Zwei Strophen reichen, oder?

Jed
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Hallo, alle,

In diesem Thread: https://www.musiker-board.de/threads/1-lyric-versuch.664547/ war die Sprache von Liedern mir 2 Strophen, die starke Parallelen aufweisen, und wobei willkürliche Brüche in der Parallelität den Leser/Hörer zum nachdenken anregen (sollen).
So ein Lied schrieb ich vor etwa 20 Jahren. Das kam so: der Bassspieler unserer Gruppe spielte uns (auf der Gitarre) ein Stück vor, das er wiederum vor 20 Jahren komponiert hatte. Fanden wir alle gut. Der andere Sänger der Gruppe sagte, "Au, ja! Ich habe den passenden Text dazu!" Also wurde daraus ein Lied. Mit 8 Strophen. Uber eine vielbesuchte Ruine in England. Nicht wirklich mitreißend. Die Musik hätten wir gerne aufgeführt, aber den Text ...
Also setzte ich mich hin und schrieb einen "Zweistrophler". Mit zwei Instrumentals mit Geige, Mandoline, Gitarren und Bass vorweg, Mandoline und Geige zwischen den Gesangsstrophen und wieder Geige, Mandoline, Gitarren und Bass dahinter wurde es zu einem unserer Lieblingsstücke - gleichermaßen bei uns Musikern und unserem Publikum. Unsere Aufnahme könnt ihr hier hören.

Und so etwas meine ich mit strenger und "gebrochener" Parallelität.
Hier der Text, der zwischen den Instrumentals gesungen wird:

The Meadow

(Instrumental verse)

Lying in the meadow when the sun is at its zenith,
Hearing the skylark soaring as she sings,
Smelling the sweet scent of all the flowers in the meadow,
Feeling the breeze breathe life to all things;
Over my arm, your hair in lush profusion,
Under my hand your slim body lies.
This is the moment that should last for ever:
Love in our hearts and summer in the skies!

(Instrumental verse)

Lying in the meadow as the sun nears the horizon,
Still hearing skylarks, soaring as they sing;
Still the scent of all the meadow flowers fills my senses,
And still the light breeze stirs everything.
Under my head, my hands are clasped together;
Empty the place where your body lay.
When will this long and tiresome day be over?
When will the night hide loneliness away?

(Instrumental verse)

Ein sehr "englischer" Text, der sich schwer Übersetzen lässt, aber so in etwa:

Die Wiese

In der Wiese liegen, als die Sonne im Zenit steht,
Die Lerche hören, wie sie steigt und singt,
Den süßen Duft all der Blumen auf der Wiese riechen,
Spüren, wie die Brise in alles Leben einhaucht;
Über meinem Arm dein Haar in üppiger Pracht,
Unter meiner Hand liegt dein schlanker Körper.
Dies ist der Augenblick, der ewig dauern sollte:
Die Liebe in unseren Herzen, und Sommer am Himmel!

In der Wiese liegen, als die Sonne sich zum Horizont neigt,
Immer noch Lerchen hören, wie sie steigen und singen;
Immer noch erfüllt der Duft all der Wiesenblumen meine Sinnen,
Und immer noch bewegt die leichte Brise alles.
Unter meinem Kopf sind meine Hände gefaltet;
Leer die Stelle, wo dein Körper lag.
Wann wird dieser langer, mühsamer Tag vorbei sein?
Wann wird die Nacht die Einsamkeit wegschließen?

Cheers,
Jed
 
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Hi Jed,
klar reichen zwei Strophen - wie man sieht!
Generell ist mein Herangehen der alte Bauhaus-Satz: form follows function - und etwas weniger technisch als es Funktion vermuten läßt: die Form folge dem Inhalt und nicht umgekehrt.

Hier ist es eben der Unterschied zwischen zwei Momenten der gefühlten Ewigkeit: Zusammen sein - getrennt sein.
Mehr muss nicht!

Und dann ist es eben Aufgabe des Arrangements und der musikalischen und gesanglichen Umsetzung, diesem Ausdruck Ausdruck zu verleihen - und nicht Foderungen an ihn zu stellen, er möge gefälligst anders daherkommen, weil sonst der song zu kurz oder zu lang oder sonstwas wäre.
Für mich immer wieder ein Fels in dieser Brandung: Bob Dylan, der, wenn er eben viel zu erzählen hat, kein Problem darin sieht und damit hat, songs von 15 Minuten Länge zu machen, die zumindest für mich keinen Deut langweilig werden - und dann andererseits kurze poetische songs wie one more cop of coffee oder Oh sister oder all along the watchtower in die Welt zu setzen.

Doch auch ohne Bezug auf Dylan: ein schönes Maß gefunden - so soll es sein. Innehalten und sich das einfach anschauen: so ist es. Hat was meditatives: Achtsamkeit.

Aber auch hier muss man nicht so weit gehen: das Volkslied wußte immer schon um die beiden Seiten des Lebens und dass das eine so zu nehmen ist wie das andere und dass beides dazu gehört: Freude und Wehmut oder Sehnsucht. Und gerade diese Weigerung, hier eine Synthese bilden zu wollen oder das eine im anderen aufzulösen, finde ich so großartig: es so nehmen und zu nehmen wissen - und dem Ausdruck verleihen.

Schön. Und schön von Euch umgesetzt bzw. in die Welt gesetzt!

Und by the way: man könnte natürlich auch einen "sehr deutschen" Text daraus machen - die Romantik läßt grüßen, wenn man nicht weiter zurück zum Mittelalter will - dort gibt es großartige Lieder und Gedichte über die Welt mit ihren zwei Gesichtern ...

x-Riff
 
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