Orchester-Ersatz für Choraufführungen

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Freiberger
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Hallo,

ich plage mich nun schon ziemlich lang Zeit mit der Frage ob es einen Ersatz für ein echtes Orchester geben kann.
Kurz zum Urschleim:

Ich bin Musikalischer Leiter eines mittelgroßen gemischten Chores in der Provinz.
Ich würde gern neben all den wunderschönen a-capella Sachen aber auch gern mal was mit Orchesterbegleitung machen.
Nur reichen für ein echtes Orchester weder die finanziellen Mittel noch gelegentlich der Platz.

Im "Ohr" hatte ich so Schmankerl wie ...
- Auszüge aus den "Carmina Burana", orchestral
- Oratorio de Noel, Saint-Saens
- Laudate Domino, Mozart
- Psalm 42 ('Wie der Hirsch schreit'), Mendelssohn
- (evtl. Auszüge) div. Oratorien (Haydns Jahreszeiten, Schöpfung...)
- etc.
... und z.T. eigene Chorbearbeitungen...
- "Finlandia", Sibelius
- "Moldau", Smetana
- Bearbeitung eines Themas aus dem 5.Klavierkonzert Beethovens
- Themen "Aus der Neuen Welt", Dvorak
- div. Kino-Soundtracks
- etc.

Nun habe ich bereits ausgiebig nachgeforscht welche (reduzierten) Möglichkeiten für einen Orchester-Ersatz existieren:
- Das ziemlich überzeugende Modell "Fauxharmonic Orchestra" mit Echtzeit-Steuerung von Tempo, Dynamik, Einsätzen etc. (Prototyp, leider unbezahlbar)
- Transkriptionen für 2 bis 4 Keyboards, mit generalisierten Instrumentengruppen (evtl. Verlust der originalen Stimmführungen)
- Digitale Orgel mit Sound-Samples (teuer, eingeschränkte Mobilität, Mangel an Organisten; bin zwar selber einer, aber wer soll dann dirigieren?)
- Transkription für ein Klavier zu 2/4 Händen (aufwändig, zwangsweise Einschränkung in Stimmbild und Klang)
- Playback-Orchester aus der Retorte, Sound-Samples als tempo-fixe Audio-Datei (keine Einflussnahme auf Tempo, Dynamik etc.)

Das sind in meinen Augen die einzigen Möglichkeiten. Aufgrund der einfachsten Handhabung bin ich ja sehr für die letzte Variante.
Kurz, man nehme also die Original-Orchester-Partitur und setze sie im Notensatz-Programm neu. Dies wandelt dann die Midi-Daten unter Verwendung guter Sound-Samples in eine Audio-Datei um. Im Notensatzprogramm kann, sofern dafür empfänglich (Sibelius!) ,auch Dynamik und Tempo gesetzt werden.
Für den Dirigenten bedeutet dies dann, dass er sein unsichtbares Orchester aber auch nicht mehr beeinflussen kann, sondern sich selbst nach dem von ihm ursprünglich gewählten Parametern richten muss. Hierfür wäre dann evtl eine Art Digitaler Notenständer von Vorteil, bei dem die slebst gesetzte Partitur zeitgesteuert den Dirigenten pusht.
An Equipment benötigt mann dann je nach Bühne nur die grundlegende PA.

Was haltet ihr davon? Es ist gewiss nicht zur Befriedigung höchster Ansprüche geeignet, aber für den Chor-Verein an sich wohl eine tolle Sache, auch mal Chorsinfonische Werke, Messen, Oratorien u. dgl. aufführen zu können und dabei finanziell recht unabhängig zu bleiben, sich räumlich nicht einschränken zu müssen und nicht jedesmal ein Orchesrter "zusammenbetteln" zu müssen.

So, nun würde ich gern ein paar Meinungen zu dieser Aufführungspraxis hören... Vielen Dank! :)
 
Eigenschaft
 
Ein orchester zu simulieren kostet viel zeit und aufwand, die ergebnisse sind unbefriedigend.
Die beste lösung dürfte die alte sein: mit klavier oder in reduziertem arrangement mit vorhandenen instrumentalisten, etwa nach dem vorbild des salonorchesters. Bühnenmusik muss oft mit bescheidenen mitteln auskommen, ich hörte in Dänemark erstaunliche theaterproduktionen mit kleinen, modern ausgestatteten klangkörpern.
Oder eine zusammenarbeit mit lokalem musikverein oder lehrern der nächsten musikschule ? Kannst du nicht einige chormitglieder und deren kinder animieren, ein instrument zu lernen, langfristig eine bereicherung für die gemeinde ? Eine schlagwerkgruppe, ein blockflötenquartett wären auch kurzfristig auf die beine zu stellen, ein vibraphon verdichtet den klang und kann typische begleitfiguren übernehmen. ein e-bass ist fundamental bald zu erlernen, es muss nur stlistisch passen. Ein teil des chores kann mit vokalisen instrumentale wirkungen erzielen, es gibt viele möglichkeiten, aber auch grenzen.
Man kann einen chor vom instrument her leiten, alte barocke praxis, selbst einen part übernehmen, oder einen dirigenten heranbilden, kann auch eine -in sein.
Finlandia und Cie. lassen mich allerdings ein wenig die augenbrauen heben.
Es versteht sich, dass alle retuschen behutsam, werkgerecht und geschmackvoll sein sollten, vieles hängt auch vom können der mitwirkenden ab, meisterhaft gemacht, ist alles zulässig. .
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Hintergrund ist ja hier in deinem Thread ab 8.11.12 nachzulesen.

Kurz, man nehme also die Original-Orchester-Partitur und setze sie im Notensatz-Programm neu. Dies wandelt dann die Midi-Daten unter Verwendung guter Sound-Samples in eine Audio-Datei um. Im Notensatzprogramm kann, sofern dafür empfänglich (Sibelius!) ,auch Dynamik und Tempo gesetzt werden.
Für den Dirigenten bedeutet dies dann, dass er sein unsichtbares Orchester aber auch nicht mehr beeinflussen kann, sondern sich selbst nach dem von ihm ursprünglich gewählten Parametern richten muss. Hierfür wäre dann evtl eine Art Digitaler Notenständer von Vorteil, bei dem die slebst gesetzte Partitur zeitgesteuert den Dirigenten pusht.
An Equipment benötigt mann dann je nach Bühne nur die grundlegende PA.

Grundsätzlich geht es schon, mit Sängern zu einem Playback zu singen. Im Klassik-Bereich ist es halt unüblich, weil da nach wie vor das Ideal ist, dass die Musiker bzw. der Dirigent das Timing in der Hand behält. Wenn man zum Playback singt, muss der Dirigent sich dem anpassen.

Ich würde allerdings keinen Rechner mit Notensatzprogramm verwenden, sondern das Playback auf CD brennen, oder den Mixdown von einem Harddiskrecorder oder einem vernünftigen Audio-PC abspielen. Ein Notensatzprogramm wäre IMHO die falsche Software für Live-Zwecke.

"O Fortuna" von Orff als Playback gibt's hier. Das könntest du in eine Probe mitnehmen und ausprobieren.

Was haltet ihr davon? Es ist gewiss nicht zur Befriedigung höchster Ansprüche geeignet,

Ganz ehrlich? Es ist noch nicht mal zur Befriedigung niedrigster Ansprüche geeignet. Klassische Musik muss immer das Tempo als elementarstes Mittel des künstlerischen Ausdrucks bewahren. Die in der Aufführungssituation vorhandenen Musiker und Zuhörer, der Raum und die Akustik haben Auswirkungen auf das Tempo. Wenn der Dirigent die Tempogestaltung durch eine Maschine ausführen lässt, beweist er damit seine eigene Überflüssigkeit. Dann sollte man konsequenterweise den Dirigenten auch als Video zeigen, denn ein menschlicher Dirigent muss aufwändig synchron zum Playback bleiben. Mit diesem Vorhaben bist du auf dem besten Weg, dich selbst überflüssig zu machen, da du ja in den elementarsten Parameter Tempo nicht mehr eingreifen kannst.

Sowas kann man bei Musik machen, deren Ästhetik einerseits durch Groove und andererseits durch mediale Vermittlung geprägt ist, also Rock- und Popmusik. Aber schon bei Jazz, Folk, Neuer Musik und allem, wo Tempo ein künstlerischer Parameter ist, würde man die Grundlagen der Musik ignorieren, wenn man ein Playback verwendet. Gerade als Organist sollte dir doch die Diskussion geläufig sein, ob man Gottesdienste nicht aus Kostenersparnis mit Playback begleitet - die Kirchen sprechen sich mit guten Gründen dagegen aus: Kirchenmusik soll eine menschliche Ausdrucksform sein, kein Ton-Produzier-Ritual. Das gleiche gilt für klassische Musik.

Beschäftige einen Pianisten, das ist IMHO der beste Mittelweg. Noch besser: beschäftige dich mit Sponsoren-Akquise, um Raum und Orchester bezahlen zu können. Das ist der künstlerisch hochwertigste Weg, der auch dem Einsatz deiner Sänger am angemessensten ist. Die schicken ja auch kein MP3 zur Probe, sondern kommen selbst.

Harald
 
Ergänzend: einen chor mit live gespielten, ehrlichen synthesizer-klängen zu ergänzen, könnte reizvoll sein und neue wege bahnen. Aber es muss gut gemacht und gespielt werden.
 
Ich war vor Jahren mal in Jagsthausen (Open Air) bei "My Fair Lady". Für diejenigen welche es nicht kennen: das ist Profitheater. Da wurde auch am Orchester gespart :D
Gespielt hat dort eine Band bestehend aus Schlagzeug, Bass und Gitarre sowie 2 Keyboarder welche sich die orchestralen Klänge geteilt haben.
Ich fand das für diese Besetzung erstaunlich gut und für meine Vorstellung hat das täuschend echt nach großem Orchester geklungen.
Sowas setzt jedoch einen guten Arrangeur voraus sowie Keyboarder welche nicht nur die Instrumente spieltechnisch, sondern auch technisch beherrschen.
 
Hallo !

Was m.E. immer gut funktioniert ist eine Mischung aus echten und synthetischen Instrumenten. D.h. Aus jeder Instrumenten-Gattung 1 Original (Violine, Cello, Trompete usw.) der Rest wird dann durch 2 - 3 Keyboarder ergänzt die sich die Orchesterspuren teilen - evtl. auch das eine oder andere Sample live "abfeuern". Somit hat man den Originalklang der ersten Stimme und muss nicht auf feste MIDI-Timings vertrauen. Es ist natürlich ein nicht ganz unerheblicher Aufwand, die Arrangements müssen gut geschrieben sein und man muss auch die passenden Musiker finden - trotzdem für mich der beste Kompromiss und mit ~ 10 Musikern realisierbar.
ciao

bluebox
 
ergänzend zu Harry + Bluebox, man kann auch mal einen Blick auf die extrem ausgedünnten "Zirkus-Orchester" werfen, die machen mit Mini-Besetzung den Maxi-Sound. Und das live in aller bestem Sinne.

Es liegt am Arrangement und an den Musikern! Bei den Keyboards vielleicht auch noch an der Ausrüstung, aber das sollte heutzutage eigentlich als gegben vorauszusetzen sein.
 

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