Was ist das für ein Ding?

zamas
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Ich habe vor ein paar Tagen ein Konzert eines bretonischen Musikers besucht (Yves Leblanc). Er spielte Klarinette, ein kleines, zweireihiges, diatonisches Akkordeon - und eine Art "Akkordeonorgel". So ein Ding habe ich noch nie gesehen, ich konnte es wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht mit meinem Handy fotografieren. Und da ich nicht französisch spreche und der Herr Leblanc kein Deutsch, konnten wir uns über das Ding auch nicht austauschen ....

Das "Ding" ist eine Drehorgel, die offenbar nicht mit Tonpfeifen funktioniert, sondern angesichts des Klangs wohl mit Stimmzungen wie beim Akkordeon. Es funktioniert mit Lochstreifen aus Pappe, die auf der linken Seite in das Gerät eingeführt werden, durch Betätigen einer Handkurbel (die zugleich offenbar die "Luftpumpe" bedient) durch das Gerät gezogen und auf der rechten Seite wieder herausgeführt werden. Die Lochstreifen sind ca. 15 cm breit und z-förmig zu Paketen gefaltet, aber ausgelegt bestimmt ein paar Meter lang. Das "Ding" steht entweder auf einem Tisch, teilweise hat Herr Leblanc es sich aber auch miteinem Riemen vor dem Bauch gehängt. Es hat etwa das Gewicht eines großen Akkordeons (ich habe den Kasten mal angehoben ...).

Ich habe im Internet nach einem solchen Instrument gesucht, aber nichts gefunden. Wahrscheinlich habe ich nur nicht mit den richtigen Begriffen gesucht. Kann jemand von Euch mit meiner Beschreibung etwas anfangen und mir zu mehr Wissen verhelfen?

Jens.
 
Eigenschaft
 
hallo jens,

ich kann es nicht mit absoluter sicherheit sagen, aber meiner meinung nach handelt es sich um eine mit papierstreifen gesteuerte pneumatische orgel; durch die kurbelbewegung wird ein blasebalg "angetrieben"; der papierstreifen steuert durch die anordnung und die grösse der darauf angebrachten öffnungen die ventile für die nachfolgend angeordneten stimmzungen. dies ist jetzt mal etwas einfach erklärt, das prinzip ist wohl das der früher verbreiteten drehorgeln. damals gab es verschiedene arten der steuerung ( papierstreifen, walzen, metallscheiben) sowie unterschiedliche arten der klangerzeugung, angewandt wurden die prinzipien beispielsweise bei jahrmarktsorgeln, drehleiern, automatisch spielenden instrumenten, orchestrions etc.

da dein handy mit den lichtverhältnissen nicht klar kam, habe ich mich mal etwas im netz herumgetrieben:

http://www.youtube.com/watch?v=UVuQz-F0nTc

freundliche grüsse

roger
 
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Jaaaa! Das ist Yves Leblanc mit seinem Instrument (den gleichen Schal hat er auch immer noch ...). Danke für den Link! Hat dieses Instrument einen bestimmten Namen? Ich würde mich gern mehr darüber informieren.
 
Hallo Jens,

dieses Gerät ist ein selbstspielendes Musikinstrument aus der Familie der Organetten. Gemeinsame Merkmale der Organetten sind

- Tonerzeugung mit durchschlagenden Zungen
- Antrieb durch Handkurbel, diese wiederum treibt die Noten sowie ein Balg - Schöpfwerk für den Spielwind an
- Tonsteuerung durch Noten meist aus Papier oder Karton, manchmal auch Blech

Meist waren es kreisrunde Notenblätter, aber auch Papierbänder mit Lochungen für die Tonspuren. In Ausnahmefällen hat man auch die kreisförmigen Noten aus dünnem Blech hergestellt. Wenn der Spielwind auf eine Lochung traf, wurde die darunterliegende Stimmzunge angeblasen.

Die Ausführung mit den gefalteten Noten ist ganz selten; das Prinzip dieser "Kartonbücher" trifft man normalerweise bei den großen Karussell-Orgeln, wo sehr lange Spielzeiten gebraucht wurden. Die Version mit den Papierbändern war halt wesentlich praktischer, denn die Bänder waren auf Spulen gewickelt und konnten so im Gerät verbleiben. Dafür waren die gefalteten Kartonbücher wesentlich widerstandsfähiger.

Ich habe in meinen historischen Unterlagen ein einziges Instrument gefunden, das dem von Dir gesehenen gleicht, und zwar eine "Organina Thibouville", eine Ausführung mit 24 Stimmzungen. Herstellungsort war Grenelle, wo immer das in Frankreich liegt.

Organetten werden vereinzelt sogar heute noch hergestellt, bei Drehorgeltreffen werden sie als Begleitung für Bänkelsänger verwendet, "Mariechen saß weinend im Garten" ......

Im 19. und auch im 20. Jahrhundert wurden Hunderttausende produziert; es war eine verhältnismäßig billige Möglichkeit, Musik zu hören, denn Radio, Plattenspieler etc. gab es noch nicht. Die hauptsächlichen deutschen Hersteller waren in Sachsen (Leipzig), aber auch in England, Frankreich und Amerika gab es riesige Stückzahlen.

Wenn Du unter "Organette" googelst, findest Du jede Menge Beispiele.

Gruß Claus

P.S. Solltest Du jemals nach Bruchsal oder Rüdesheim kommen, wirst Du in den dortigen Museen für selbstspielende Musikinstrumente jede Menge von diesen Geräten finden.
 
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Hallo Jens,

Es kommt erstmal drauf an, ob Du eine historische oder eine neue Orgel haben willst.

Bei einer historischen ist es halt so: Eine perfekte wirst Du nicht kriegen. Wenn einer so ein Ding verkauft, ist es fast immer marode. Du zahlst nicht unter 1000 Mäuse und musst noch viel Arbeit hineinstecken. Wenn man z. B. noch nie einen Balg gemacht hat, ist das nicht einfach. Da muss man erst den passenden Balgstoff besorgen; den gibt's zwar im Orgelbau (z.B. Fa. Laukhuff), aber die fragen halt auch gleich, wieviel Quadratmeter man haben will. Auch wenn Stimmzungen abgebrochen sind, hat man viel Spaß. Aber das häufigste Problem ist: Du kannst vielleicht ein Gerät kriegen, aber an den Noten hapert es.

Aber bekommen kann man die Instrumente schon noch, ab und zu wird mal eins verkauft. Es ist jedoch viel leichter, ein selbstspielendes Klavier oder eine Spieldose zu bekommen. Daher das Preisproblem.

Wenn Du Dich für eine neue interessierst: Schau mal in die Homepage von Herrn Blüml in Grassau. http://www.drehorgelwerkstatt.de/
Das ist ein ganz hervorragender Mann.
Der baut z. B. neue Ariston - Instrumente mit runden Noten. Ist aber nicht billig, 2000 Mäuse für das Gerät und 25 für eine Note.

Er macht auch selbstspielende Akkordeons (Tanzbär).

Der Link über dieses Selbstbaugerät ist ganz gut; das ist ja schon eine ziemlich vornehme Version mit richtigen "Akkordeonklappen". Da gab es wesentlich primitivere, wo einfach das Loch in der Note über das Loch in der Füllung wanderte und "durchgeblasen" wurde. Der Nachteil der beschriebenen Ausführung ist, dass der Auslösedraht der Klappe mit der Zeit die Aussparungen in der Kartonnote beschädigt hat. Die meisten Kartonnoten von früher sind daher unbrauchbar. Das merkt man aber meistens erst, wenn man sie schon gekauft hat, daher Vorsicht!

Gruß Claus
 

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