Nach Noten spielen - für erwachsenen Notenanalphabeten

  • Ersteller cosmodog
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Ich bezog mich auf das bei Anfängern mit Schwierigkeiten im Notenlesen beliebte "nach Fingersatz" spielen, z.B. r.H. 1 = c. Das führt zu Klaviernoten als "Spielen nach Zahlen".
Band I der Russischen Klavierschule geht dagegen in den Übungen und Stücken von Seite 14-35 gezielt an, das wird aber vermutlich von Autodidakten kaum verstanden und daher überblättert.

Gruß Claus
 
"nach Fingersatz" spielen
... ist meines Erachtens das geringere Problem und unter bestimmten Umständen sogar sinnvoll. Die größere "Gefahr" ist eine Note-Finger-Fixierung. Das ist kein "Zahlenproblem" sondern eine fixierte Auge-Hand-Koordination von Noten und Fingern, die schnell entsteht, wenn in einem eng begrenzten Tastenbereich gespielt wird. Meine Schüler schreiben nur dann Zahlen an Noten, wenn es wirklich notwendig ist. Also kann ich ausschließen, dass sie nach Zahlen spielen. Dennoch zeigt sich, dass ein nur leicht verschobener Lagenwechsel dazu führen kann, dass sich beim Anblick bestimmter Noten ein ganz bestimmter Finger in Bewegung setzt und der Positionswechsel der Hand in diesem Moment anscheinend ausgeblendet wurde. Je größer der Positionswechsel ist, um so leichter ist es, eine fixierte Auge-Hand-Koordination aufzubrechen und zu lernen, die Abstände zwischenden Tonhöhen im Notenbild zu realisieren und in Fingebewegungen umzusetzen. Wenn sich da eine Blockade zeigt, schreiben wir die Fingerzahlen an die Noten, um an "strategischen Punkten" Fingerpositionen sichtbar zu machen.
Früh einsetzende Lagenwechsel sind meines Erachtens also vor allem notwendig, um die einseitige Verknüpfung zwischen Note und Finger zu verhindern. Wenn an bestimmten Stellen immer wieder ein falscher Finger "zuckt", werden Fingersatzzahlen punktuell als didaktisches Hilfsmittel eingesetzt. Das unterstützt die Erkenntnis, dass jede Note eine ganz bestimmte Taste auf dem Klavier meint, mit welchem Finger die gespielt wird, ist dagegen salopp gesagt "wurscht".
Wichtig ist, dass man lernt, sich nicht einfach irgendwie dahin treiben zu lassen und die Finger laufen lässt, wie es gerade kommt, sondern sich ansieht, welche Tasten in einer Melodie bzw. Begleitung benutzt werden und sich dann überlegt, mit welcher Handposition und welchen Lagenwechseln man am besten durch die Melodie kommt. Wenn der Herausgeber bereits einen Fingersatz eingetragen hat, versucht man zu ergründen, warum er den so und nicht anders gesetzt hat hat oder ob es Alternativen gibt, die für die Größe der eigenen Hand besser passen oder sich besser anfühlen ... oder ob da eine pädagogische Absicht hinter dem vorgegebenen Fingersatz stecken könnte.
Für einen guten und sicheren Spielfluss, sowie eine geschmeidige Handbewegung ist ein gut durchdacher und konsequent durchgehaltener Fingersatz sehr wichtig. Damit sich der einprägt, wird er an entscheidenden Stellen, also dort, wo Kreuzungen oder Lagenwechsel angesetzt werden, an die Noten geschrieben. So ist die Chance am größten, dass der herausgearbeitete Fingersatz nicht immer wieder geändert wird.

Der langen Rede kurzer Sinn:
Fingersatz (bzw. Zahlen) sinnvoll genutzt ist wichtig und richtig. Die Menge macht das Gift. ;-)

Gruß
Lisa
 
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Richtig, das sehe ich genauso, z.B. will ich bald von Liszt die Consolation No. 1 spielen und dort habe ich auch gemerkt, dass mir der vorgegebene Fingersatz an einer Stelle partout nicht gepasst hat, also habe ich ihn abgeändert und nun lässt es sich viel angenehmer spielen :)
 
Das ja mal sowieso... :D

Bach BWV 114.jpg
Quelle: BWV Anhang 114, in Chr. Tsitsaros, First Lessons in Bach

Bernstein quote.jpg
Quelle: L. Bernstein, For Susanah Kyle in Margret Feils, Einfach Klassik


Gruß Claus
 
Schon lustig: Als Noten- und Klavieranfänger hatte mir meine neue Klavierlehrerin Noten eines Kinderlieder mitgegeben, die wir in der ersten gemeinsamen Stunde vierhändig gespielt haben. Das heißt, ich habe die paar Takte gespielt, die auf dem Notenblatt standen und sie saß links und spielte dazu.

Ich habe also zuhause meinen Teil gelernt, den wir im Unterricht hatten. Ich fand es auch gut, die Melodie in Moll zu spielen oder irgendwelche Skalen zu benutzen, die ich kenne. Das hat dann zwar kaum noch etwas mit dem Notentext zu tun, lässt so ein Kinderliedchen aber gleich viel verwegener klingen, als dieses fröhliche Gehopse.

In der folgenden Stunde spielte ich das also der Klavierlehrerin vor und sie stieg drauf ein. Ich fragte sie dann, ob wir jetzt mit dem zweiten Teil weitermachen, worauf sie fragte, welchen zweiten Teil ich meine. Naja, sagte ich, bis jetzt spielen wir "Primo", danach müsste doch "Secundo" kommen.

Sie klärte mich dann auf, dass dieses "Secundo" nicht danach kommt, sondern die zweite Stimme ist, die sie gespielt hat. Und ich hatte mich schon gewundert, warum der vermeintlich zweite Teil auf der linken Seite steht...

:D:D:D

Woher soll ein armer Notenunkundiger wie ich das auch wissen?

Btw. Gilt es eigentlich auch als "nach Noten gespielt", wenn ich die Melodie auswendig lerne und nach Gehör spiele?

Wenn ich mitlese, kann ich irgendwie nicht spielen...
 
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Wenn ich mitlese, kann ich irgendwie nicht spielen...
Das Ziel ist genau das: Beim Lesen gleichzeitig zu spielen. Wenn Du das durch Auswendiglernen vermeidest, lernst Du es halt nicht.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Das Ziel ist genau das: Beim Lesen gleichzeitig zu spielen. Wenn Du das durch Auswendiglernen vermeidest, lernst Du es halt nicht.

Viele Grüße,
McCoy

Ich hab es befürchtet. :engel:
 
Ich würde empfehlen, das Notenlesen vor dem Spielen so zu üben, wie ich das einige Male beschrieben habe. Das kostet nur Minuten, funktioniert und Du liest Noten bald nebenbei so richtig wie Beiträge im Board. :)

Deine "Alterenative" ist keine, sie führt dich in die Sackgasse, niemals so richtig Notenlesen zu können.
Das kommt später eben nicht wie von selbst, weil die Unsicherheit bleibt, das Notenbild zunehmend mehr Informationen enthalten wird und dann nicht mehr aussieht wie jetzt in der Elementarstufe.

Ggf. sollte deine Lehrerin das "Vorlesen" des jeweiligen Stücks in den Unterricht einbauen, bis das flüssig klappt.

Primo/secondo - findst Du in den meisten Klavierschulen und auch sonst in besonderen Arrangements für Klavier für 4 Hände, guckst Du:



Gruß Claus
 
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Ich würde empfehlen, das Notenlesen vor dem Spielen so zu üben, wie ich das einige Male beschrieben habe.

Ja, ich habe mir das vorher quasi Note für Note angesehen, aber wenn ich das sagen wir zwanzig mal gespielt habe, sehe ich nicht mehr wirklich hin, höre aber selbstverständlich, wenn ich falsch spiele, ohne auf die Noten zu gucken.

Spiele ich dann einfach weiter, ist alles fein. Wenn ich in dem Moment aber auf die Noten gucke, bin ich raus.

Wahrscheinlich ist es so, wie McCoy schreibt.

;)
 
Beim Lesen gleichzeitig zu spielen.
Gibt's exakt dafür Lernstrategien ( mal abgesehen von viel üben ) unter der Voraussetzung, das mir Notenlesen keine Probleme bereitet?
 
Gibt's exakt dafür Lernstrategien ( mal abgesehen von viel üben ) unter der Voraussetzung, das mir Notenlesen keine Probleme bereitet?
Am Besten immer neue Stücke nehmen, die man noch nicht kennt.
 
@cosmodog @Wowang
Mit meinen Schülern mache ich folgendes:
Wenn sie Probleme haben das Spielen und Lesen zu kombinieren, fordere ich sie auf, beim Auswendigspielen die Augen zu schließen und zu fühlen, was die Hände tun. Nur wenn sie nicht mehr weiter wissen, dürfen sie mal gucken. Dann wird das Musizieren schrittweise mit "Zusatzaufgaben" kombiniert. Zur Vorbereitung wird die Musik in Abschnitte eingeteilt, die wir im Notentext markieren. Anschließend spiele ich einen Abschnitt vor und der Schüler wandert mit einem Finger oder Zeigestock auf den Noten mit. So wird schon mal Lesen und Hören verknüpft. Dann spielt der Schüler diesen Abschnitt. Wenn er dabei nicht Lesen kann, soll er die Augen schließen, damit er nicht auf die Tasten guckt. Weiß er nicht weiter, bleiben die Augen geschlossen und ich gebe einen Hinweis, damit er weiter kommt. Gucken ist in diesem Fall nur erlaubt, wenn es gar nicht anders geht. Der nächste Schritt ist dann, dass zwar auf das Notenblatt geguckt aber nicht die Noten gelesen werden. Der Blick soll immer den Teil angucken, der gerade gespielt wird. So wird schon mal eine Groborientierung im Notenblatt geübt und man weiß dann wo man gerade ist beim Spielen. Weitere Details erspare ich Euch. Das Grundprinzip ist halt genau umgekehrt: Man kann etwas spielen und lernt dann nach und nach, das Gespielte dem Notenbild zuzuordnen. Zu diesem Zweck wandere ich bei Bedarf auch mit dem Zeigestock mit, wenn der Schüler halb auswendig halb lesend spielt und beim Hin und Her gucken (Noten und Tasten) im Notenbild ohne meine Unterstützung den Faden verlieren würde und dann also nicht mehr weiß, wo er ist. Wenn der Lernstoff so ausgesucht wird, dass in den Musikstücken bestimmte Grundmuster wiederkehren, diese aber neu kombiniert und schrittweise mit Neuem ergänzt werden, dann lernt man mit der Zeit, Motive wiederzuerkennen und umzusetzen. Und dann kann man das Prinzip umkehren: gucken, was da steht und spielen.

Gruß
Lisa
 
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Am Besten immer neue Stücke nehmen, die man noch nicht kennt.
Oder in der abgeschwächten Variante: genügend Stückchen (des passenden Schwierigkeitsgrades) ins Repertoire aufnehmen, dass man sich einfach nicht mehr alle Details merken kann. :D

Ich verfolge den Notentext grob mit, selbst wenn ich das Stück auswendig kann. Note für Note lese ich nur noch wenn ich das Stück neu lerne, danach dann nur noch taktweise in "Bildern". Mittlerweile (nach 4 Monaten) stützen die Bilder der Takte meine Erinnerung ähnlich wie Akkordsymbole beim Gitarre spielen. Echtes "vom Blatt spielen" klappt bei mir jedoch nur auf sehr einfachem Niveau.

Wenn ich mitlese, kann ich irgendwie nicht spielen...
Warum? Wegen Finger-gucken? Ich habe mir mit Auswendiglernen-und-statt-dessen-auf-die-Finger-gucken in meinem Leben schon insgesamt 3 mal das Notenlesen-lernen verbaut - als Kind, in meinen Zwanzigern und in meinen Vierzigern.
 
Warum? Wegen Finger-gucken?

Nein, ich gucke auf die Noten, könnte mir in dem Moment aber auch ein weißes Blatt hinstellen. Ich gucke nur, in welcher Lage ich anfange und dann geht es los.

Wenn es komplexer wird, wird das selbstverständlich nicht mehr funktionieren, wie @Claus ja schon schrieb.

Bis dahin bin ich hoffentlich so weit, dass ich größere Zusammenhänge erkenne.
 
Nein, ich gucke auf die Noten, könnte mir in dem Moment aber auch ein weißes Blatt hinstellen
Na das ist doch schon mal super! Jetzt mußt du nur noch lernen, den Notentext mitzuverfolgen, wie von @Lisa2 beschrieben.
 
Bis dahin bin ich hoffentlich so weit, dass ich größere Zusammenhänge erkenne.
Das Lesen funktioniert also, aber spielst Du denn ohne Klavierschule und methodische Übungen?

Ich übe neben Spielstücken (Unterstufe) immer noch eine Etüde nach der anderen, z.B. aus dem Sammelband Gerhard Kölbl, Die 100 wichtigsten Etüden für Klavier.
Über den Titel der Ausgabe kann man streiten. Jedenfalls sind oft bekannte Etüden von ebenso bekannten Komponisten des 19. Jh. enthalten, sie variieren von leicht bis mittel und adressieren wichtige Inhalte des Klavierspiels in m.E. ansprechender Weise.

Warum ich darauf komme? Mit Etüden wirst Du vielleicht animiert, recht viel zwischen Noten und Tasten hin und her zu schauen. :D
Wahrscheinlich ist das aber nicht so ganz "deine" Musik - Du lernst daher freiwillig nicht so schnell auswendig, wie das z.B. beim methodisch ebenfalls interessanten "Linus & Lucy" wäre (Faber & Faber, BigTime Piano Kids' Songs - rhythmisch korrekte Version in G, im Original Ab).

czerny guaraldi.png

Gruß Claus
 
Zum Notenlesen allgemein muss man aber auch fairerweise sagen, dass Notenlesen als Einsteiger ein ganz anderes Lesen als als Fortgeschrittener ist. Man achtet auf andere Dinge, beschäftigt sich als Fortgeschrittener viel schneller mit dem Inhalt der Noten, liest ganze Muster, etc. . Grundsätzlich ist halt der Umgang mit Schriftsprache extrem davon abhängig, wieviel man sich damit beschäftigt hat.

Und für alle Notenanfänger: mit gutem Grund wird in der Grundschule 1./2. Klasse täglich der Umgang mit Sprache geübt, in Deutsch und allen anderen Fächern. Und zwar in alle Richtungen: leise lesen, laut vorlesen, zuhören, schreiben. Das hat jeder von uns hinter sich, und die meisten haben es halbwegs unfallfrei überlebt und beherrschen es jetzt. Warum also nicht genauso bei Noten im Erwachsenenalter? Weil man als Erwachsener langsamer im Lernen, aber gleichzeitig bequemer und anspruchsvoller geworden ist. Eine fatale Kombination :rolleyes:. Wer aber nur den Bruchteil der Mühe eines Grundschulkindes investiert und die Bequemlichkeit im Zaum hält, lernt Noten i.d.R. problemlos.

Und Notenlesen wird in jedem Lebensalter anders ablaufen, genauso wie ein 60jähriger mit Sprache etwas anders umgeht als ein 15jähriger. Aber für beide gilt: sie haben mehr Möglichkeiten der Verständigung mit Musikern, wenn sie Noten beherrschen.
 
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Ich gucke nur, in welcher Lage ich anfange und dann geht es los.
Nimm dir doch mal deine Noten, wähle einen Takt mitten im Stück und fang ab der Stelle an zu spielen. Dann einen anderen, willkürlichen Takt ...
 
Momentan bin ich im Mikrokosmos unterwegs, da sind eigentlich keine Stücke drin, die ich vorher schon kannte. Nebenbei habe ich noch die Klavierschule für Erwachsene von Uli Molsen am Start. Da sind in der Tat Melodien drin, die man kennt.

Zwischendurch wird mich die Klavierlehrerin noch mit Stoff versorgen. Sie hat mich auch schon auf einen Fehler in Molsens Noten hingewiesen. Bei "Freude schöner Götterfunken" fehlt eine vorgezogene Note im 12.Takt.

Ich bin schon gespannt auf die nächste Stunde und nach wie vor noch ganz am Anfang. Manchmal verkitsche ich die Sachen etwas, damit es nicht langweilig wird, z. B. indem ich den Rhythmus bewusst verändere. Auch wenn ich ja eigentlich nach Noten spielen will, frage ich mich manchmal, inwieweit man davon abweichen darf/sollte, wenn man das elementare Notenlesen noch lernt.
 
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indem ich den Rhythmus bewußt verändere.
Das tue ich mit meine Spielstücken aus den Faber Bänden ständig. Die Arrangements aus der ChordTime Edition (Level 2B) sind häufig etwas hölzern, daher peppe ich sie gerne auf mit Synkopen, zusätzlich gespielten Noten in der linken Hand, etc.
Bei den Schulstücken aus dem Heumann Band 1 und Margaret Feils "Einfach Klassik" bleibe ich dagegen "sklavisch" beim Notentext.
Auch wenn ich ja eigentlich nach Noten spielen will, frage ich mich manchmal, wie weit man davon abweichen darf.
Je nach Aufgabenstellung von "gar nicht" bis "beliebig, soweit du Lust hast". Willst du was lernen? Löse die Aufgabe! Willst du in erster Linie Spaß haben? Da ist alles erlaubt. Willst du ein bestimmtes Stück von einem alten Meister vortragen? Bleibe exakt ... aber füge deine eigene Interpretation im Ausdruck hinzu.

EDIT: Ich finde ehrlich gesagt die "Entdeckung", dass sich Notation nicht nur exakt sondern auch mal nur als "grobe Richtschnur" verwenden lässt eigentlich sehr erfreulich.
 
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