Erfahrungen/Lösungsansätze Frustrationstoleranz Schüler

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shakerunner
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Hallo zusammen,

ich würde hier gerne einmal einen Thread aufmachen zum Thema Frustrationstoleranz/Übeverhalten von Schülern, ob ihr da bestimmte Probleme kennt und/oder wie ihr mit ihnen umgeht. Bei mir handelt es sich um ein Phänomen, dass ich leider bei 50 Prozent meiner KlavierschülerInnen feststelle und bei dem ich nicht wirklich weiß, wie ich ihm entgegenwirken kann. Leider ist es so, dass einem sehr großen Teil meiner SchülerInnen (aus meiner Sicht) nicht wirklich klar ist, was Automation von Lerninhalten bedeutet, bzw. dass für eine neue Finger-Bewegung/einen neuen Takt etc. teilweise hunderte Wiederholungen nötig sind, um sie "fehlerfrei" und automatisiert spielen zu können. Sehr häufig kommt es vor, dass ich einem Schüler vorschlage, einen bestimmten Takt oder Ähnliches einmal isoliert zu üben, der Schüler den Takt dann zweimal spielt, sich danach wieder zu mir dreht und "auf weitere Anweisungen" wartet. Es ist nicht so, dass ich das Thema "Wiederholen, üben, wiederholen, üben" vor meinen Schülern nicht ansprechen würde, ich glaube, dass es einigen teilweise schon zum Hals raushängt :D Nur leider scheinen es die meisten nicht zu verinnerlichen und gerade bei älteren Schülern entsteht dann schnell Frustration, wenn etwas Neues nicht schon nach zehnmaligem Spielen "in den Fingern sitzt".
Habt ihr diese Erfahrung schon gemacht und wie seid ihr so damit umgegangen?

Viele Grüße
Shakerunner
 
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Sehr häufig kommt es vor, dass ich einem Schüler vorschlage, einen bestimmten Takt oder Ähnliches einmal isoliert zu üben, der Schüler den Takt dann zweimal spielt, sich danach wieder zu mir dreht und "auf weitere Anweisungen" wartet.
In so einem Fall schicke ich einen Schüler auch schon mal durch die ganze Palette der Rhythmisierungen durch. Das hat mehrere Vorteile:
  1. Ich kann dem Schüler nach jedem Durchgang neue Anweisungen geben.
  2. Der Schüler spielt die Stelle dann x-Mal, je nachdem, wieviele Rhythmisierungen mir zu der Stelle einfallen. Meistens fallen mir seeeehr viel ein ... :D
  3. Es ist abwechslungsreicher als die Stelle 20x hintereinander gleich zu spielen.
  4. Die Stelle geht hinterher. :)
  5. Der Schüler hat das Erlebnis: Aha, wenn ich das Richtige übe, kann ich hinterher so eine Stelle spielen.
Darauf, daß der Schüler dann zuhause auch übt, habe ich aber keinen Einfluß. Ich kann nur versuchen, ihm zu erlebbar zu machen, daß es toll ist, wenn man etwas kann, daß üben Spaß machen kann und daß man weiter kommt, wenn man übt. Das klappt manchmal, und manchmal nicht. Bei nichterwachsenen Schülern hängt dann auch noch einiges vom Elternhaus ab.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Hallo McCoy, vielen Dank schonmal für deine Antwort, das klingt spannend! Was meinst du denn in diesem Zusammenhang genau mit Rhythmisierung? Bei Tonleitern, Fingerübungen etc. kann ich mir das sehr gut vorstellen, doch wie würdest du einen Schüler mit dieser Technik einen einzelnen oder zwei Takte eines klassischen Stückes üben lassen? Ich hoffe, ich interpretiere in diesem Zusammenhang den Begriff richtig.

Viele Grüße
Julian
 
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Beethoven, Sonate Op.2 Nr1, F-Moll, Takte 31/32.

Ich habe die rechte Hand nicht mehr komplett ausnotiert (zu faul :D), ich denke, man versteht, was gemeint ist.

Ich lasse das nicht(!) metronomisch oder im Takt spielen. Es ist immer ein Wechsel zwischen einem langen Ton und einer oder mehrerer Sechzehntel. Auf dem langen Ton darf der Schüler so lange "ausruhen", bis er genau weiß, welche 4 Töne als nächstes kommen und welche Bewegungen (Fingersatz etc.) er dafür als nächstes machen muß. Die Sechzehntel werden dann möglichst schnell ausgeführt. Man muß also immer vier Töne vorauslesen, hat für dieses Vorauslesen aber beliebig viel Zeit. Durch die Verschiebung des langen Tons in jeder Variation auf die jeweils nächste Note hat man am Ende alle Stellen einmal schnell gespielt bzw, geübt. Am Schluß wird die ganze Stelle dann noch ein paar mal normal - also so, wie sie notiert ist - gespielt.

Die rhythmischen Variationen notiere ich für den Schüler natürlich nicht. Das wird direkt so am Notentext entwickelt.

Es sind 6 rhythmische Variationen. Wenn man jede Variation 3x spielt und am Schluß die normale notierte Variation noch 2x spielt, hat man die Stelle schon 20x gespielt. :great:

Viele Grüße,
McCoy
 
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Wow, vielen Dank für die ausführliche Antwort! Das werde ich genau so mal ausprobieren! :)
 
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Dass Schüler erstmal nach 2x spielen neue Anweisung erwarten, finde ich einleuchtend. Sie wissen es ja erstmal nicht besser und brauchen möglichst konkrete Anweisung und Rückmeldung. Je jünger hinsichtlich Alter und Übeerfahrung, umso mehr.

Ich glaube, man muss ich im Klaren sein, dass effektives Üben nicht bedeutet, das ganze Stück durchzuspielen. Als Lehrer muss man sicher Hilfestellung leisten, um die schwierigen Stellen zu identifizieren.

Hast du mal folgendes ausprobiert:
- kritische kurze Abschnitte markieren
- dazu die Anweisung, welche Abschnitte 3x, 5x, 7x täglich zu üben sind. Der Schüler macht eine Strichliste.

Wichtig ist, dass die Stellen fehlerfrei sind. D. h. das Tempo der isolierten Stellen muss so langsam gewählt werden, dass fehlerfreies Spiel möglich ist.

Als Steigerung könnte man noch einführen, dass die fehlerfreien Durchgänge hintereinander erfolgen müssen, d. h. bei einem Verspieler beginnt die Zählung wieder bei 1.

Meine frühere Geigenlehrerin hat mir mal empfohlen, schwierige Stellen auch rückwärts zu üben. Natürlich langsam. Allerdings bin ich nicht sicher, ob das auch am Klavier funktionieren würde.

Eine weitere Variante wäre noch, die Übestelle von kurz (mit nur 2 aufeinanderfolgenden Tönen beginnend) nach länger auszuweiten.
 
Bei älteren gehe ich sehr ähnlich vor, wie McCoy.

Bei jüngeren Schülern (Grundschulalter) versuche ich oft, aus den Liedtiteln etwas zu basteln. Die sind ja gerade in den Instrumentalschulen teilweise sehr kreativ. Heißt das Lied z.B. "Die Katze schleicht", dann schlage ich vor, dass die Katze einmal leise schleicht, einmal laut tappt, einmal hüpft, einmal lauter wird, weil sie näher kommt, einmal schnell schleicht, einmal als Schnecke verkleidet (langsam), und so weiter und so fort. Wenn die Kinder die Methode kennen, dürfen sie sich auch selber Varianten suchen, wobei ich grundsätzlich alles akzeptiere, was kommt (z.B. hatte ich letztens eine langsam und leise schleichende Katze: Das Stück hat sich ewig hingezogen und die Intonation war fürn Arsch, aber ich will dem Schüler vermitteln, dass er das selbst entscheiden kann, seine Ideen was wert sind und die Griffe werden ja trotzdem geübt dabei. Oft merken die Kinder auch selbst, wenn etwas ne doofe Idee war und nicht schön klingt.).

Für zu Hause zum Üben mache ich das folgendermaßen (bei Kindern und bei Jugendlichen): Wir finden eine schwere Stelle. Diese wird markiert (Anfang und Ende, sonst vergisst der Schüler auf dem Nachhauseweg, wie lang die Stelle war) mit einer Blume. Dann male ich unten die Blume hin und dahinter 10 Kreise. Direkt wird drei Mal die Stelle fehlerfrei gespielt und jedesmal ein Kreis abgehakt. Das sind schon locker sechs Mal spielen, weil es meistens nicht fehlerfrei ist. Ich weise die Schüler immer wieder darauf hin, dass sie selbst darauf achten müssen, langsam genug zu spielen. In der Mitte der Stunde komme ich kurz zurück darauf und lasse noch Mal zwei Kreise abhaken durch zwei Mal richtig spielen. Je nach Zeit dann noch mal.
Manchmal ist es ne scharfe Grenze zwischen richtig und falsch, dann diskutieren wir das aus. Das übt, auch zu Hause zu erkennen, wann etwas überhaupt "falsch" war.
Sind noch Kreise von den zehn über, dann sind die Hausaufgabe, ansonsten male ich noch mal fünf dazu als Hausaufgabe. Die meisten Schüler haken tatsächlich ab, ob sies auch wirklich fehlerfrei gespielt haben, weiß ich natürlich nicht. Ich persönlich mecker aber auch nicht, wenn es nicht gemacht wurde, dann machen wir das halt im Unterricht. Schließlich ist es das Hobby des Schülers und manchmal sind andere Sachen wichtiger als Üben, da ist es mir wichtig, seine Entscheidung, nicht zu üben, zu respektieren. Ich spreche es an, reibe mich aber nicht daran auf, ihn belehren zu wollen.

Allgemein nehme ich bei jüngeren Kindern weniger Wiederholungen als bei älteren. In der Grundschule hat sich 10 in der Stunde und noch mal 5 zu Hause als ganz gut erwiesen. Bei älteren nehme ich eher direkt fünf bis zehn am Stück, das zwei Mal in der Stunde und gebe es noch zwei Mal für zu Hause auf (Viele üben ja auch nur zwei bis drei Tage die Woche, da reicht das locker. Ich will ja auch nicht frustrieren.)
 
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