Quint-/Oktavparallelen auch in Pop+Jazz?

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Samusa
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Hallo an alle,
in der Klassik (im 4-stimmigen Satz) sind Quint-und Oktavparallelen ja zu vermeiden.
Ist das denn auch so, wenn man Pop und Jazz schreibt bzw. spielt?
Liebe Grüße
 
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Hier eine eindeutige Antwort zu geben fällt mir sehr schwer. Aber ich will zuerst darauf hinweisen, dass durch die 4- (oder mehr) Klänge besonders beim Jazz genug Tonmaterial zur Verfügung steht, und man nicht auf die "primitiven" Parallelen ausweichen muss. In der klassischen Musik gibt es natürlich auch solche "Mehrklänge" aber weniger emanzipiert. Auf der anderen Seite hast du natürlich die Freiheit der Kunst, nur klingen mehrere Takte in Quint- oder Oktavparallelen weniger interessant und eher nach frühen Chorälen;D
 
Man kann wohl ganz allgemein sagen, dass pauschale Aussagen, wie sie in der Klassik tw. üblich sind (a la "XYZ ist zu vermeiden") im Pop und Jazz kaum anzutreffen sind. Erlaubt ist dort, was gefällt und dem Song guttut - egal, ob das gegen irgendwelche "Regeln der Kunst" verstößt.

z.B. ist es sehr üblich, auf einer E-Gitarre sog. "Powerchords" zu spielen, also Akkorde, die nur auf die Quinte reduziert sind (E5, A5,...). Und das durchaus auch in Strukturen, die man als Melodieführung auffassen könnte (ganz bekanntes Beispiel: Anfangsriff von "Smoke on the Water"). Genauso ist es bei druckvollem Gesang recht üblich geworden, in bestimmten Musikstilen zumindest, auch die Gesänge in Quinten zu doppeln. Chad Kroeger (Nickelback) macht das z.B. fast durchgängig so - allerdings wird das so gemischt, dass das nicht als mehrstimmiger Gesang rüberkommt, sondern wie eine extrem druckvolle und rauhe Stimme.

Auch Soli im Jazz oder im "Artrock", wo z.B. Gitarre und Synthesizer oder Gitarre und Gesang entweder unisono oder in Oktaven spielen, können sehr interessant sein.

Du siehst: auch wenn es natürlich "Regeln der Kunst" auch im Jazz und Pop gibt, sind die keineswegs so starr wie in der Klassik (und selbst da sind sie ja nicht annähernd so strikt wie einem Lehrbücher das glauben machen)...
 
Hallo Samusa - willkommen im Musiker-Board!

in der Klassik (im 4-stimmigen Satz) sind Quint-und Oktavparallelen ja zu vermeiden.
Ist das denn auch so, wenn man Pop und Jazz schreibt bzw. spielt?

Die Herangehensweise ist so nicht optimal. Grundsätzlich kannst du immer und überall schreiben, was du willst. Wenn du allerdings innerhalb bestimmter Stile schreiben willst, sind dort meist Konventionen üblich. Man kann diese Konventionen auch Regeln nennen, je nachdem, für wie verbindlich man sie hält. Wenn man in einer Prüfung oder in Aufgaben Stilkenntnis beweisen soll, muss man die Konventionen natürlich als einzuhaltende Regeln bewerten.

Es ist halt so: wenn man die Konventionen "Quint- und Oktavparallelen sind zu vermeiden" immer in ihrer penibelsten Form darstellt, werden sie irgendwann zum Selbstzweck und zum Axiom. Es gibt aber geschichtliche Hintergründe und Begründungen, warum sie zu vermeiden sind, und die sollte man immer kennen, wenn man sie einhält.

Im klassischen 4-stimmigen Satz sind Quint- und Oktavparallelen generell zu vermeiden, weil die Eigenständigkeit der Stimmen dadurch in Frage gestellt wird. Im Pop/Jazz spielt diese Konvention keine Rolle, und daher muss man sie da nicht vermeiden.

Harald
 
Das Problem ist, dass man es bei Jazz eben oft mit Vierklägen zu tun hat. Im Akkord gibt es also schonmal eine Quinte mehr, die problematisch sein kann. Aber wie auch in der Klassik sind nicht alle Quintparallelen gleich schlimm. Außerdem gelten diese Regeln nur für einen Satz der auch als solcher klingen soll. Oft bekommt aber der Sound bestimmter Voicings den Vorrang vor der Stimmführung. Auch hier muss man aber genau überlegen um wasfür Musik es geht. Gerade bei Kollegen wie Billy Strayhorn oder Thad Jones kann man sehen, wie großartige Stimmführung mit modernen Sounds einher gehen kann.
 
Man kann wohl ganz allgemein sagen, dass pauschale Aussagen, wie sie in der Klassik tw. üblich sind (a la "XYZ ist zu vermeiden") im Pop und Jazz kaum anzutreffen sind. Erlaubt ist dort, was gefällt und dem Song guttut - egal, ob das gegen irgendwelche "Regeln der Kunst" verstößt.

Das nenne ich eine pauschale Aussage.
 
Stilübergreifend kann man doch wohl sagen, Quint- und Oktavparallelen fördern NICHT die Eigenständigkeit der einzelnen Stimmen.
 
Vielleicht lohnt es sich, darüber nachzudenken, WARUM diese Parallelen zu vermeiden sind ...

Nein, eigentlich ist nicht nach-DENKEN erforderlich, sondern nach-HÖREN und probieren ...

Es ist ja nicht so, daß das mal irgendjemand willkürlich in Stein gemeißelt hat und von der Nachwelt freudig als neues Gebot übernommen wurde ...
sondern es KLINGT schlicht und einfach beschissen ... in einem bestimmten Kontext, wohlgemerkt. Es kann auch toll klingen, aber halt in einem ANDEREN Kontext ...

Am einfachsten beantwortet sich die Frage anhand der ganz konkreten Musikstelle und mit den Ohren ...

LG, Thomas
 
Naja, ich habe allerdings schon von einigen Jazzern gehört, dass es vor allem beim Bigband Arrangement durchaus so etwas wie Stimmführung gibt. Wie stark die Regeln wirken und wie sie angewendet werden, weiß ich allerdings nicht.

In der Popmusik hingegen gibt es eine Art stilgebundene Stimmführung nach meiner Erfahrung. Da aber sowohl Pop, als auch Metal und Rock beispielsweise eine riesige Stilvielfalt bieten, ist es für mich auch logisch, dass man so etwas nicht vereinheitlichen kann. Zudem wurden diese Musikrichtungen ja auch noch nicht von den Systematikern überfallen.
 
Das nenne ich eine pauschale Aussage.
OK, erwischt... :D

Ich glaube, es ist trotzdem so, wie ich die Aussage gemeint habe: wenn es einen Grund gibt, mit Oktav-oder Quintparallelen zu arbeiten (und sei es nur, weil man einen bestimmten Effekt erreichen möchte), dann "darf" man das tun. Es gibt kein Stimmführungsgericht und keine Regelpolizei, die das verbietet.

Zudem wurden diese Musikrichtungen ja auch noch nicht von den Systematikern überfallen.
Schön gesagt ;)
 
Naja, ich habe allerdings schon von einigen Jazzern gehört, dass es vor allem beim Bigband Arrangement durchaus so etwas wie Stimmführung gibt. Wie stark die Regeln wirken und wie sie angewendet werden, weiß ich allerdings nicht.

Also ich bin jetzt nicht der Oberchecker was Sätze angeht, aber ich hatte letztes Semester in Jazz-Harmonielehre auch Bläsersätze. Tatsächlich haben wir uns da um Quintparallelen überhaupt nicht gekümmert. Oft werden ganze Akkorde chromatisch gerückt. Allerdings haben wir nur Sätze gemacht, die über einer begleitenden Rythmusgruppe erklingen. Auch wenn die Begleitung vielleicht einen ganzen Takt Fmaj7 spielt, kann es sein, dass der Satz Zwischendominanten oder chromatische Aproaches in allen Stimmen hat und so auf unbetonten Zählzeiten ganz andere Akkorde spielt.

Als wichtigster Gedanke ist mir folgendes hängen geblieben: Jede Stimme sollte für sich genommen so schlüssig wie möglich sein. Das führt dazu dass sich auch funktional schwierige Akkordfolgen verbinden lassen. Auch führt es dazu dass der einzelne Musiker seine Stimme gerne spielt und dann besser klingen wird. Strayhorn hat das auf die Spitze gestellt und hat seine Musiker immer gefragt, wie sie ihre Stimme fanden.

Interessantes Buch/Heft zu dieser linearen Stimmführung: Bill Dobbins - Jazz Arranging and Composing
 
Also ich bin jetzt nicht der Oberchecker was Sätze angeht, aber ich hatte letztes Semester in Jazz-Harmonielehre auch Bläsersätze. Tatsächlich haben wir uns da um Quintparallelen überhaupt nicht gekümmert. Oft werden ganze Akkorde chromatisch gerückt. Allerdings haben wir nur Sätze gemacht, die über einer begleitenden Rythmusgruppe erklingen. Auch wenn die Begleitung vielleicht einen ganzen Takt Fmaj7 spielt, kann es sein, dass der Satz Zwischendominanten oder chromatische Aproaches in allen Stimmen hat und so auf unbetonten Zählzeiten ganz andere Akkorde spielt.

Als wichtigster Gedanke ist mir folgendes hängen geblieben: Jede Stimme sollte für sich genommen so schlüssig wie möglich sein. Das führt dazu dass sich auch funktional schwierige Akkordfolgen verbinden lassen. Auch führt es dazu dass der einzelne Musiker seine Stimme gerne spielt und dann besser klingen wird. Strayhorn hat das auf die Spitze gestellt und hat seine Musiker immer gefragt, wie sie ihre Stimme fanden.

Interessantes Buch/Heft zu dieser linearen Stimmführung: Bill Dobbins - Jazz Arranging and Composing

Bei einem Big-Band Arrangement werden die Sätze für Holz und Blech meist vertikal, von Akkord zu Akkord, geschrieben. Die sich daraus ergebenden Einzelstimmen werden dadurch automatisch Quint- und Oktavparallelen enthalten.
Das macht aber nichts, da es sich hier bei den einzelnen Sätzen immer um homophone Sätze handelt, die als Gesamtes gehört werden.
Das ist die konventionelle Schreibweise in Jazz- und Popularmusik. Hier geht es fast immer um das Gesamtklangerlebnis.

Dass das auch anders geht, erfährt man von dem leider schon verstorbenen Herb Pomery. Bei seinem Line-Writing Concept geht es allerdings auch nicht primär um die Vermeidung von Quint- und Oktavparallelen, sondern um Spielbarkeit und melodischen Fluss. Wen´s interessiert:---> http://news.allaboutjazz.com/news.php?id=55566#.UPZkW2d3mLI
 
in der Klassik (im 4-stimmigen Satz) sind Quint-und Oktavparallelen ja zu vermeiden.

ich habe diese regel auch schon gehört. kommt aber auch den kontext an. meist klingen leere quinten (unten) und oktaven (kommt auf den sound an) in einem mehrstimmigen satz in einem kontext mit triaden etwas arg fade.
 
In einem orchester wird dauernd oktaviert, das absolute verbot gilt für den vokalen Palestrina-stil. Aufgehoben ist es übrigens bei einer zäsur, etwa zwischen choralzeilen.
 
Bis in die Romantik waren Paralelen tatsächlich quasi "verboten".....was aber nicht heißen soll dass sie nicht mal hin und wieder vor kamen (wüsste jetzt zwar keine konkrete Stelle, aber falls jemand eine hat wäre das mal interessant zu sehen).
Beispielsweise soll selbst noch Bruckner seine Kompositionsschüler drauf angesetzt haben Stücke nach Paralelen zu durchforsten. Das "Paralelen-Verbot" wurde erst im
Impressionismus aufgehoben bzw. missachtet. Guckt euch mal Debussy an ---> Paralelen in Massen
Auch in Pop, Jazz oder auch Filmmusik sind paralele Quinten/Oktaven ziemlich gängig. Wie schon gesagt wurde, es wird hier das gemacht was gut klingt und gefällt.
(soll nicht heißen das man sich nicht an die alten Satzregeln anlehnt)

Dann gäbe es auch noch die verdeckten Paralelen (daneben übrigens noch Akzentparalelen und nachschlagende Paralelen)
Die sind aber soweit ich weiß bis auf bei der zweistimmigen Renaissance-Vokalmusik generell in Ordnung. Gibt zwar Leute die das anders sehen, aber ich halte das für Quatsch.
So gut wie jeder große hat die Teile mal verwendet.

Zu der Oktavierung im Orchester: die Celli und Kontrabässe z.b. haben bis in die Klassik hinein standardmäßig nur in Oktaven gespielt
Sowas fällt unter Klangverstärkung und ist generell erlaubt gewesen.
 
Auch in Pop, Jazz oder auch Filmmusik sind paralele Quinten/Oktaven ziemlich gängig. Wie schon gesagt wurde, es wird hier das gemacht was gut klingt und gefällt.

Es sollte immer das gemacht werden, was gut klingt und gefällt.

Bei Kompositionen, in denen eine Individualität der Stimmen erreicht werden soll, wirkt das Verwenden von Quint- oder Oktavparallelen i.d.R. störend. Diese konsonantesten Intervalle führen zu einem starken Verschmelzen der Stimmen und damit geht ihre Individualität vorübergehend verloren, was meist als leer, unlogisch und unmotiviert empfunden wird.

Bei anderer Musik ist das nicht so wichtig oder völlig egal, z.B. bei Powerchords in der Rockmusik.

Habe gerade das Buch "Modern Jazz Voicings" von Pease und Pullig durchgesehen. In ihm wird das Arrangieren von kleinen und mittleren Ensembles gelehrt. Da findet man schon parallele Quinten (z.B. in Bläsersätzen) doch weit häufiger werden parallele Sexten, Terzen, Quarten und Septimen gebraucht. Klingt offenbar auch in diesem Kontext meist besser.

Bis in die Romantik waren Parallelen tatsächlich quasi "verboten".....was aber nicht heißen soll dass sie nicht mal hin und wieder vor kamen (wüsste jetzt zwar keine konkrete Stelle, aber falls jemand eine hat wäre das mal interessant zu sehen).

Bereits die Romantiker Chopin und Liszt haben oft Quintparallelen verwendet.

Brahms suchte bei über 30 Komponisten unterschiedlicher Epochen nach Oktav- und Quintparallelen, wurde 140 Mal fündig und stellte sie in einer 16seitigen Schrift zusammen, die von Heinrich Schencker 1933 kommentiert wurde (vergriffen).

Brahms kam zu dem Schluss, daß manche Parallelen eher zu akzeptieren waren als andere, ja sogar schön klangen.

Als vertretbar gelten i.a. die Sonderfälle:

"Mozart-Quinten"
"Scarlatti-Quinten"
"Bach-Quinten"
"Klavierquinten" oder "Ohrenquinten"

siehe: http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz12.htm
(In dem zitierten Artikel werden auch Aussagen über Akzentparallelen und nachschlagende Parallelen gemacht.)


Durch Computeranalyse hat man bei J.S. Bach 18 Quintparallelen in Chorälen gefunden. Bei drei davon wird vermutet, daß sie nicht beabsichtigt waren.

Genaue Angaben der Werke mit Taktangaben in:
(Fitsioris/Conklin (2008) Parallel successions of perfect fifths in the Bach chorales: Proceedings of the fourth Conference on Interdisciplinary Musicology, Greece, 3-6 July 2008)

Zum Abschluß eine Quintparallele, die gut klingt und deshalb auch erlaubt ist:

Erlaubte_Quintparallele.png
http://de.wikipedia.org/wiki/Quintparallele

Viele Grüße

Klaus
 
Es sollte immer das gemacht werden, was gut klingt und gefällt.
Das ist klar, aber bei Pop, Jazz, Filmmusik etc. und generell im 20/21 Jh. wird mit Paralelen nunmal weitaus freizügiger umgegangen, und du wirst sie hier weitaus öfter finden (wie die schon erwähnten Powerchords)

Mein obriges Postig war vielleicht auch etwas missverständlich ausgedrückt. Generell ist natürlich nichts in der Musik "verboten", aber der Musikstil spielt eine sehr wichtige Rolle. Wenn man in einen Bach-Choral massig Quinten reinballert kann das Ergebnis nicht nach Bach-Choral klingen.

Mozart-Quinten"
"Scarlatti-Quinten"
"Bach-Quinten"
Stimmt die hatte ich völlig vergessen zu erwähnen. Aber was genau sollen Klavierquinten oder Ohrenquinten sein?

Bereits die Romantiker Chopin und Liszt haben oft Quintparallelen verwendet.
Brahms suchte bei über 30 Komponisten unterschiedlicher Epochen nach Oktav- und Quintparallelen, wurde 140 Mal fündig und stellte sie in einer 16seitigen Schrift zusammen, die von Heinrich Schencker 1933 kommentiert wurde (vergriffen).

Auf jeden Fall interessant. Könntest du genauere Beispiele von Liszt und Chopin nennen?
 
Generell ist natürlich nichts in der Musik "verboten", aber der Musikstil spielt eine sehr wichtige Rolle.

So ist es. Wie schon erwähnt, kommt es ja nicht in jeder Musik auf eine Individualität der Stimmen an, wie zu Bachs Zeiten und zum größten Teil in der klassisch-romantischen Musik.

Aber was genau sollen Klavierquinten oder Ohrenquinten sein?

Siehe oben, im zitierten Link (kleingedruckt).

Auf jeden Fall interessant. Könntest du genauere Beispiele von Liszt und Chopin nennen?

Bei Chopin kann ich momentan nicht konkret werden. Er hat aber irgendwo Akkorde parallel verschoben, ich meine, ohne sie funktionell zu gebrauchen.
Hier wird man leider auch nicht konkret.

Dafür ein um so deutlicheres Beispiel bei Liszt: Csárdás macabre

Viele Grüße

Klaus
 
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