Zusammenhänge der Tonerzeugung

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Hallo!
Ich stelle meine allgemein Blechbläser betreffende Frage mal hier, da am meisten los sein sollte, Trompeter sich meiner Erfahrung nach mit am meisten damit beschäftigen, und der @Claus ganz sicher gleich einiges an gesammeltem Wissen loswerden kann...

Also: Ich suche möglichst eine genaue (vielleicht sogar wissenschaftliche) Erläuterung der Zusammenhänge bei der Tonerzeugung beim Blechblasinstrument.
Ich weiss von einigen "Schulen", die sich mit einzelnen Schwerpunkten im Hinblick auf üben und effiziente Technik beschäftigen.
Inwieweit darin die Zusammenhänge genau abgeklärt werden weiss ich nicht.
Mich interessieren z.B. die Zusammenhänge von Lippenöffnung, Luftgeschwindigkeit und Tonhöhe vom physikalischen Standpunkt aus.
Was genau schwingt eigentlich an den Lippen? Muskeln/Hautgewebe? Gibt es Untersuchungen über den Einfluss der Lippenphysiognomie bei den verschieden hohen Blechblasfamilien?

Welche Literatur könnt Ihr mir empfehlen, wo kann ich ggf. weitere Infos erhalten?

Danke und Grüße!
 
Eigenschaft
 
Die Tonerzeugung beruht auf einer Balance der Kräfte von Luft und Lippen, sie wurde hier schon verschiedentlich aufgedröselt.
An den Lippen schwingt das äußere Gewebe, sofern man angemessene Bedingungen bei der Lippenstellung und Lippenspannung schafft und den benötigten "Treibstoff" der unterstützen Atmung bereitstellt.

Das dreidimensionale Schwingen mit Öffnung und Schließen der Lippen entsteht aufgrund des Luftstroms gegen den Widerstand der Lippen. Man nennt den Vorgang Lip Buzz und sich damit zu beschäftigen gehört zum Besten, was man für Ansatz und Atmung als technische Voraussetzung für einen brauchbaren Klang tun kann. Aus dem brauchbaren Klang einen guten/schönen Klang zu formen ist eine Sache der Klangvorstellung. Die entwickelt man durch Hören musikalischer Vorbilder und geduldige Nachahmung, außerdem gilt immer, auch bei technischen Einspielübungen: Ohren auf und gut hinhören, ob und wie es klingt.


Der folgende Link führt zu einer Dissertation von Claudia Schade, in der auch einige Grundlagen angesprochen werden:
http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/files/7881/SchadeClaudiaChristine.pdf
Du hattest auch nach Physik gefragt:
http://www.wokustik.de/Die-Bedeutung-des-Mundstueckes-bei-Blechblasinstrumenten.pdf
Auf der Homepage des Ingenieurs und Posaunisten gibt es noch mehr:
http://www.wokustik.de/wokustik6_012.htm

Auf Youtube gibt es gute und weniger gelungene Clips zum Thema, hier ist eine schöne Demo für den Einstieg zum Mitmachen vom Trompetenlehrer Robert Schweizer, weiter kann man bei David Bilger und Reinhold Friedrich schauen (s.u.):



Mich interessieren z.B. die Zusammenhänge von Lippenöffnung, Luftgeschwindigkeit und Tonhöhe vom physikalischen Standpunkt aus.
Diese Zusammenhänge kannst Du auf der DVD "Blasinstrumentenspiel" sehen, aber auch im Eigenversuch ausprobieren, am einfachsten als Buzzing auf dem Mundstück:
Mehr Luft macht den Ton lauter, schnellere Luft macht den Ton höher - weil die Lippen dann schneller schwingen. Erzeugt wird die Beschleunigung durch eine Erhöhung des Luftdrucks
Letzteres erfordert zwangsläufig einen höheren Widerstand der Lippenspannung, damit sie fortgesetzt schwingen können.
Die Beschleunigung der Luft geht normalerweise mit einer Kompression des Brustraums und einer unwillkürlichen Verengung des Luftwegs bis in den Mundraum einher, die Zungenwölbung passt sich dem an: a - e - i und (extrem hohes Register: ch - ss).
Die Lippenöffnung würde ich genauso wie die Zungenstellung nicht bewusst und aktiv beeinflussen wollen, weil solche willkürlichen Einflussnahmen viel zu grob sind.
Objektiv ist die Lippenöffnung größer bei tiefen Tönen, lauten Tönen und kleiner bei hohen Tönen und leisen Tönen.
Aufgrund der individuellen Unterschiede ist es am besten, man hält sich an vielfach bewährte Grundsätze zu Ansatz und Atmung. Bewirkt das Üben eine gute technische und musikalische Entwicklung und fühlt man sich beim Üben richtig wohl, dann sind das natürlich gute Zeichen.
Von nichts kommt nichts und daher sollte man das Üben schon darauf abstellen, auch die Technik zu entwickeln.
Grundelemente sind Atmung (Clarke, Smith, Colin, Schlossberg), Bindeübungen (Colin, Schlossberg) und Artikulation (gestoßene Töne), wofür sich praktische jede Übung eignet.

Ich bin aus eigener Erfahrung sehr dafür, das Buzzing ins tägliche Üben einzubeziehen. In ausgebauter Form kann man das z.B. mit dem von mir seit Jahren häufig empfohlenen Video von Reinhold Friedrich, Fundamentals und Solo Warm Up:
https://www.playwithapro.com/video/artist/reinhold-friedrich

Die beste leicht zugängliche und zugleich wissenschaftlich überprüfte Erläuterung der Vorgänge (nicht nur) zum Blechblasen findest Du auf folgender DVD, in meinem Beitrag gibt es verschiedene Vorschaulinks:
https://www.musiker-board.de/thread...spiel-dvd-einblicke-ins-koerperinnere.568603/

Übrigens, Vorsicht bei älteren Lehrwerken von Arban 1869 bis mindestens in die 1980er Jahre, denn Vieles davon ist wissenschaftlich unhaltbar, sprich falsch und die Anweisungen können durchaus mehr schaden als nutzen - man wusste es früher einfach nicht besser.

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Wissenschaftliche Untersuchungen von der Physik der Tonerzeugung bei Musik (besonders bei Blasinstrumenten) gibt es auch auf den englischsprachigen Seiten der University New South Wales (UNSW) Sidney, Australien:

http://newt.phys.unsw.edu.au/jw/basics.html
 


http://mb.drtrumpet.eu/deutsch

Servus, vielleicht beantworten die Seite und das Video von Prof. Dr. M. Bertsch von der Musikuniversität Wien einen Teil deiner Fragen.

Gruß Hermanson
 
Wow, das ging ja mal wieder schnell...
Ganz vielen Dank für die umfangreiche Beantwortung, da hab ich viel zu lesen, und es sieht erstmal so aus, als wäre das genau das was ich suchte...
Durchs wissenschaftliche und englische muss ich halt durch ;-)
Kann jetzt natürlich etwas dauern, bis ich das alles gelesen hab, aber bei Unklarheiten weiss ich ja, wo ich fragen kann ;-)

Grüße und schöne Zeit!
 
Kann jetzt natürlich etwas dauern, bis ich das alles gelesen hab, aber bei Unklarheiten weiss ich ja, wo ich fragen kann ;-)

Noch schöner wäre eine Zusammenfassung deiner neu gewonnenen Erkenntnisse, damit wir auch was davon haben. :D

Gruß Hermanson
 
Ja, im Grunde arbeite ich ja an sowas in der Art - wird grade fast ne Art Schule oder Kompendium - ganz intern ;-)

Klar veröffentliche ich hier dann mal einen Zwischenstand zur Kontrolle, kann aber dauern....
 

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