Möglichkeiten zum Andeuten tonaler Zentren

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Truemas
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Guten Tag zusammen,

nachdem ich jetzt etwas mehr hier im Harmonielehre Forum aktiv war und mich ein wenig in "Neue Jazz Harmonielehre" eingelesen habe, bin ich etwas weg gekommen von meinem Gedanken das überall 3 oder 4 stimmige Akkorde seien müssen um ein tonales Zentrum zu legen. Immerhin müssen es ja auch irgendwie Metalbands auf die Kette bekommen die nur Gesang, Gitarre, Bass als klangliche Komponenten haben ( erwähnte ich schon in einem anderen Thread ) ohne nur Powerchords zu spielen.

Was gibt es, euren Erfahrungen nach, alles für Möglichkeiten ein tonales Zentrum zu etablieren? Mein persönlicher Musikgeschmack sind ja Japano RPG & Anime Musik zudem Prog Rock mit symphonischen Komponenten und mich würde interessieren was es da für Möglichkeiten gäbe. Z.B.: frage ich mich ob viele Gitarrenriffs auf Arppegios beruhen.

Als Extrafrage: Nach erstem Kapitel von oben genannten Buch und dem Hören der ersten 9 Songs auf CD 1 des selbigen, habe ich das Gefühl das man auch nicht permanent den Grundakkord verankern muss. Ich habe bisher beim Komponieren immer gedacht das man die Tonika immer tonal irgendwie verankern muss damit das Stück nicht "abhebt" und seinen Bezug verliert. Nach dem Hören der Songs scheint mir aber das dies sehr wohl geschieht und hin und wieder mal zurück gekehrt wird. Wer kennt die Songs und kann dazu eine Aussage machen?

Danke im Voraus für eure Antworten!
 
Eigenschaft
 
Ein tonales Zentrum wird schon alleine durch die (unbegleitete) Melodie nahegelegt und verankert ... solange die sich auch so verhält.

Sonst könnte man ja eine (unbegleitete) Melodie nie ausharmonisieren.

Außerdem wird der Grundton auch durch die Verwendung von diatonischen Standard-Funktionen und -Progressionen betont ... ohne die Tonika bemühen zu müssen. Das erledigt unsere Hörgewohnheit.

Thomas
 
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Grundsätzlich gilt: Tonvorrat bestimmt die Tonart. Es ist dabei also gar nicht nötig, alles harmonisch auszudeuten. Wenn sich eine, oder mehrere Melodien in einem bestimmte Tonvorrat bewegen, so stehen sie auch in der entsprechenden Tonart. Als Klangbeispiele dienen da die zweistimmigen Inventionen von Bach. Es gibt Stellen, die sich harmonisch deuten lassen, es gibt aber auch Stellen, die definieren sich ausschließlich aus dem Tonvorrat.
 
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Das mit dem Tonvorrat stimmt, solange es sich um tonale Musik handelt und nicht etwa um modale, wie der TE eingegrenzt hat. Um diese zu stabilisieren, kannst du dich mal zum Thema Klauselbildung einlesen.
 
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Was gibt es, euren Erfahrungen nach, alles für Möglichkeiten ein tonales Zentrum zu etablieren?
Bei modalen Stücken liegt die Etablierung zwangsläufig durch den verwendeten Modus vor, das kann man anhand der CD-Beispiele von Sikora gut hören. Sehr bekannte Standardbeispiele dafür sind auch So What bzw. Impressions, die der gleichen modalen Form folgen. Dort hört man sehr leicht, wann sich das "tonale Zentrum" ändert, weil der Mode strukturell immer gleich bleibt (dorisch).
Miles Davis, So what: http://www.youtube.com/watch?v=V1hT2u1jwcs, http://de.wikipedia.org/wiki/So_What_(Miles_Davis)
John Coltrane, Impressions: http://www.youtube.com/watch?v=LkBx9TG-iTc

Nach erstem Kapitel von oben genannten Buch und dem Hören der ersten 9 Songs auf CD 1 (edit: Sikora)
Diese ersten Songs der CD1 sind modal und beschränken sich darauf, den speziellen Mode vorzustellen.
Der Grundton bzw. die modale Tonalität ist im Aufbau dieser Stücke "verankert". Man hört den Grundton-Bezug schon aufgrund unserer "westlichen" Hörgewohnheiten unbewusst mit.
Gerade habe ich eine halbe Minute in Song 2 - Ionisch gehört, da werden in der Oberstimme der Grundton bzw. die Quinte angespielt und durch "Annäherungstöne" vorbereitet.

Funktionsharmonische Stücke können durchgängig in einer Tonart stehen. Ein Stück mit durchgängig diatonischen Akkorden hört sich vielleicht etwas schlicht an, bei stimmiger Komposition, Arrangement und Interpretation kann das natürlich auch überzeugen.

Recht häufig werden aber neben rhythmischen auch harmonische Mittel eingesetzt, um in einem Song Abwechslung zu schaffen. Typisch für harmonische Änderungen sind die Rückung eines Formteils um einen (Halb-)Ton, Wechsel in eine Akkordfolge der Parallel-Tonart oder die Erweiterung durch den Austausch von Akkorden bzw. Akkordverbindungen.
Stichworte dazu sind Substitution und Reharmonisierung (s.a. Zwischendominante, Tritonussubstitution, SDM, Modal Interchange, Reharmonisierung).

Harmonische Zentren werden in funktionsharmonischen Stücken durch die Tonalität etabliert und durch die Akkordfolge bzw. "Grundtonfortschreitung" bestätigt. Tonleiter und Akkord sind dabei bekanntlich zwei Organisationsformen des gleichen Sachverhalts und ineinander überführbar.

Gruß Claus
 
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Danke für eure Antworten. Ich bin gerade bei der Aufgabe wo man versuchen soll das rauszuhören. Habe jetzt Song 1-3 probiert und mein Ergebnis war das ich Song 1 enharmonisch verwechselt habe. ( Noten Stimmten aber anderer Modus ). Song 2 wußte ich dank Claus den Modus und hatte auch den richtigen Grundton. Bei Song 3 hatte ich den richtigen Modus aber A Mixolydisch getipt anstatt D. ( Wahrscheinlich habe ich die Basstöne falschherum gedeutet, also komplementär verwechselt ). Es sind immerhin Teilerfolge und ich weiß das das Buch sich eher an erfahrenere Musiker richtet. Trotzdem finde ich das es lehrreiche Erfahrungen sind. Ich glaube morgen Beschäftige ich mich noch mal von den von Claus erwähnten "Abwechselungen". Ich glaube noch zu wissen was Tritonussubstitution ist , aber ich gehe da morgen nochmal auf Nummer sicher und werde das etwas auf dem Piano mir akustisch versuchen einzubläuen.
 
Ich glaube noch zu wissen was Tritonussubstitution ist , aber ich gehe da morgen nochmal auf Nummer sicher und werde das etwas auf dem Piano mir akustisch versuchen einzubläuen.

Beispielakkordfolge | Cmaj7 / / / | Am7 / / / | Dm7 / / / | G7 / / / |

Zwischendominanten (Secondary Dominants) für diese Akkordfolge
| Cmaj7 / E7 / | Am7 / A7 / | Dm7 / D7 / | G7 / / / |
Der Grundton ist diatonisch, die Akkordfunktion offensichtlich nicht, die Auflösung erfolgt im Quintfall
Die Tonleiter der Zwischendominanten kann aus den Akkordtönen der Dominante plus Auffüllen mit Material der Ausgangstonart gebildet werden, das ergibt Mixolydisch (V7/IV, V7/V) oder Mixolydisch b13 (V7/II) oder Mixolydisch b9 b13( V7/III, V7/VI).


Tritonussubstitution (Substitute Dominants) der urspünglichen Akkordfolge im vierten Takt
| Cmaj7 / / / | Am7 / / / | Dm7 / / / | Db7 / / / |
Mit Zwischendominanten
| Cmaj7 / E7 / | Am7 / A7 / | Dm7 / D7 / | G7 / / / |
Tritonussubstitution der Zwischendominanten
| Cmaj7 / Bb7 / | Am7 / Eb7 / | Dm7 / Ab7 / | G7 / / / |
Die Tonleiter der T-Substitutsdominanten ist lydisch b7 (= mixolydisch #11)

Beispielakkordfolge | Em7 / A7 / | Dm7 / G7 / |
Bildung einer chromatischen Grundtonlinie durch T-Substitution
| Em7 / Eb7 / | Dm7 / Db7 / |
 
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Ich glaube noch zu wissen was Tritonussubstitution ist , aber ich gehe da morgen nochmal auf Nummer sicher und werde das etwas auf dem Piano mir akustisch versuchen einzubläuen.

Viel Erfolg und Freude dabei !

Nur eine generelle Anmerkung ... weil es mich gerade wieder danach drängt ... : So etwas zu WISSEN, ist die eine Sache. Was man zusätzlich unbedingt tun sollte (und auf dem Wege scheinst Du ohnehin gerade zu sein), ist, es fix in seinem persönlichen musikalisch-harmonischen Wortschatz zu verankern. So etwas, wie eine Tritonusbustitution kann man (beim Anhören) auf 100 m sofort erkennen ... und das sollte man auch, bzw. daran arbeiten, daß man das kann. Dabei ist die Erkennung bedeutend einfacher als die theoretische Herleitung
(= Bespiel C7: Akkordtöne c, e, g, Bb. Die bestimmenden Töne darin sind Terz und Septim, also e und Bb. Das Intervall zwischen Ihnen ist ein Tritonus. Und der drängt nach Auflösung.

Und dieser Tritons, in unserem Beispiel e, Bb, kommt in zwei verschiedenen Septakkorden vor ... nur in vertauschten Rollen: In C7 und in F#7. Und er läßt sich in 2 verschiedene Richtungen auflösen: nach innen (aus e, Bb wird f, a ... somit nach F-Dur), oder nach außen (aus e, Bb wird Eb, H ... somit nach H Dur).
Setzt man diese "Vertauschmöglilchkeiten" konsequent ein, wird aus einem normalen Turnaround wie z.B.:
C7 - A7 - D - G7 > C7 - Eb7 - D7 - Db7 > oder sogar C7 - Eb7 - Ab7 - Db7. Es fällt auf, daß so die für Jazz typischen chromatischen Basslinien entstehen (C, Eb, D, Db, C) an denen man TritonusSub.-Situationen als erstes erkennt ...

LG - Thomas
 
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Hallo Thomas. Dein Auflösungsbeispiel ist zumindest leichter einzuprägen als das was ich bisher auf die schnelle bei Wikipedia gegoogelt habe. ( Werde morgen auch noch mal in "Neue Jazz Harmonielehre" schauen. Und ich wollte gerade schreiben das deine Beispiele nicht einleuchtend seien aber ich habe meinen Denkfehler gerade erkannt. Hatte von Blockposition zu Blockposition verglichen ( also Akkord 2 in ersten Block verglichen mit Akkord 2 in zweitem Block). Natürlich meinst du die direkte Progression. Werde mir die Akkorde morgen mal in Reihe anhören. Eine Frage hätte ich da noch. Wird bei solchen Umdeutungen dann die enge Schreibweise beibehalten ( so wenig die Finger bewegen wie möglich ) ? Da ich es öfter im Jazz auch richtig springen höre was Akkorde von tief nach hoch.

Gruß, auch Thomas
 
Ich hoffe, ich verstehe Deine Frage richtig ...

Das konkrete VOICING der Akkorde ist eine ganz andere Geschichte und ein eigenes Feld für Forschungen ...

Die Stimmführung im Jazz gehorcht zwar den selben "GrundGedanken" wie in der klassischen Harmonielehre, aber durch die veränderte Ästhetik haben sich da andere Gepflogenheiten herausgebildet. Etwa die, daß bei Dominantketten der Tritonus einfach "parallel wandert". Beispiel:

Die Akkordfolge: C7 - A7 - D7 - G7 - C7 also wieder der Turnaround ...
Die Bewegung der jeweils vorkommenden Tritoni würde da lauten:
e Bb > g c# > f# c > f h > e Bb, das heißt, sie werden im eigentlichen Sinne gar nicht aufgelöst (weil auch ein DomSeptakkord kein richtiges Auflösungsziel ist ...) , sondern jeweils zum nächsten Septakkord weitergeführt ...

Jedenfalls geht man mit Sprüngen und Parallelführungen im Jazz viel unbefangener um als in der Klassik, was aber einfach an der MUSIK liegt. Wenn man das nicht so handhaben würde, klänge Klassik ganz einfach nicht mehr nach Klassik.

LG - Thomas

Aber auf diesem Felde können andere Dir sicher viel kompetenter weiterhelfen als meinereiner ...

PS: Außerdem hat im Jazz die Rhytmik die alles überragende Bedeutung. Das Voicing, die Akkordverbindung, die sich gut rhythmisch phrasieren lassen, bekommen ganz sicher den Vorzug gegenüber einer zwar wohlklingenden aber nicht so rhythmisch spielbaren Variante ... und das grundsätzliche Verhältnis zu "Spannung" und Dissonanz ist ein anderes ...
 
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Zur Klassik:
Sprünge können etwas ganz besonderes und effektvolles sein. Verzichtet man auf die dazugehörigen Stimmführungsregeln, beraubt man sich dieses Mittels.
Gelegentliche Quint- und Oktavparallelen lassen unterschiedliche Stimmen durch Verschmelzung kurzzeitig scheinbar verschwinden (wie ein blinder Fleck) und machen aus dem Satz einen Schweizer Käse. Sind sie jedoch verlässlich eingesetzt, erfüllen sie einen Zweck, etwa den Klang fetter/knorriger/... zu machen.

Zum Jazz:
Gibt es in Sikoras Jazzharmonielehre irgendwo etwas zum Thema Voicings? Außer im Gehörbildungskapitel habe ich neulich auf die schnelle nichts gefunden.
 
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Gibt es in Sikoras Jazzharmonielehre irgendwo etwas zum Thema Voicings?

PDF-I Voicings auf der dem Buch beiliegenden CD#2.
Behandelt bzw. kurz angerissen werden enge Lage (Close Voicings), weite Lage (Drop Voicings), Ersatz von Akkordtönen durch Tensions bei vierstimmigen Voicings, Low Interval Limits, Spreads, Quartvoicings, Cluster, Upper Structures, Polychords, Slash Chords, Hybrids, Upper Structure Triads.

Bezüge darauf finden sich auch im folgenden Kapitel PDF-J 101 Satztechnik, darin wird der Stoff weiter behandelt und angewendet.

Gruß Claus
 
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