Improvisation auf den schwarzen Tasten

Die schwarzen Tasten der Pianotastatur bilden nun eben (zufällig???) fünf solche Töne,
Nein, zufällig ist das nicht.
Das neben der Oktave "reinste" Intervall ist die Quinte. Wenn man bei bei einem beliebigen Ton beginnt und viermal eine Quinte nach oben geht (oder auch viermal nach unten), dann hat man einen Pentatonik-Vorrat, wie ihn schon die alten Chinesen kannten und nutzten. Dann noch kurz sortieren und alle 5 Töne durch Oktavieren in eine Oktavlage bringen - fertig ist der pentatonische Tonvorrat.
Wenn man beim B beginnt und immer eine Quinte nach unten geht, erhält man: B, Es, As, Des, Ges. Das sind genau die schwarzen Tasten. Geht natürlich auch mit jedem anderen Startton.
Wenn man noch zwei Quinten dranhängt, erhält man den Tonvorrat unserer "vollständigen" heptatonischen (siebentönigen) Tonleitern, der sich wiederum bei einem geschickt gewählten Startpunkt komplett auf die weißen Tasten legen lässt.

Das aber nur am Rande und es sprengt das Thema.



Es gibt an Keyboards auch Modes, die sämtliche Tasten je nach Playback Harmonie so umstimmen, dass es passt.

Oh, das hatte ich noch überhaupt nicht gewusst. :eek:
Ich kenne nur automatisch erzeugte Zweitstimmen oder automatisch erzeugte ganze Melody-Chord-Voicings.
Aber so ist das natürlich katastrophal - da wird man es ja nie schaffen, eine Verknüpfung zwischen Tonvorstellung und zu drückender Taste aufbauen können, wenn das Gerät immer "irgendetwas" spielt und automatisch "korrigiert". Vom Korsett ganz zu schweigen.
Aus Fehlern lernt man - und wenn das Keyboard (vermeintliche) Fehler automatisch korrigiert, lernt man auch nichts.


Ich gehe zur Fahrschule und dort werden selbst fahrende Autos benutzt.
Das ist großartig, ignoriert aber etwas grundlegendes.

Du wirst lachen, in abgemilderter Form habe ich genau das gerade bei meiner großen Patentochter erlebt:
Das Fahrschulfahrzeug entstammt der neuesten Generation mit technischer Vollausstattung: beispielsweise elektrische Hand-/Feststellbremse incl. Berg-Anfahrhilfe und eine Luxus-Rückfahrkamera incl. vom Lenk-Einschlag abhängig eingeblendetem Fahrweg.
Wenn nun ein so geschulter Anfänger seinen ersten alten Gebrauchtwagen ohne all den Zauber hat, wird es lustig.



Improvisieren war früher für mich ein Minenfeld.
Ja. Und genau deshalb sind solche selbst auferlegten Einschränkungen wie die schwarze-Tasten-Pentatonik eine gute Einstiegshilfe, aber mehr auch nicht.

Es kommt darauf an, richtig zu lernen und zu üben.



Rhythmus nicht vergessen!

Ich weiß. Es ist sehr schwer, auf sehr viele Dinge gleichzeitig zu achten.
Ich möchte auch niemanden überfordern, sondern auf einen ganz wesentlichen Punkt beim Improvisieren hinweisen:
Der "Groove" ist wichtiger als die tatsächlich gespielten Töne!!!
Ein langweiliges Dudelsolo mit "richtigen" Tönen wirkt weniger attraktiv als ein "groovendes" Solo mit falschen Tönen. Tatsache!

Deshalb ist es kein schlechter Einstieg, zu Beginn den Tonvorrat extrem einzuschränken, wenn es sein muss, auf einen einzigen Ton.
Maxitos Workshopleiter hatte also recht:
Auf einem Jazzworkshop hat der Workshopleiter mal den Spruch gesagt, der denke ich, nach wie vor uneingeschränkt gilt: Wenn du nicht mit 3 Tönen improvisieren kannst, dann kannst du das auch nicht mit 100.000.

Es ist toll, mit ein, zwei oder drei Tönen zu beginnen und
  • vor allem mit rhythmischen Ideen und Variationen zu spielen
  • versuchen, die zwei oder drei Töne gezielt (d. h. nach Tonvorstellung, nicht zufällig) zu spielen.
    Hierzu gehört auch (wie immer!), dass man sein Solo auch ohne Instrument singen kann und das Gesungene gezielt spielen kann.
Das wird durch den zunächst begrenzten Tonvorrat enorm erleichtert.
Es geht nicht um die Einschränkung an sich, aber diese hilft, Hirnkapazitäten freizuhalten und vor allem ermöglicht sie das gezielte Spielen.
Und eben die Konzentration auf den Rhythmus - es muss grooven!: "It Don't Mean a Thing If It Aint't Got That Swing!".


Erstes Ziel nach den "Dudelübungen"


Mache Dich mit dem "Klang" der Pentatonik vertraut.
Singe! Ohne Instrument! Das geht auch in der Dusche, beim Autofahren, beim Waldspaziergang: immer und überall: singe!
"Improvisieren" bedeutet ja letztendlich, sich auszudrücken - und dazu muss man etwas zu sagen haben.
Zusammenhanglos Skalen hoch- und runterzunudeln ist unmusikalisch und bringt nicht weiter.

Der begrenzte Pentatonik-Tonvorrat erleichtert die Sache bzw. die Umsetzung der Tonvorstellung auf das Instrument (immerhin nur 5 statt möglicher 12 Töne).
Der bekannte "Vorteil" der Pentatonik, praktisch keine falschen Töne spielen zu können, ist hier aber nicht maßgeblich, denn Dein Spiel soll ja nicht nur zufällig gut klingen, sondern so klingen, wie Du Dir das (im Kopf!) vorstellst. Alles andere ist Murks, denn wenn das Ergebnis nicht nur die Zuhörer, sondern auch den Spieler überrascht, dann läuft etwas gewaltig schief!

Wenn Du im Kopf (also durch Vorstellung, Singen, Summen, Pfeifen) zunächst einfache Phrasen improvisieren kannst, kommt die Übertragung aufs Instrument.


"Vor-Übung": Spielen nach Gehör

Weil der Mensch leicht überfordert ist, wenn er sich auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren muss (z. B. gleichzeitig Melodie erfinden und sofort spielen), scheint mir das Spielen einer bekannten Melodie nach Gehör eine unabdingbare Voraussetzung zu sein, um improvisieren zu können. Denn beim Improvisieren geht es schließlich darum, etwas aus dem Stegreif erdachtes direkt mit seinem Instrument spielen zu können.
Ich weiß, das ist nicht unbedingt einfach, aber man sollte es unbedingt als Ziel im Auge behalten.

Einfache Kinder- und Volkslieder, jetzt auch jahreszeitlich passende Weihnachtslieder sind ein wunderbarer Einstieg!

Das alles geht aber wiederum nicht ohne Gehörbildung und einer soliden Intervall-Vorstellung:


Gehörbildung: Intervalle singen können

Eine "Melodie" ist ja zunächst einmal völlig unabhängig von irgendwelchen Tonarten. Der Wiedererkennungswert besteht alleine aus den Intervallabständen zwischen den Tönen:

Mit welchem Ton muss ich anfangen und wie geht es dann weiter?
Oder: "Woher soll ich wissen, welche Töne ich spielen/singen muss?"

Das geht mit etwas Übung allein im Kopf. Singe Dir notfalls die Tonleiter vor.

  • "Alle meine Entchen" beginnt mit dem Grundton und läuft dann die Dur-Tonleiter hoch. Der erste Ton ist also der Grundton der gewählten Tonart.
  • "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Beginnt auch mit dem Grundton und springt dann eine Quinte hoch. Wenn Dir die Melodie vertraut ist, hast Du sofort eine Vorstellung, wie ein Quintsprung nach oben klingt. Das ist der beliebte "Liedanfangs-Trick", um Intervalle zu identifizieren.
  • "Hänschen klein": Fängt nicht mit dem Grundton an, sondern der 5. Stufe, der Quinte. Singe notfalls die Dur-Tonleiter hoch, bis Du den Einstiegston gefunden hast: "da, da, da, da, Häns-chen klein". Aha. Die Quinte. Der 5. Ton. Und dann eine (kleine Terz) nach unten. Genau wie bei "Kuckuck, Kuckuck".
  • usw.
Wenn Du dann noch weißt, wie man auf dem Akkordeon von einem Ton ausgehend ein bestimmtes Intervall nach oben oder unten kommt, hast Du schon fast gewonnen.
Hier sind Knopf-Akkordeons durch ihre "gleichberechtige" Knopfanordnung ein bisschen im Vorteil.

So wirst Du nach und nach mit immer weniger Fehlern einfache Melodien direkt nach Gehör spielen lernen. Und später auch kompliziertere.
Eigentlich unabhängig von der Tonart. Das, was eine Melodie ausmacht, z. B. "große Terz nach oben" ist völlig unabhängig von der Tonart.


Und auch später: Singen, singen, singen!

Es ist egal, wie es klingt, aber nichts schult die Tonvorstellung wie das Singen.
George Benson singt ja oft seine Soli mit (d. h. er weiß natürlich genau, was er spielt, da ist kein Ton ein Zufallstreffer).
Der Klaviervirtuose Horowitz hat gesagt "It's all about singing."
Singen kann also nicht überbewertet werden!

Der "Wert" von Skalen, Modi (Kirchentonarten) usw. besteht beim Improvisieren mehr darin, sich in diesen Klangwelten heimisch zu fühlen. Die technischen Fingerfertigkeiten sind notwendig, aber nicht wesentlich.
Wenn man das Alphabet als Tonskala unserer Sprache betrachtet, ergibt weder das Auf- und Ab-Buchstabieren noch das wahllose aneinanderreihen von Buchstaben eine sinnvolle Aussage.

Übe Dich in deiner musikalischen Phantasie. Höre viel Musik (das gibt Anregungen und öffnet manchmal Welten).
Die Idee muss "in Dir" entstehen.
Ohne Tonvorstellung und musikalische Aussage wird jedes Solo zum ziellosen Gedudel, so virtuos dieses Gedudel auch sein mag.

Viele Grüße
Torsten
 
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Es ist hochinteressant, die Verhaltensweisen zu beobachten. Manche gehen recht unbekümmert an die Aufgabe ran, andere sind paralysiert und stehen da wie am Zehnmeterbrett. Alle aber erleben ungläubig, was sie da produzieren.
Was für eine geniale Idee. Die heb ich mir auf. Das muss ich auch mal probieren.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
<OT>
Dann ist der Erkenntnisgewinn ziemlich arm, denn man weiß wirklich nicht was man tut.
Als Ergänzung gemeint (auf keinen Fall als Kritik):

Man kann's auch anders herum erleben. Ich hab mal in jüngeren Jahren ziemlich viel zum Thema Improvisation gelesen und das Zeug in mich reingefressen. Fazit war, dass ich vor lauter Verbildetheit (F/Eb 7#11#13, Ganztonskala, dann dorisch-mixoldysch-spasmogenetisch) überhaupt nicht mehr improvisieren konnte. Alles bewegt sich auf zementierten, theoretisch gut fundierten Wegstrecken. Für jedes Stück Musik gab's ein steifes Improvisations-Korsett. Die Theorie killte jedes Stück Gefühl, Offenheit und Spielfreude. Daher finde ich wie du die Methode hier einen guten Einstieg und eine Erinnerung an mich und vielleicht andere Theoriejunkies mit Betonschädel: Spielen lernt man vom Spielen. Oder wie es im Buch der Bücher steht: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kindlein..."

Nun weiß ich, dass man erst Mensch-ärgere-Dich-nicht spielt, später kommen Dame und schließlich Schach oder Go. Pentatonik ist wie Mensch-ärgere-Dich-nicht. Man gewinnt mit Pentatonik nicht alle Blumentöpfe. Aber wie sehen die musikalischen Spiele der Jugendlichen und der Erwachsenen aus? Wie bringt man sie dazu zu spielen, zu improvisieren, Spaß zu haben anstatt Theorie über Spielen, über Improvisieren und über Spaß zu studieren??
</OT>
 
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"Wenn ihr nicht werdet wie die Kindlein..."

Und was machen die Kindlein? - Sie machen einem alles nach!

Deshalb: Hören, hören, hören. Daraus Klangvorstellung entwickeln, kreativ sein.
Und die Theorie mit all ihren Skalen kann höchstens dazu dienen, neue Klangwelten zu eröffnen.
Aber solange man diese Skalen nicht "fühlt", ist es nur sperriges, steriles und kreativitätstötendes Gesetzeswerk.

Unbeschwert spielen, was einem in den Sinn kommt.
Was einem in den Sinn kommt, hängt allerdings maßgeblich von der musikalischen Vorbildung ab. Man kann sich auch alles durch Hören aneignen. Früher ging das gar nicht anders, da haben das alle Jazz-Musiker so gemacht.

Wie gesagt: wenn man seine Improvisation nicht singen kann, dann stimmt etwas nicht.

Viele Grüße
Torsten
 
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Beethoven war am Ende taub und hat weiterkomponiert. Als Alternative zum für andere hörbare Singen gibt es auch das gedachte Singen bei dem die Töne auch sauber da sind aber keinen Muks nach außen machen.
Gedachtes Singen
 
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Als Alternative zum für andere hörbare Singen gibt es auch das gedachte Singen bei dem die Töne auch sauber da sind aber keinen Muks nach außen machen.
Gedachtes Singen
Ja. Das meine ich mit "Tonvorstellung".
Da kann man sich sogar den Klang eines ganzen Orchesters vorstellen - singen kann man ja nur einen Ton auf einmal (oder zwei, wenn man erkältet ist). :D

Eigentlich sollte man mit dem ganzen Körper Musik machen, und auch bei Tasteninstrumenten gehört das Atmen dazu. Also zum Beispiel: Luft holen vor dem Einsatz.
 
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Das Prinzip der Reduktion hilft immer, bevor ich Aquarell male schadet der Bleistift nicht und die "blaue Phase" hilf mir das Blau in all seinen Tiefen und Abgründen zu erleben.
Es schadet auch nicht das Prinzip der "Tonräume" und "Skalen" abstrakt zu verstehen. Pentatonik ist ein ganz bestimmter Tonraum, aber man kann das gleiche auch mit einem ganz anderen Tonraum machen, diesen verkleinern und Stück für Stück wieder erweitern.
Bei mir hat es weder beim Singen (ganz furchtbar für mich, weil man nicht nur Halb und Ganztöne sondern fast unendlich viele (falsche) dazwischen produzieren kann) noch beim Klavier noch beim Akkordeon funktioniert, an der Orgel schon ein klein wenig, weil ich mich da in "Mustern" zu Tonarten bewegen konnte, war aber eher ein "Nachahmen", wenn man so will habe ich mit "Themen" improvisiert, neu kombiniert, aber nie frei mit den Tönen.
Click hat es bei mir mit dem "Korg Kaossilator Pro Plus" (gibt sicher viele andere dieser Geräte, aber ich hab eben diesen aus Zufall in die Finger bekommen.) gemacht. Ich habe damit Skalen und Tonräume nicht nur geschrieben und gelesen sondern auch gehört und konnte damit experimentieren. Dort kann ich eine Skala (Penta, ionisch, dorisch, ...., und so manche exotischen Skalen die dann doch bald vertraut sind) einstellen und mit dem Finger am Touchpad experimentieren. Zusätzlich kann ich sogar die Rhythmik quantisieren und modifizieren, das klingt sehr schnell, sehr einleuchtend. Wissen ist eine Sache, Erfahren eine ganz andere, das dort erfahrene lässt sich dann relativ einfach (mit Üben) auf ein Instrument übertragen. Ich muss lediglich wissen in welchem Tonraum bin ich gerade, was ist "erlaubt", was ist an der Grenze, was ist "über der Grenze" (aber ev. dennoch cool). Ein "Lauf" nach oben ist oft nicht mehr, als ein Lauf nach oben, aber eben werden ganz bewusst zwei oder drei Töne im Raum weggelassen ... . Die DJs dieser Welt haben sich da schon interessante Tools einfallen lassen ...
 
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Ohne Tonvorstellung und musikalische Aussage wird jedes Solo zum ziellosen Gedudel, so virtuos dieses Gedudel auch sein mag.


, denn Dein Spiel soll ja nicht nur zufällig gut klingen, sondern so klingen, wie Du Dir das (im Kopf!) vorstellst. Alles andere ist Murks, denn wenn das Ergebnis nicht nur die Zuhörer, sondern auch den Spieler überrascht, dann läuft etwas gewaltig schief!

Ja das stimmt absolut.

Bevor ich anfange zu improvisieren, habe ich erstmal noch keine Töne im Kopf, aber das geht dann sofort beim Spielen los. Die bereits gespielten Töne erzeugen bei mir im Kopf wie es weitergeht und das möchte ich dann auch umsetzen. Wenn ich ein Begleitschema häufiger spiele, ähneln sich irgendwann die Melodien im Diskant, weil ich mir irgendwie merke, welche Tonfolgen für mich musikalisch Sinn ergeben haben.
Selbstverständlich kann sogar die Pentatonik unmusikalisch klingen!

Der "Groove" ist wichtiger als die tatsächlich gespielten Töne!!!
Ein langweiliges Dudelsolo mit "richtigen" Tönen wirkt weniger attraktiv als ein "groovendes" Solo mit falschen Tönen. Tatsache!

Ja, das stimmt und wird wahrscheinlich viel zu oft übergangen.

Ich bewundere es sehr, wenn ein Musiker über „Verspieler“ hinwegspielen kann. Ich selbst bin von einem Verspieler oft so irritiert, dass ich rauskomme, leider...

Wenn ich in der Pentatonik improvisiere und eine andere schwarze Taste erwische als die, deren Klang ich ich im Kopf hatte, merke ich das zwar, aber die große Irritation bleibt aus, weil es trotzdem irgendwie okay klingt. Das hilft mir sehr, nicht rauszukommen und sozusagen im Groove zu bleiben!!! Es ist ein bisschen wie: falsch abgebogen, egal weiterfahren, Route neu berechnen. Ich versuche das auch anzuwenden, wenn ich die Pentatonik verlasse. Dann entstehen (manchmal lustige) Vorschläge/Triller/Schlenker und es funktioniert manchmal, mir fehlt aber noch sehr die Übung! Auch bei „Konzentrationstälern“ hilft mir die Pentatonik, es ist wie ein sicheres Zuhause zu dem ich mich flüchten kann, um kurz Kraft zu tanken - für den nächsten Schritt hinein ins Minenfeld.
Weil der Mensch leicht überfordert ist, wenn er sich auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren muss (z. B. gleichzeitig Melodie erfinden und sofort spielen), scheint mir das Spielen einer bekannten Melodie nach Gehör eine unabdingbare Voraussetzung zu sein, um improvisieren zu können. Denn beim Improvisieren geht es schließlich darum, etwas aus dem Stegreif erdachtes direkt mit seinem Instrument spielen zu können.

Damit habe ich mich schon immer viel beschäftigt. Früher habe ich die Noten nur als kleine Hinweise (geht’s hoch oder runter) benutzt. Ich konnte nichts spielen ohne es vorher vorgespielt zu bekommen. Meine ganze Kindheit habe ich mich so durch den Flötenunterricht gemogelt. Erst als Erwachsene habe ich mich aufs ernsthafte Notenlesen eingelassen und weiß es inzwischen zu schätzen. Ich finde beides gut und wichtig. Seit ich Noten leidlich lesen kann, habe ich wieder vermehrt das Bedürfnis nach Gehör/Vorstellung zu spielen.

Neulich habe ich gedacht, es wäre doch schön, wenn es solche Übungen fürs Instrument gäbe.



Ich habe dann in PriMus kleine Tonfolgen notiert, danach Pause zum Wiederholen mit dem Instrument (Echo), um damit zu üben, aber es war nur so lala (ist halt blöd, wenn man sich die Tonfolgen selber ausdenkt), vielleicht gibt es da was besseres? Den Trainer von Haas finde ich ganz interessant, ich würde aber gerne direkt mit dem Akkordeon spielen und nicht auf so einer virtuellen Tastatur.

Vielen Dank Euch allen für die vielen Anregungen zu diesem Thema!
 
Bevor ich anfange zu improvisieren, habe ich erstmal noch keine Töne im Kopf, aber das geht dann sofort beim Spielen los. Die bereits gespielten Töne erzeugen bei mir im Kopf wie es weitergeht und das möchte ich dann auch umsetzen.

Das ist doch wunderbar!
Im Kopf zu wissen, wie es weitergehen soll und das dann auf dem Instrument umsetzen, ist genau der richtige Weg. :great:


Ich bewundere es sehr, wenn ein Musiker über „Verspieler“ hinwegspielen kann. Ich selbst bin von einem Verspieler oft so irritiert, dass ich rauskomme, leider...

Das ist aber ein allgemeines Problem, das wohl jeder nur zu gut kennt.
Und dazu braucht es nicht einmal echte "Verspieler" im Sinne von falschen Tönen. Die Zuhörer können ja einfach so entspannen und sich aufs Zuhören konzentrieren, und da fällt jede Unsicherheit, selbst das leiseste Zögern, sofort unangenehm auf.

Beim Improvisieren kann man den Umgang mit "falschen Tönen" auch gezielt üben, wenn man sich einen Ausspruch von Charlie Parker (ich glaube zumindest, er war's) zu Herzen nimmt und verinnerlicht: "Es gibt keine falschen Töne. Es ist alles eine Frage der Auflösung."
Das bedeutet, dass man "falsche Töne" als Spannungen empfinden kann, die dann nur wieder harmonisch aufgelöst werden müssen.
Das kann man wie gesagt gezielt trainieren, in dem man mit jedem beliebigen absurden Ton startet und versucht, sich aus der Affaire zu ziehen. :rolleyes:

Im Jazz gibt es ja noch das "outside"-Spiel, wo man bewusst ganze Phrasen in eine anderen, eigentlich völlig unpassenden Tonart spielt.

Im Grunde kommt es darauf an, offen auch mit Missgeschicken umzugehen.
Ein falscher Ton wird erst durch das fast automatisch dazugehörige Zögern und Erschrecken zum wirklich falschen Ton.
Dieser "falsche Ton", mit Überzeugung und Nachdruck in die Landschaft gestellt, wirkt viel weniger falsch, sondern eher originell. ;)


Ich habe dann in PriMus kleine Tonfolgen notiert, danach Pause zum Wiederholen mit dem Instrument (Echo), um damit zu üben, aber es war nur so lala (ist halt blöd, wenn man sich die Tonfolgen selber ausdenkt), vielleicht gibt es da was besseres?

Ja, genau das ist ein Problem. Wie man sich auch nicht selber kitzeln kann.
Es gibt aber Apps/Programme die zufällige oder sogar sinnvolle Tonfolgen vorgeben, manche Notensatzprogramme (z. B. LilyPond) können auch Zufalls-Tonfolgen für solche Übungen erzeugen.

Deshalb auch mein Vorschlag, Spielen nach Gehör mit einfachen Liedern zu trainieren. Bevor ein Gewöhnungseffekt einsetzt, lieber das Lied wechseln.
Das ist wie beim Vom-Blatt-Spielen-Üben: wenn man ein Stück wiederholt, ist es kein echtes "prima vista" mehr, deshalb lieber ständig wechseln.


Damit habe ich mich schon immer viel beschäftigt. Früher habe ich die Noten nur als kleine Hinweise (geht’s hoch oder runter) benutzt. Ich konnte nichts spielen ohne es vorher vorgespielt zu bekommen. Meine ganze Kindheit habe ich mich so durch den Flötenunterricht gemogelt.
Oh, das kenne ich nur allzu gut. Als Kind im Kindergarten beim Flötenunterricht immer als letzter an der Reihe und dann immer alles nur nach Gehör nachgespielt, weil ich die Melodie dann schon mehrfach gehört und im Kopf hatte. War nicht gut für meine Notenlesefähigkeiten - gar nicht gut... :(

Viele Grüße
Torsten
 
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Ah, welch schönes Thema!

Ich finde, Torsten hat ziemlich alles gesagt, was ich auch so sehe. Bravo! :)

Mir stellt sich, da ich mich gerade viel damit befasse, bzw. leider erst vor 2-3 Jahren damit angefangen habe, die Frage:

Wie kommt es, dass so viele Musiker Scheu oder Abneigung gegen die Improvisation haben, so dass dann z.B. mittels einfacher Tonfolgen zum Improvisieren angeregt wird?

Meiner Meinung nach durch die musikalische Ausbildung (also dem Vorlegen von Noten und los gehts ....)

Einer meiner Improlehrer sagte ganz zu Anfang: Jeder Mensch kann sehr gut improvisieren und tut dies den Tag Tag hindurch. Ein anschauliches Beispiel ist die Sprache ... !
Wir erlernen Sprache eben nicht durch schriftliche Vorgaben fixer Texte sondern durch das Zuhören und sukzessive Nachahmen von frei gesprochenen Worten in unserer Muttersprache. Niemand erklärt uns irgendwelche Regeln oder gibt uns anfangs nur fünf Laute, mit denen man dann irgendwas plappert. Wir lernen, was sinnvoll und stimmig ist alleine durch passives Aufnehmen der gesamten Sprachvielfalt und eigenes Ausprobieren mit allen Anfangsfehlern, sei es motorischer Art oder logischer Art. So lernen wir beispielsweise die Grammatik unserer Muttersprache völlig unbewusst und wenden schon mit 3-4 Jahren komplexeste grammatikalische Regeln an, ohne diese zu kennen.

Und wir sprechen den ganzen lieben Tag über ausschließlich frei, komplett improvisiert, ohne "Blatt vor dem Mund", und ohne groß nachzudenken. Das gesprochene Wort entsteht bereits vor der Aussprache im Kopf und der bestimmt, was wir sagen, sozusagen ohne Zeitverzug.

Daher ist der Aspekt HÖREN und NACHSINGEN bis zum Singen eigener Melodien und die Gestaltung eigener Rhythmen mit dem ganzen Körper das absolut basalste, was es für jegliche musikalische Improvisation braucht. Ohne Hören gibt es kaum/ wenig Bausteine mit denen eigene Musik dann produziert wird.

So gesehen ist Improvisation keine Art der Spieltechnik auf einem beliebigen Instrument sondern ein rein geistiger Akt.
Eine Improvisation ist mit anderen Worten nichts anderes als eine Komposition, die halt in der Regel nicht festgehalten wird zum Nachproduzieren durch andere. Also ist Improvisieren und Komponieren nahezu das Gleiche grundsätzlich.

Nun kommt halt ein Musikinstrument dazu, das eben - anders als der Mund bzw der eigene Körper - zunächst eben NICHT intuitiv so bedient werden kann, dass es das tut, was der Kopf spontan vorgibt. Sondern es bedarf einer "Übersetzung" des Gedankens in einer instrumentenspezifischen Körperbewegung.

Wenn man also ein Instrument lernt, ist es der Musikalität zuträglich, die Musik, die bereits in einem drinsteckt mit diesem Instrument zum Ausdruck zu bringen und dabei einerseits diese bereits vorhandene Musik durch Anreize weiter zu verfeinern und auszuweiten und andererseits die technische Bedienung des Instruments so zu verinnerlichen, dass das bereits innerlich Gehörte immer besser nach außen hin instrumental produziert werden kann.

Dazu gehört neben dem Vorbild eines Spielers vor allem das eigene Ausprobieren und entdecken von Möglichkeiten, die so noch gar nicht im Kopf waren.

Zum Nutzen der schwarzen Tasten (pentatonik): Bei allen Vorteilen, die bereits genannt sind, finde ich diese Methode nach eigenem Ausprobieren schon vor Längerem "gefährlich" :) Klar kann man dabei keinen wirklich musikalisch unstimmigen Ton treffen - aber gerade dieses "Treffen" von Tönen entspricht ja nicht dem Gedanken der Improvisation, sondern vielmehr dem zufälligen Produkt von Bewegungen auf vorgegebene Töne.
Wenn man schon das Improvisieren im Kopf hat und es bewusst auf wenige Ausdrucksmittel beschränkt (es kann auch nur ein einzelner Ton sein oder schieres Klopfen, dann hilft es durchaus, einen Bereich seines Instruments kennen zu lernen, aber das war dann schon auch und dieser Bereich des Entdeckens ist nur ein klitzekleiner Bereich, den das Instrument hergibt.
Hat man allerdings keine/kaum innere Musik zur Verfügung, sondern lässt sich ausschließlich jedes Mal neu von den zufällig produzierten Tönen überraschen, dann wird es schwer, sich wirklich so auszudrücken, wie die innere Eingebung es möchte (weil es ggf gar keine oder eine nur stark reduzierte gibt) Ergebnis: Man improvisiert nicht musikalisch sondern rein motorisch, indem man die Finger frei bewegen lässt ohne einen Bezug zu dem zu haben, was klingt und warum es so und nicht anders klingt.

Als Anfänger der instrumentalen Improvisation sollte also nach meiner Erfahrung zuerst die Improvisation ohne Instrument (wieder-) entdeckt werden, so dass überhaupt eine Substanz da ist, die man dann kleinschrittig versucht, auf das Instrument zu übertragen. Diese kleinen Schritte können anfangs darin bestehen, zu einer gegebenen Melodie entweder einen Rhythmus zu schlagen, oder einen einzigen Ton in den Momenten zu spielen, in denen man das Gefühl hat: Hier passt er auf die und die Art und Weise, hier würd ich lieber einen anderen Ton spielen (der innerlich schon da ist) und wo ist der, oh jetzt wieder einen anderen, bis hin zu: eine ganze Folge von rhythmisierten Tönen hätte ich gerne genau jetzt gespielt, aber wo liegen die und wie spiel ich die ... ? Und genau da fängt dann der eigentliche Instrumentalunterricht an: Das wiedergeben zu können, was der Kopf möchte und Methoden zu bedienen, die den Körper dazu befähigen.
Wenn das vorhanden ist, beginnt man Zusammenhänge zu erkennen und nach und nach zu verstehen: Oh, die Töne, die ich gerne hätte, liegen ja auf einer Skala oder sind Teil eines Akkords ... und dann beginnt ganz natürlich so etwas wie Harmonielehre.
Wenn das Ganze in etwa so herum abläuft, dann verstärkt das so gewonnene Verständnis für harmonische Zusammenhänge und Rhythmen wiederum die eigene Kreativität - ebenso wie die Erweiterung des musikalischen Horizonts durch Hören von ggf bisher noch nicht Entdecktem.

Und da sind wir wieder beim Hören: Wir sind kulturell total auf eine bestimmte Art von Musik geprägt und "verstehen" diese Musik natürlicherweise am besten. Was etwas fatal ist: Die Musik unserer heutigen Kultur neigt zu starken Vereinfachungen und Abflachungen. Lieder/ Stücke/ Songs/ Hits, wie auch immer bezeichnet, zeichnen sich immer stärker dadurch aus, dass sie aus immer weniger Harmonien, weniger Spannungsbögen und Variationen besteht.

Wenn wir alleine bei der Popularmusik bleiben, wird es heute nicht mehr viele Titel geben, die einen Spannungsbogen wie z.B. bei dem Song "My Way" aufzeigen, die nach 16 Takten ENDLICH wieder auf der Tonika in Dur landen, genau so z.B. bei "Alone Again" (G. O´Sullivan)

Unsere Kinderlieder sind fast ausschließlich in Dur gehalten und zu 90% im 4/4 Takt. ETC ETC

Entsprechend wenig ist das Gehör "genährt" und umso weniger kann im Kopf entstehen. Aber ich komme etwas vom Thema weg, merke ich.

Als mein Fazit sage ich es mal so: Improvisieren ist kinderleicht, eine angeborene maßgebliche Fähigkeit. Der Umgang mit Musik, die Verschulung des Instrumentenlernens verhindert freien Zugang zur Improvisation einerseits und einseitige Hörgewohnheiten erschweren den Zugang zu musikalischer Kreativität andererseits. Wiedererlernen der musikalischen Improvisation gelingt eher im Nachvollziehen des kindlichen basalen Zugangs durch, Hören, Nachsingens und rhytmisches und tonales Begleiten von Gehörtem. Dann erst Übertragung dessen, was im Kopf ist, auf das Instrument.

Grüßle :)
 
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Genau das ist die ausführlich und gelungene Fortsetzung von dem was ich schrieb.
Irgendwie wollte das aber niemand hören. :nix:
Ich hoffe, jetzt weht hier inzwischen ein anderer Wind.

Das Thema hat auch Ähnlichkeit mit der Frage, ob ein Lehrer bestimmte Sachen für einen Schüler lieber notiert, oder ihn "allein lässt".

"Allein lassen" wirkt auf den Schüler natürlich nicht gerade nett, sondern wie ein scheinbar umständlicher und undankbarer Weg mit nur kurzem Vorspielen und Erklärungen in der Stunde, während es im Rest der Woche keine weiteren Erläuterungen gibt.

Natürlich gibt es evtl. eine Vorlage, aber es ist für den Schüler doch oft nicht möglich, daraus schon eine spielbare Variante zu basteln. Daher sind Noten einfach praktisch und genau dazu sind sie erfunden worden. Aber sie trainieren genau jenes Hören und Experimentieren ab worum es hier eigentlich geht.

Natürlich kann man Pentatonik benutzen und sich freuen, natürlich kann man Noten nehmen um zu schnellen Ergebnissen zu kommen, aber besser wäre sich die Pentatonik selbst zu "erarbeiten" und nicht von schwarzen Tasten diktieren zu lassen, genau wie es schön wäre wenn man über hören oder improvisieren zu flexibel spielbaren Variaten eines Stücks oder Feelings / Ausdrucks kommt.
 
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Doch, @Klangbutter und @Malineck, wir hören euch. Das ist ja das Tolle daran, dass hier doch einige Erfahrung und unterschiedliche Meinungen zusammen kommen.

Der Umgang mit Musik, die Verschulung des Instrumentenlernens verhindert freien Zugang zur Improvisation einerseits und einseitige Hörgewohnheiten erschweren den Zugang zu musikalischer Kreativität andererseits.
Dem hier würde ich total zustimmen. Wir sind meist verbildet, was den Zugang zum Instrument angeht.

Meiner bescheidenen Meinung nach besteht die Kontroverse hier aber nicht darin, dass Improvisation aus den immer wieder genannten Gründen praktisch oft schwerfällt. Die Unterschiede liegen darin, wie man als Noten-verbildeter erwachsener Akkordionist Improvisieren lernen kann, wenn man das will. Ich kann nur sagen, dass ich mit der Pentatonik gute praktische Erfahrungen gemacht habe. Dies bezieht sich auf Gitarren- und Klavierunterricht. In der Tat war es so, dass es anfangs ein bisschen mechanisch ablief. Die Leute (Jugendliche und junge Leute zwischen 15-25) dudelten Skalen rauf und runter. Das war anfangs musikalisch grausam, gleichzeitig beobachtete ich aber, dass viele Zutrauen zu sich gewannen: "Ups, ich kann ja improvisieren." Diese emotionale Komponenten beflügelte sie, es weiter zu probieren. Irgendwann mischten sich dann von selber neue nicht-pentatonische Töne mit rein. Und dann wird es interessant: Denn jetzt kann man ja falsch spielen. Oft gelang es den Leute, unbewusst Lösungen (Auflösungen) zu finden und sie eroberten für sich dadurch neue Skalen. Etwas später fanden die Leute zu sich selber und spielten "Ihre" Musik, was mich unendlich freute.

Weniger erfolgreich war ich mit Leuten, die ich als etwas "steifer" und "kontrolliert" beschreiben würde. Sie fragten sich ständig, ob sie falsch spielen, ob das gut sei, beurteilten sich und zensierten sich also ständig. Demzufolge hatten diese Leute ständig steife Finger und verspannten sich. Dort blieb die Methode stecken. Wir kamen über Anfänge nicht hinaus. Bessere Lehrer mit Charisma könnten in diesen Fällen wahrscheinlich noch weiter kommen. Leider gehöre ich nicht dazu.

Hat man allerdings keine/kaum innere Musik zur Verfügung, sondern lässt sich ausschließlich jedes Mal neu von den zufällig produzierten Tönen überraschen, dann wird es schwer, sich wirklich so auszudrücken, wie die innere Eingebung es möchte (weil es ggf gar keine oder eine nur stark reduzierte gibt) Ergebnis: Man improvisiert nicht musikalisch sondern rein motorisch
Ja, @Malineck, genauso ist es. Aber was ist die Alternative? Ich glaube, ein brabbelndes Kleinkind macht es genau so. Wenn es sprechen lernt, macht es: "Bababa". Total sinnlos, bloß motorisch aus rationaler Perspektive, aber es entwickelt Spaß an der Bewegung und an den Lauten. Irgendwann kommen andere Laute, schließlich Wörter und Sätze. Das einzige, was ich sagen möchte ist, wir sollten dieses Kleinkind-Alter beim Spielenlernen/Improvisieren nicht überspringen. Auch Goethe und Shakespeare machten anfangs "bababa".

Ich weiß, was ihr sagen wollt: Ihr sagt, ein Mensch ist nicht nur Bewegung und Gefühl. Zum Menschsein gehört sein Kopf mit dazu. Darum braucht man auch rationaleres Material - Tonarten, Skalen, Harmonielehre. Pentatonik legt einen Akkordionisten auf sein Kleinkindstadium fest. Man kommt nicht über sein kleines musikalisches Dorf hinaus, kriegt keinen Blick in die weite Welt und keinen Zugang zu anderen bisher unbekannten Seiten der eigenen Persönlichkeit...

Diese kleinen Schritte können anfangs darin bestehen, zu einer gegebenen Melodie entweder einen Rhythmus zu schlagen, oder einen einzigen Ton in den Momenten zu spielen, in denen man das Gefühl hat: Hier passt er auf die und die Art und Weise, hier würd ich lieber einen anderen Ton spielen (der innerlich schon da ist)
Das hier ist etwas anderes, was ich in diesem Moment neu entdecke. Hier sagst Du meiner Meinung nach: Improvisation ist keine Solo-Angelegenheit eines Akkordionisten in seinem einsamen Probe-Kabuff. Improvisation ist Antwort auf ein Motiv eines anderen Menschen. Improvisation ist damit also etwas ziemlich Soziales. Auf die Spitze getrieben: Improvisation kann nur dort passieren, wo mehrere Menschen zusammenkommen. Wo nicht mehrere Menschen zusammen kommen, gibt es keine Improvisation. Dann müsste man in der Tat wohl hier neu ansetzen: Was muss sozial passieren, damit wir Akkordionisten Improvisieren lernen können? Was braucht es - Instrumente mit kreisförmigen Tasten oder viereckigen Knöpfen, neue Spiehefte, mehr Alkohol, Witze, Cannabis, Pilzsauce mit bewusstseinserweiternden Bestandteilen? Muss man vorher zusammen trommeln? Tanzen? Krause indische Musik hören und dazu Kraut rauchen? Das ruft doch nach einem neuen Post-Corona-Improvisations-Workshop mit verschiedenen Akkordeon-Druiden! Dort könnten wir einfach mal verschiedene Zugänge ausprobieren und gucken, was funktioniert.
 
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Genau das ist die ausführlich und gelungene Fortsetzung von dem was ich schrieb.
Irgendwie wollte das aber niemand hören. :nix:
Ich hoffe, jetzt weht hier inzwischen ein anderer Wind.

Ja @Klangbutter ich weiß, leider bin ich erst jetzt dazu gekommen, was beizutragen.

Nochmal zum Thema Pentatonik: Es gibt ja auch die pentatonischen Choroi-Flöten, die gerne in Waldorfschulen im Anfangsunterricht benutzt werden. Hier könnte man auch fragen, welchen Nutzen das für die musikalische Entwicklung hat.
Die sind interessanterweise (zumindest habe ich eine hier von den Kindern) in Cis/Des gestimmt und entsprechen den "schwarzen Tasten"
Entsprechend ist das Liedgut dort auch gestrickt, um erstmal mit diesem Tonvorrat zu arbeiten.
Hier liegt aber ein anderer Gedanke dahinter, nämlich der der Naturtonreihe, der einfacheren Motorik und des Zusammenspiels mit kleinen Kindern, ohne dass das all zu schräg klingt, wenn mal was nicht stimmt.
Die andere Seite ist aber eindeutig die, dass die Pentatonik alleine sehr "unspannend" ist und das Gehör wiederum in eine einseitige Richtung schult...
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@Bernnt
Jetzt wo du es sagst...!
Natürlich ist Improvisieren ein kommunikativer sozialer Akt, eine eigene Reaktion auf Gehörtes :)
Beim Spracherwerb ist das trivial einleuchtend.
Und Lernen von Musik ist zum „Lernen der Ablesefähigkeit von Punkten auf Linien“ entartet ..

Was machen denn Jazz-Kombos folgerichtigerweise?
- Ein Frage-Antwort-Spiel bei minimalstem gemeinsamen Konsens (Rhythm-Changes)
 
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Die andere Seite ist aber eindeutig die, dass die Pentatonik alleine sehr "unspannend" ist und das Gehör wiederum in eine einseitige Richtung schult...
Für wen ist das unspannend? Es gibt Völker auf asiatischen Inseln, die ihre pentatonische Volksmusik schon mehrere Tausend Jahre machen und immer noch damit glücklich sind. Für einen an klassischer Musik geschulten Menschen könnten Schlager voraussehbar und flach wirken. Ein Hörer, der nur Schlager hört, kann mit Arnold Schönberg meist nichts anfangen. Und aus der Sicht eines an seiner klassischen Musik gewöhnten Inders sind unsere Systeme mit 12 Halbtönen total beschränkt, weil man ja Tonleitern mit mehr als 12 Tönen entwickeln kann. "Spannend" oder "unspannend" sagt nicht aus, wie Musik ist. Man sagt nur, wie man die Musik empfindet.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Und Lernen von Musik ist zum „Lernen der Ablesefähigkeit von Punkten auf Linien“ entartet ..
:D Das gefällt mir.
 
Für wen ist das unspannend? Es gibt Völker auf asiatischen Inseln, die ihre pentatonische Volksmusik schon mehrere Tausend Jahre machen und immer noch damit glücklich sind. Für einen an klassischer Musik geschulten Menschen könnten Schlager voraussehbar und flach wirken. Ein Hörer, der nur Schlager hört, kann mit Arnold Schönberg meist nichts anfangen. Und aus der Sicht eines an seiner klassischen Musik gewöhnten Inders sind unsere Systeme mit 12 Halbtönen total beschränkt, weil man ja Tonleitern mit mehr als 12 Tönen entwickeln kann. "Spannend" oder "unspannend" sagt nicht aus, wie Musik ist. Man sagt nur, wie man die Musik empfindet.
Da hast du natürlich vollkommen Recht! :) Drum ist Entdecken von musikalischem Neuland nicht unvorteilhaft, Gefallen an dem Neuland vorausgesetzt o_O
 
Irgendwie hast du bei mir ein Kopfkino in Gang gesetzt, @Malineck. Improvisation ist eine soziale Angelegenheit. Mm. Wenn das stimmt, tut man sich also mit mehreren zusammen leichter. Weil Bewegung Grundlage des Spracherwerbs ist (was manche Psychologen behaupten) und Musik eine musikalische Sprache ist, braucht man also zum Improvisieren auf dem Akko lernen eine Übung, die mehrere Leute zusammen machen, die Bewegung ins Spiel bringt und musikalisch ist oder musikalisch werden kann. Wenn man nur eingeschränkt auf Pentatonik steht, wie wäre es mit folgendem Szenario:

1. Vier Akkordionisten sitzen im Kreis. Sie sehen sich an.
2. Ihre Rollen wechseln sich während des "Musikstücks" im 4/4tel Takt ab.
3. Während des Spiels schlagen sie mit ihrem Fuß den Takt. Parallel könnten sie in Achteln dazu "Rum-pel-stilz-chen" sprechen.
4. Es gibt einen "Bassisten", der auf 1 und 3 jeweils einen tiefen Ton im 16' spielt (z.B. ein C).
5. Es gibt einen "Snaristen", der auf dem Akkordeon eine Snare imitiert: einen Schlag auf 2 und 4, eine Quinte zum Grundton in der folgenden Oktave (z.B. ein g).
6. Es gibt einen "Hi-Hater", der auf dem Akkordeon auf dem 4' in einer Lage eine eine Triolen- oder Sechzehntel-Begleitung macht. Bellowshake? (z.B. g-c)
7. Es gibt einen "Improvisator", der zu dem rhythmischen Spaß improvisieren soll. Dazu bekommt er anfangs eine gewisse Anzahl von Tönen (z.B. c,d,e,g,a :), was wieder pentatonisch wäre). Toll wäre es, wenn er aufsteht, bevor er zum Spielen anfängt.
8. Nach ein paar Improvisationsversuchen, wechseln die Rollen, während Nr. 3 weitergeht. Alle Akkordionisten legen das richtige Register ein und übernehmen die Rolle des Nebenmanns oder der Nebenfrau.

Ziele des Spiels könnte folgendes sein:
1. Möglichst lange im Takt rumspielen ohne rauszufliegen. Dazu zu versuchen, sich als Improvisator nicht zu wiederholen. Begeisterndes Spiel, wird von den anderen mit "Yeah!" quittiert. Wer sich wiederholt, muss von den anderen ausgebuht werden.
2. Als Improvisator versuchen, die Leute aus dem Takt oder zum Lachen zu bringen. Wer das schafft, gewinnt...

Steigerung der Komplexität:
Die Leute sitzen im Kreis und schauen sich NICHT an, drehen sich also den Rücken zu. Das andere wie gehabt...


Könnte lustig sein. Ob es funktioniert...? Blödes Corona! Leider sind wir im Lockdown!

Könnte lustig sein. Ob es funktioniert...? Blödes Corona! Leider sind wir im Lockdown!
Könnte lustig sein. Blödes Corona! Leider können wir das nicht ausprobieren...
 
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auf den schwarzen Tasten improvisieren


_DSC6307.JPG

scnr
 
@Bernnt Geniale Idee! Und sicher wird das auch schon hier und da ähnlich gemacht. in Trossingen machen wir es zumindest ansatzweise so, dass z.b. zu einem Grundstandard alle vier Takte ein anderer Improvisiert und ansonsten eine begleitende Rolle übernimmt, wenn es wechselt. Bei ungerader Anzahl von Leuten hat man dann auch immer ein anderes 4-Takte Teil mit anderen Harmonien drin.
Aber es muss ja gar nicht so ein Standard sein vom Background her, sondern kann sich in einem einzigen Tonvorrat aufhalten.
Das Spannende daran ist, dass man beginnt, die Impro des Vorgängers in die eigene mitzunehmen und für den Nachfolger dann eine Art Einladung verschickt musikalisch, die dann ggf annimmt und damit seine eigene Idee strickt.

Das Rhythmische begleiten würde ich ebenso zur Impro ansetzen, so dass aus einem Anfangs linearen Rhythmus auch mal ein Punktierter wird, dass sich die Betonung ändern etc. Allein das Metrum bliebe stabil erstmal. Wenn die Dynamik dann stimmt, würde auch automatisch eine Verschnellerung/ Verlangsamung - laut und leise mit integriert und es ist erstaunlich, wie gut die Gruppe Impulse von einzelnen Spielern wahrnimmt und mitmacht.

So etwas nennt man eigentlich auch Jam Session :D lach ... bloß mit einem bestimmten Ziel und einer gewissen didaktischen Überlegung, um auf jeden schon mal niemanden zu ÜBERfordern, sondern ihm das Gefühl gibt, MUSIK zu produzieren.

Sehr cool

Ähm PS:
Das Bewerten von Impros sollte ganz wegfallen. Erstens wird es derbe verschiedene Spielniveaus geben, was dann die "schwächeren" Spieler abschrecken kann, was auszuprobieren und andererseits ist eine Impro nie falsch. :) Genau da wären wieder an dem Punkt "verschultes Musizieren"
 
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Ähm PS Das Bewerten von Impros sollte ganz wegfallen.
Genau. Ganz Deiner Meinung. Hast Du für mich einen didaktischen Tipp, wie man damit umgeht? Wie kriegst Du Leute dazu, das zu unterlassen?

@lil, lustig ist das mit dem roten hmmm-Knopf. Wie macht man das denn?
 
@lil, lustig ist das mit dem roten hmmm-Knopf. Wie macht man das denn?

Das geht per "Spoiler einfügen" im Menü:

upload_2020-12-16_18-1-50.png

oder direkt als Markup-Code. Den sieht man, wenn man im originalen Beitrag "Zitieren" drückt:


Code:
[QUOTE="lil, post: 9077943, member: 90414"][SPOILER="hmmm..."]
[ATTACH=full]773311[/ATTACH]
[/SPOILER]

scnr[/QUOTE]




Man kann ja auch improvisieren "auf den schwarzen Pünktchen".
Wenn es nicht einmal die gibt, improvisiert man einfach auf den geriffelten Knöpfen.
Hierzu passt auch wieder maxitos Hinweis:
Auf einem Jazzworkshop hat der Workshopleiter mal den Spruch gesagt, der denke ich, nach wie vor uneingeschränkt gilt: Wenn du nicht mit 3 Tönen improvisieren kannst, dann kannst du das auch nicht mit 100.000.
Gut, dann wären es nur zwei (C und F), aber das ist immerhin ein Anfang. :D



in Trossingen machen wir es zumindest ansatzweise so, dass z.b. zu einem Grundstandard alle vier Takte ein anderer Improvisiert und ansonsten eine begleitende Rolle übernimmt, wenn es wechselt.

In der Gruppe spielen ist natürlich immer gut (wenn auch derzeit schwierig). Sehr schöner Vorschlag!
Die Fähigkeit, mit anderen gemeinsam zu musizieren zu können (aufeinander hören!) ist sowieso Gold wert.
Man lernt, auf die Improvisation der Vorgängers zu antworten und Ideen aufzunehmen.
Und die begleitende Rolle ("comping") kann auch nicht hoch genug geschätzt werden. Da ist auch eine gehörige Portion Improvisation dabei, wenn es nicht langweilig werden soll. Vor allem rhythmische Variationen, Abwandlungen, passing chords, Bassläufe - alles ist möglich. Man muss nur dem Solsten genügend Raum lassen.



Viele Grüße
Torsten
 
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Genau. Ganz Deiner Meinung. Hast Du für mich einen didaktischen Tipp, wie man damit umgeht? Wie kriegst Du Leute dazu, das zu unterlassen?
Hi @Bernnt ich leite sowas bisher nicht, bin quasi nur dabei
Unsere Dozenten geben entweder denkbar einfache Aufgaben (z b bestimmte Töne, auf eine bestimmte Stufe hin spielen bzw von ihr ausgehen, nur rhythmisch, bis hin bei Takt x dieses Gefühl y darstellen zb auf diese Art etc)
Und wenn Feedback dann immer positiv beschreibend ggf mit Hinweis, bei der nächsten Runde jenes mal zu probieren und sei es bloß lauter zu spielen oder ne Oktave tiefer etc.
Also sehr easy halten und bestärken und großes Vertrauen in jedermanns persönliche Eigendynamik zu legen.
Ansonsten sind wir ganz schnell beim Spielen vom Blatt mit entsprechenden Unfreiheiten und möglichen Fehlern.

Die einzigen echten Fehler bei ner Jam Session sind:
- Gänzlich unpassender Rhythmus
- Sich in der Harmoniefolge vertun (also nicht mehr wissen wo man vor lauter Impro noch im „Stück“ ist
- Und zu häufiges Verharren auf nem tatsächlich „unpassenden Ton“ an prominenter/ betonter Taktstelle (sofern unbewusst)

Da solche „Fehler“ öfter vorkommen, ist es weniger wichtig „fehlerfrei“ zu spielen als sich vielmehr all dessen, was man da spielt BEWUSST zu sein (deshalb Feedback) und sich darin zu verbessern, das zu spielen, was man eigentlich beabsichtigt hat.
 
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