Wie funktioniert ein digitaler EQ?

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Hi
Es gibt ja soviele Mythen und Märchen und man fällt selbst auch zu gerne darauf herein. Daher frage ich mal ganz grundsätzlich:
Stimmt es, dass bei digitalen Eq´s das boosten (vor allem bei hohen Frequenzen) schlechtere Ergebnisse bringt als das Absenken?
Also: wenn mir eine Gitarre zu mulmig ist, drehe ich eigentlich immer erstmal die störenden tiefen Frequenzen weg statt Höhen zu boosten.
Aber macht das wirklich einen Unterschied?

Immer mal wieder liest man: "starke Höhenanhebung nur mit Analog-EQ, das können digitale nicht. Höhenanhebung analog=Sonne geht auf. Höhenanhebung digital= harsch, kalt, aggresiv... Daher soll man digi EQ´s tendenziell wirklich nur als Filter einsetzen, also Frequenzen absenken, nicht boosten."
Und da war mein Gedankengang, diese alte Geschichte doch mal zu hinterfragen, ob da was dran ist. Stimmt das wirklich oder fällt das unter die Kategorie: Mystik?

Grüße und Danke für eure Meinungen
 
Eigenschaft
 
Was eine fachliche Erklärung angeht - damit kann ich nicht dienen, aber eine analoge Verzerrung klingt auf jeden Fall anders/schöner/weicher (wie man es auch beschreiben mag, als eine digitale, da es im digitalen ja theoretisch keine Kurven, wie in einer analogen sinuskurve gibt.

Daher hört man eine analoge Verzerrung durch starke anhebung des EQs subjektiv später, bzw. emfindet diese als angenehmer.

Meine persönliche Meinung: Möglichst gar nicht boosten (müssen).


Beste Grüße
Lord Apophis
 
Hi connycat! :)

Die Sache ist vermutlich alles andere als Schwarz/Weiß zu sehen. Das Thema spielt auch wieder genau rein in die Diskussion Digital vs. Analog.
Da wirds einfach keine objektive Lösung geben.
Klar ist, dass analog zuerst da war. d.h. egal wie es klang, es war mal der Stauts quo. Dagegen musste/muss sich die Digitaltechnik seit ihrer Geburt nun wehren. Und genau von dieser Zeit stammen auch viele der Vorurteile. Würde man die Anfänge der Digitaltechnik mit denen der Analogtechnik vergleichen.. haha das wäre wie Pest und Cholera. :D

Zum konkreten Thema EQ:
Ich hab noch nicht festgestellt, dass Anheben der Höhen im digitalen zu unsauberen Klängen führt.
Ich hab schon viele Leute derartiges behaupten gehört, jedoch nie etwas derartiges festgestellt (ich hab auch nicht danach gesucht).
Das kann nun an meinen Ohren liegen, oder an meinen verwendeten Plugins (immerhin bassieren verschiedene EQs auf verschiedenen Algorithmen).
Oder weil ichs nie viel gebraucht hab.. oder weils mich auch nicht interessiert was derartiges zu finden. :D

Grundsätzlich können sich heute 95% der wirtschaftlich arbeitenden Tontechniker rein analoges Arbeiten nicht mehr leisten (Zahl geschätzt).
D.h. das "Märchen" vom tollen analogen EQ der immer toll klingt, mag vielleicht noch bei der Aufnahme anwendbar sein,
späterstens beim Mix fehlt einfach das Equipment um jeden Kanal zu EQen.

Beim Vergleich analog vs. digitaler EQ sollte man auch die Möglichkeiten und die Verwendbarkeit nicht außer Acht lassen.
zB. was die Güten der Filter angeht. Beim digitalen reden Leute noch bei Q=3 von breiten Filtern. Analog können die meisten Pulte gerade max. diese Güte. Dementsprechend klingen analoge EQ automatisch musikalischer und natürlicher.
Das nächste ist die grafische Anzeige. Bei einem analoge EQ sieht man nicht, wie sich die einzelnen Bänder überlagern.
Und wenn mal Bereiche unbearbeitet bleiben hat man nicht das Gefühl (wie oft beim digitalen) nur noch nicht fertig zu sein.
Änliches gilt mit der Menge an Bändern. Analog beschränkt man sich typischerweise auf das was man hat (also einen EQ).
Im digitalen hab ich überhaupt keine Skrupel 2 EQs nacheinander zu hängen, wenn mir die Bänder ausgehen.
... die Liste ließe sich noch länger fortsetzen.

Ich will damit sagen, dass es schwer fällt nur den Klang zu beurteilen, weil die gesamte Handhabung und die Möglichkeiten einfach so unterschiedlich sind..
und damit klarerweise auch das Ergebnis beeinflussen.

LG Jakob
 
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Ich habe schon mit analogen EQs gearbeitet und muss sagen, da habe auch eher ich gemischte Gefühle.

Aufnahme:
Einen EQ in die Aufnahmekette zu legen finde ich wenn man nicht sowieso einen Entzerrer im Pult hat eher nicht so nützlich. Es geht heute vielen eben darum das Signal möglichst unbearbeitet in die DAW zu bekommen.

Mixing:
Hier hab ich dann digital einfach mehr Möglichkeiten. Denn so viele Software EQs wie ich habe, könnte ich mir analog eben auch niemals leisten. Pultec, Cambridge, Neve, BaxterEQ,...da habe ich bisher keine auffälligen Unklarheiten in den Höhen gehabt. Ich bearbeite aber sowieso eher moderat mit EQs.

Mastering:

Hier sieht es dann schon wieder anders aus. Ich benutze zwar auch beim Mastering einen Software EQ,...habe aber schon vor in der Zukunft hier in einen M/S Mastering EQ zu investieren. Nicht nur um einfach etwas zum anfassen zu haben, sondern weil ich beim Mastern so wenig wie möglich auf den Bildschirm schauen will. Ich will nach meinen Gehör mastern, nicht nach meinen Erfahrungswerten in der DAW.
Das Problem hier: DA KANN MAN MAL RICHTIG VIEL GELD VERBRATEN!,....


Ich bin aber insgesamt ein Gegner dieses analog vs digital Krieg.
Die gute Mischung machts!

lg Viktor
 
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Ich würde nochmal unterscheiden: bei den analogen zwischen einfachen EQs, die komplett auf Operationsverstärkern basieren (Gyrator-Prinzip) und denen, die auch richtige Spulen beinhalten.

Für mich klingen die mit den Spulen besser.

Wenn man mal unter die Haube schaut, ist oft erstaunlich, wie primitiv so einige der EQ-Klassiker sind. Z.B. der Pultec. Da sind nur gaaaanz einfache LC-Glieder drin und danach ein Verstärkerstufe zumaufholen. Denn so ein passives Filter kann ja in nur absenken. Das was da als Boost bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine Absenkung aller anderen Frequenzen und anschliessende Verstärkung.
 
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Ist zwar schon 3 Tage alt, aber ich würd auch gern noch meine Meinung und Wissen kundtun, korrigiert mich bitte, wenn ich grob daneben liege: In den meisten Fällen machen digitale EQs das gleiche, wie analoge, nämlich das Signal mittels einer Übertragungsfunktion zu bearbeiten. Digital wird die Funktion direkt programmiert, analog bau ich die eben durch entsprechende Schaltungstechnik, aber ist mal generell das gleiche. Vorteil von digitalen Equalizern: ich habe die Möglichkeit "linear phase" EQs zu programmieren, die mir dann, wie der Name schon sagt, den Phasengang nicht versauen.

Zu den angesprochenen, "besser" klingenden, analogen Verzerrungen: Wenn ich so knallhart in den EQ eingreife, dass ich an die Verzerrungsgrenze komme, stimmt entweder was mit meinem Signal grundlegend nicht oder ich setze das bewusst als Stilmittel ein, dass ich dann auch wirklich ausprobiere, welcher EQ meinem Signal am besten "steht", ob digital oder analog ist da wieder egal, aufs hören kommts an.

Ich arbeite gerne und viel mit EQ-Plugins, aber wenns mal was besonderes für ein Instrument oder einen Gesang sein darf, pack ich auch gerne mal was analoges aus.
 
Verzerrung muss nicht Übersteuerung sein. Jedes nicht-lineare Übertragungsverhalten ist eine Verzerrung.
 
Dass man mit einem digitalen EQ die Phase verändert, habe ich schon öfter gesesen, aber noch nicht verstanden.

Vorteil von digitalen Equalizern: ich habe die Möglichkeit "linear phase" EQs zu programmieren, die mir dann, wie der Name schon sagt, den Phasengang nicht versauen.


- Bedeutet das, das auch alle digitalen EQs linear programmiert sind? Oder gibt's auch nicht lineare (wie erkenne ich die?)?
- Bedeutet das, wenn ich z. B. ein neutrales Mikrofon aufnehme und per digitalem EQ bei 7 kHz eine Anhebung von +4dB vornehme, ist das phasentechnisch anders (schlechter) als wenn ich ein Mikrofon mit expliziter Höhenanhebung von +4dB bei 7 kHz aufnehme?

Freue mich über hilfreiche Antworten.
 
Analoge EQs verschieben die Phase. Mit bestimmten digitalen Filteralgorithmen entsteht keine Phasenverschiebung. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Digitales_Filter

Eine natürliche Höhenbetonung durhc das Mikrofon hat natürlich keine Phasenverschiebung und auch keine Latenz.
 
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Viele der digitalen EQs verschieben auch die Phase, da EQs mit linearem Phasengang meistens mit hohem Rechenaufwand verbunden sind. Manche kann man auch umschalten (z.B. den Fabfilter Pro-Q)
 
Eine typische Implementation von den 0815 Filtercharakteristiken (Butterworth, Tschebischeff, usw.) liefert - zumindest theoretisch - das exakt gleiche Ergebnis wie die analoge Umsetzung.
Wenn man nun linear-phasige Systeme betrachtet, sollte man etwas an die Signalverarbeitung denken, bevor man glaubt den Gral gefunden zu haben.
1. Linearphasige EQs verschmieren das Zeitsignal genau so. Nur halt in beide Richtungen.
2. Linearphasige EQs verschmieren Signal so nach vorne, dass es sogar als Art "Aufklingen" gehört werden kann (ganz grob ähnlich zu Reversreverb auf der Snare).
3. Linearphasige EQs sind entweder miese Filter, oder poduzieren extreme Latenz.
4. Jedes analoge System (ob elektrisch, mechanisch oder akustisch) arbeit als nicht-linear-Phasiger Filter!
-> Ob du eine Decke über den LSP hängst oder die Höhen passend absenkst, der Effekt ist mathematisch das selbe.
Da ist auch keine lineare Phase.

Eine natürliche Höhenbetonung durhc das Mikrofon hat natürlich keine Phasenverschiebung und auch keine Latenz.
Das würde ich mich nicht so sagen traun.
Wie oben geschrieben: auch akustische Filter arbeiten da nach den grundlegenden Schwingungsgesetzen
und produzieren daher nicht-lineare Phasengänge.

LG Jakob
 
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4. Jedes analoge System (ob elektrisch, mechanisch oder akustisch) arbeit als nicht-linear-Phasiger Filter!
-> Ob du eine Decke über den LSP hängst oder die Höhen passend absenkst, der Effekt ist mathematisch das selbe.
Da ist auch keine lineare Phase.

[...] auch akustische Filter arbeiten da nach den grundlegenden Schwingungsgesetzen
und produzieren daher nicht-lineare Phasengänge.

LG Jakob

So hat mir das auch ein Projektleiter eines großen deutschen Audioequipmentherstellers erklärt:
Völlig egal, wodurch bspw. die Bassbetonung entsteht, ob per DSP oder durch akustische Maßnahmen, die Phase wird beidesmal verschoben - schlicht, weil der Schall in dem Frequenzbereich eine Veränderung erfährt (einen anderen Weg zurücklegen muss bspw. - genauso wie das Spannungssignal eben den Filteralgorithmus durchlaufen muss)
 
:gruebel:

Hm, jetzt wo ihr's sagt, kann man das mit dem Phasengang natürlich auch anders sehen. Mein Gedanke war, dass es ja überhaupt nur eine Membran ist, die bauartbedingt eben für bestimmte Frequenzen empfindlicher ist als für andere. Wo sollte da eine Phasenverschiebung sein. Aber wenn man die Betonung oder Abdämpfung als Beugung oder Reflexion an Gehäuse, Korb oder der Kapsel selbst betrachtet, dann ist das mit der Phase wieder eine Geschichte.

Das ist eigentlich eine interessante Frage!
 
beim AKG D12 wird das Prinzip bewusst eingesetzt und ist mit 'bass chamber' sehr sinnig beschrieben...
welcher Aufwand dort getrieben wurde ist hier besonders schön zu sehen

cheers, Tom
 
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Was mir auch aufgefallen ist: Digitale Plugins haben auch alle unterschiedliche Qualitäten. Bei einem kostenfreien EQ ist mir einmal aufgefallen, dass das leichte Anheben von Frequenzen bereits zu einem leicht verzerrten Sound führte. Ähnliche und sogar höhere Anhebungen mit anderen EQs waren dann aber ganz unproblematisch. Ich denke da muss man auch nochmal drauf achten.
 
Ist mir auch aufgefallen. Es gibt EQ's, also die Freewareteile, die von normalen Hobbyprogrammieren gebastelt wurden. Da werden dann die einfachsten Codeschnipsel verwendet. Die klingen dann wirklich etwas komisch. Man kann es fast wie beim Spieleprogrammieren sehen. Mann kann einen Code simpel und einfach halten, aber dafür nicht so ansprechend.

Leider bin ich nicht der Mensch, der Mathematisch alles ausrechnen kann bzw. weiß, was in den Softwareequalizern drinnen steckt. Aber auf meine Ohren konnte ich mich bisher verlassen. Vorausgesetzt, man findest das richtige Plug-In für seinen Zweck.
 
Hi,

ich klinke mich hier nochmal ein, da für mich der entscheidende Punkt noch nicht gefallen ist.

Stimmt es, dass bei digitalen Eq´s das boosten (vor allem bei hohen Frequenzen) schlechtere Ergebnisse bringt als das Absenken?

Das stimmt bei allen EQs und hat mit digital oder analog erstmal nichts zu tun. Es handelt sich viel mehr um ein psychoakustisches Phänomen. Unsere Ohren (+Hirn) sind es in der natürlichen Umgebung gewohnt mit punktuellen Frequenz-Absenkungen umzugehen. In einer realen akustischen Situation gibt es ständig Kammfilter die uns garnicht auffallen weil wir so daran gewöhnt sind, dass unser Ohr den Klang entsprechend rekonstruiert.

Deshalb sind punktuelle Absenkungen immer unauffälliger zu bewerksteligen. Eine Anhebung wird allerdings relativ schnell als künstlich empfunden. Daher kommt auch die Praxis bei Anhebungen breitbandige (unauffällige) Filter zu benutzen, bei Absenkungen eher schmalbandige.


Was eine fachliche Erklärung angeht - damit kann ich nicht dienen, aber eine analoge Verzerrung klingt auf jeden Fall anders/schöner/weicher (wie man es auch beschreiben mag, als eine digitale, da es im digitalen ja theoretisch keine Kurven, wie in einer analogen sinuskurve gibt.
Natürlich lässt sich digital eine Sinusschwingung darstellen. Es ist eine weit verbreitete Fehlkonzeption, dass digital bearbeitete Audio-Signale Stufen hätten. Im DA-Wandler befindet sich ein Tiefpassfilter der den hochfrequenten Müll der DA-Wandlung herausfiltert und so die Kurve glättet. Im Idealfall verändert sich das Signal durch eine AD/DA-Wandlung in einem großen Frequenzbereich nicht!

Natürlich gibt es wie immer Dreck-Effekte. Dieser Dreck ist bei analoger Technik eigentlich viel extremer als bei digitaler. Allerdings sind wir den analogen Dreck seit Generationen gewohnt. Außeredem bin ich der Meinung, dass sich analoge Verzerrungen deutlich besser ins Klangbild einfügen als digitaler Dreck.

Wenn man nun einen EQ wirklich färbend (dh. auffällig!) einsetzen möchte, dann möchte ich ja gerade den Dreck hören! In diesem Falle wäre es eben esthetisch ansprechend wenn es sich um analogen Dreck handelt.
 

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