"12 Takte" zu 12 Blues-Irrtümern

  • Ersteller DerZauberer
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@DerZauberer Vielen Dank für deinen Eingangspost der mich auch nach 6 Jahren zum Grübeln gebracht hat!!! (Den ‚Gefällt mir Button’ gab ich dir in diesem Sommer; danach gings ans forschen und lesen).


Und nach fast sechsmonatiger „Arbeit“ mit Büchern und die wahren Schätze aus YouTube komme ich zu dem Schluss: Der Blues ist für mich entmystifiziert!! Und das ist auch gut so und bin dankbar dafür.

Das Interesse am Blues bekam ich mit der Aufnahme von AC/DCs ‚The Jack‘. Sehr Klischeehaft, ich weiß. Von da an ging ich etwas Rückwärts, allerdings nur bis BB King und hielt ihn und das was er machte für den ultimativen Blues. 8 Jahre lang….

Dann habe ich diesen Thread hier gefunden. Daraufhin habe ich mir erstmal das Buch ‚Vom Mississippi zum Mainstream‘ von Elijah Wald besorgt (in Folge immer MZM genannt). Das Buch war ein Tipp aus dem Board. Danke dafür.

Der Stein kam ins Rollen. Ich schmiss alles über Bord, was ich vom Blues zu wissen glaubte und fing bei Minstrels-Shows in den ~1870er Jahren an, Ragtime und den Field Hollers.

Das sind für MICH die Grundpfeiler des Blues. (Ohne Zweifel gibt es noch afrikanische oder hawaiianische Einflüsse; Stichwort: Slide. Aber wie bereits hier erwähnt gab es keinen Gitarristen der aus Mali verschleppt wurde und im Delta den Blues erfand).

Wenn ich das richtig verstanden habe, war zu dieser Zeit das, was wir heute als Blues(-Musik) bezeichnen, noch namenlos. Man möge mich bitte korrigieren.

Erst als ein gewisses Musiker-Pärchen namens Rainey and Rainey (Ma Rainey und ihr Ehemann) Teil eines Wanderzirkusses war und ihr Programm „Assassinators of the Blues“ hieß, kam das Wort auf.

Für mich ein Aha-Effekt! Nicht ihre Musik nannte sich Blues, sondern sie wollten mit ihrer Musik den Blues vertreiben. Die Leute sollten an diesem Abend fröhlich sein, tanzen und an schöne Dinge denken.
Ma Rainey hatte außerdem ein einfühlsames Lied im Repertoire; von einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde. Ma nannte es „That’s the Blues“. Das Lied war beliebt und immer wenn die Leute den „Blues“ von ihr verlangten, spielte sie dieses Lied… kein anderes. (beides MZM, Seite 39).

Und wenn Ma Rainey dann weitergezogen ist, spielten die Leute ihre Songs nach, fingen an zu variieren etc. Fortan war Ma Rainey die „Mother of the Blues“. (Sandra Lieb, A study of Ma Rainey).

Es gibt noch andere Theorien wie der Blues zu seinem Namen kam, aber erstens will ich hier kein Buch schreiben und zweitens ist das für mich das schlüssigste.

Unweigerlich bin ich auf Robert Johnsson gekommen…. Ein guter Musiker und begnadeter Gitarrenspieler. Ich bin auch Mr. Clapton und den Rolling Stones sehr, sehr dankbar dafür, dass sie sein Erbe aufgegriffen haben.

Ich habe mir alle Aufnahmen von Robert angehört (sind ja nicht so viele). Aus den Augen (Ohren) eines in den 1930ern lebenden Musikhörer betrachtet, ist er nichts besonderes. (Bevor der Aufschrei kommt, bitte den Satz noch mal lesen).

Ich habe mir Aufnahmen von Charley Patton, Lonnie Johnsson und Blind Lemon Jefferson angehört (u.v.m.), die ich um Längen besser finde. Im Plattenladen hätte ich auch eher zu ihren Scheiben gegriffen, als zu Roberts. (Was sich ja auch an den Verkaufszahlen ablesen lässt).

Leroy Carr möchte ich gesondert erwähnen. Dank dieser Recherche bin ich zu einem echten Fan von ihm geworden. Danke nochmal an den Zauberer! Das ganze Kratzen und Rauschen hat mich nicht im geringsten gestört, sondern mich erfreut.

Wo wir schon mal bei Aufnahmen sind: Race Records. Es wurde irgendwo im Thread erwähnt, dass es Aufnahmen schwarzer Musiker für ein schwarzes Publikum waren. Stimmt, allerdings ist das sehr harmlos ausgedrückt. Das Thema Race Records ist mir nämlich sehr sauer aufgestoßen.

Weiße, schwarze, Asiaten, indigene Menschen unterscheidet nur eins: Ihr Aussehen. Der (Musik)-geschmack ist doch bei allen Unterschiedlich.
Prinzipiell lief es so: Als schwarzer Musiker hattest du gar keine andere Chance als Blues aufzunehmen. In den Plattenstudios hieß es: „Du bist schwarz, du spielst Blues.“ Ganz egal was für Vorlieben der Musiker hatte.

Es gibt nicht eine einzige Platte von bsp. einem schwarzen Streichquartett oder schwarzen Countrymusiker, obwohl es solche Leute gab (MZM, S.84).

Um so kurioser ist, dass sich heute die verbliebenen Race Records in den Händen von meist weißen Sammlern befinden und für horrende Summen verkauft werden.


Wie stehe ich jetzt zum Blues?

Meine Reise in die Blues Vergangenheit ist noch nicht zu Ende. Walds Buch habe ich durchgelesen und lese es nun zum zweiten Mal. Dieses Mal etwas aufmerksamer als beim ersten Mal.

Der Blues ist für mich freundlich und nicht melancholisch. Der Blues hat einen Anzug an und keine Klamotten mit Löchern.
Genau wie in jeder anderen Musikart kann der Blues traurig sein muss er aber nicht.

Wenn das jemand anders sieht ist das sein gutes Recht.

Ich verstehe jetzt, warum es Lieder wie ‚Caledonia‘ gibt. Die Leute wollten eben nicht die traurigen, leidvollen Geschichten hören, dass hatten sie im Alltag genug. Sie wollten lachen und tanzen.

BB King höre ich immer noch gerne. Aber seine Musik würde ich jetzt eher als „Freie Improvisation über ein Bluesschema“ bezeichnen. Und ganz nebenbei: Auch zu seinen Konzerten ging man hin um sich zu amüsieren.


Das war mein „Senf“ dazu. ;)


Noch ein TV-Tipp:
Ma Raineys Black Bottom auf Netflix. Toll recherchiert!
In der Anfangsszene ist authentisch zu sehen, wie so eine Show damals aussah. Aufmachung, Kleidung und Stimmung der Leute. Diese Szene ist prämiert worden (Oscar für bestes Kostümdesign 2020). Außerdem gut gezeigt, wie hinterfuchsig die Plattenindustrie war (ist?).
Achtung: Es handelt sich um eine Theaterverfilmung: viele und lange Dialoge.

Im übrigen bin ich für jeden weitern Input dankbar.
 
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Mal wieder einer der tiefer bohrt, sich WIRKLICH interessiert ... schön! :)

Begriffe wie "Blues" oder "blue" für so gewisse Stimmungen existierten übrigens schon lange vorher im allgemeinen Sprachgebrauch, und werden bis heute unabhängig von der Musik im allgemeinen Sprachgebrauch so verwendet. Der Begriff "Blues" wurde dann auch für diese Musik zunächst einfach nur verwendet, er setzte sich durch, und wurde dann von den Plattenfirmen werbewirksam zum Markenzeichen gemacht. Wobei er sehr weit gefasst wurde, auch bei den alten Sachen ist bei weitem nicht alles wirklich Blues im eigentlichen Sinn, das "Blues" im Namen trägt - das fing schon mit den allerersten Aufnahmen an ... ;)

Alles gaaanz genau nehmen und in die "richtige" Schublade packen, das war von Anfang an eine (Un)sitte der Weißen ... ;)
 
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Wieder mal einer, der tiefer bohrt, sich WIRKLICH interessiert ... schön! :)
Das Thema ist auch wirklich interessant. Ich hoffe ich kann hier kurzerhand von dir oder dem Zauberer (oder andere Blues-Spezis) noch was lernen.
Der Begriff "Blues" existierte übrigens schon vorher im allgemeinen Sprachgebrauch, für so gewisse Stimmungen
Wahrscheinlich deswegen Ma Raineys Programm: ‚Assassinators of the Blues‘, Attentäter auf den Blues; um diese schlechte Stimmung (zumindest für den Abend) loszuwerden.
bis er sich durchsetzte und dann auch werbewirksam zum "Markenzeichen" gemacht wurde
Was bestätigt, was W.C. Handy selbst sagte. Er hatte eine Platte mit dem Titel „Yellow Dog Rag“. Die Scheibe war ein Flop.
Nach seinen Titeln „Memphis Blues“ und „St. Louis Blues“ brachte er den Titel nochmal raus, nannte ihn aber diesmal „Yellow Dog Blues“. Das einzige was er tat war, den Namen zu ändern und die Platte ging steil.
Mit „Yellow Dog Blues“ verdiente er allein 7500$, was 1914 einen Haufen Kohle, selbst für einen weißen, bedeutete. (Quelle: The Etude, S.193, The Heart of the Blues).

Ich hab’s gerade zufällig vor mir liegen. :D
 
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Das Thema ist auch wirklich interessant. Ich hoffe ich kann hier kurzerhand von dir oder dem Zauberer (oder andere Blues-Spezis) noch was lernen.
Ich bin selbst nur ein Interessierter, Lernender ... wenn ich was weiß, gerne ;)
 
Da können irgendwelche Autoren und "Bluesspezialisten" schreiben was sie wollen
Für mich ist der Blues schon viel älter als der schwarze Blues Anfang des 20 Jahrhunderts, er ist nur eine Form davon.
so gab es z.B. auch im Mittelalter Lieder mit entsprechenden Tonfolgen/Texten.
Eigentlich ist der Blues genauso alt wie die Menschheit.
 
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Auch Höhlenmalereien wirken oft verblüffend modern ... aber niemand würde auf die Idee kommen, sie aufgrund formaler oder farblicher Ähnlichkeiten ernsthaft als Vorläufer oder gar Entwicklungsschritt zur zeitgenössischen Kunst zu betrachten ...

(Aber passt hier ohnehin nicht zum eigentlichen Thema, sollte - wenn es in der Richtung wirklich Diskussionsbedarf gibt - einen eigenen Thread wert sein).
 
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Um so kurioser ist, dass sich heute die verbliebenen Race Records in den Händen von meist weißen Sammlern befinden und für horrende Summen verkauft werden.
Nur kurz da ein kleiner Löffel Senf dazu: Das ist wie immer eine Sache mit zwei Seiten. JA, es ist schon seltsam, dass die meisten anerkannten Blues-Historiker "old white men" sind, und bei den Sammlern der alten Scheiben gilt dasselbe. Nur: hätte es diese Leute nicht gegeben, dann (1) würden wir heute diese Scheiben nicht hören können weil nicht reproduziert, (2) würden viel weniger wissen als wir das heute tun, (3) wäre das Blues Revival mit den "Rediscoveries" von Son House / Skip James / Mississippi John Hurt / etc. und die "Neuentdeckungen" wie Fred McDowell / RL Burnside / etc. nicht so passiert. Und - zum Glück! - ändert sich das auch gerade, was die Zusammensetzung der Szene angeht.

Zur letzten Zeile von @käptnc sage ich außer einem kurzen "das ist leider total falsch" hier in diesem Forum nichts mehr, das ist zu ermüdend - die "alles ist irgendwie Blues" Fraktion hat leider mehr als die absolute Mehrheit hier, diesen Kampf muss ich also hier nicht austragen - die postfaktische Gesellschaft hat den gewonnen auf dieser Plattform.

Aber schön zu sehen, dass mein alter Text immer noch Leute zum Nachdenken und -lesen und -hören anregt!
 
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Zur letzten Zeile von @käptnc sage ich außer einem kurzen "das ist leider total falsch" hier in diesem Forum nichts mehr, das ist zu ermüdend - die "alles ist irgendwie Blues" Fraktion hat leider mehr als die absolute Mehrheit hier, diesen Kampf muss ich also hier nicht austragen - die postfaktische Gesellschaft hat den gewonnen auf dieser Plattform.

Aber schön zu sehen, dass mein alter Text immer noch Leute zum Nachdenken und -lesen und -hören anregt!

Sehe ich auch so.
Den einen braucht man es nicht zu erklären, bei den anderen - vor allem wo schon der erste Satz auf Provokation angelegt ist - ist es verlorene Zeit.

Aber um noch was zum eigentlichen Thema beizutragen (wäre schade, wenn es durch "Nebenkriegsschauplätze" abgewürgt würde):

Hat schon jemand das neue Buch "Brother Robert" gelesen, in dem eine Schwester von Kindheitserinnerungen mit ihrem Bruder Robert Johnson erzählt? Ich tu mich zwar schwer mit Englisch, hab mich aber mal durchgearbeitet weil es mich interessiert hat ...
War zwar vieles eigentlich schon vorher bekannt, aber zeigt meiner Meinung nach nochmal gut, dass R. J. abseits der von anderen vorgenommenen Mystifizierung keineswegs ein einsamer Außenseiter, gar ein "Getriebener" war. Sondern ein für die Zeit und Lebensumstände normales Leben geführt hat, fröhlich sein und Spaß haben konnte im Kreis von Familie und Freunden, der mit andern Geschwistern und Freunden auch anderen Blues und andere Musik gespielt hat, und dem weiblichen Geschlecht zugetan war wie ein ganz normaler junge Mann eben ... :)
Bei dem allerdings schon früh großes musikalisches und kreatives Talent erkennbar war.
 
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es ist schon seltsam, dass die meisten anerkannten Blues-Historiker "old white men" sind, und bei den Sammlern der alten Scheiben gilt dasselbe.
Sind nicht sowieso die meisten anerkannten Historiker "old white men"?
Und die Sammler sowieso?
 
Hat schon jemand das neue Buch "Brother Robert" gelesen, in dem eine Schwester von Kindheitserinnerungen mit ihrem Bruder Robert Johnson erzählt?
Selbstverständlich. Es ist halt immer mit ein bisschen Vorsicht zu genießen - zumal es hier ja um die Erinnerungen einer Halbschwester geht, die ja eine vergleichsweise kurze Zeit mit ihm gemeinsam erlebt hat. Ist deswegen nicht als unrichtig abzutun, aber eben eher ein Ausschnitt als ein Gesamtbild.

Die Verfasser der "definitiven" RJ-Biographie ("Up Jumped The Devil" von Gayle Dean Wardlow und Bruce Conforth - absolute Lese-Empfehlung meinerseits!) haben dann auch gleich einige faktische Fehler identifiziert, wo sich die Erinnerungen nicht mit dem decken, was anhand von Dokumenten belegbar ist. Im Gegenzug ist es aber wiederum schade, dass sich "Up Jumped the Devil" kaum um die Musik und die Person dahinter kümmert.

Und am meisten schade ist, dass Eitelkeiten und Gewinnabsicht verhindern, dass so ein Werk gemeinsam aufgesetzt oder abgestimmt wird - die beiden Bücher kamen ja in relativ kurzem Abstand voneinander heraus und man wusste auch voneinander, trotzdem (oder gerade deswegen) sprach man nicht mit- sondern nur übereinander. Es menschelt also auch da - und wir reden ja auch nicht von streng wissenschaftlicher Forschung, beide wollen ihr Buch verkaufen. Die Forscherwelt zu American Roots Music hat einige "Verrückte" hervorgebracht - Harry Smith mit seiner damals bahnbrechenden "Anthology of American Folk Music" war schon ein ziemlich seltsamer Kauz, Mack McCormick hat viele Geheimnisse mit ins Grab genommen, viele Plattensammler haben Unwissende ganz bewusst um wertvolle Aufnahmen gebraucht, usw. - es menschelt also auch dort. Und wo die Faktenlage schlecht ist, gibt es eben immer Raum für Spekulationen.

Aber - das Buch ist ein schönes Puzzle-Stück, auch etwas mehr über die "Person" zu erfahren, und nicht nur über die Daten und Fakten. Allein das Cover-Foto war es wert, dass es dieses Buch gibt!
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Sind nicht sowieso die meisten anerkannten Historiker "old white men"?
Und die Sammler sowieso?
Wie gesagt, es ändert sich. Mein aktueller Hero ist Jontavious Willis: http://jontaviouswillis.com/
Kopf einer neuen aufstrebenden jungen (schwarzen) Blues-Gang, 78-rpm record collector, mit wirklich viel Ahnung - und ein toller Blues-Musiker obendrein.
 
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Es ist halt immer mit ein bisschen Vorsicht zu genießen - zumal es hier ja um die Erinnerungen einer Halbschwester geht, die ja eine vergleichsweise kurze Zeit mit ihm gemeinsam erlebt hat. Ist deswegen nicht als unrichtig abzutun, aber eben eher ein Ausschnitt als ein Gesamtbild.
[...]
Aber - das Buch ist ein schönes Puzzle-Stück, auch etwas mehr über die "Person" zu erfahren, und nicht nur über die Daten und Fakten. Allein das Cover-Foto war es wert, dass es dieses Buch gibt!
Das deckt sich mit meiner Einschätzung. Ein - sehr interessanter wie ich finde - Ausschnitt, der mal auf den Menschen eingeht, wobei sich das Thema "seine Musik" selbstverständlich immer mit durchzieht. Bringt einem aber auch über die Person R. J. hinaus auch die Ganze Zeit und ihre Lebensumstände näher. Für mich wars die Mühe wert, mich durchzuackern ... :)
 
Was du sicherlich an einigen aussagekräftigen Beispielen auch beweisen kannst ...
Was sehr schwer ist weil es damals noch keine Aufnahmen gab, ich habe aber so ein altes Stück dieses Jahr mal selbst

gespielt:
 
Und das hat mit Blues zu tun WEIL ... ??!!
:unsure:

Thomas



 
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@käptnc - witzigerweise bin ich auch durchaus grosser Fan von Alter Musik. Ich empfehle uneingeschränkt alle Werke des "Ensemble für Frühe Musik Augsburg" - ich habe von denen alle CDs und es ist eine riesige Fundgrube an Einsichten. Einen ganz engen Draht habe ich auch zu den Mediaeval Baebes in UK, die sich auch vorrangig an alten "Originalen" orientieren (aber auch eigene Dinge machen).

Insofern habe ich durchaus einen Zugang dazu, und finde auch dein Beispiel gut eingespielt!

Dennoch erkenne ich keinen direkten Zusammenhang zum Blues... and here's why:

Es ist unbenommen, dass im Blues auch Einflüsse europäischer Musik untergekommen sind, genauso wie Country/Folk gerade im Süden der USA unterschiedlichste Elemente aufgesogen hat. Musik entsteht ja nicht "von allein". Siehe auch Mali/Afrika (z.B. Ali Farka Toure), oder die Musik der Beduinen in der Sahara, spannend. Es ist auch so, dass gewisse "Blues-Elemente", z.B. Blue Notes bzw. Moll-vs-Dur-Unklarheit, in verschiedensten Musikstilen vorkommen, genauso wie man Pentatonik ganz viel in verschiedenster Musik findet. Und klar - Musik aller Kulturen und Stile befasst sich mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben: Liebe, Schmerz, Verlust, Freude, etc.

Aber - mal in Analogie - nur, weil uns Irish Folk irgendwie 'fremdartig' vorkommt, ist es nicht mittelalterliche Musik. Gleiches gilt für die Musik der Renaissance, die auch noch anders war als das was wir heute an klassischer Musik kennen. Ein Dudelsack macht noch kein Mittelalter, und ein Shuffle-Rhythmus noch keinen Blues.

Letztlich: Blues ist eine in Amerika entstandene Musikform, wie Jazz oder Country. Und es ist richtig, das auch so zu umreißen und in gewisser Weise zu definieren, und sei es nur aus Wertschätzung gegenüber den Künstlern. Es ist nicht alles Blues. Blues ist was Besonderes. Und das ist gut und richtig so. Blues muss und kann auch nicht alles sein. Auch andere Musik kann Feeling haben, ohne Blues zu sein. usw etc pp

Es gibt ganz viel tolle Musik neben Blues, und die Blues-Geschichte ist viel komplexer als man in ein paar Zeilen in einem Forum schreiben kann. Es wäre schön, wenn man sich drauf einlassen könnte, dass Blues eine eigene Daseinsberechtigung "für sich" hat - neben ganz vielen anderen Musikstilen.
 
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Ist O.K, so gesehen ist das richtig, ich akzeptiere das und will auch nicht streiten..
Zur Aufnahme: eigentlich Bluesnoten und Bluesjammertext.
Wenn du das nicht mehr mit mir diskutieren willst ist es auch gut, ich bin halt ein unverbesserlicher "ois is blues-Typ"
der sich auch schon lange damit beschäftifgt..
 
Zur Aufnahme: eigentlich Bluesnoten ...
Bin ehrlich interessiert:
Kannst Du bitte den Timecode für diejenigen Noten angeben, die Du für "Bluesnoten" (= Bluenotes ?) hältst ?

Thomas
 
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Was sehr schwer ist weil es damals noch keine Aufnahmen gab ...

Na sowas- wer hätte das gedacht? Dass ich bei "Mittelalter" historische Schriftdokumente meinte, bedarf doch wohl keiner besonderen Erwähnung.

... ich habe aber so ein altes Stück dieses Jahr mal selbst gespielt ...

Mit "selbstgebastelt" kann man quellentechnisch leider nichts anfangen. Abgesehen davon, dass diese ostpreussische Volksweise formal, melodisch und insbesonders harmonisch (Moll-Dur-Parallelismus: Em-B-G-D) absolut nichts mit Blues zu tun hat, dürfte sie stilistisch frühestens dem 16. Jahrhundert zuzuordnen sein - es ist also weder ein "mittelalterlicher", noch ein andersweitig verwertbarer Beleg.

Nachtrag: Ich sehe gerade, dass du auch "La Paloma" unter "Blues" einsortierst (Post #211). Da können wir uns jede weitere Diskussion ersparen ...
 
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Nur: hätte es diese Leute nicht gegeben, dann (1) würden wir heute diese Scheiben nicht hören können weil nicht reproduziert, (2) würden viel weniger wissen als wir das heute tun, (3) wäre das Blues Revival mit den "Rediscoveries" von Son House / Skip James / Mississippi John Hurt / etc. und die "Neuentdeckungen" wie Fred McDowell / RL Burnside / etc. nicht so passiert.
Meine Äußerung darf man nicht falsch verstehen. Ich bin diesen Menschen sehr dankbar!Zum Beispiel würde ich wirklich sehr gerne mal die Sammlung von John Tefteller sehen und auch gerne mal mit ihm ein paar Worte wechseln.

Wer nicht weiß wer Tefteller ist und was er so für eine 78er Platte aus den 1930ern bereit ist zu bezahlen hier mal ein Link zu seiner Seite. Muss man gesehen haben.
http://www.tefteller.com/html/rarest_78_record.html




Mein aktueller Hero ist Jontavious Willis: http://jontaviouswillis.com/
Kopf einer neuen aufstrebenden jungen (schwarzen) Blues-Gang, 78-rpm record collector, mit wirklich viel Ahnung - und ein toller Blues-Musiker obendrein.

Vielen Danke für diesen Tipp. Das meinte ich mit Input. :great:


Aber schön zu sehen, dass mein alter Text immer noch Leute zum Nachdenken und -lesen und -hören anregt!
Das Blues-Unterforum ist nicht sehr groß, also musste ich nicht tief „graben“ um deinen alten Text zu finden. Keine andere Musik läd so zum Zeitreisen ein wie der Blues. Ich bin noch auf etwas sehr spannendes gestoßen und werde demnächst noch was schreiben über die Zeit, bevor der Blues „ghettoisiert“ wurde. Stichwort: Marion Harris, eine weiße Bluessängern aus den 1910er bis 1920er Jahren. Ihr Plattenlabel hat es ihr untersagt Blues zu singen, weil sie weiß war. Was für Zeiten damals!?!
 
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