Warum sagt die ganze Welt B zur Note H außer den Deutschen?

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Bolleraaa88
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Tja was hat das für Wurzeln mit dem >>H<< und warum sagt der Rest B?
Die Frage kam bei einer Diskussion auf ob man diesen vermeindlichen Fehler weiter Lehren oder abschaffen sollte.

Danke sehr im Vorraus,


MfG Boller
 
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Lösung
P
Liebe Disku-Onkels,

man gewähre mir Vergebung, wenn ich die oben gegebenen, historischen Erklärungen zu Lasten der intellektuellen Qualitäten unserer Vorfahren als ein wenig reichlich schief bezeichne. Ich wenigstens möchte mich mit den musikalisch (intellektuellen) Qualitäten eines Johannes Ockeghem -der war nämlich Geistlicher und Quasi-Mönch- nicht messen müssen, sähe ich doch dabei sehr, sehr alt aus. Und für Ockeghem war wie für Johann Sebastian Bach 250 Jahre später die Hexachordlehre noch alltäglich Brot.

In ihr nämlich liegt die Ursache jener zwei Zeichen für eine Tonbezeichnung, aber zwei Töne. Die Hexachordlehre kennt drei Haupthexachorde (auf C, F und G), deren hexachordum molle (auf F) das "B" voraussetzt, während das...
Die Frage ist gut :) "Der Rest der Welt" sagt wohl B, weil es nu mal ABC heisst und nicht AHC (die Notennamen sind die ersten Buchstaben des Alphabets) Woher das H bei uns kommt, hab ich leider auf die Schnelle auch nicht gefunden.
Ich persoenlich bevorzuge die englische Fassung, die ist imho logischer.
 
Ich habe mal gehört, dass damals Mönche oft Notenblätter abschrieben, ohne die geringste Ahnung zu haben... ein Mönch soll dann das "b" mit dem ähnlich aussehenden "h" verwechselt haben...

Ob diese Geschichte echt ist, hat mir aber noch niemand beweisen können. :rolleyes: ;)
 
Tja was hat das für Wurzeln mit dem >>H<< und warum sagt der Rest B?

Nicht der gesamte Rest. Lediglich der englischsprachige Teil der Welt. Wesentlich mehr Menschen sprechen aber spanisch oder chinesisch, da gibt's überhaupt kein h und kein b. Und wir deutschsprachigen Musiker stehen mit dem h auch nicht alleine da, siehe den Artikel "Versetzungszeichen", speziell den Abschnitt "Geschichte der Versetzungszeichen".

Die Frage kam bei einer Diskussion auf ob man diesen vermeindlichen Fehler weiter Lehren oder abschaffen sollte.

Man sollte ihn weiter lehren, denn es ist illusorisch, ihn abschaffen zu wollen. Das wird nicht klappen.

Harald
 
wikipedia:

In der Überlieferung wurde das "b" zum "h", da sich die Buchstaben in der altdeutschen Schrift fast gleichen und somit eine Verwechslung erfolgte. In anderen Ländern ist das "h" unserer Tonleitern ein "b", was nach der Alphabet-Reihenfolge richtig ist, doch hat sich das "h" in Deutschland schon eingebürgert und wurde nie verändert.]
 
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Liebe Disku-Onkels,

man gewähre mir Vergebung, wenn ich die oben gegebenen, historischen Erklärungen zu Lasten der intellektuellen Qualitäten unserer Vorfahren als ein wenig reichlich schief bezeichne. Ich wenigstens möchte mich mit den musikalisch (intellektuellen) Qualitäten eines Johannes Ockeghem -der war nämlich Geistlicher und Quasi-Mönch- nicht messen müssen, sähe ich doch dabei sehr, sehr alt aus. Und für Ockeghem war wie für Johann Sebastian Bach 250 Jahre später die Hexachordlehre noch alltäglich Brot.

In ihr nämlich liegt die Ursache jener zwei Zeichen für eine Tonbezeichnung, aber zwei Töne. Die Hexachordlehre kennt drei Haupthexachorde (auf C, F und G), deren hexachordum molle (auf F) das "B" voraussetzt, während das Hexachordum durum (auf G) das "H" einfordert. Bei der vielfältig genutzten (!) Parallelisierung des Ut(bzw. do)-re-mi-Verfahrens mit dem Hexachord- und Tonbuchstabensystem musste man also mit einem Zeichen "B" zwei Töne (das "B" im F-Hexachord und das "H" im G-Hexachord) benennen. Man behalf sich da so, dass man ein "B rotundum" schrieb, wo das F-Hexachord das "B" forderte und ein "B quadratum" (unser "H", aber auch #!), wo das G-Hexachord die 'Auflösung' nach "H" forderte. Das zog eine immense Latte von Folgen nach sich, die -wie oben schon angedeutet noch für Johann Sebastian Bach, ja W. A. Mozart eine nicht unerhebliche Rolle spielten.

Dafür dürfte neben der musikalischen Beschreibung der Töne und ihrer Höhenlage im Klavierraster ( die ternimi technici der "Kontra-, großen, kleinen, eingestrichenen, zweigestrichenen etc. Oktaven gibt es nich nicht so lange) in Deutschland vor allem ein Phänomen nicht ganz unbeteiligt gewesen sein, das im zentraleuropäischen Bereich (von Schweden über die baltischen Staaten bis Süddeutschland, von Schlesien bis in die Niederlande) die Orgel- bzw. klavierte Musik klassischer Zeit traditionell begleitet: Das der Neueren Deutschen Orgeltabulatur, also der konsequenten Darstellung eines Satzverlaufes ausschließlich mit Buchstaben und Rhythmuszeichen. Entlang der Mitteltönigkeit werden bei ihr mit einer Aushnahme nur Erhöhungen über einen nach unten ausgezogenen Haken am entsprechenden Tonbuchstaben dargestellt.
Jene Ausnahmme betrifft das auch in der mitteltönigen Temperturenwelt vorkommende "B" bzw. "H", die in der Neueren Deutschen Orgeltabulatur entsprechend notiert wurden, bis im Verlauf des 17. Jahrhunderts die Tabulatur in Süddetuschland und im Verlauf des 18. auch in Nord- und Mitteldeutschland außer Gebrauch kam. Nichtsdestoweniger notiert Dietrich Buxtehude seine nach Stockholm (zur Familie Düben gesandten) Kantaten selbstverständlich [????] in Partitur und Neuerer Deutscher Orgeltabulatur wie Johann Sebastian Bach im Orgelbüchlein allenthalben (und bei Platzmangel; aha!) auf die ihm noch völlig geläufige Orgeltabulatur ausweicht. Nachdem die Tabulatur ein sehr deutsches Phänomen innerhalb der Musikgeschichte ist, darf es uns nicht verwundern, wenn sie dafür sorgte, dass das "B quadratum" hierzulande im "H" -so sieht ja der spätere Auflöser aus- einen eigenen Namen bekam und behielt!

Wesentlich ist ja, dass -wie oben schon beschrieben- lediglich der englischsprachige Raum die A-B-C-Nomenklatur bewahrte, die Italiener (und Franzosen) unter sich natürlich meist anders benennend vorgehen. Nicht zuletzt aber unter dem Aspekt der seit 200 Jahren immer internationaler und uniformer werdenden Musikerausbildung wird wohl das "H" früher oder später kippen.

Ich bitte um Nachsicht, wenn dieser Texxt jetzt etwas sprunghaft und dennoch lang wurde. Es spielen durch die starke Verwobenheit von Schriftgestalt und musikalischer Praxis über Jahrhunderte so viele verschiedene Phänomene mit in den erfragten Sachverhalt hinein, dass darüber 'Bibliotheken' verfasst wurden, deren nutzbringende Anwendung jedoch unmittelbare Berücksichtigung der Kenntnisse des Fragenden voraussetzt; und da weiß ich eben nichts. Obige Stichworte (vielleicht ergänzt durch "Notationskunde") helfen aber sicher anhand von MGG I und II, Honegger-Massenkeil und Riemann weiter.

Hans-Joachim
 
Lösung
OK das war sehr aufschlussreich, genau sowas wollte ich haben, danke sehr. ;)
 
Ohne Phonomax' Beitrag gelesen zu haben: Weil unser Vorzeichen ein B ist und wie soll man den Ton B sprechen, wenn er ein b vor sich hat? Flat sagen wir ja nicht.
 
Ohne Phonomax' Beitrag gelesen zu haben: Weil unser Vorzeichen ein B ist und wie soll man den Ton B sprechen, wenn er ein b vor sich hat? Flat sagen wir ja nicht.

Wie alle anderen Tone (c, d, g, e ...) auch - bes vielleicht? Wir sagen ja auch nicht sharp und kriegen das mit fis und gis trotzdem auf die Reihe.
 
Aber wenn man b sagt könnte man den Ton b oder das Vorzeichen b meinen.
Mehr sag ich jetzt nicht und lese mir den langen Beitrag durch.
 
Das könnte man jetzt auch denken, da wir den Ton b ja schließlich haben.
Ich find das jedenfalls gut, denn sonst hätte es wahrscheinlich nicht so viele Variationen meines geliebten B-A-C-H motivs gegeben
 
OK das war sehr aufschlussreich, genau sowas wollte ich haben, danke sehr. ;)

Hallo, Bolleraaa.
In deinem Profil steht, dass du Schüler bist, daraus schließ' ich mal, dass der Smiley ein Hinweis auf dezente Ironie darstellt? - Falls ich mich da täusche, entschuldige bitte, wenn ich dich jetzt hier mit Unterforderung zutexte... ;)

(Hallo, Hans-Joachim.
Ich vermute ebenfalls, dass alles, was du geschrieben hast, richtig ist - das mit den Hexachorden wusste ich (hätte aber ehrlich gesagt verständnismäßige Schwierigkeiten damit gehabt, wenn ich's nicht gewusst hätte und aufgrund dieser Erklärung hätte verstehen müssen - vielleicht könnte man sowas auch ein bisschen weniger "dicht" umschreiben? - Nur'n Vorschlag, will hier ja nicht das Niveau verderben...), was die Orgeltabulatur angeht, muss ich allerdings zugeben, die Inhalte des entsprechenden Notationskundeseminars sofort wieder verdrängt zu haben (und mich immer noch hämisch zu freuen, das zugesagte Referat über den unglaublich bedeutenden blinden Organisten Konrad Paumann damals letztlich doch an einen Kommilitonen weitergeschoben (welcher sich mit der dazugehörigen Hausarbeit noch mehrere Semester rumgequält hat *g*) und statt dessen lieber die wesentlich weniger arbeitsintensive Klausur mitgeschrieben zu haben... *gg*) - aber bist du sicher, dass das MGG (egal ob 1 oder 2), leider ebenso wie der Riemann spontan die richtigen Tipps sind für jemanden, der so eine Frage stellt? Ok, das ist sicher Ansichtssache...)

Ich erklär das mit den Hexachorden nochmal:
Ein Hexachord ist sowas wie ein Ausschnitt aus einer Tonleiter, in dem Fall z. B. auf den weißen Tasten von "c" bis "a" ("Hexa" = griech. 6, weil: von "c" bis "a" = 6 Tonschritte).
Die mittelalterliche Musiktheorie (daher kommt unsere Benennung der Tonbuchstaben) baut auf drei solchen Hexachorden auf - es gibt also nicht C-Dur, Cis-Dur, D-Dur, die Moll-Tonarten usw., das kommt historisch erst viel später.
Die drei Hexachorde, die es gibt, sind alle gleich aufgebaut: zwei Ganztonschritte, ein Halbtonschritt, wieder zwei Ganztonschritte (eben wie bei c-d-e-f-g-a). Und zwar gibt es sie beginnend auf "c" (s. o., das heißt "Hexachordum naturale"), auf "g" (also "g"-"a"-"h"-"c"-"d"-"e", "Hexachordum durum") und auf "f" ("f"-"g"-"a"-"b"-"c"-"d", "Hexachordum molle").

(Anmerkung: Beim Singen - und meistens ist das ja gesungen worden, nämlich in Form von Chorälen in der Kirche, z. B. von Knaben - nimmt man aber nicht "c"-"d"-"e"-"f"-"g"-"a" usw., sondern nennt die Töne "ut" (bzw. später: "do")-"re"-"mi"-"fa"-"so"-"la" - das ist aber eigentlich für das System nicht wichtig: Das kommt nur daher, dass das ganze System wohl von Guido von Arezzo erfunden wurde, einem Mönch, der besagten Knaben das Singen der entsprechenden Choräle beibringen musste. Der hat die Tonsilben aus einem bestimmten Hymnus genommen, bei dem jede "Liedzeile" mit der entsprechenden Textsilbe ("ut", dann ""re" usw.) und immer eine Tonstufe höher anfängt. Zu G. v. Arezzo gibt's einen gut verständlichen Wikipedia-Artikel)

Die drei Hexachorde zusammen stellen praktisch das ganze Tonsystem dar, also den Tonvorrat, den es gibt (den Ton "dis" gibt es z. B. einfach nicht).
Da der Aufbau der Hexachorde wie gesagt immer gleich ist, brauchst du für den auf "g" den Ton "h" und für den auf "f" den Ton "b". (Du kannst das ausprobieren, wenn du dir eine Klaviertastatur aufmalst und die Ganztonschritte - immer 2 Tasten auf einmal - und den Halbtonschritt - nur eine Taste - entsprechend abzählst.)
Der Ton "h" heißt "b-quadratum", weil es eckig geschrieben wird, "b" heißt "b-rotundum", weil es rund geschrieben wird - man beachte noch heute die Ähnlichkeit der Buchstaben "b" und "h". (!)
(Ich denke, das wollte Hans-Joachim in dem ersten Abschnitt wohl sagen.)

Hm, hoffe, das ist jetzt klarer geworden, und wie gesagt, dass du dich jetzt nicht unterfordert fühlst (aber die Orgeltabulatur ist glaub ich wirklich erst mal nicht so wichtig...). Gruß vom Raumschiff :cool:

(@kleinershredder: d-es-c-h bei Schostakovitsch ist auch nicht schlecht :) )

(...Stunden später und nach dem Durchklicken etlicher Beiträge zum Thema "Gewinnspiel"...: )
Noch ein Nachtrag zu dem Vorschlag mit der aufgemalten Klaviertastatur: Du kannst dir natürlich auch ein richtiges Instrument zulegen, da kannst du die Hexachorde gleich hörend erfassen - einen sehr liebevollen Text zum Thema "Klavier" bzw. "Tasteninstrumente" findest du hier: "Das Klavier gilt bis heute...": http://www.musik-service.de/keyboar...anos-masterkeyboards-workstations-cnt4de.aspx (*gg* - gilt das?, sorry, aber zum Thema mittelalterliche Musiktheorie habt ihr nichts, oder?)
 
das ist schön dennoch gibt es ein paar posts über deiner Theorie eine relativ genaue Erklärung, wie es dazu kam. Also erst mal lesen ob nicht vielleicht schon jemand die Frage beantwortet hat, bevor man irgendwelche Theorien aufstellt. ;)
 

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