Larrivée Factory Tour 2018

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Factory Tour mit Jean Larrivée - oder 2 Neugiernasen lassen sich A-Gitarrenbau erklären.


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Vielen Dank an den deutschen Vertrieb Musik Wein, der uns die Tür geöffnet hat zu einem sehr interessanten Abstecher in den Norden von Los Angeles. Oxnard liegt ca. 1 Stunden von den Hollywood Hills entfernt und ist Hochburg für den A-Gitarrenbau. Nicht nur Larrivée hat sich dort angesiedelt, auch Cordoba Music hat seine Zentrale dort. Unter anderem mit der Marke Guild und eben den vorrangig Nylon String bauenden Cordoba.

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Im Eingang eine kleine Sammlung von Werkzeug und Material, sowie ein Bild der Belegschaft. Am Standort Oxnard hat sich Larrivée deutlich verkleinert im Vergleich zur Wirkungsstätte in Kanada. Dort hatte man 5x die Fläche und auch das entsprechende Volumen. Und so finden wir in Oxnard immer noch eine sehr großzügig bemessene Halle, in der es in Summe etwas zu eng ist. Überall müssen Bauteile und Rohmaterialien gelagert werden. Dies liegt aber auch an der Tatsache, dass die Fabrik in Kanada vor kurzem endgültig geschlossen wurde. Was noch an Material da war, wurde nach Kalifornien gebracht.

Warum man als Kanadier (zur Erinnerung, das sind die Amerikaner ohne Waffen, aber mit Sozialversicherung) in die USA kommt, beantwortet er mit der Einführung der Gewerkschaft für alle Betriebsgrößen in Kanada. Alleine dieses Thema hatte mal schnell seinen kompletten Gewinn "gefressen". Aus dieser Erfahrung resultiert auch die Dimension hier in Kalifornien. Irgendwo unter 50 Mitarbeitern liegt der Bereich in dem man als Selbständiger Kleinunternehmer arbeiten kann, ohne die "Administration" mitschleppen zu müssen.

Mit dem Hintergrund der Fabrik sind dann jedoch auch die Abläufe in Oxnard entstanden. Ich habe ja schon viele Hersteller besucht und bin erst mal bei der "Eingruppierung" Fabrikation oder Custom Shop gescheitert. Zu groß für Custom Shop ist die Unternehmung und die Fläche - zur groß für Fabrik ist die Einbindung des Chef in den täglichen Ablauf, sowie die individuellen Optionen bei der Bestellung.

Und in diesem Mix bewahrt man sich den Kontakt zum Produkt. Die Teams erledigen am Vormittag die Beleistung der Decken ... und am Mittag die Hälse. Man arbeitet "Batches" ... also Stapel von Material und erst ganz zum Schluss wird das "Einzelstück" vollendet. Der Vorteil ist, dass sein ganzes Team mehr als eine Tätigkeit beherrscht. Man ist also eher "Hilfsmittel-Luthier" als "Hilfsarbeiter".

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Wenig romantisch stehen hinterm Haus noch Container aus Kanada. Dort drin wäre noch ein kompletter Maschinenpark. Allerdings sind wir nicht deswegen hier hinten, sondern wegen den angelieferten Holzstapeln die in der Nähe des Tores lagern.

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Holz ist das Lebenselixier des A-Gitarrenbau. Und da der Nachschub immer schwieriger wird, verbringt auch Jean Larrivée einen Teil des Jahres "On the Road". Also auf der Suche nach gutem Holz. Dabei ist er 3x im Jahr auch in Deutschland und stöbert im Alpenraum nach Sitka-Fichte, welches für Decken verwendet wird. Ebenso aus dem Alpenraum stammt das von ihm (immer für das Bracing - auf extra Bestellung für die Decke) verwendete Mondholz. Wenn ihr den Artikel bei Wiki durchstöbert, werdet ihr erkennen, dass die Vorzüge des Holzes sich nicht nur auf das von vielen als VooDoo abgetane Fälldatum bezieht, sondern auch auf den nachfolgenden Prozess der Verarbeitung. Grade bei Gitarren haben bisher alle Hersteller immer dann von "höhenwertigem Holz" gesprochen, wenn die "Säfte" (Wasser und Harze) weitestgehend aus dem Holz raus sind.

Jean ist aber nicht nur auf der Suche nach Deckenholz, auch aufregende Korpushölzer haben es ihm angetan. Im "Crossroads" - so nenne ich den Raum, an dem sich Hälse und Korpus treffen - haben wir auch Walnuss aus Australien gesehen. Und auch mit seinen Braz. Rosewood Beständen kommt er noch eine Weile zurecht.


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Aber Ok, ein Schritt nach dem Anderen.

Im ersten Abschnitt - und im Video unten gibt es da etwas mehr als in den Bildern - werden die Planken zugeschnitten. Dabei kommen mehrere Maschinen zum Einsatz, die von "alt" bis "modern" reichen. Hier exemplarisch das Schild der Bandsäge aus der Fraktion "unkaputtbar".

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Zwischendurch aber auch immer wieder sehr moderne Maschinen und Anlagen. Hat die Bandsäge ihre Arbeit erledigt, dann kann die CNC anfangen ihre Teile herzustellen. Dabei gibt es Bauteile, die die CNC vollendet - z.B. Brücken - und es gibt Bauteile, bei der die CNC den groben Schnitt erledigen darf. Dazu gehören Hälse, die im Nachgang dann von Hand fertig geschliffen werden.

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Eher vorsintflutlich sehen dann die beim Gitarrenbau omnipräsenten Einspannvorrichtungen aus. Immer wenn "Hälften" geklebt werden - z.B. Decken - kommen sie in verschiedenen Formen zum Einsatz.

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Und dann gibt es aber ebenso die Unterdruck Silikon Hauben. Diese üben Druck aus und helfen z.B. beim Verkleben des Bracing auf die Decke. Früher gab es dafür die Tische mit den "Flex-Stäben" um den Druck an die richtige Stelle zu bekommen. Der Werzeugpark ist also durchaus ein Mix.

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früher ging es so - Santa Cruz Guitars

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Und eine Ecke weiter steht dann ein Laser Cutter ... im direkten Kontrast zu den "Heizungen" auf denen die Zargen geformt werden.


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Ach ja, die Maschine will ich euch auch nicht verheimlichen. Ein umlaufendes Schleifpapier wird angetrieben, läuft auf der Vorderseite über eine massive Metallschiene mit dem Griffbrettradius. Über ein Druckluftelement wird das Band gespannt.

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Und mit einem Bild der Haltevorrichtung für zu bearbeitende Hälse, verlassen wir auch den Teil 1 ... (Bilder Limit demnächst erreicht) ...

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Im Teil 2 schauen wir uns dann an, was er macht. Ausserdem ist ein Video vorbereitet ..

Gruß
Martin

 
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Eines der Trademarks von Jean Larrivée sind die verzierten Kopfplatten und Einlegearbeiten auf dem Griffbrett. Die Designs stammen im wesentlichen aus der Feder seiner Frau und reichen von "schlicht und Understatement" bis "knapp am Kitsch" vorbei. Oder es liegt nur daran, dass ich einfacher gestrickt bin. :nix:

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Auch Binding macht man selbst. Dazu werden in verschiedenen Verflechtungen platten verklebt und dann in Streifen geschnitten.

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Alle Decken werden nach der Vorbereitung durch Jean den Qualitätsstufen zugeteilt. Ebenso erledigt er eine Zuteilung zu den verschiedenen Korpusformen, da er sehr schnell erkennen kann - Erfahrung ist das halbe Leben - welche Größe Gitarre einen sehr homogenen Teil der Decke erhalten würde. Als kleinen Nebeneffekt hat er dadurch die Chance einige ausgewählte Stücke in sein "Don't Touch Lager" abzuzweigen. Aus dem Lager zaubert er bei speziellen Bestellungen ein Stück Holz hervor, welches dem Auftrag gerecht wird.

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Draussen werden in der Zwischenzeit die Zargen gebogen und mit den Fixierrahmen, einem Holzblock an der Halsaufnahme und einer Holzplatte am Heck in Form gebracht und verklebt. Innen ist das Holzband aufgebracht an dem dann die Decke festgeklebt werden kann. Die schwarze Folie ist die Stelle an der später die Elektronik eingebaut wird. Ein eigenes System hat er jedoch nicht.

Dieser Teilschritt fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Man würde einem "dünnen Holz" gar nicht zutrauen sich so zu verformen, ohne zu zersplittern. Vielleicht erinnert sich noch jemand an das Video aus der Taylor Fabrik. Dort konnte man eine moderne Maschine sehen, die den Biegevorgang durchführt. Und das ist jetzt nicht so, als würde sie sich dafür Zeit lassen.

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Wie oben bereits erwähnt, ist das Bracing bei Jean Larrivée aus MoonWood. Laut seiner Aussage ist es damit so "reif", dass es keinerlei Verformung (verdrehen) mehr unterliegt. Es ist stabil, schwingt aber gut. Zusätzlich zum Bracing bietet er auch komplette Decken aus dem Material an und der Aufpreis war jetzt nicht so erschreckend, wie erwartet. Denkt man jedoch kurz drüber nach, dann ist es ja eigentlich klar. Bereits für reguläre Decken kann man nur hochwertiges Holz verwenden, wenn man so gute Gitarren bauen möchte wie es Jean tut. Da ist der Schritt zum Mondholz nicht mehr groß.

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Wie ihr sehen könnt, arbeitet auch Larrivée mit unterschiedlichen Bracing in Abhängigkeit des Modells. Und auch hier kann man sehen, dass da nicht nur stumpf eine Deckenverstärkung eingebaut wird, sondern über die Form auch gesteuert wird, wo und wieviel die Decke schwingen darf. Ausserdem gibt es ja je nach Grundkonstrukt und Holzauswahl auch die Notwendigkeit unterschiedliche Frequenzen zu hofieren, oder einzudämmen.

Sind alle Teile für den Korpus parat, wird dieser verleimt und im Nachgang kritisch begutachtet und teilweise noch mal geschliffen. Und erst wenn der Rohbau abgeschlossen ist, sieht der Korpus zum ersten mal den Hals. Sozusagen ein Vorstellungsgespräch, denn direkt danach trennen sich die Wege erst mal wieder, bevor man sich im Crossroads endgültig trifft.

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Nein, wir sind noch nicht in der Lackierung :D ... Die Farbe auf der Gitarre ist nur Licht. Ultraviolettes um genau zu sein. Damit kann man die Stellen finden an denen Kleber auf der Decke ist. An den Klebestellen würde der Lack nicht dauerhaft halten, also wird das markiert und abgeschliffen.


Hier nun die Station an der Korpus und Hals sich im Rohbau mal kurz treffen. Die Verbindung zwischen Hals und Korpus ist zwar per CNC vorbereitet, wird hier aber in Handarbeit perfektioniert. Die Güte der Verbindung trägt zum guten Klang bei. Nach dem "Treffen" werden Hals und Korpus nummeriert - sind sich als versprochen ...

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Ich habe allerdings keine Ahnung, warum sich der Korpus auf den Hals einlässt. Die Taille ist doch noch sehr rustikal und wenig attraktiv :eek:. Aber wie wir oben gesehen haben, liegt da ja auch noch einiges an Fitnessprogramm vor dem Hals. Unter anderem die Schleifstation. Allerdings sollte man auch nicht verheimlichen, dass nachdem Griffbrett und Halspannstab den Weg in/auf den Hals gefunden haben, die CNC noch mal die erste Formung der Rundung übernimmt. Dann allerdings kommt es wieder zum Handwerk ...

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Ist dann soweit an Hals und Korpus alles vorbereitet - und da liegt noch Schleifen, Schleifen, Schleifen, Reinigen, Polieren, Schleifen, Schleifen dazwischen, dann kommt Klebeband auf die Stellen die nicht lackiert werden sollen. Ebenso wird ein Stab aufgeklebt, der als Halter für den Lackiervorgang dient.


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Und dann nähern wir uns dem Grande Finale ... Am Crossroad warten Korpus und Hals auf den Zusammenbau, die Mechaniken, Saiten und Setup kommen da dazu - und Ruhe, denn man muss sich ja erst aneinander gewöhnen. Daher erfolgt das Finale Setup erst, wenn die Gitarre für den Versand vorbereitet wird. Im Koffer geht es auf die Reise.


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VIDEO






Nach einem weiteren sehr netten Gespräch im Büro von Jean verlassen wir Larrivée ... Im Gepäck die ganz oben bereits beschriebenen Eindrücke. Gesehen haben wir einen Custom Shop in Fabrik Dimension ... oder war es eine Fabrik mit Custom Inhalten :gruebel:. Auf jeden Fall ein sehr interessanter Mix aus modernen und traditionellen Herangehensweisen. In jedem Fall aber ein Familienbetrieb bei dem Tochter und Sohn aktiv sind und das Handwerk erlernen.

Hat Spaß gemacht - ich hoffe euch auch :great: ...


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Wir sind dann mal die Gegend um Oxnard beschnuppern ... dahinten liegt irgendwo Malibu ... und hinter der letzten Ecke Los Angeles.


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Gruß
Martin



P.S. Fundsachen bei Larrivée ... Solid Body Gitarren. Davon hat man mal einige gemacht und sie wurden aus Kanada mitgebracht. Ein Mitarbeiter aus dem SetUp Team baut derzeit immer mal wieder eine fertig und verkauft die bei Reverb. Und die Nachfrage scheint durchaus da zu sein, denn zwischen den Zeilen würde ich stark davon ausgehen, dass sie in kleinen Mengen auch das Thema Sold Body wieder angehen. Auch wenn die Bilder was anderes vermuten lassen, würde T-Style da wohl vorne liegen.

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Für mich ein Highlight deiner NAMM-Reportagen :great:
 
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VIelen Dank für diesen schönen Bericht!
 
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super Bericht, immer wieder schöne Bilder und Storys :great:
 
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Danke für diesen schönen Bericht.

Dachte, heute Morgen wären noch mehr Fotos zu sehen gewesen?
 

Eines ... mit viel zu viel iPhone Zoom auf das Hochregal ... das war mir dann doch zu pixellig, aber wenn du magst :)

Immerhin die seltenen SolidBody Formen.

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Gruß
Martin
 
Auch ich lese diese "Fabriktouren" ausgesprochen gerne und jedes Mal habe ich das Gefühl, ich müsste eine dieser leckeren Gitarren ordern. Ich bedanke mich für die Mühe, die ihr auf euch nehmt, solch schöne Artikel für das Board zu schreiben und sehr anschaulich mit Bildern zu versehen. Das ist großartig und hilft hoffentlich auch den Herstellern, größere Akzeptanz in Europa zu erlangen. - Both thumbs up! :great::great:
 
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Eine fantastisch gute Reportage !, vielen Dank dafür !
 
Die haben mal ne Art Les Paul Junior gebaut. Gabs sogar als Linkshändermodell.
Leider hab ich damals keine gekauft.
 
Leider hab ich damals keine gekauft.

ich könnte mir vorstellen, dass du eine zweite Chance bekommst. Es gab ja noch Rest-Bodies und ein Mitarbeiter hat die "fertig" gebaut und bei Reverb angeboten. Das hatte so viel Nachfrage generiert, dass sie wohl sehr intensiv drüber nachdenken ob sie im Solid Body Bereich noch mal aktiv werden sollen.

Gruß
Martin
 
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Vielen Dank auch von mir, es ist immer ein Vergnügen, deine Berichte von den Werksbesichtigungen anzusehen :great:
 
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Als Besitzer einer kanadischen om 03 sehr interessant zu lesen , danke dir :great:

Grüße b.b
 
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Der Jean Larrivée ist noch ein edler (Kunst)-Handwerker alter Schule, einer der den Naturwerkstoff Holz noch so sehr schätzt und liebt wie auch ich.

Binding aus Kunststoff ist für ihn ein no go und das finde ich richtig gut !

Seine Gitarren sind klangtechnisch top und optisch eine absolute Augenweide, von schlicht schön bis viel bling bling schön (z.B. Kopfplatte) ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Jedenfalls hätte ich, ohne eine Gitarre zu erwerben, seinen Betrieb nach Besichtigung nicht verlassen.:)
 
Grund: Edit letzter Satz
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Oh ja, glaube ich dir gerne...bitte Musikzimmer zeigen..ist da eine Larrivée dazu gekommen ? :)
 
ist da eine Larrivée dazu gekommen ?

nein, noch nicht ... dieses Jahr war ich bisher - in Bezug auf Factory Tours noch brav. Aus dem letzten Jahr gibt es einige LsL, Taylor 618 und Tom Anderson Nachwirkungen ...

Ansonsten lohnt auf der A-Gitarren Seite ein Blick in Richtung Kaffee Maschine fast mehr, als ins E-lastige Musikzimmer. Die Daltons :)

the Daltons.jpg
 
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Das Foto kannte ich schon, gefallen mir alle ausgesprochen gut !, ich nehme die links neben der Gibson ;)..oder ganz rechts die Palor..sind beide vom gleichen Hersteller (Sanden) und tolles tobacco burst :great:
 
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