Die Macht des Basses - „you don‘t dance to the key, you dance to the groove“

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Victor Wooten, dessen Spiel ich sehr mag, nutzt hier schamlos ;) die harmonische Definitionsmacht des Basses aus, wenn er quasi beliebige Töne spielt. Hauptsache, sie sind im Groove!

Natürlich ist es letztlich doch nicht ganz so egal welche Töne es sind, denn je nach Auswahl wird der Hörer sich unterschiedliche Harmonien im Kopf zusammenbasteln…aber ich mag diese plakative Prioritätensetzung, dass er im konkreten Fall dieses improvisiert entstehenden Tonsatzes die Rhythmik an erster Stelle sieht, Melodik offensichtlich danach kommt und Harmonik erst am Schluss.


View: https://youtube.com/shorts/7L2x6HxVK_s?si=XIv6uGyUAiKssu9E
 
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Recht hat er, ganz auf meiner Schiene. Mach ich auch gerne mal, so was an crazy Zeugs. ^^ Wer sagt denn welcher Ton richtig ist, nur weil es nicht den allgemeinen Hörgewohnheiten, Harmonielehre entspricht.
 
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Mollterz G in Tonart E Moll soll falsch sein?
Die aufsteigende Linie funktioniert, da sie chromatisch ist. Wo ist da eine "wrong note"?
 
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Mollterz G in Tonart E Moll soll falsch sein?
Ich gebe Dir recht. Und es sind halt nicht die Grundtöne, die man vom Bass meist gewohnt ist. Trotzdem kommt das, was er aussagen will, rüber: Der Goove ist wichtig, mindestens genauso wichtig wie die Harmonie.

Aber beides gegeneinander auszuspielen halte ich für falsch.


die harmonische Definitionsmacht des Basses aus, wenn er quasi beliebige Töne spielt. Hauptsache, sie sind im Groove!
 
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Solange Gitarrist und Bassist alle Töne kurz und staccato spielen, spielt die jeweils gespielte Tonhöhe nicht so eine große Rolle. Das funktioniert dann eher wie Congas + Bassdrum. Eine Bassdrum wird ja nicht bei jedem Ton umgestimmt.

Bei einer Ballade mit Streicherakkorden und lang ausgehaltennen Basstönen wird das nicht mehr funktionieren.

Ansonsten sagt eine alte Weisheit: Ein falscher Ton im richtigen Rhythmus klingt besser als ein richtiger Ton im falschen Rhythmus.

Viele Grüße,
McCoy
 
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letztlich doch nicht ganz so egal welche Töne es sind
Das würde ich auch so sehen. Es gibt schon einige Kombinationen, die ultraschräg sind und daher als komplett "falsch" empfunden werden.
Aber ab und zu sollte man sich (auch) als Bass-Player von den gewohnten Grund- und akkordeigenen Tönen lösen können.
Meine Signatur, die ich von der Marleaux-Werbung adaptiert habe, stimmt schon, wobei wir dann wieder beim Eingangsthema sind. ;)
 
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wenn er quasi beliebige Töne spielt.
Grundsätzlich ist natürlich Rhythmus first. Schönes Beispiel!
Für mich ist bei dem Beispiel aber kein "falsch" klingender Ton dabei. Eine chromatisch aufsteigende Linie zum Leitton passt immer. 😉 Das ist eher Stimmführung über Harmonik.

Jacob Collier hat auch schöne Motive, wo er fast beliebige und sehr dissonante Akkorde spielt, die durch die Stimmführung und die Auflösung am Ende dann doch eine logische Abfolge ergeben.

EDIT: Wollte eigentlich das Video dazu raussuchen, finde es aber nicht mehr. Das Prinzip ist so - ein beliebiger (konsonanter) Startakkord, dann mit dem Bass in Sekundschritten nach unten und mit (fast) beliebigen mehr oder weniger dissonanten Akkorden rechts nach oben bis zu einem konsonanten Zielakkord.
 
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Klar ist Rhytmus wichtig, aber so ganz kann ich mit dieser Rhythm-First Prämisse nichts anfangen.
Es gibt bspw. unzählige Funk-Lieder, die zwar groovy sind, aber trotzdem stink langweilig, weil die Harmonie und Melodik nichts hergibt.
Andererseits gibt es viele Klassik-Lieder, die nicht groovy sind, aber trotzdem super schön, einfach weil die Harmonie so toll ist.

Oder Bang Bang von Nancy Sinatra. Das ist ja nicht mal im richtigen Rhythmus gespielt. Wenn man das groovy mit einem steady Timing spielen würde, würde das gar nicht mehr gut kommen.
 
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Das Beispiel von Victor Wooten weckt Einnerungen ans Grundstudium vor bald 50 Jahren, es ist ein schönes Beispiel für das "Gestaltphänomen", einem wahrnehmungspsychologischen Konstrukt von vor gut hundert Jahren.
Einfach ausgedrückt suchen wir bei komplexen Sinneswahrnehmungen Deutungen, die einen Sinn ergeben. Dieses Kognitionsverhalten ermöglicht z.B. die Ausbildung der Hörwahrnehmung in der fortgeschrittenen Gehörbildung als Grundlage harmonischer Analysen.
Bei Wooten werden demnach nicht nur die bestimmbaren einzelnen Töne gehört und z.B. als (harmonisch) Tension-Release-Abfolge auf die unterlegte Gitarre bezogen, sondern auch zu einem Gesamtgebilde konstruiert, der Prozess wird Tendenz zur geschlossenen Gestalt genannt.

Was Groove per Bass und die Leute tanzen lassen betrifft, gibt es vom großartigen TM Stevens selig ein wunderbares Beispiel samt Referenzen an Jimi Hendrix und Sly Stone.


View: https://www.youtube.com/watch?v=nOKBWOo5OiY

Einen Blues mit meisterlicher Definition des Groove geben die musikalischen Giganten Oscar Peterson und NHØP in einem Konzert aus den '70ern zum Besten.


View: https://www.youtube.com/watch?v=xDT1-CcmN54

Gruß Claus
 
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suchen wir bei komplexen Sinneswahrnehmungen Deutungen, die einen Sinn ergeben. Dieses Kognitionsverhalten ermöglicht z.B. die Ausbildung der Hörwahrnehmung in der fortgeschrittenen Gehörbildung als Grundlage

Oder wie es Hanns Eisler gesagt hat (haben soll):

Screenshot_20240801-064525_Firefox.jpg
 
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Sehr schön, praktiziere ich auch so. ^^
 
Klar ist Rhytmus wichtig, aber so ganz kann ich mit dieser Rhythm-First Prämisse nichts anfangen.
Es wäre sicherlich falsch, die anderen Elemente der Musik allgemein als weniger wichtig einzustufen. Da kommt es wie Du schreibst auch auf das Genre an, in der Träumerei sind falsche Töne störender als eine Temposchwankung.

Im Swing, Funk, Reggae usw. hat der Groove aber nun mal eine sehr wichtige Funktion. Wenn da der Bass oder der Drummer im Tempo schwankt, macht es keinen Spaß.

Man könnte vielleicht sagen, dass es je nach Genre Elemente gibt, die eher fest definiert sind und andere, die freier interpretiert werden können.

Auch der Eisler-Spruch ist natürlich grundsätzlich richtig, für zB ein Bach-Stück für Violine Solo aber weniger wichtig.

Die "falschen" Töne oben sind, wie Claus schreibt, mit dem Prinzip Tension und Release für unser Empfinden erstaunlich gut einzuordnen.
 
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Klar ist Rhytmus wichtig, aber so ganz kann ich mit dieser Rhythm-First Prämisse nichts anfangen.
Klar stützt sich ein wirklich tolles Lied immer auf einen Mix aus allen 4 Elementen: Melodik, Harmonik, Rhythmus, Interpretation.
Aber das Element Rhythmus ist das einzige, das man eher nicht durchs Gehirn sondern durch den Bauch wahrnimmt, wodurch man
Rhythmus viel tiefer, direkter und emotionaler wahrnimmt, als z. B. Melodie. Dadurch ergibt sich seine Sonderstellung.

Thomas
 
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wodurch man
Rhythmus viel tiefer, direkter und emotionaler wahrnimmt, als z. B. Melodie.

Ich weiß nicht, ob das so allgemein gilt.
Eine Stimme oder z.B. einen langsamer Bruckner-Satz nehme ich viel tiefer und emotionaler wahr als viele Rhythmen.

Ich denke auch nicht, dass man das so gegeneinander wirklich ausspielen kann.

Tatsache ist aber, dass es besonders für die Improvisation sehr hilfreich ist, dass - im Jazz und vergleichbarer Musik - nicht jeder Ton wichtig ist.
Rhythmus wird dagegen oft vernachlässigt und statt dessen Skalen gedudelt. Zumindest sollte man sich dieser Gefahr bewusst sein.

Bei den Tönen UND beim Rhythmus gilt aber trotzdem Tension-Release, wenn es interessant bleiben soll.
Melodie, Harmonik, Instrumentierung, Tempo, ... alles Aspekte. Und natürlich auch als Ausnahme kann man sich mal auf weniges davon beschränken, es gibt Stücke, die haben praktisch keinen "Beat" und sind trotzdem wahnsinnig emotional.

Der Mix machts ;)

Ich denke, das Video oben zeigt einfach, dass man nicht verkrampft nur auf die Töne achten soll, sondern bei dieser Art von Musik den Groove im Fokus hat.
 
In der Tat sehe ich das auch so, dass keine feste Hierarchie zwischen den musikalischen Parametern existiert, die allgemein und immer verbindlich ist. Ansonsten würden wir uns mit einer ziemlich langweiligen Kunst befassen, weil sie weitgehend vorhersagbar wäre. Erst dadurch, dass verschiedene Musiker verschiedene Dinge für wichtig oder weniger wichtig erachten, ensteht ja Neues.

Auch auf mich wirken Victor Wootens Basstöne nicht sonderlich dissonant. Er legt halt eine plakative Unbekümmertheit an den Tag, wenn er mit einem so harmonisch definitionsstarken Instrument wie dem Bass behauptet, man könne jede Tonhöhe spielen, solange es groovt.

Das fand und finde ich lediglich interessant, ohne dass damit ein Allgemeingültigkeitsanspruch für alle möglichen Stile und musikalischen Strukturen erhoben wird.
 
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Als bestätigendes Negativbeispiel "muss" ich immer mal mit einem (Vertretungs-) Bassisten spielen, der tolle Töne spielt, sich dabei aber technisch manchmal etwas übernimmt und dann leichte Temposchwankungen produziert. Da kein Schlagzeug dabei ist, ist das echt schwer auszuhalten - es groovt nicht. Mir wäre es lieber, er spielte nur Halbe, dafür aber auf den Punkt.
 
Nicht umsonst schreibt Mark Levine in seinem Jazz Piano Buch: "Bassisten haben viel Macht! Seien Sie nett zu ihnen."

Deshalb: Immer helfen beim Bass-Amp schleppen, Bier bringen etc. ... :D

Viele Grüße,
McCoy
 
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