Die Dur-Penta enthält 2 Töne, die auch in der Moll-Penta enthalten sind und drei, die dort nicht enthalten sind:

#3 - also große Terz, wie oben beschrieben
gr. 6 - kann problemlos als Ergänzung dazugenommen werden
gr. 9 - kann problemlos als Ergänzung dazugenommen werden.

Das Ganze funktioniert auch deshalb, weil in der üblichen Dur-Penta die große Septime (j7) der entsprechenden Tonart glücklicherweise nicht enthalten ist. Die gr. Sept G# als Stammton würde zum Akkord A7 natürlich gar nicht gehen.

Hier das Ganze noch mal optisch mit beiden Skalen vermischt. Die schwarzen Ziffern sind die Moll-Penta, die roten stammen aus der Dur Penta, die grünen sind in beiden enthalten:


----5-------7---8--9-----------------------------
----5-------7---8-------------------------------
-4--5---6--7-----------------------------------
----5-------7--------------------------------
----5-------7---------------------------------
----5------7---8--9-----------------------------

Oh Schreck, jetzt nehmen wir auch noch Blue Note b5 dazu:


----5-------7---8--9-----------------------------
-4--5-------7---8-------------------------------
-4--5---6--7---8-------------------------------
----5-------7--------------------------------
----5---6----7---------------------------------
----5------7---8--9-----------------------------


... basteln uns daraus ein modernes Blues/Rock-Lick über einen A7-Akkord

E ---------------------------------5---8 Bend 9--5 ---------------
H-----------5-----5---7---5--8-----------------------8-----
G 4--5--6-----8--------------------------------------------------


und wenn wir schon dabei sind, fügen wir die bislang "artfremden" (=alterierten) b9 und b6 als schlüssigen chromatischen Übergang auf den Folgeakkord D7/9 dazu:


6!----------5------------
---6!-------5-------------
------6----5------------
------------4--------
------------5-----------
 
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G
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Danke für die ausführliche Erklärung :)
 
G
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Aber Hans_3 HAT es doch oben gut erklärt.
Und ... eigentlich (!), wenn wir ehrlich sind, klingt es ja - objektiv betrachtet - NICHT gut. Im Sinne von Wohlklang.
Es ist halt nur so, daß wir alle (und unsere Ahnen) uns an diesen rauen Sound gewöhnt und ihn lieben gelernt haben. Mich eingeschlossen.

Thomas
 
Aber Hans_3 HAT es doch oben gut erklärt.
Und ... eigentlich (!), wenn wir ehrlich sind, klingt es ja - objektiv betrachtet - NICHT gut. Im Sinne von Wohlklang.
Es ist halt nur so, daß wir alle (und unsere Ahnen) uns an diesen rauen Sound gewöhnt und ihn lieben gelernt haben. Mich eingeschlossen.

Thomas

Schöne Einlassung! Den Ball nehme ich mal auf:

Es gibt es noch ganz andere Kandidaten, die in früheren Zeiten nicht ohrtauglich waren, aber es im Laufe von Jahrhunderten durch einen laaangen Gewöhnungsprozess geworden sind:

Einen Dur-Akkord mit großer Septime (z.B. Cmaj7) empfinden wir heute als etablierte und stabile Farbe. Vor >150 Jahren klang sowas scheußlich.

Gängig sind heute Zusammenklänge mit kl. Sept (z.B. F7 in einem C-Blues), die für sich stehen können, ohne sich unbedingt auflösen zu müssen. Das war vor dem 20. Jahrhundert ein no go (Tritonus - Teufelsintervall)

Auch sus2 und sus4 waren mal Klänge, die sich unbedingt auflösen mussten. Heute wird dieses Spannungspotenzial als stabile Klangfarbe auch ohne Auflösung (teils schon inflationär im New Pop) eingesetzt.

Dann gibt es noch Nummern, die zu Fahrstuhlmusikohrwurmwelthits geworden sind, obwohl (oder gerade deshalb?) es darin nur so wimmelt vor Alterationen (b9, b5 ...), Tritonussubstituten und spontanen Rückungen -wie z.B. Girl from Ipanema oder Desafinado. Hier bilden raffinierte schlüssigen Melodien die Klammer zu Akkorden, die einzeln gespielt geeigent sein können, im ungeübten Ohr Unwohlsein erzeugen können.

Last not least ist der blues'sche Klangkonflikt (3 vs. b3=#9) ja längst in einen Akkord aufgangen, den wird als völlig etablierte, eigenständige Klangfarbe (und nicht mehr als grausamen Konflikt) wahrnehmen und supergerne spielen: 7#9.
 
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