Persönliche Erfahrungen/Herangehensweisen: Emotionales Singen

Shana
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Vielleicht wäre eine Sammlung von persönlichen Aussagen darüber wie jeder Einzelne von uns das mit den Emotionen beim Singen macht interessant. OHNE WERTUNG versteht sich und ohne Verallgemeinerungen.
Bitte hier NICHT diskutieren oder irgendwas in Frage stellen. :)


Für mich ist es so:

Der jeweilige Song gibt die Emotionen vor. Ich empfinde diese Emotionen während ich den Song singe und die Musik höre. Wenn der Song vorbei ist sind auch die dazugehörigen Emotionen vorbei, dann kommt der nächste Song. Ich spiele das nicht, ich bleibe ich selbst, es ist für mich auch kein intellektueller Vorgang. Alle Emotionen, die ich kenne, weil ich sie schon mal hatte kann ich auch beim Singen empfinden.

Ich singe ja hauptsächlich selbstgeschriebene Songs, daher sind auch alle Emotionen, die darin vorkommen meine eigenen und für mich leicht abzurufen, auch wenn sie nicht mehr aktuell sind. Manche Stücke spiegeln auch die Sicht einer anderen Person, einer historischen Person zum Beispiel. Ich wähle dafür die Emotionen, die ich an ihrer Stelle hätte.

Neben den eigenen Stücken liebe ich Musical und daran im Gegensatz zu Bell gerade den pathetischen Aspekt. Wenn ich Songs singe wie "Totale Finsternis" oder "Wenn ich tanzen will" oder "Auf einmal" (Tarzan) fülle ich diese Stücke auch mit meinen eigenen emotionalen Erinnerungen oder meiner emotionalen Persönlichkeit. Ich nehme es dann aber auch so wahr, daß die Emotionen mit dem Song und der Musik zu mir kommen. Davor und danach spüre ich es möglicherweise gar nicht, währenddessen aber schon.

Ich neige schon ein wenig oder sogar ziemlich stark zu einem gewissen Pathos ;-) Solche Stücke sprechen mich auch stark an. Aber unter unseren eigenen Stücken sind auch welche mit einem verrückten oder sogar ironischen Touch.
 
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Ich singe ein mehrsprachiges und auch stilistisch relativ breit gefächertes Repertoire. Es sind also nicht immer meine Emotionen, die ich darstellen muß, aber ich versuche, sie mir zu eigen zu machen. Oder ich rufe mein "emotionales Gedächtnis" ab. Manche Songs sind so stark mit Erinnerungen besetzt und so intensiv, daß Song und Emotion zu einer Einheit verschmelzen. Das merke ich daran, daß ich beim Singen eine Gänsehaut bekomme. Der Song klingt auch mehr oder weniger immer gleich. Er ist Teil meines Ichs.

Andere sind wiederum emotional neutral, da spiele ich dann gerne ein bißchen herum mit den Variationsmöglichkeiten, die der Song bietet. Er kann dann heute so klingen und morgen so, je nach Stimmung. Er gehört nicht zu mir, ich hab ihn sozusagen nur kurz ausgeliehen, spiele ein bißchen damit herum, probiere z.B. Klangfarben oder rhythmische Variationen aus.

Pathos liegt mir gar nicht - mit ganz wenigen Ausnahmen. Kirchen- oder sonstige religiöse Lieder könnte ich nie singen, da mir jeglicher Glaube fehlt, klingt das wie eine Parodie. Und Liebesschnulzen klingen bei mir oft ein wenig ironisch/augenzwinkernd - ich mag die Liebe, aber ohne Gefühlskitsch. Deshalb tue ich mich auch mit dem Musical-Genre oft schwer. Technisch kann es mir gelingen, Melodramatik herzustellen, aber die eigene Persönlichkeit und Geschichte scheinen doch immer ein bißchen durch.

Dabei höre ich durchaus sehr gern Melodramatisches, solange ich es nicht selbst singen muß. Ich liebe auch Gothic und Darkwave - das trieft ja oft nur so vor Trauer und Melancholie.
 
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Ich singe gern auch mal mit Emotinen: allerdings nur Songs, deren emotionaless Kleid mir passt. Ein Lied wie "Julia" von John Lennon kann ich recht gut nachempfinden. Ich muss mich dabei nicht verstellen, um solch eine Liebeserklärung gleubhaft rüberzubringen. Um es vorwegzunehmen: Ich muss auf der Bühne nicht verliebt sein oder jemanden vermissen, um es glaubhaft zu singen. Aber ich ahne, warum John Lennon diesen Song so "brüchig" und "schwebend" angesetzt hat und kann diese Gefühl jederzeit wiedergeben, da es ein globales Gefühl ist, was ich kenne.

Pathos liegt mir nicht so sehr. Ich hatte mal "Don't Cry for me Argentina" im Programm. Ich kann solch ein Lied durchaus interpretieren, bediene mich aber dabei durchaus ein wenig der Ironie und Übertreibung - die schon dadurch entsheht, dass ich ein Mann bin und dieses Lied singe. Bei solch einem Lied würde ich mich eher als Schauspieler bezeichnen. Kein Lee Strasberg-Schüler, der die Rolle komplett übernimmt, aber jemand, der weiß, welche (auch technischen) Mittel dort angebracht sind. Vielleicht sogar als Comedian, der die Rolle persifliert, um über seine echte Empfindungen hinwegzutäuschen. Manchmal kennt man sich ja selber nicht genau.

Wo bei mir echte Gefühle, falsche Gefühle und Ironie versagen, sind ernst gemeinte Rock-Liebesballaden a la Bon Jovi. Kann ich mich nicht hineinversetzen. Das mag daran liegen, dass ich sie selbst den Erschaffern nicht wirklich glaube. Ähnlich geht es mir bei Soul. Diese lebhafte und auch "laute" Gefühlswelt bleibt mir verwehrt und ich kann sie nur mehr schlecht als recht vorspielen.

Ich sehe mich eher als Unterhaltungskünstler denn als richtigen Sänger. Als jemand, der eine (oder mehrere) Personalities anbietet, die man gut finden kann oder nicht. Inwieweit ich da mit echten und falschen Gefühlen spiele, was davon eine Rolle ist oder auch eine Maske vor unterdrückten Gefühlen, was ich vorgebe zu sein was davon ich wirklich bin oder veilleicht auch nur sein möchte, das weiß ich oft selbst nicht. Von allem ein bißchen aber längst nicht alles. Oder so.

Auf jeden Fal - das gebe ich zu - bin ich applaus- und anerkennungsgeil, so dass eine Performance immer auch einen emotionalen, psychologischen Aspekt hat. Nur uim des Singens Willen würde ich es nicht machen.

Irgendwo ist doch jeder Künstler auch ein kleiner Schizo, oder?
 
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Ich habe noch etwas Wichtiges vergessen: wir stehen meistens nicht allein auf der Bühne, wir sind Teil einer Band bzw. werden von einem Instrumentalisten begleitet. Und aufgrund der musikalischen entsteht natürlich auch eine emotionale Interaktion zwischen Sänger/in und Musikern.
Bei mir wirkt sich das meistens so aus: bei einem Telefonband-Job (oft kenne ich dann nur einen, manchmal sogar gar keinen der Musiker näher) singe ich irgendwie disziplinierter, konzentriere mich mehr darauf, keinen Fehler zu machen, versuche meinen Teil dazu beizutragen, die Band zusammenzuhalten, improvisiere weniger, bin sehr aufmerksam. Singe ich hingegen mit meinen vertrauten Leuten, dann kann ich mich besser fallenlassen, mehr variieren und auch mal einen schrägen Ton riskieren, ohne gleich vor Scham im Erdboden versinken zu wollen. Wir sind eingespielt und können uns aufeinander verlassen. Natürlich schaut bzw. lächelt man sich während es Auftritts an, auch das hat mit Emotionen zu tun. Außerdem lasse ich mich von rhythmischen Variationen, Soli etc. gerne inspirieren, mit der Stimme zu spielen.
 
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Hallo,

... dann kann ich ja auch mal was aus Sicht des "Klassikers" beisteuern ;) - in der Klassik gibt es nicht gar so viele Möglichkeiten der persönlichen Interpretation; als Solist ist man da noch eher etwas freier, im Chor dagegen gar nicht. Da ist man ganz der Interpretation und Sichtweise des Dirigenten ausgeliefert.
Ich finde es auch in der Klassik sehr hilfreich, sich gründlichst mit dem Text und seiner Aussage zu beschäftigen - auch mit der musikalischen Umsetzung desselben durch den Komponisten - was oft hochinteressant ist ;)
Daß es auch und gerade bei großen oratorischen Werken teils gewaltige Unterschiede in der Aufführung geben kann, zeigt zum Beispiel die Einspielung des Bach'schen Weihnachtsoratoriums von Rilling im Vergleich zu einer Gardiner-Aufnahme.
Als tiefreligiös würde ich mich mit Sicherheit nicht bezeichnen, dennoch habe ich mit sakraler Musik keine Probleme, allenfalls geht mir mal bei einer Messe in der Textpassage "...et unam ecclesiam sanctam catholicam" die Überzeugtheit ein wenig flöten...

Viele Grüße
Klaus
 
Da ist man ganz der Interpretation und Sichtweise des Dirigenten ausgeliefert.

Wenn mensch ganz großes Glück hat und Einzelsolist ist, ist es möglich, zu gestalten. Längst nicht so frei wie in Jazz oder so, aber es gibt tatsächlich Dirigenten, die dirigieren das Orchester nach den Solisten (so diese die Führung übernehmen)

Die "sanctam catholicam" Stelle ist ja, soweit ich mich erinnere, meistens eh in Chor gesetzt, solange dann nicht jeder streikt, fällt es gar nicht so auf ;) Und da es ja lateinisch ist, muss man sich hier mit dem Text nicht unbedingt zwingend auseinandersetzen. Wobei ich das schon auch so sehe - grad klassische Lieder, die solistisch mit Klavierbegleitung sind, bieten dann doch Spielraum für Interpretation und da sehe ich es auch als zwingend notwendig, den Text zu verstehen.

Generell muss mir ein Lied, das ich (allein) singe, auch irgend etwas sagen. Sonst kann ich es gleich vergessen. Im Chor ist das wieder anders, da gibt es ja notfalls den Dirigenten, der sich um die Aussage und den Ausdruck derselben kümmern muss :D

In letzter Zeit verspüre ich einen gewissen Hang zur Dramatik (nicht Pathos), obwohl ich das früher gar nicht abkonnte. Naja, frau wird wohl älter und reifer oder so :redface:
 

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