Zerstört Musik-machen die Faszination von Musik?

Moritary
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Hallo zusammen,

habt ihr schon einmal folgendes erlebt: Es gibt einen Song, der euch besonders gut gefällt, den ihr seit Jahren immer wieder hört, weil er euch emotional berührt und vielleicht auch mit Erinnerungen an besondere Personen oder Phasen in eurem Leben verbunden ist - kurz gesagt einer eurer Lieblingssongs. Und irgendwann kommt ihr plötzlich auf die Idee "Ey, den Song will ich jetzt selbst spielen können". Also legt ihr los, sucht euch Noten zusammen, guckt vielleicht Tutorials im Internet, hört den Song immer wieder um Rhythmus/Melodie und alle Feinheiten zu verstehen und übt und übt und übt - und währenddessen verliert der Song immer mehr an seiner "Wirkung". Dadurch dass ihr den Song immer wieder hört, aber nicht mehr emotional sondern rational an die Sache herangeht, den Song in seine Einzelteile zerlegt um zu verstehen, was da passiert, geht die ganze "Faszination" des Songs verloren.

Mir geht es im Moment mit "Hysteria" von Muse so: Der Song hatte für mich ne ziemlich persönliche Bedeutung, weil er der Lieblingssong von einem ganz bestimmten Mädchen war, und mich an diese gemeinsame Zeit erinnert. Insbesondere beim Solo hab ich immer 'ne totale Gänsehaut bekommen. Seit einer Woche hab ich mir nun vorgenommen, diesen Song auf der Gitarre zu lernen, was auch bisher ganz gut klappt, und ich merke, dass diese Faszination langsam verloren geht.

Generell habe ich manchmal das Gefühl, dass Musik-machen einen Teil der Faszination an Musik zerstört. Ich find es immer ziemlich beeindruckend zu sehen, welche Wirkung Musik und die vielen kleinen Details eines Songs haben können und dabei eben nicht so richtig erklären zu können wie das alles zustande kommt. Das hat irgenwie ein bisschen was "magisches" finde ich. Und wenn ich dann z.B. lerne, dass dieses kleine Detail, was ich am Solo immer so genial fand, einfach nur ein Bending im 12. Bund ist, geht das irgendwie verloren.

Geht es euch in der Hinsicht genauso, oder kennt ihr solche Situationen überhaut nicht? Wenn ja, habt ihr für euch persönlich Wege gefunden, diese Faszination weiterhin aufrecht zu erhalten? Würde mich einfach mal intressieren, wie erfahrenere Musiker das so sehen :)
 
Eigenschaft
 
Bei mir hat das Wissen über die Details und das Musikmachen die Faszination noch erhöht. Aber ich muss mir auch immer wieder vorwerfen lassen, dass meine Emotionen erstmal durchs Gehirn gedreht werden. Egal. - Manche Kunst(handwerk)produkte gefielen mir auch erst, nachdem ich sie "verstanden" hatte.
 
Eigentlich im Gegenteil, wenn ich eines dieser Lieder selbst erarbeite, bekommt es noch mehr von der Wirkung.
Wenn ich es dann z.B. das erste mal vor Publikum spiele und singe muss ich teilweise aufpassen, dass mich die emotionalen Textstellen z.B. nicht überwältigen und meine Stimme fest bleibt.
Am emotionalsten sind für mich dabei allerdings die selbsgeschriebenen Songs.
Bei denen ist die "Uraufführung" im kleinen Kreis und dann auch die Aufführung im größeren Rahmen jedes mal sehr emotional.
Die Emotionalität verliert der Song aber auch nicht über die Zeit - zumindest nicht wenn er gut ist und die Aussagen von Bestand sind.
Manchmal ändern sich allerdings die Umstände und der Geschack und manch "Gänsehaut-Song" von früher verliert heute an Tiefgang.

Im gewissen Rahmen kann ich aber das nachvollziehen was du schreibst.
Man kann tatsächlich ein Lied so zerpflücken und totspielen und zu sachlich mit ihm kämpfen bis man die Gefühlsebene verlässt und nur noch mechanisch/analytisch übt - zumindest in der Probephase.
Dann sollte man spätestens was anderes üben und irgendwan später erst wieder weiter machen.
Wenn dann allerdings der Auftritt kommt ist alles wieder da - intensiv und "magisch".
Also erhalte dir den Spirit indem du emotional und nicht analytisch übst.
 
Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Ich habe noch keinen Song gehabt, der nicht an Wucht und Eindruck auf mich gewonnen hätte, nachdem ich ihn spielen konnte. Wobei ich das "Spielen" zumindest für mich in die Phasen "Auswendig können" und "Performance" unterteile. Phase 2 ist nicht jedesmal möglich, aber wenn doch, dann geht der Endorphin-Zug aber sowas von los. Die Faszination wächst durch die Auseinandersetzung mit dem Material für mich.

Was ich aber unterschreibe ist die Tatsache, dass es nicht immer ein Segen ist, zu erkennen, ob das Timing des Drummers eiert, der Gitarrist eigentlich ins Phrasenschwein einzahlen müsste oder der Sänger nicht hinkommt. Auf der anderen Seite ist es bei einem Gig umso besser, wenn man sieht, dass eine Band "einen Moment" hat und Magie kreiert, weil alles zusammenläuft.
 
Also erhalte dir den Spirit indem du emotional und nicht analytisch übst.

Ja, würd ich nur etwas anders formulieren:
Natürlich gibt es ganz unterschiedliche Ebenen, auf denen man sich der Musik nähern kann wie zb rational, emotional oder auch motorisch .....
Die Faszination, welche du beschreibst wird bei dir wohl vorrangig auf der emotionalen Ebene ausgelöst, und bei Proben hat sich der Schwerpunkt halt ins rationale verschoben und die
Faszination gefühlt abgenommen, eben weil du übetechnisch gezwungen bist, dich auf andere Dinge zu konzentrieren als auf deine Gefühle.

Das ist in meinen Augen kein Grund zur Beunruhigung, auch wenn sich bei mir beispielsweise die Faszination eher vom emotionalen auch auf die rationale Ebene aussdehnt.
Übungsziel sollte dann aber sein, dass du den Song so sicher spielen kannst, dass du dich beim spielen nicht mehr nur auf die rationale und technische Ebene konzentrierst sondern den Song auch mit deinem persönlichem emotionalem Ausdruck füllen kannst, ihn also mit Herz spielst und damit die emotionale Ebene wieder einbindest.
Dann ist auch die Faszination wieder da und noch viel mehr....
 
Zerstört Musik-machen die Faszination von Musik?
Für mich: Nein!, nein und nochmals nein!!!

Z.B. der Song, wegen dem ich angefangen habe, Gitarre zu spielen: Stairway To Heaven

Sowohl beim selbst spielen als auch beim (regelmäßigen!) hören dieses wunderbaren Songs
läuft mir der Schauer des Wohlfühlens und der "Ergriffenheit" über den Rücken ;) :D
Der Song ist seitdem ich ihn zum ersten Mal gehört habe ein "Gänsehautsong" für mich - auch nach vielen Jahrzehnten.

Ich habe den Song jetzt einfach nur mal als Beispiel genannt, es gibt noch viele weitere Songs, die seit Dekaden
diese Faszination für mich - sowohl beim spielen als auch beim hören - haben :great:

Ich muss allerdings dazu sagen, dass fast alle Songs, die diese Wirkung bei mir haben, "ältere Semester" sind und
aus meiner "Jugend" stammen. Es sind immer wieder welche dazugekommen, aber die Zahl der Neunominierungen
hat in den letzten Jahren sehr abgenommen. Mag an der verklärten Vergangenheit liegen ... ;)
 
Es gibt Songs, die zwischendurch mal ihre emotionale Wirkung auf mich verlieren, wenn ich zu sehr mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen habe. Aber wenn die überwunden sind und es läuft, dann ist die Wirkung wieder da - eher stärker als vorher denn schwächer.
 
Was für Gitarristen gilt, die aus einem Rocksong eben nur ihren Part heraushören, gilt noch stärker für Synthesizerleute, die im Alleingang elektronische Stücke in Gänze nachspielen könnten und das dann auch versuchen. Die hören dann ja nicht nur einen Part, sondern alles raus und noch detaillierter, weil sie auf noch mehr achten müssen.

Gerade daraus kann eine noch weiter gesteigerte Faszination resultieren. Die Musik ist dann nicht mehr einfach "vom Himmel gefallen", sondern man weiß, wie sie im Original gemacht wurde, was gerade in klassischer elektronischer Musik nicht selten ein immenser Aufwand war und Berge an Edelequipment und/oder unkonventionelle Lösungen erforderte.

Natürlich gibt's das auch, daß bei genauerem Analysieren so manch ein unschöner Trick "entlarvt" wird.


Martman
 
J
  • Gelöscht von peter55
Ja, ist mir auch bekannt. Ein Song kann durch die "Aufarbeitung" etwas an Magie verlieren, da er sich dann irgendwie offenbart. Muss nicht immer so sein, aber dein Erlebtes kenne ich nur zu gut :)
Ich verarbeite oft meine Ohrwürmer so. Entweder hau ich'n par Vocals auf ein Playback oder ich instrumentiere meine ganz eigene Interpretation, wobei Gesangslinie meist identisch bleiben.
Eine Aufarbeitung kann aber auch völlig neue Erkenntnisse zu Tage bringen und den Song verständlicher machen. Beides möglich :)
 
Im konkreten Fall wurde m.E. weniger Faszination zerstört, sondern eher die mit dem Song verbundene Erinnerung von der musikalischen Ebene getrennt - oder?
 
Geht mir genauso. Dadurch, dass ich mich mehr und mehr mit einem Song beschäftige, weil ich ihn lernen will, höre ich ihn tot. Irgendwann ist er dann halt langweilig...

Auch das mit der Aufarbeitung von @CaptainFuture ist meiner Ansicht nach korrekt. Ich kenne das mit dem Epos "Interdimensional" von Darkest Horizon. Das erste halbe Jahr hat mich das Lied zwar tierisch fasziniert, aber irgendwie konnte ich die kompletten Songstrukturen nicht wirklich für mich heraushören. Dadurch war es einfach ein wunderschönes Mysterium. 10 Minuten, in denen ich einfach nicht kapiert habe, was hier passiert. Irgendwann habe ich dann langsam auch die Struktur des Songs kapiert. Er ist zwar immer noch einer der besten Songs, die es gibt, weil die Melodien einfach wunderschön sind. Aber die Faszination vom Beginn hat er durch das viele Hören sicherlich etwas verloren.
 
Kommt drauf an was man aus so einem Song macht.

Einfach runtergenudelt möglichst mit dem gleichen Sound ect kann man es nach dem 50x selber spielen nicht mehr hören.

Aber die meisten Songs kann man mit Kleinigkeiten nach seinem eigenen Gusto stricken.....das rockt dann um so mehr :)
 
Bei mir ist es extrem Unterschiedlich. Manche Stücke finde besser und wirken auch mehr auf mich wenn ich sie spiele, vielleicht weil ich dann immer mehr in den Stücken entdecke. Andere Stücke werden dann schnell langweilig, weil sie z.B. eine schöne Atmosphäre erzeugen aber nur auf einem eher oberflächlichen Level.
Was ich auch bemerkt habe ist, dass ich viel kritischer bin bei Stücken die ich selbst einmal gespielt habe wenn ich sie dann von anderen höre. Ich achte dann natürlich mehr auf Details aber ich glaube es fällt mir dann auch schwer andere Interpretationen zu akzeptieren
 
Ich kenne das auch, ich bedauere das auch manchmal und frage mich, wie das kommen konnte. Wobei es bei mir, wie bei recordingguy auch, unterschiedlich sein kann.

Wenn ich meine Lieblingslieder nachspiele, dann neige ich eher dazu in einen richtig euphorischen musikalischen Prozess zu kommen.
Aber es kann schon passieren, dass es von der anfänglichen Magie einbüst, wenn ich ein Lied zu oft spiele und höre,

Spiele ich solche Lieder eine längere Zeit nicht - oder mache eine sehr lange Pause - und krame sie dann wieder hervor, bekomme ich etwas von der anfänglichen Magie wieder zurück. So fühlt es sich meistens an. Ich hab je nach Stimmung bestimmte Genrephasen, die unterschiedlich lang andauern, sodass sich mehrere Sets an Liedern immer abwechseln.

Vielleicht gehört so ein Bedauern über den Verlust der Magie ein bisschen dazu. Mein "Lösungsvorschlag" - falls du es persönlich als Problem betrachtest - wäre also eine Pause und Fixierung auf ein anderes Lied und / oder Instrument.
Manchmal höre ich mich auch durch diverse Coverversionen eines bestimmten Lieds auf Youtube, ich hab damit auch richtig magische und inspirierende Erfahrungen gemacht (zum Beispiel die Coversion von Ape504 zu "Breezeblocks" von Alt-J..:love: herrlich!).
 
Mir geht es nicht so. Je mehr Musikwissen ich anhäufe, umso schöner und faszinierender finde ich einige Songs. Aber gerade bei manchen Liedern denke ich: Wie kann man mit so einfachen Mitteln bloß so gute Musik machen?
Bei mir zerstört eher zu oft hören den Reiz, aber manchmal muss ich ein Lied einfach so lange hören, bis ich es nicht mehr hören kann. Dann sorge ich einfach dafür, dass das Lied für ein (halbes) Jahr nicht in meine Ohren dringt und dann ist es schon wieder ganz okay.
Ich schreibe hier zwar nicht als erfahrener Musiker, aber ich wollte einfach meine eigene Wahrnehmung schildern.

Wenn du durch das Spielen wirklich das Magische verlierst, dann würde ich (an deiner Stelle) genauer hören und Ideen dazu in meinen Kopf fliegen lassen, die ich dann umsetze (wenn ich dazu in der Lage bin).
 
Geht mir nicht so.
Seit ich Bass lerne, höre ich Basslinien raus, die ich vorher nie gehört habe, und je mehr ich dazu lerne, desto faszinierender wirds.

Grüße,

Kokopelli
 
Geht mir genau so....und das ist klasse!!! Nichtsdestotrotz gibts natürlich songs, die einfach nicht mehr hören kann, aber das ist ne andere Sache.
 
Mir geht es im Moment mit "Hysteria" von Muse so: Der Song hatte für mich ne ziemlich persönliche Bedeutung, weil er der Lieblingssong von einem ganz bestimmten Mädchen war, und mich an diese gemeinsame Zeit erinnert. Insbesondere beim Solo hab ich immer 'ne totale Gänsehaut bekommen. Seit einer Woche hab ich mir nun vorgenommen, diesen Song auf der Gitarre zu lernen, was auch bisher ganz gut klappt, und ich merke, dass diese Faszination langsam verloren geht.

Küchenpsychologische Betrachtung:
Vorweg: Ich kann ja nür über mich sprechen, aber vielleicht erkennst Du Dich darin wieder.
Also ich würde jetzt mal in meine Küche gehen, eine Schublade mit der Aufschrift "Küchenpsychologische Utensilien (div)" aufziehen und folgendes dazu orakeln:
Du verknüpfst mit einem Song eine intensive Erinnerung. Soweit so normal. Jedesmal wenn Du diesen Song hörst, triggert er eine schöne Erinnerung an ein Mädel. Soweit so schön. Jetzt kamst Du auf die Idee, Dich mit dem Song nicht nur auf emotionaler Ebene auseinanderzusetzen, sondern auch auf einer rein sachlichen, mit der Motivation, das Ding spielen zu lernen. Da ist es halt nicht hilfreich, wenn man bei jedem Lick den man sich gerade raushört und übt, Gänsehaut bekommt. Durch diesen Prozess baut man eine gewisse emotionale Distanz zu dem Stück auf. Warum? Das kommt jetzt.

Unromantisches Üben:
Ich übe gerade das Solo von Stairway to Heaven (gestern auf Tempo 115% gezogen, wenn ich es so fehlerfrei zocken kann, isses drin! Yai!) und ich hatte die letzten drei Tage beim üben kein einziges Mal Gänsehaut, sondern in erster Linie Schmerzen und Blasen an den Fingerspitzen, darüber hinaus empfand ich Ärger, weil ich immer den gleichen Fehler reproduziert habe, wenn ich Tempo aufgenommen habe. Also vollkommen unromantisch so ein Übeprozess.

Vertiefung:
Ich kann für mich nicht sagen, dass ich durch das Arbeiten mit einem Song generell eine Distanz zur Musik aufbaue, im Gegenteil: Ich vertiefe die Beziehung zur Musik, ich verlagere die Erfahrung Musik von einer rein emotionalen auch auf eine sachlich-technische Ebene und erweitere so mein Erfahrungsspektrum. Wenn ich in Zukunft die Nummer höre, dann werde ich mit Sicherheit wieder "Goose Bumps" kriegen (hab sie gerade beim Gedanken daran! *schauer*) UND mich darüber freuen, dass ich etwas mit Onkel Jimmy gemeinsam habe: Ich kann sein Solo zocken!! :great:

Noch einen philosophischen Gedanken zur Musik und Musikern:
Der "Job" von uns Musikern ist es doch, in erster Linie beim Zuhörer (!) Emotionen zu wecken und nicht bei uns selbst, oder? Vielleicht geht das eine mit dem anderen einher, oder anders gesagt: Es ist natürlich ideal, wenn beide, also Musiker und Zuhörer Emotionen verpüren. Aber wenn Du einen Song mehrere hundert Mal geübt hast, damit Du ihn perfekt spielen kannst, dann ist halt der "Lack der Romantik" auch ein bissl ab. Dann hat man nicht nur noch eine "romantische" Beziehung zum Stück. Aber trotz dieser "durchwachsenen", emotionalen Situation kann man trotzdem die Musik lieben, Emotionen in das Stück legen, Gefühle wecken, nicht zuletzt beim Zuhörer. Vielleicht ist man etwas kontrollierter? Ich mag den Zustand, die Kontrolle über ein Musikstück zu haben sehr, denn wenn Du die Kontrolle über ein Musikstück erlangt hast, dann kannst Du Dich nicht nur als Hörer dem Song emotional hingeben, sondern auch als Interpret und das ist viel geiler! Dann klappt es auch mit den Zuhörern und Du bist Deiner "Aufgabe" als Musiker perfekt nachgekommen.

Leidenschaft und Bindung zum Musizieren;:
Je länger und intensiver ich mich mit Musik beschäftige, desto mehr binde ich mich an mein Hobby, desto weniger interessant werden andere Dinge in meiner Freizeit. Ich hab seit Jahren keine Computerspiele mehr gezockt, weil wenn ich mich vor die Wahl stelle: Gran Tourismo oder Gitarre zu spielen, wähle ich immer (!) die Gitarre. Ich bin von dem Instrument fasziniert, und das ist über die Jahre gewachsen.

Kann sein, dass es bei Dir anders läuft.

VG
JT
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich merke immer wieder, dass man Musik teils durch eine andere Brille betrachtet, wenn man selbst produziert. Ob im Plattenladen, im Radio oder das Hintetrgrund-Gedudel hier und dort - sind synthetische Klänge im Spiel, dann fallen vor allem immer wieder Presets von Hard- und Software-Instrumenten wie auch die Standard-Presets bestimmter Effekte auf. Und ich denke mir immer wieder, dass es nicht besonders kreativ ist, auf einem Synthesizer einfach die aller ersten Factory-Presets zu nutzen. Und man interessiert sich dafür, ob eine variable Parametrierung auf eine kreative Weise im Spiel ist oder die Töne einfach nur so geklimpert werden.
 
Interessante Frage, die du da hochspülst. Ja und Nein würde ich sagen.

Ja, das sezieren von Musik bringt mitunter Banales zu Tage und das kann dann vielleicht schon mal ernüchternd wirken. Oft genug, stellt man aber auch fest, dass die Dinge komplexer sind, als sie zunächst erscheinen. Da hat ein Rhythmus irgendein Detail, welcher von 0815 abweicht oder ist per se vielschichtiger, da passieren harmonisch Dinge, auf die man (also ich, andere vermutlich schon ;-)) nie gekommen wäre oder es ist eine Kombination aus an sich banalen Dingen die ihre Wirkung über das Banale hinaus entfaltet.

Ich arbeite mich z. B. seit einiger Zeit an "The Passenger" von Iggy Pop ab. Eigentlich ein ganz einfaches sehr repetitives 4 Akkord Lied, dass man im Grunde in einer Akkord-Version direkt ohne irgendwas auf der Gitarre runterspielen kann. So weit so einfach. Wenn man sie das Lied aber genauer anhört, dass das im Swing Rhythmus gepsielt ist, der Basslauf und eine zweite Gitarrenspur da ganz eigene Dinge tun und das Schlagzeug auch nie wirklich dasselbe macht, dann schleicht ich schon bei so einem Lied die Bewunderung und Faszination ein. Erst in der Kombination aus allem ergibt sich dieser Groove, für den das Lied weltweit bekannt ist.

Die "Magie" und die damit verbundene Ehrfurcht verschiebt sich da für mich dann etwas weg von dem reinen Handwerk (also in dem Sinne, von: das nachzuspielen ist gar nicht so schwer, ich kann jede Spur und auch Bass und Schlagzeug nachvollziehen) und hin zu dem kreativen Prozess, unter dem das ganze entstanden ist.

Wenn ich dann feststelle, dass viele von mir verehrte Musikstücke von Menschen stammen, die zum Zeitpunkt der Entstehung nur halb so alt waren wie ich es jetzt bin, dass die ihnen zur Verfügung stehende Technik oft im Vergleich zu dem was uns heute per Knopfdruck zu Hause bereit steht, erbärmlich war und trotzdem zu Ergebnissen kam, die ich inzwischen vielleicht analytisch nachvollziehen aber nicht gleichwertig produzieren könnte, dann ist die Faszination weiter da, auch wenn ich in jedem Detail erklären könnte, was da gerade geschieht.

Bedenkt man dann noch, das viele Dinge einfach in einem Rutsch als Band eingespielt wurden, dass da meist so eine ganze Banddynamik dranhing, manche mit Alkohol und Drogen voll waren und trotzdem am Instrument ihren Part geliefert haben, obwohl sie anschließend auf keinem Stuhl mehr sitzen konnten, dann stehe ich da nur mit offenem Mund und frage mich "Wie?".

Der Unterschied zwischen nachvollziehen und nachspielen und selber kreieren ist für mich immens. Und selbst für das Nachspielen habe ich mich 20 Jahre mit der Gitarre beschäftigen müssen und kriege die Dinge nicht so gut hin, wie die Originale, die zum Zeitpunkt der Entstehung vielleicht gerade mal 20 Jahre gelebt haben.

Für mich ist das auch der Grund, warum ich mich selber gedanklich gar nicht als Musiker fühle, mir fehlt diese kreative Ader irgendwie vollständig. Ich beherrsche mein Instrument einigermaßen, aber mein eigener kreativer und tragfähiger Output geht gegen Null. Das ist wie bei einem Maler. Man kann die Pinselstriche berühmter Maler analysieren und mit dem Wissen Bilder malen, die dem Original recht ähnlich sehen, ein Meister wird man dadurch aber noch lange nicht. Dazu muss erst etwas eigenes kommen.

Gerade bei Musik gilt: Die Summe ist mehr als die einzelnen Teile und die Teile zu kennen schmälert die Bewunderung für die Summe nicht.
 

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