Ganz ehrlich: ich würde die Finger von sowas lassen.
Es gibt ja mittlerweile Boutique-Amp-Schmieden wie Sand am Meer, um mal etwas zu übertreiben. Gerade klassische Marshall-Modelle werden von Amerika bis Australien nachgebaut und das sicherlich in vielen Fällen in exzellenter Qualität mit einem tollen Sound. Man kann also sicherlich sehr glücklich werden mit so einem Gerät, aber:
1. Ohne Vertrieb in Deutschland wird es unmöglich bleiben, in irgendeinem Laden einen anzuspielen.
2. Ohne Anspielmöglichkeit auch anderer Boutique-Amps mit ähnlichen Konzept weiß man am Ende nicht mal, ob man jetzt unter all diesen Verstärkern den für sich selbst besten gegriffen hat. Ein 4000 Dollar Boutique-Amp mag vielleicht besser klingen als ein 1000 Euro Marshall von der Stange. Aber klingt er besser als ein anderer Boutique-Amp?
3. Zum Produkpreis kommen bei einer Direktbestellung nochmal üppige Versandkosten hinzu wegen dem Gewicht und er Versicherungssumme und natürlich nochmal rund 25% Zoll.
4. Man bezahlt ein Neugerät mit theoretischer Gewährleistung, aber im Servicefall dauert die Reparatur sehr lang und kostet mitunter viel Geld, allein durch den Versand zurück in die USA (oder sonstwohin). Und durch den Versand ergibt sich ein erneutes Risiko.
Ohne Servicestelle in Deutschland nützt einem die Gewährleistung nicht viel, wenn am Ende eine Reparatur bei einem Techniker in Deutschland schneller, unkomplizierter und kaum teurer ist, weil man keine horrenden Versandgebühren bezahlt.
Für mich sind Boutique-Geschichten nur in einem lokaleren Bezug sinnvoll, wenn man z.B. wenigstens in der Werkstatt des Herstellers ein Exemplar persönlich anspielen kann bzw. dort auch zuverlässigen Service erwarten kann. Bei den finanziellen Investitionsgrößen bei Boutique-Amps ist dann vielleicht auch eine Bahnfahrt oder weitere Autofahrt nicht zu viel verlangt.
Boutique-Schmieden setzten sehr auf Endorsements ausgewählter Künstler. Das macht natürlich auch Wizard und es hat in Deinem Falle ja auch geklappt, um zumindest Dein Interesse zu wecken. Auf der Suche nach etwas besonderem lässt man sich gern von großen Namen leiten. Aber könnten die Ihren Sound nicht auch aus einem "langweiligen" Standard-Marshall oder sogar Billigamp kitzeln?
Eine andere Frage wäre, wieviel Amp von der Stange Du schon besessen bzw. angespielt hast. Die etablierten Marken bieten ja dermaßen viele Produkte und unterschiedliche Konzepte, da würde ich mir reiflich überlegen, ob man wirklich das doppelte, dreifache oder vierfache Zahlen muß um einen Amp zu haben, der vielleicht gar nicht unbedingt viel besser klingt.
Ich selber spiele unter anderem einen Laney VH100R. Kriegt man gebraucht für unter 450 Euro, ist einwandfrei verarbeitet, sehr flexibel auch mit vielen Anschlüssen und diversen Einschleifwegen ausgestattet. Soundmäßig auch das, was ich haben will, ohne, dass ich ewig viele Amps bisher gespielt hätte.
Das Ding hat auf alle Fälle aber auch Verbesserungspotential und das tolle ist bei solchen verbreiteten Verstärkern, dass es auch viele Moddings gibt. Ein versierter Fachmann kann da sicherlich noch ein paar kleine Krankheiten ausmerzen und Zerrverhalten und Sound in eine Richtung schieben, die man persönlich bevorzugt.
Damit will ich sagen: Auch "Massenware" kann man individualisieren. Dann steht halt nur weiter Marshall, Laney oder sonstwas drauf. Diese Boutique-Geschichten sind ja oft einfach ein Egoding um zu zeigen, dass man einen elitären Soundgeschmack hat und nicht irgendwer ist, weil man für seinen eigenen, unverkennbaren Sound auch was auf den Tisch zu legen bereit ist.
Das sind dann oft Leute, die sich vorher gewiss nicht eine Woche z.B. mit einem Mesa Mark V im Proberaum eingeschlossen haben um dessen Klangvielfalt auch in Verbindung mit unterschiedlichen Boxen oder Gitarren zu erforschen.
Eine andere Geschichte ist, dass ein bestimmter Sound auch einfach langweilig werden kann. Man also gar nicht nach etwas besserem plötzlich sucht, sondern nach etwas anderem. Und dann sitzt man plötzlich totunglücklich mit einem 4000 Dollar-Amp im Proberaum, den man im dümmsten Fall für einen Spottpreis abdrücken muß, damit man ihn losbekommt, weil die Marke kein Mensch kennt...
