Bach Inventionen Urtext

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gregor1
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Hallo,

ich übe aus dem Heft "Urtext-Inventionen und Sinfonien-J.S.Bach" Henle Verlag. Ich bin bei den ersten vier Inventionen und habe manchmal das Problem, dass die Kürzel (Triller, Praller z.B.) von Künstlern meist anders gespielt werden (z.B. Künstler auf youtube) als sie im Vorwort eigentlich empfohlen werden.
Z.B. bei Inventio 2: dort spielen bekannte Künstler beim Praller nur 4 Töne, während im Vorwort des Heftes eigentlich 6 Töne (mit Namen Trillio angegeben) angegeben sind.
Nun verstehe ich nicht, ob man die Kürzel immer so wie im Vorwort angegeben spielen soll oder so wie man sie "normalerweise" spielt.

Grüße
 
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Nun verstehe ich nicht, ob man die Kürzel immer so wie im Vorwort angegeben spielen soll oder so wie man sie "normalerweise" spielt.
In der Barockmusik wurden die Verzierungen in der Regel improvisiert. J.S. Bach war allerdings einer von denen, die ziemlich genaue Vorstellungen hatten, wie die Verzierungen ausfallen sollen. Bach hat in seinem Clavierbüchlein für seinen Sohn Wilhelm Friedemann Bach eine Trillertabelle notiert, die folgendermaßen aussieht:

upload_2018-6-19_23-48-25.png


Ich nehme an, daß diese Tabelle die Vorlage für die Ausführungen der Henle-Ausgabe sind. In meiner Peters-Ausgabe steht es jedenfalls genau so drin. Die Henle-Ausgabe schlummert irgendwo im Keller. :D

Da steht eindeutig: 6 Töne.

ABER:
Das Trillo-Zeichen steht in dieser Tabelle über einer Viertelnote. In der c-Moll Invention steht es aber über einer Achtelnote.

Folgt man nun aber dieser Tabelle hier: klick, werden über eine Achtelnote nur 4 Töne getrillert. Logisch, denn bei einer Achtelnote hat man weniger Zeit zum trillern als bei einer Viertelnote. Allerdings hat derjenige, der die Tabelle veröffentlicht hat, keine Quellenangabe dazugeschrieben.

Daraus schließen wir: Nix genaues weiß man nicht. Für beide Varianten gibt es gute Argumente.

Wie handhaben wir das ganze nun? Spiele es ...
So wie es dir besser gefällt.

Gute Hinweise zum Thema Verzierungen findet man in J.Gedans kostenloser pdf VERZIERUNGEN. Anmerkungen zu Ornamenten in der Klaviermusik.

Vor allem die Vorbemerkung sei Dir ans Herz gelegt:

J.Gedan schrieb:
Verzierungen sind dazu da, den Notentext zu bereichern und Musik lebendiger, gewissermaßen wie improvisiert, erscheinen zu lassen. Dem widerspricht eigentlich jedes starre Regelwerk, so daß dem Spieler anzuraten ist, Regeln [...] gelegentlich zu mißtrauen.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Kleine interessante Nebenbemerkung: Bach notiert seine Trillertabelle im Sopranschlüssel. Das ist ein C-Schlüssel, der das c' auf der untersten Linie festlegt.
 
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Falls noch aktuell:
Bachs "klaviere" waren clavichord und cembalo mit gezupften saiten und stark gedämpften schwingungen. Die verzierungen sollten den ton verlängern, mal mehr, mal weniger, ein triller kann ewig dauern, beim späten Beethoven findet ihr lange trillerketten. .
Ich beschränkte mich auf praller, mordent, doppelschlag und triller, und bei schnellem spiel schlug ich die zwei betreffenden tasten gleichzeitig an (so bei stücken von der polnischen komponistin Bacewicz, da ist keine zeit bei einer folge von prallern).
Wenn ihr daheim aus spaß spielt und euch kein "werk- und stil-getreuer" kritiker oder tonmeister im nacken sitzt, macht es wie Bach, der mit adaptionen nicht zimperlich umging, habt mut und machts, wie ihr wollt!
Triller wurden übrigens damals langsamer ausgeführt, die instrumente gaben nicht mehr her.
 
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Noch ein wort zum "urtext". da fehlen alle angaben zu tempo, dynamik und phrasierung. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht darum kümmern müsse. Das tempo richtet sich nach dem charakter, bei der spielerischen F-Dur kann man zulegen, bei der elegischen e-moll eher zurückhalten. Ich frage immer die musik, und sie antwortet mir. Bei dynamik gibt es zwei möglichkeiten:
barock auf gleichem level oder terassendynamik oder "modern", was das fortepiano hergibt, ohne zu übertreiben.
Auf alle fälle PHRASIEREN, um die struktur deutlich zu machen, hier hilft, mit der musik zu atmen.
Aber auch hier gilt, sich eine vorstellung zu machen und ihr folgen, oder es auch mal andersrum versuchen.
Ich habe, was ich für eine kantilene halte, im hüpfenden staccato gehört, war aber nicht überzeugt, auch nicht immer von Glen Gould. Sehr authentisch (mit mir übereinstimmend) auf dem klavier finde ich Andras Schiff.
Und wer aus den verzwickten kanons in den Goldberg-Variationen étuden macht, ist bei mir unten durch.
Bei den partiten und suiten schadet "tanzmusik-erfahrung" nicht, da wird, wie auch bei Chopin arg gesündigt. ich habe gerade noch etwas von der polnischen tradition mitbekommen.
Aber immer muss man sich eigene gedanken machen, probieren, und auch mal verwerfen.
Ein pianist fragte Schostakowitsch, wie er sein spiel auffrischen könne (das publikum will ja immer dasselbe hören).
"Arbeiten Sie die verborgenen nebenstimmen heraus!"
 
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Die ältere Urtextausgabe von Henle habe ich auch, mein Lehrer hat sich da immer sehr über die Fingersätze aufgeregt und recht viel geändert, der hatte da irgendwie generell was gegen Henle, also die Ausgaben fand er gut, aber die Fingersätze sehr verwirrend. Ich bin leider irgendwie zu faul für Bach-Urtextausgaben, ich benutze die Ausgaben von Busoni und Mugellini, da sind Artikulierungs und Verziehrungsvorschläge schon angegeben, aber das ist dann kein Urtext mehr sondern eher eine Interpretation des Verlegers, aber meistens helfen mir die Vorschläge.
 
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