Journey Carbon-Travel-Guitar

SlowGin
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Journey Instruments OF660 BL M
Overhead Carbon-Travel-Guitar mit Pickup



Da es ja neulich in einem anderen Thread auch um das Thema "Gitarre im Flieger" ging, dachte ich mir ich könnte ja mal etwas zu einer Reisegitarre berichten.
Das scheint ja doch einige zu interessieren.

Vorab: Es gibt mittlerweile mehrere Lösungen um eine akustische Gitarre mit einem abnehmbaren Hals etwas reisetauglicher im Sinne einer Flugreise zu machen.
So z.B. die kleine Little-Jane von Furch, oder auch die Gitarren von Journey Instruments.

In diesem Falle geht es aber ganz speziell um die kleine Reisegitarre von Journey Instruments.

Nachdem wir im letzten Jahr einen zwar wunderschönen, aber leider gitarrenlosen, Urlaub verbracht haben und uns auch in diesem Jahr für einige Zeit an einen ruhigen Ort zurückziehen werden, haben wir dafür gesorgt, dass dieser gitarrenlose Zustand nicht erneut eintritt.

Also haben wir uns mal überlegt wie eine reisetaugliche Gitarre denn beschaffen sein müsste, um uns in eine entsprechende Verzückung zu versetzten, die auch groß genug ist um eine Kaufentscheidung herbei zu führen.

Hier die wenig überraschenden Anforderungen:
Klein, als Handgepäck ohne Schwierigkeiten im Flugzeug zu transportieren, klanglich natürlich herausragend und voluminös wie eine "Große", möglichst unempfindlich gegen Temperatur und Feuchtigkeit und sonstigem groben Unfug. Ein Pickup wäre natürlich auch nicht verkehrt. Man(n) weiß ja nie. Frau auch nicht.

Insgesamt also die klassische eierlegende Wollmilchsau.

Da wird der Markt schon etwas übersichtlich, aber die Journey OF 660 schien diese Anforderungen weitestgehend zu erfüllen.
Zumindest laut diverser Berichte im Netz und den Hinweisen anderer Gitarristen.

Leider blieb mir in diesem Fall nur eine Möglichkeit das zu überprüfen.
Wir mussten sie leider erst einmal kaufen, damit wir uns eigenes Bild machen können. Man findet sie halt nicht an jeder Ecke.
Mach ich nicht gern, aber nun ja. Augen zu und durch.

Also gehen wir die Details mal ganz entspannt, in aller Ruhe und ohne Euphorie von wegen "Hurra eine neue Gitarre" zusammen durch.

Erster Eindruck:
Das Ding hat ordentlich Gewicht. Vergleichbare (kleine) Gitarre aus Holz sind in der Regel etwas leichter.
Trotzdem ist die Journey insgesamt recht handlich und natürlich auch nicht so sehr schwer, dass es irgendwie stört.

Apropos "Holz".
Holz ist nicht nicht in Sicht bei dieser Gitarre.
Die Gitarre besteht im Wesentlichen aus Carbon und Fiberglas.

Was einem auch nicht verborgen bleibt, dass ist die deutliche Kopflastigkeit der Kleinen. Allerdings merkt man davon nichts mehr, sobald man den Arm auf den Korpus legt.
Wenn man sie auf dem Schoß hat, dann fühlt sich das ganz normal an.

Der Hals ist mit 44,5 mm im Rahmen des üblichen, wird aber ab dem 5. Bund schon etwas breit. Ich habe ja oft den Daumen mit auf dem Griffbrett und da könnten meine Finger schon einen Zentimeter länger sein, oder der Hals halt ein klein wenig schmaler. Letzteres wäre natürlich deutlich einfacher zu realisieren.

Die Saitenlage ist jetzt nicht gerade sehr niedrig, aber noch gut spielbar. Alternativ liegt sogar eine zweite Stegeinlage bei, die etwas niedriger ist. Der Hals ist ganz klassisch über ein Trussrod zu justieren. Ich denke ich könnte den Hals noch einen Hauch gerader stellen ohne das es Probleme gibt. Kann man vielleicht machen, muss man aber nicht.

Ansonsten ist der Hals recht "flach". Bestenfalls ein flaches C-Profil. Nicht wirklich das was ich sonst so spiele, aber trotzdem leicht und recht bequem zu bespielen. Das Material fühlt sich auch sehr angenehm an. Aber das habe ich auch schon bei anderen Gitarren aus Carbon festgestellt. Wenn man da im wahrsten Sinne des Wortes keine "Berührungsängste" hat, dann ist das gar nicht übel.“

Auch auf der Oberseite des Halses gibt es aus meiner Sicht nichts zu beanstanden. Das Setup ab Werk ist ebenfalls in Ordnung. Sattel und Steg sind aus Knochen. Die Stegeinlage ist ordentlich kompensiert. Die Bünde sind poliert und ordentlich verrundet. Da gibt es auch nichts zu meckern. Das Spielgefühl und die gesamte Haptik empfinde ich als angenehm.

Damit sich die Saiten beim abnehmen des Halses möglichst wohlgefällig verhalten und sich nicht unerlaubt vom Acker machen, werden sie hinter dem Sattel einfach mit einer Klemme fixiert. Letztere macht nicht den stabilsten Eindruck. Man wird sehen. Als Tuner wurden kleine Grover installiert, die auch sehr gefällig funktionieren.

Als Saiten wurden ab Werk Elixir "Light" aufgezogen. Das wären also 12er. Die 11er Sätze laufen bei Elixier ja schon unter "Custom Light".

Verarbeitung?
Eigentlich sehr gut. Warum "eigentlich"?
Nun ja, erspart euch den Blick in das Innere.

Carbon und Fiberglas ist nicht echt nicht schön zu verarbeiten. Schon klar.
Trotzdem hätte man sich vielleicht im sichtbaren Bereich des Schalllochs ein kleines bisschen mehr bemühen können. Aber wir wollen damit ja keinen Schönheitspreis gewinnen.

Wobei ich diese nachtblaue Lackierung auf der Decke auch schon wieder irgendwie schick finde. Es gibt alternativ übrigens auch ein freundliches orange oder ein fröhliches mattschwarz.

Ansonsten ist in meinen Augen alles Andere in Ordnung. Das Journey eigene Patent zur schnellen Montage/Demontage des Halses funktioniert wirklich gut, schnell und schmerzlos. Der Hals sitzt nach dem festziehen der dafür vorgesehenen "Schraube" wirklich absolut sicher und ordentlich im Korpus.

Eine Sache sollte man aber ein bisschen gerade rücken. Von wegen "Hals ab und wieder drauf und die Gitarre ist in tune", dass würde ich so nicht unterschreiben.
Auch wenn das in manchen Videos behauptet wird. Wobei wirklich erstaunlich wenig nachzustimmen ist. Aber mal fix stimmen ist ja nun keine Sache.
Einmal gestimmt verhält sie sich wie jede andere Gitarre auch.

Allerdings sollte ggf. man zwei Dinge beachten:

Die Stegpins sitzen bei unserem Instrument nicht allzu fest im Steg. Hier empfiehlt es sich einfach mal mit der Handkante auf die Pins zu drücken, wenn man bei dem einsetzten des Halses Spannung auf die Saiten gibt. Sonst kommen die Pins gern mal nach oben.

Auch den (möglichst geraden) Saitenverlauf von den Stegpins über die Stegeinlage sollte man kritisch prüfen bevor es "klick" macht und der Hals einrastet. Sonst kann es schon sein, dass man sich irgendwann über einen etwas seltsamen Abstand der Saiten zueinander wundert.

Wie klingt das Ding?

Um trotz geringer Abmessungen ein bisschen mehr Volumen zu ermöglichen ist der Korpus an der Unterseite deutlich tiefer ausgefallen.
Möglicherweise ist das auch einer der Gründe für das erstaunliche klangliche Volumen der "Kleinen". Wobei ich finde, dass ich sie vielleicht ein kleines bisschen fester, kräftiger spielen muss als andere Gitarren. Aber dann ist das schon durchaus beeindruckend. Wobei ich sie (selbst spielend) anfangs als etwas leise und vielleicht auch ein kleines bisschen basslastig empfunden habe.

Wobei sich dieser Eindruck sofort ändert, wenn z.B. mein Frau spielt und ich als Zuhörer vor der Gitarre stehe. Dann ist dem überhaupt nicht mehr so.

Den Klang mit möglichst vielen blumigen Worten zu beschreiben ist ja immer irgendwie müßig bis sinnlos.
Ich kann bestenfalls sagen, das sie sehr trennscharf und brillant/sauber klingt. Ansonsten würde ich sie als recht ausgewogen bezeichnen. Was mir sehr gut gefällt, dass ist die Dynamik. Das hätte ich so schön nicht erwartet. Die regiert wirklich sehr sensibel auf den Anschlag.

Holz versus Carbon?

Ganz ehrlich? Ich glaube nicht das es viele Leute gibt, die im Blindtest sagen könnten woraus die Gitarre gebaut wurde.
Letztendlich muss sie ja auch einfach nur gefallen.

Natürlich klingt sie definitiv anders als die akustischen Gitarren, die wir sonst so spielen. (z.B. Collings, BSG, Santa Cruz, Gibson, Lowden)
Aber mir und meiner Frau gefällt sie und nur darum geht es ja in diesem Fall.

Also bekommt sie von uns einen Reisepass und darf uns künftig begleiten.
Sicher nicht nur auf der großen Urlaubsreise. Auch sonst ist sie ja nicht gerade unpraktisch.

Was ich auch noch erwähnen sollte, dass ist der integrierte Pickup. Ein proprietäres Teil von Journey, dass jedoch verdächtig an einen alten Bekannten erinnert. Bei der Kleinen sitzen drei passiv arbeitende Abnehmer unter der Decke und liefern ein von mir nicht in dieser Form erwartetes, starkes und gutes Signal. Damit kann ich mich problemlos direkt in meinen kleinen Lieblingsamp, oder auch direkt ins Pult stöpseln.

Als Amp verwende ich übrigens auch gern so eine Art "Reise-Amp". Ein kleiner Henriksen "The Bud" plus einem zusätzlichen Speaker (The Ray). Wobei der jetzt nicht auch noch mit in den Flieger soll. Eigentlich kommen die Dinger aus der Jazz-Szene, eigenen sich aber auch ganz hervorragend als Amp für akustische Gitarren.

Aber zurück zum Thema.

Am Amp muss ich sogar ordentlich mit dem Gain aufpassen (ist bei mir regelbar), sonst fiept mir das Ding ganz schnell die Öhrchen voll. Die Bässe ein bisschen zurück, den Rest weitestgehend auf 12 Uhr und dann passt das bereits ganz gut.

Der abgenommene Sound ist in meinen Augen, (bzw. Ohren) vielleicht sogar die größte Überraschung. Das klingt richtig, richtig gut!
Und ich bin da schon ein bisschen verwöhnt.

Das macht alles wirklich sehr viel Spaß und ist insgesamt eine wirklich kleine, sehr leichte und transportable Lösung.

Vielleicht noch ein Wort zur Tasche:

Hier hat wirklich jemand mitgedacht. Nicht nur das sie die von den Abmessungen so gestaltet ist, dass sie problemlos mit den Flieger darf, da passt auch wirklich noch so einiges zusätzlich rein. Auch für ein Notebook und/oder Tablett ist noch genug Platz vorhanden. Mein kleines Spire-Interface in den Reisekoffer gepackt und den restlichen Kleinkram ins Case der Gitarre, dann hätte ich sogar alles für spontane Aufnahmen dabei. Schon schick, was heute so alles geht.

Was ein wenig schmerzt, das ist natürlich der Preis.
(1.299,00 EUR)


Hier noch ein paar Daten:
Modell: OF660 BL M, Overhead Travel Cutaway
Western Gitarre mit Tonabnehmer

  • abnehmbares Halssystem,
  • hochwertiger Reiserucksack/Case
  • passt in das Gepäckfach eines Flugzeugs
  • Dual-Action Stahlstab
  • Boden & Zargen: Fiberglas verstärkte Kohlefaser
  • Decke: Kohlefaser;
  • Hals: Kohlefaser
  • Griffbrett: Kohlefaser
  • 20 Bünde
  • Sattel: Knochen
  • Sattelbreite: 44,5 mm (1,75“)
  • Mensur: 622 mm (24,5“)
  • Tonabnehmer: Journey under-saddle, passive
  • Stegmaterial: Kohlefaser
  • Stegeinlage: Knochen kompensiert
  • Mechaniken: Grover 18:1
  • inkl. TSA konformes Gigbag
  • Farbe: Carbon Blau / Matt
  • Saiten ab Werk: Elixir Phosphor-Bronze Lights

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Sehr schönes Review. Eine Tonbeispiel wäre nett, aber vor allem wüsste ich gern, wie groß das Ganze als Gepäckstück ist. Geht das?
 
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Danke für das Review. Mit der Gitarre habe ich auch schon öfters geliebäugelt - allerdings hat mich der Preis bisher davon abgehalten.

Nicht nur das sie die von den Abmessungen so gestaltet ist, dass sie problemlos mit den Flieger darf,

Mhh. Also bis jetzt dachte ich auch immer, es wäre das Alleinstellungsmerkmal dieser Gitarre, dass die Vorgaben eingehalten werden (so einige andere Gitarren, die als Reisegitarren beworben werden, reißen die Vorgaben der Airlines deutlich).

Allerdings:
- Maße laut Journey: L*W*H: 22*14*10 in (55.9*35.5* 22.9 cm)
- zulässige Maße Airlines zwischen 55x40x20 und 56x45x25 (siehe https://www.markenkoffer.de/IATA-Handgepaeck-masse-bestimmungen/ sowie https://www.t-online.de/leben/reise...cke-diese-regeln-gelten-bei-den-airlines.html)

Genau genommen darf die Gitarre also nur bei bestimmten Airlines mit. Ist natürlich die Frage, wie rigoros das kontrolliert wird.


P.S.: Noch eine Alternative, die vllt. wenige auf dem Schirm haben:

Ich habe vor geraumer Zeit eine GS Mini als Reisegitarre genutzt. Der Hals ist da auch demontierbar, wenngleich dies etwas länger dauert als bei der Journey o.ä. Aber der Taylor Korpus passt selbst in den kleineren der o.g. Koffer (55x40x20). Der Hals muss dann aber ins Hauptgepäck. Ist natürlich nicht so robust wie die Journey.
 
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Die Fa. Journay Instruments kommt halt aus den USA und sich an deren Maße für Handgepäck orientiert.
Aber damit lässt man den Kunden auch bei Lufthansa & Co. rein. Da mache ich mir nun wirklich keine Sorgen.

Als Tonbeispiel finden sich doch schon so viele im Netz. ;-)
Da bin ich mal faul.

Hier mal eines, bei dem Amp benutzt wird, den ich selbst auch spiele.
https://acousticguitar.com/video-re...r-travel-guitar-is-easy-to-assemble-and-play/

Oder hier etwas von Don Ross

(z.B. ab Minute 1.20 oder 5.20)

@Atomfried
Danke das Du die Maße rusgefummelt hast.

Der Tip mit der Taylor ist auch nicht verkehrt. Hatte ich mir auch schon mal überlegt.
Das ginge z.B. auch mit meiner alten Fender Stratacoustic.

Die Journey gibt es übrigens auch aus Holz und kostet so auch deutlich weniger.
 
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Tolles Review , kann ich alles so unterschreiben . Ich hab selbst eine seit etwa 2 Jahren und es ist wirklich eine sorgenfreie Reisegitarre. Den Hals finde ich persönlich ein wenig klobig , aber trotzdem gut spielbar. Der große Vorteil ist halt wirklich die Robustheit gepaart mit dem schönen warmen Klang. Holzgitarren in der Größe klingen da ja gern ein wenig boxy.
Auch in kleinen Flugzeugen war es nie ein Problem sie mit an Bord zu nehmen.
 
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