negative harmonies

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Hallo Hive Mind, ich habe mal eine Frage und hoffe Jemand weiß die Antwort drauf: Ich habe mir gerade das Jacob Collier Interview über negative harmonies angeguckt und der Herr kommt beim spiegeln über die Achse C-G beim Ton D -> F. Wenn ich auf meinem Zettel D spiegel komme ich auf den Viertelton zwischen E und F (keine Ahnung wie man das Vorzeichen auf einer Tastatur eingibt). Gibt es eine Regel auf die sich Collier bezieht? Anscheinend möchte er ja Vierteltöne in den Akkorden vermeiden und rundet sie auf und ab? Oder habe ich nur falsch gespiegelt? Lg


 
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Im Video ist es nicht gerade anschaulich erklärt. Der G-B-D-F Septakkord wird nach unten gespiegelt. Das heißt, das dessen Intervallfolge gr. Terz/kl. Terz/kl. Terz an einem bestimmten Ton als "Spiegelton" nach abwärts gerichtet aufgebaut wird. Der Spiegelton ist hier "C", das ist auch mit der "Achse C-G" gemeint, was ich allerdings missverständlich finde. Von C aus abwärts ergibt die Septakkord-Intervallfolge dann die im Video genannten Töne C-Ab-F-D. Der so gefundene Akkord wird dann als "negative harmonie" bezeichnet, also sozusagen als negativ-Form des Septakkordes.
Im Prinzip ein interessanter und anregender Gedankengang, aber auch ein beredtes Beispiel für die Verwirrung, die solche nicht "normierten" Nomenklaturen im Bereich der Musiktheorie leider auch stiften können.
 
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Ich finde es auch logisch: Die Spiegelachse liegt zwischen e' und es'. D.h. alles, was vom e' aus nach oben liegt, ist gespiegelt vom es' nach unten.

G7: g' h' d'' f''
Fm6 ( Dm7(b5) ): d f as c'

e'-g' = kl. Terz
es'-c' = kl. Terz

e'-h' = Quinte
es'-as = Quinte

e'-d'' = kl. Sept.
es'-f = kl Sept

e'-f'' = kl. None
es'-d = kl. None

Viele Grüße,
McCoy
 
Hallo,

falscher Alarm. Ich hab mir es aufgemalt und irgendwie dabei geschafft (leerer Magen!) einem Ton 5 Vierteltöne zu geben.. Von daher der ganze Käse.

Nachdem ich es nach zwei Buttercroissants nochmal angeschaut habe, ist es mir dann aufgefallen und es hat wieder sinn ergeben.
 
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Puh, das Video in Langsam und deutlich wäre ja noch mal was :(

Kann mir jemand sagen, wie er auf die Idee kommt, die Achse zwischen C und G anzusiedeln? Was ja im wesentlichen nur heißt, dass er zwischen E und Es spiegelt. Kann man dann eine Harmonie an jedem beliebigen Ton spiegeln?

Kann das sein, dass damit auch sowas gemeint ist wie in BWV 927 Takt 13.3 bis 14.2?
BWV 927 T.13-14.JPG

Das ist doch theoretisch ab dem Taktstrich rückwärts gelesen und an c'' gespiegelt oder nicht? Außer, dass es zwei es sein müssten im zweiten Takt. Aber dann wäre der C7 nicht mehr als D7 zu F zu gebrauchen und außerdem ist es ja nun mal auch Bach. Aber mir scheint es, als hätte er das Prinzip negative Harmonie da schon angewendet :rolleyes:
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann mir jemand sagen, wie er auf die Idee kommt, die Achse zwischen C und G anzusiedeln?
Ich hatte den Eindruck, daß das rein willkürlich so gesetzt wurde. Im Prinzip kann man die Spiegellinie überall ziehen. Die harmonische Struktur ändert sich dadurch ja nicht, sondern nur die "Tonart". Wenn man die Spiegellinie an einen anderen Ort setzt, transponiert man die Spiegelung sozusagen bloß.

Kann das sein, dass damit auch sowas gemeint ist wie in BWV 927 Takt 13.3 bis 14.2?
In der klassischen Musik sind dafür die Ausdrücke Krebs, Umkehrung und Krebsumkehrung gebräuchlich.

Krebs: Die Melodie rückwärts.
Umkehrung: die Intervalle gespiegelt.
Krebsumkehrung: Die Intervalle des Krebses gespiegelt.

Die beiden Umkehrungen können dabei in tonaler oder in absoluter Form auftauchen. Tonal: Die Intervalle werden tonartimmanent gespiegelt. Eine kleine Terz aufwärts kann dabei z.B. je nach Position und Tonart zu einer großen Terz abwärts werden etc. In der absoluten Spiegelung bleiben die exakten Intervalle erhalten, auf die Tonart wird abei keine Rücksicht genommen.

Das beispiel in BWV 927 ist im Grunde eine tonale Krebsumkehrung, beginnend beim c' (2undte im ersten Takt), und dann 2 Oktaven nach oben transponiert. Das Ausgangs-c' wird dann zum c''' und wurde weggelassen und durch den C7-Akkord resetzt. :D Aber das kommt im Grunde auf's gleiche raus wie Deine Beschreibung.

Schau Dir diesbezüglich auch mal die Spiegelfugen in der Kunst der Fuge an (BWV 1080). :eek:

Aber mir scheint es, als hätte er das Prinzip negative Harmonie da schon angewendet :rolleyes:
Bach halt ... :cool:

Viele Grüße,
McCoy
 
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Ich hatte den Eindruck, daß das rein willkürlich so gesetzt wurde. Im Prinzip kann man die Spiegellinie überall ziehen. Die harmonische Struktur ändert sich dadurch ja nicht, sondern nur die "Tonart". Wenn man die Spiegellinie an einen anderen Ort setzt, transponiert man die Spiegelung sozusagen bloß.

Hallo McCoy, ich bin mir nicht sicher, wie Du das meinst, aber willkürlich ist die Spiegellinie nicht gesetzt - es wird eine Tonart/Zwölftonreihe so zu einer zweiten - "negativen" - in Beziehung gesetzt, dass sich in beiden Tonalitäten gleiche Strebetendenzen und Spannungsverhältnisse ergeben - das ist das Kriterium. Deshalb ist das Ganze kompositorisch interessant. Allerdings hast Du Recht, dass man mittels dieses Verhältnisses / dieser Funktion natürlich transponieren kann: wenn bei Tonart-Grundton c die Entsprechung in negativer Harmonie g ist, dann ist bei Tonart-Grundton ab die Entsprechung eb usf.

Eine bessere Erklärung als die Colliers finde ich hier von Tommaso Zilio.

Darin findet sich dieses Spiegelungsschema:

Spiegelung.jpg


Also auf eine griffige Formel gebracht:
Die negative Entsprechung eines Tones ist dessen Abstand abwärts zum Tonartgrundton subtrahiert von der Tonart-Quinte. :D

Was ist die negative Entsprechung von f? Da f Oberquarte von c, ist das Ergebnis die Unterquarte von g, also d. Gott.

Und Zilio liefert diese Akkordübersicht:

3klaenge.jpg


Was ich gern hier diskutieren würde, wären die Entsprechungen bei den Vierklängen, denn für CMA7 erhalten wir Cmb6 und umgekehrt für Dm7 eben Bb6, für G7 dann Fm6 und für Bm7b5 ein Fm6/11 - d.h. es ergeben sich keine Entsprechungen in den Akkordtypen, sondern Septakkorde werden zu Sextakkorden usf. Bei den MA7-Akkorden ergeben sich formal allerdings drei Möglichkeiten:

c e g b übersetzt sich in g eb c ab - also AbMA7 oder Cmb6(no5), wobei AbMA7 eigentlich ausscheidet, da dessen 7 ausgerechnet der 1 von CMA7 entspricht - da kann man wohl nicht von einem ähnlichen Spannungsgehalt sprechen. Deshalb bleibt hier nur Cmb6 - oder man geht von vornherein auf die 6 des Ausgangsakkordes, also C6 und erhält dann in Negative Harmony tatsächlich Cm7. Sehr Ihr ein Argument für das eine oder das andere?

[Subdominante FMA7 wird entweder EMA7 oder Gmb6 oder eben: F6 entspricht Gm7]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Im Prinzip kann man die Spiegellinie überall ziehen. Die harmonische Struktur ändert sich dadurch ja nicht, sondern nur die "Tonart"

Hallo McCoy, ich bin mir nicht sicher, wie Du das meinst, aber willkürlich ist die Spiegellinie nicht gesetzt

Ich muss hier ganz klar McCoy recht geben. Die Spiegellinie kann man beliebig im Quintenzirkel setzen, es müssen nur gleich viele Töne auf jeder Seite sein. Es gibt also bei 12 Tönen sechs möglichkeiten. Ich habe das neulich erst durchgespielt und festgestellt, dass unabhängig von der Spiegellinie aus den Tönen des Ausgangsakkordes immer bestimmte Töne im negativen werden. Die alte Prime gespiegelt wird zur Quinte im neuen Akkord und umgekehrt. Um im Beispiel von oben zu bleiben: G7 wird Fm6; G Prime wird C Quinte und D Quinte wird F Prime. So ergab sich folgendes:

Prime - Quinte
kl. Sek. - Triton
gr. Sek. - Quarte
kl. Terz - gr. Terz
kl. Sechs - gr. Sept
gr. Sechs - kl. Sept
und umgekehrt.

Weiter kann man - wie oben beschrieben - den Akkord durch Drehen der Spiegelachse transponieren, und das auf jede Stufe der Grundtonskala, also: Fm6, Gm6, Am6, Bm6, C#m6 und D#m6, was irgendwie logisch erscheint, wenn man bedenkt, dass es sechs mögliche Spiegellinien gibt.

Diese Erkenntnis hat das Ganze fast schon wieder entzaubert. Andererseits kommt man so natürlich schnell zu einer Fülle an Ergebnissen.
 
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Weil man es damit normalerweise macht. Mit der Chromatischen Tonreihe, wie Du sie weiter oben selber skizziert hast geht es aber genauso und führt zu den Gleichen Ergebnissen.

Ach so, stimmt. Entscheidend sind also einerseits die Symmetrie der Spiegelung ("es müssen nur gleich viele Töne auf jeder Seite sein") und die Position des Tonart-Grundtones im Verhältnis zur Spiegellinie - dabei muss man sich klar machen, dass diese Schematisierung ein Hilfskonstrukt zur Veranschaulichung und Anwendung einer ganz bestimmten Zuordnungsvorschrift darstellt, die auch anders sein könnte - mit anderem Ergebnis.

Deshalb finde ich diese Zuordnung auch nicht so trivial /entzaubert, wie sie bei Dir klingt, Thorsten: der Clou ist eben, dass die zweite Tonreihe in genau diesem Verhältnis zur ersten ein ähnliches Spannungsgefüge wie die erste ergibt. Und das ergeben die anderen elf Möglichkeiten eben nicht!

Als Komponist kommt man auf diese Zuordnung oder Parallelität vermutlich meist auch nicht über die Abstraktion eines Quinten- oder Zwölftonzirkels, in den man Spiegellinien einzieht, sondern eher bei der Suche nach Rehamonisierungsmöglichkeiten und findet dann Deine direkte Gegenüberstellung von oben, Thorsten, weil die harmonisch verwandt klingt:

1 - 5
b9 - b5
9 - 11
b3 - 3
b6 - 7
6 - b7



 
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Angeregt durch McCoy"s Deutung gelange ich, ausgehend von der Inversion, in drei Schritten zur "negativen Harmonie":

1. Inversion (Umkehrung der Intervallrichtung) - Zweck: Erhalt der Intervallabfolge
2. Grundtonverschiebung - Zweck: Wiederherstellung der Chord tone/tension-Abfolge des Ausgangskontextes
3. Transposition - Zweck: Wiederherstellung des Grundtones der Ausgangstonart

Am Beispiel der Melodie "c ionisch aufwärts":
1. Die Inversion führt zur Melodie "c phrygisch abwärts". Dabei verschiebt sich aber die Abfolge von chord tones/tensions.

01-Inversion.jpg


2. Deshalb verschieben wir den Grundton so, dass der entstehende Akkord (und seine chordscale) die Original-Spannungsstruktur wiederherstellt: Grundton wird f , Akkord Fmb6, chordscale f aeolisch. Die Melodie beginnt und endet jetzt auf der Quinte von F aeol.

02-Grundtonverschiebung.jpg



3. Schließlich transponieren wir chord + chordscale auf c, weil wir auch den Grundton der Ausgangstonart wiederherstellen wollen.

03-Transposition.jpg



Das Resultat erinnert auffällig an die SDM-Familie und an den modalen Austausch von Ionisch mit dem gleichnamigen Aeolisch. Mit dem Unterschied, dass das Konzept der Negative Harmony, indem es die Inversion enthält, gewissermaßen eine Übersetzungsanweisung einer vorhandenen Melodie in ihre "negative" Variante und deren alternative Harmonisierung liefert.


04-Übersicht Negative HArmony.jpg
 
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