Verhältnis zwischen Kreativität, Kunstfertigkeit/-handwerk und musikalischer Bildung

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Günter Sch.;5566623 schrieb:
Kreativität und akademische bildung gehen selten zusammen, um das eine zu beginnen, muss man das andere vergessen.

Das mag sein. Aber muß man, um ein guter Musiker zu sein, unbedingt ein Ausbund an Kreativität sein ? Musik ist doch zu 99 % Handwerk. Je besser man sein Handwerk versteht, und es sinnvoll und geschmackvoll einsetzen kann, umso besser. Wenn ganz am Ende und in ganz seltenen Fällen etwas dabei herauskommt, was wirklich "kreativ" ist und KUNST genannt werden darf, dann umso besser. Aber sollte es für den Normalfall nicht als Anspruch ausreichen, sein Handwerk besser in den Griff zu bekommen ... ??
Mit anderen Worten: Braucht es das dauernde Krativitäts-Gerede wirklich, um als brauchbarer Musiker gelten zu dürfen ... ?

Nur eine Frage ...

Thomas

PS: Entschuldigung für diesen kleinen OT-Sidestep ...
 
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klar kann man kreativ sein und gleichzeitig sein Handwerk beherrschen. Aber im Studium gehts halt mehr darum das Handwerkliche beigebracht zu bekommen.
Das kreative kann man ja nun auch nicht unbedingt lehren. Da muss jeder seinen Weg finden. Und vielleicht geschieht das auch erst nach dem Studium. Aber um wirklich kreatives und neues zu schaffen muss man sein Handwerk beherrschen und wissen was es für möglichkeiten gibt. Das ganze geht dann schließlich doch Hand in Hand.
 
klar kann man kreativ sein und gleichzeitig sein Handwerk beherrschen...

Daß man KANN ist ja klar. Aber ich habe zur Diskussion gestellt, ob man wirklich MUSS ... ?! Mit anderen Worten, ob der Faktor Kreativität in den Niederungen des Musikmachens nicht überbewertet wird ...
 
... ob der Faktor Kreativität in den Niederungen des Musikmachens nicht überbewertet wird ...
stell mal die Frage den Göttern an den Gitarren, die immerhin schon 23 Tage erfolgreich spielen, ungeheuer kreativ sind, in der Lage sind, auf Handwerk gänzlich zu verzichten und auf jeden Fall als die Allergrößten in die Geschichte eingehen werden...!
 
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Und dann nimm mal den 23-Tage Gitarristen das ganze Gerusch weg, drück ihnen eine Akkustikgitarre in die Hand und sag dann "Jetzt zeig, was Du kannst!". Wenn er dann immer noch abgroovt, kann er was. Wenn nicht, kennen wir das "Talent".
 
Zur Kreativität und Kunstfertigkeit:

Ich finde es steckt viel Erkenntnis darin, was Johann Joseph Fux (1660-1741) vor ca. 300 Jahren schrieb:

Ich sage also, daß diejenige Composition von gutem Geschmack sey, und den Vortrag verdiene, welche sich auf die Regeln gründet, sich der gemeinen und ausschweifenden Gedancken enthält, was ausgesuchtes edles und erhabenes in sich hält, alles in natürlicher Ordnung vorbringt, und auch Musikverständigen ein Vergnügen zu machen fähig ist. Denn eine ausschweifende und ausgelassene Composition, ob solche gleich keine gemeine Gedancken hat, und die Ohren unerfahrener Zuhörer kitzeln kann, wird doch dem zärtlichen Geschmack der Kunstverständigen keine Genüge leisten, welche ausser den auserlesenen Gedancken auch Ordnung verlangen.

Gradus ad Parnassum

Geniale Ideen müssen also auch kunstfertig verarbeitet werden!

Zu einem seiner Schüler (Ignaz Holzbauer) sagte er:

Sie sind ein geborenes Genie!
Dieser ist daraufhin noch nie so glücklich nach Hause gegangen..

Wenn ich mich recht erinnere, war es auch Fux, der eine plastische Aussage zur Originalität machte:

Kein Baumeister würde auf die Idee kommen, das Fundament am Dach anzubringen.

Von Bach ist ja bekannt, daß er sehr fleißig war:

Ich habe fleißig seyn müssen; wer eben so fleißig ist, der wird es ebenso weit bringen können.
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Sebastian_Bach

Es gilt wohl auch in der Komposition: 1% Inspiration, 99% Transpiration... :rolleyes:

Viele Grüße

Klaus
 
Musiker spielen zwei rollen: als interpreten sind sie "gehorsame diener" der komponisten, deren werke sie so gut wie möglich verstehen müssen, um sie optimal erklingen zu lassen, als komponisten wollen sie neues schaffen.
Zu beidem gehört das entsprechende (und verschiedene) handwerk, und nicht immer geht beides zusammen. Komponisten werden sich nicht der mühsal instrumentaler techniken und des zeitraubenden übens aussetzen, andererseits ist die kapellmeister-, theoretiker- und professorenmusik berüchtigt.
Im bereich improvisierter musik herrscht personalunion, und da mag der begriff "kreativ" im hobbybereich, wie oft schon im kindergarten, überstrapaziert werden.
Vieles lässt sich lehren und lernen, "kreativität" im engeren sinne schwerlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das kreative kann man ja nun auch nicht unbedingt lehren.
Schwieriger wird es das zu bewerten (oder?). Ich bin gelegentlich Zuhörer auf Abenden in denen Kompositionsstudenten ihre Stücke vorstellen.
Vielleicht fehlt mir da noch die Erfahrung (oder der Geschmack) aber wie bewertet ein Dozent ein a-tonales Streichquartett? Ne neue Idee ist das ja mal so gar nicht obwohl als "Neue Musik" ausgewiesen.

Zum Anderen: klar ist ja auch, dass man als Interpret durchaus kreativ sein kann. Eine Idee zu haben wie man eine Stelle eine Komposition besonders gut umsetzt, nützt ja nur wenn man auf das Handwerk, dass einem zur Umsetzung befähigt, zurückgreifen kann. Man wird ja eigentlich eine Art Vermittler zwischen Komponisten und Zuhörer. Da verlässt sich die Hochschule dann schon darauf, dass die Studenten mit den Wünschen der Komponisten fertig werden - rein handwerklich.
Dem ganzen dann noch den eigenen Interpreten-Stempel aufzudrücken ist sicherlich die ganz große Kunst.
 
Günter Sch.;5567830 schrieb:
Musiker ... als komponisten wollen sie neues schaffen.
...
Im bereich improvisierter musik herrscht personalunion, und da mag der begriff "kreativ" im hobbybereich, wie oft schon im kindergarten, überstrapaziert werden.
Vieles lässt sich lehren und lernen, "kreativität" im engeren sinne schwerlich.

Dem würde ich ja prinzipiell zustimmen. Ich sehe zwei Pole: "viel Handwerk, kaum Kreativität" und "viel Kreativität, kaum Handwerk".

Es ist gerade in unserer Zeit schon so viel Neues in der Musik erschaffen worden. Doch wichtig ist auch, daß das Ergebnis eine gewisse zeitliche Stabilität hat. Ein Haus, an dem - ganz kreativ - das Fundament am Dach angebracht wurde, wird keinen stabilen Wert darstellen können. Ein 08/15-Haus (z.B. Plattenbau) erfüllt zwar seinen Zweck, ist aber völlig uninteressant.

Bei den Erschaffern des gotischen Stils (z.B.) waren Kreativität und Handwerk im Gleichgewicht. Allerdings sind natürlich ihre ersten Bauten zusammengestürzt und viele Zeitgenossen dürften gesagt haben: Verrückte Ideen!
Doch die Bauwerke erwiesen sich (kulturell und statisch) als stabil und wir erhalten sie mit vielen Millionen.

Viele Grüße

Klaus
 
also ich sehe jetzt Handwerk + Kreativität nicht als Gegenpol, die großen Jazzer wären (in der Regel) ohne Handwerkszeug nie in diese Regionen vorgedrungen - ...ja ich weiß, aber diese Ausnahmen bestätigen die Regel...
 
- ...ja ich weiß, aber diese Ausnahmen bestätigen die Regel...

Das sind keine Ausnahmen, sondern m.E. besitzten alle großen Komponisten beide Eigenschaften (kompositorisches Kunsthandwerk + Kreativität).
Als GEGEN-Pol war das auch nicht gemeint. Gemeint waren Komponisten der mittleren Kategorie. Da ist vielleicht eine der beiden Eigenschaften gut ausgeprägt. In der unteren Kategorie ist beides nicht ausreichend entwickelt, um bedeutende oder gar nachhaltige Werte zu schaffen.

M.E. bedarf es meist nicht sonderlicher oder gar revolutionärer Neuerungen, sondern es kommt eher darauf an, gute Ideen durch ein ausgereiftes Handwerk so richtig in Szene zu setzen.

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Ich möchte diese off-topic-Diskussion nicht abwürgen, sondern würde sie bei weiterem Interesse eher in einen neuen Thread verschieben.
 
Hallo Klaus, das war mißverständlich von mir ausgedrückt...
es gibt Ausnahmen von der Regel, daß große Jazzer über ausreichendes Handwerkszeug verfügen und trotzdem sehr kreativ waren, z.B. einige Autoditakten, die keinerlei Theorie gelernt hatten und/oder spieltechnisch teils schwere Hänger hatten - beides aber gewinnbringend in den Personalstil einbringen konnten.
 
stell mal die Frage den Göttern an den Gitarren, die immerhin schon 23 Tage erfolgreich spielen, ungeheuer kreativ sind, in der Lage sind, auf Handwerk gänzlich zu verzichten und auf jeden Fall als die Allergrößten in die Geschichte eingehen werden...!
Davon gibt es tatsächlich einige :) Die bringen aber auch noch neben ihrem "Gitarrenspiel" eine große Portion Charisma und eine sehr große Portion Selbstbewusstsein mit.

Und dann nimm mal den 23-Tage Gitarristen das ganze Gerusch weg, drück ihnen eine Akkustikgitarre in die Hand und sag dann "Jetzt zeig, was Du kannst!". Wenn er dann immer noch abgroovt, kann er was. Wenn nicht, kennen wir das "Talent".
Ich würde mal böse schätzen, dass man mindestens 75% aller E-Gitarristen eine AkuGitarre in die Hand drücken könnte, und sie damit in ziemliche Verlegenheit bringen würde. Das hat aber andere Gründe. Und letztendlich wird ein Gitarrist auch nicht danach bewertet, ob er auch auf einer akustischen Gitarre klarkommt.

Schwieriger wird es das zu bewerten (oder?). Ich bin gelegentlich Zuhörer auf Abenden in denen Kompositionsstudenten ihre Stücke vorstellen.
Vielleicht fehlt mir da noch die Erfahrung (oder der Geschmack) aber wie bewertet ein Dozent ein a-tonales Streichquartett? Ne neue Idee ist das ja mal so gar nicht obwohl als "Neue Musik" ausgewiesen..
Die Bewertung einer Komposition, eines Vorspiels, etc ist immer eine heikle Sache. Für alle Beteiligten! Ich kenne beide Seiten, und finde es unheimlich schwer der jeweils anderen Seite gerecht zu werden. Meiner Meinung nach kommen neben den üblichen Bewertungskriterien immer auch persönliche dazu. Nicht umsonst werden z.B. Vorspiele für Orchester hinter einer spanischen Wand abghehalten.
Dozenten sind auch nur Menschen. Man mag es nicht glauben ;) Aber wenn sich der 10. Studi durch sein Liedchen mehr schlecht als recht durchgewurschtelt hat, können gewisse Konzentrationsmängel nicht mehr ausgeschlossen werden. Um es mal vorschtig auszudrücken ;)
Letztendlich ist es in allen künstlerischen Bereichen schwierig mit dem Bewerten. Unterhaltet euch mal mit Leuten vom Ballett, Desgin, Malen, etc. Alles was über das "normale" Handwerk hinausgeht wird immer nicht leicht zu bewerten sein. Und leider oftmals auch nicht gerecht.

P.S.: Ich möchte diese off-topic-Diskussion nicht abwürgen, sondern würde sie bei weiterem Interesse eher in einen neuen Thread verschieben.
Wäre vielleicht keine schlachte Idee. Sonst wird´s hier etwas unübersichtlich ;)

Hiermit erledigt
Die Moderation/klaus111
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
...Alles was über das "normale" Handwerk hinausgeht wird immer nicht leicht zu bewerten sein ...
Und selbst damit kann man schon seine Probleme haben, wenn z.B. die Juroren verschiedenen/gegensätzlichen "Schulen" oder Stilen anhängen.
 
interessantes thema. habe erst vor kurzem einen vortrag von Peter Röbke besucht, der das thema auch ansprach und vor allem den unterschied zwischen brav lernen (handwerk) und der kreativität, aus der sich ja neues entwickelt, ansprach. er fand, dass gerade in konzertfach-studien zu sehr wert auf fehlerfreies wiedergeben gelegt wird. dennoch meint er, dass zuerst das handwerk perfekt beherrschert werden sollte um dann sich wieder davon zu entfernen und eine "rauheit" zu entwickeln. also der nicht glatte ton. "Der Perfektion fehlt zur Vollkommenheit ein gewisser Mangel." waren seine worte. denn gerade die kreativität ist es, die aus "fehlern" der vorlage neue regeln aufstellt. (siehe pavarotti bei nessun dorma. unbetontes "Ce", trotzdem betont er es, weil er kann. und nun wartet das ganze publikum auf diesen ton)
 

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